Am 19. November fand in Göttingen in der Paulinerkirche die Urheberrechtstagung statt. Wie bereits die Jahre davor wurde die Tagung auch dieses Jahr wieder von Prof. Dr. Gerald Spindler und Prof. Dr. Andreas Wiebe, LL.M. veranstaltet und moderiert. Telemedicus war mit Sebastian Golla, Fritz Pieper und Sebastian Telle vertreten. Auf der Agenda standen unter anderem das Presseleistungsschutzrecht, ACTA und Rechteketten. Was war spannend und was blieb hängen? Ein Bericht.
Gleich zu Anfang lieferte Dr. Lucie Guibault vom Projekt OpenAirePlus der Universität Amsterdam einen interessanten Vortrag dazu, wie Forschungsergebnisse unter Open-Access veröffentlich werden könnten. Im Anschluss ergab sich eine rege Diskussion darüber, ob tatsächlich eine gesetzliche Pflicht bestehen sollte, Forschungsdaten zu veröffentlichen. Einge Teilnehmer bezweifelten, ob eine solche Lösung nicht vielmehr wirtschaftliche Interessen hinter Forschungsprojekten gefährde. So könnten Investoren abgeschreckt werden. Weiterhin bestünde bei vielen Projekten das Problem, dass sie mit besonderen Geheimhaltungspflichten einhergehen. Diesbezüglich wandte Frau Guibault ein, dass im Zweifelsfall Datenschutz Vorrang hätte.
Droht das Ende des freien Internet?
In dem nächsten Tagespunkt standen sich als Redner Herr Prof. Dr. Malte Stieper von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Dr. Ole Jani von CMS Hasche Sigle als Redner gegenüber. Beide stimmten grundsätzlich darin überein, dass das Gesetz handwerklich eher suboptimal gelungen sei. Prof. Stieper betonte dabei jedoch, dass es nicht mehr eine Frage des Ob, sondern des Wie der Umsetzung des Presseleistungsschutzrechts sei. Die Fragen hierbei seien zum Einen, wie das neue Recht durchgesetzt werden könnte und zum Anderen, wie eventuelle Widersprüche zwischen Urhebern und Verlagen aufgelöst werden könnten. Der Regierungsentwurf weise dabei teils dogmatische Mängel auf. So solle das Presseleistungsschutzrecht nicht im Gegensatz zu schon bestehenden Schranken ausgeübt werden können. Dies sei allerdings deshalb nicht möglich, weil Suchmaschinenbetreiber sich schon auf auf keine Schranke berufen könnten.
Herr Dr. Jani setzte nach einem kurzen „Netzpolitiker-Bashing” das Statement, der jetzige Entwurf ginge nicht weit genug. Die jetzige Version beziehe sich zu einseitig auf Suchmaschinenbetreiber und solle vielmehr auf sämtliche gewerbliche Anbieter ausgedehnt werden. Außerdem sollte die Vergütung der Urheber an die Ausschüttungen angekoppelt werden, um diese auch entsprechend beteiligen zu können. Dadurch könne auch der Widerspruch zwischen Urhebern und Verlagen beseitigt werden.
Der nächste Vortrag kam von Prof. Dr. Axel Metzger, LL.M. von der Leibnitz Universität Hannover und befasste sich damit, inwiefern das geltende Urheberrechtssystem noch als legitim angesehen wird. Mittlerweile sei ein enormes Potenzial von Fundamentalkritik am intellektuellen Eigentum gezüchtet worden. Am deutlichsten sei dieses an den massiven Protesten gegen ACTA zu sehen gewesen. In der letzten Zeit sei das Verhältnis zwischen Urheberindustrie und Nutzern vor allem durch Konfrontation bestimmt. Insbesondere bei massenhaften Abmahnungen – „Jeder Abgemahnte ballt die Faust in der Tasche!” Metzger wies auf die immer mehr schwindende Akzeptanz für diese Situation hin. Die meisten wüssten, dass sie gegen das Urheberrecht verstößen, würden dieses jedoch an sich bereits für nicht legitim halten. Deshalb schlug er vor, das Urheberrecht dem Nutzerverhalten anzupassen – ähnlich wie bei der Legalisierung der Privatkopie im Jahre 1965.
In der anschließenden Diskussion wurde auch die „Kulturflatrate” als Lösungsmöglichkeit ins Spiel gebracht. Ferner schlug ein Tagungsteilnehmer vor, die Schranken im Urheberrecht mehr zu flexibilisieren und unbestimmte Rechtsbegriffe einzubauen. Diese könnten dann von der Rechtsprechung ausgefüllt werden, sodass eine Entwicklung auf diesem Wege stattfinden könnte. Metzger hingegen betonte, dass die Regelungspflicht beim Gesetzgeber liege.
