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Rechtliche Risiken beim Tausch von Prepaid-Handykarten

Als Reaktion auf die Vorratsdatenspeicherung bietet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine Tauschbörse für Prepaid-Handykarten an. Wer eine freigeschaltete SIM-Karte an den Arbeitskreis schickt, bekommt eine zufällige Karte eines anderen Einsenders zurück. Der Effekt: Trotz Vorratsdatenspeicherung kann über den Mobilfunkbetreiber nicht ermittelt werden, wer die entsprechende SIM-Karte benutzt hat.

SIM-Karten dienen zur Identifizierung eines Anschlusses innerhalb eines Mobilfunknetzes. Auf der Karte ist u.a. auch die Telefonnummer gespeichert. Wer also eine fremde SIM-Karte nutzt, bekommt eine neue Telefonnummer, die auf den ursprünglichen Besitzer eingetragen ist. Und telefoniert damit völlig anonym.

Allerdings ist der Tausch von SIM-Karten rechtlich bedenklich. Denn wer seine SIM-Karte einem Fremden überlässt, kann nicht nur Ärger mit seinem Mobilfunkanbieter bekommen, sondern auch für Rechtsverletzungen haften, die der neue Besitzer der SIM-Karte begangen hat.
Der Mobilfunkvertrag

Auch wenn man umgangssprachlich zwischen Prepaid- und Vertragskunden im Mobilfunkbereich spricht, kommt auch beim Prepaid-Modell ein Vertrag zwischen Kunde und Mobilfunkanbieter zustande. Üblicherweise sieht dieser Vertrag Pflichten des Kunden im Hinblick auf den Umgang mit der SIM-Karte vor.

So heißt es etwa in den AGB zum Prepaid-Vertrag von Eplus:

„Die Übertragung der Prepaid Card auf einen Dritten ist nur dann zulässig, wenn sich der Dritte gegenüber EPS durch ein amtliches Ausweisdokument mit Adressangabe (Personalauswe oder Reisepaß mit Meldebescheinigung) legitimiert und eine schriftliche Übernahmeerklärung abgibt.“

Wer also seine Prepaid-Karte von Eplus eintauscht, handelt vertragswidrig. Vorausgesetzt, dass sich der neue Besitzer nicht bei Eplus legitimiert, allerdings widerspräche das dem Sinn des Tausches.

Doch was bedeutet das konkret? Unmittelbar hätte ein Tausch der Prepaid-Karte wohl keine Auswirkungen. Denn von dem Tausch bekommt der Mobilfunkbetreiber zunächst nichts mit. Konsequenzen dürften erst dann eintreten, wenn es zum Missbrauch der SIM-Karte kommt. In diesem Fall könnte der Mobilfunkanbieter nicht nur die Karte sperren, sondern auch Schadensersatz vom Inhaber der SIM-Karte verlangen. Voraussetzung dafür wäre natürlich, dass überhaupt ein Schaden entstanden ist. Das Risiko hält sich zwar bei Prepaid-Tarifen zunächst in Grenzen. Dennoch ist das Risiko nicht zu unterschätzen.

Außerdem sehen manche Mobilfunkanbieter in ihren AGB Vertragsstrafen vor. Bei Eplus etwa für den Fall, dass die SIM-Karte zu gewerblichen Zwecken missbraucht wird (z.B. zur Zusammenschaltung von Telefonanlagen mit dem Eplus-Netz oder für Mehrwertdienste). Der Inhaber der SIM-Karte geht als Vertragspartner, das Risiko ein, dafür in Anspruch genommen zu werden. Ob die Vertragsstrafe auch dann zu zahlen ist, wenn der Kunde die Vertragsverletzung gar nicht selbst begangen hat, ist zwar umstritten, ein langwieriger, teurer Rechtsstreit könnte dennoch die Folge sein.

Störerhaftung?

Und auch für andere Rechtsverletzungen kann der Inhaber der SIM-Karte belangt werden. Etwa wenn über seine Prepaid-Karte Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Zugegeben: Es gibt effizientere Wege, Musik aus dem Internet zu laden, als mit einer Internetverbindung über das Handy. Dennoch ist es in Zeiten von UMTS und dem noch schnelleren HSDPA nicht ausgeschlossen.