Brauchen wir darüber hinaus eine allgemeine Wissenschaftsschranke?
In der folgenden Podiumsdiskussion stritten der eLearning-Koordinator der Georg-August-Universität Göttingen Dr. Dirk Lanwert, Matthias Ulmer vom Verlag Eugen Ulmer, Prof. Dr. Axel Metzger, LL.M. sowie Dr. Ole Jani über das Bedürfnis für eine allgemeine Wissenschaftsschranke. Dr. Lanwert sah das Problem bereits darin, dass die geltende Regelung ausschließlich das Ansehen der Werke ermögliche. Deshalb sollte am besten eine gesetzliche Ausnahmeregelung geschaffen werden. Dr. Jani dagegen sprach sich für eine Öffnung der Schranken durch die Rechtsprechung aus. Aus dem Publikum kam anschließend der Vorschlag, eine Fair-Use-Lösung einzuführen.
Vertrauensschutz oder Rechterückfall: Standortbestimmung nach BGH Reifen Progressiv, M2Trade und Take Five
Ein gleichermaßen spannendes wie kompliziertes Thema behandelte Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M. von der Anwaltssozietät Boehmert & Boehmert: Was passiert mit einem einfachen Nutzungsrecht, das sich von einem ausschließlich Nutzungsrecht ableitet und später wegfällt? Dieses veranschaulichte er sehr gut anhand von drei BGH-Entscheidungen, die sich mit der Frage zu befassen hatten. Bei „Reifen Progressiv” ging es um eine Unterlizenz, die gegen eine einmalige Lizenzgebühr vom Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts eingeräumt wurde. Diese wurde später vom Urheber wegen Nichtausübung nach § 41 UrhG zurückgerufen. Bei „Take Five” und „M2Trade” geschah die Einräumung des einfachen Nutzungsrechts gegen eine sukzessive Erlösbeteiligung. Die jeweils zugrunde liegenden ausschließlichen Nutzungsrechte erloschen im ersten Fall durch Vergleich, im zweiten durch Kündigung.
Im Folgenden stellte Nordemann die wesentlichen Erwägungen des BGH dar. Grundsätzlich gebe es im Urheberrecht kein Abstraktionsprinzip. Bei einfachen Unterlizenzen finde aber in diesem Fall eine Interessensabwägung statt. Demnach solle diese bestehen bleiben, wenn sie bereits vollständig abbezahlt ist. Bei fortlaufenden Lizenzgebühren gelte dies genauso, der Urheber solle aber gegenüber dem früheren Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts einen bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 812 I 1 2. Alt. BGB auf Herausgabe des Erlöses haben. Dies gelte ebenso auf Lizenzen an gewerblichen Schutzrechten.
Für den Urheber gebe es mehrere Möglichkeiten, den Sukzessionsschutz auszuschließen: Als erstes könnte ein vertragliches Verbot der Sublizensierung in Betracht kommen. Da es keinen gutgläubigen Urheberrechtserwerb gebe, könne auch niemand ein einfaches Nutzungsrecht erlangen. Weiterhin könnte die Rechteeinräumung auch unter einer auflösenden Bedingung erfolgen. Hierbei sei bloß problematisch, ob die Nutzungsrechte dann noch insolvenzfest sind. Als letztes schlug Nordemann eine rein schuldrechtliche Ausgestaltung ohne „verdinglichten ”Sukzessionsschutz vor.
In der anschließenden Diskussion betonte Nordemann, dass ein gutgläubiger Erwerb von Immaterialgütern nicht in Betracht kommen kann. Die BGH-Entscheidungen handelten nur von einem wirtschaftlichen Vertrauensschutz, wenn jemand investiert hat, um die Nutzungsrechte eingeräumt zu bekommen.
Auf der Veranstaltung stachen besonders die Vorträge von Prof. Metzger und Prof. Nordemann hervor. Ersterer konnte prägnant die Probleme bei der eigentlichen Legitimität des geltenden Urheberrechtssystems darstellen – Letzterer dagegen, wie es doch noch angewandt und umgesetzt wird. Kritisch bleibt anzumerken, dass die anschließenden Zuschauerdiskussionen teilweise etwas aus dem Rahmen liefen. Insbesondere die Podiumsdiskussion zum eLearning war deshalb streckenweise langatmig. Vor allem aber die beiden Moderatoren konnten immer wieder Spannung in die Tagung bringen und mit kreativen Beiträgen das Gespräch lenken.
Disclosure: Wir haben für die Veranstaltung bei Telemedicus Werbung geschaltet und unsere Autoren konnten kostenlos teilnehmen. Dieser Artikel ist aber nicht Teil der Abmachung.