Werden also über die getauschte Prepaid-Karte Raubkopien aus dem Internet geladen oder auch beleidigende Inhalte veröffentlicht, stellt sich nicht etwa die Frage, ob der Karteninhaber dafür in Anspruch genommen werden kann, sondern nur in welchem Umfang.

In jedem Fall haftet der Inhaber der Karte nämlich als Störer. „Störer“ ist jeder, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – adäquat-kausal an einer Rechtsverletzung mitgewirkt hat. Und das dürfte der Fall sein, wenn jemand seine SIM-Karte einfach so eintauscht, ohne den neuen Besitzer überhaupt zu kennen. Die Konsequenz: Der Karteininhaber kann auf Unterlassung in Anspruch genommen, also abgemahnt oder schlimmstenfalls verklagt werden.

Schadensersatz muss er als Störer nicht leisten – jedoch als „Mittäter“ oder „Gehilfe“.

Mittäter, Gehilfe und strafrechtliche Verantwortung?

Und es kommt noch schlimmer: Als Mittäter oder Gehilfe kann der Inhaber sogar strafrechtlich belangt werden. Es geht also nicht nur um Geld, sondern unter Umständen um die eigene Freiheit. Was also, wenn mit Hilfe der getauschten SIM-Karte eine Bombe gezündet oder ein Anschlag geplant wird?

Zumindest eine Mittäterschaft lässt sich recht schnell ausschließen. „Mittäter“ kann nämlich nur sein, wer einen erheblichen Einfluss auf die Tat hat. Außerdem müssen die Beteiligten einen gemeinsamen Tatentschluss haben und bewusst und gewollt zusammenwirken. Das ist hier alles nicht der Fall.

Bei der „Beihilfe“ wird es schon komplizierter. Denn als Gehilfe kann man sich auch dann strafbar machen, wenn man überhaupt keinen Einfluss auf die eigentliche Tat hat.

Maßgeblich ist, dass der Gehilfe zur eigentlichen Tat „Hilfe geleistet“ hat. Schon hier wird es schwammig: Denn es ist umstritten was genau unter dieser „Hilfeleistung“ zu verstehen ist. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Gehilfe die Tat nur in irgendeiner Weise gefördert haben muss. Das kann beim SIM-Karten-Tausch durchaus der Fall sein: Wenn mit Hilfe der SIM-Karte eine Straftatbegangen wird, dann hat sie der Inhaber dadurch gefördert, dass er die SIM-Karte überhaupt erst zur Verfügung gestellt und die Möglichkeit zur anonymen Kommunikation gegeben hat.

Unabhängig davon muss der potentielle Gehilfe jedoch die Tat „in Grundzügen vor Augen“ haben. Das bedeutet nicht, dass er über die Tat genau bescheid wissen muss. Er muss vielmehr eine konkrete Vorstellung davon haben, was passieren kann. Wie konkret seine Vorstellung aber sein muss, ist auch hier umstritten. Der Jurist sagt, er muss „den wesentlichen Unrechtsgehalt“ der Tat erfasst haben.

Welche Vorstellung von einer eventuellen Straftat hat also jemand, der seine Prepaid-Karte tauscht? Die Vorratsdatenspeicherung hat viele Menschen verunsichert. Die größte Verfassungsbeschwerde der Geschichte Deutschlands zeigt, dass die Sorge um die eigenen Kommunikationsdaten nicht nur ein Nischenphänomen ist. Dementsprechend dürfte der ganz überwiegende Teil der Nutzer solcher Tauschbörsen davon ausgehen, dass er seine SIM-Karte mit Gleichgesinnten tauscht – und nicht mit Straftätern. Von einer auch nur annähernd konkreten Vorstellung einer Straftat kann wohl keine Rede sein.

Das ist jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss. Andere Ansichten werden durchaus vertreten. Letztendlich werden also die Gerichte entscheiden müssen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass jemals jemand für den Handykarten-Tausch verurteilt wird. Aber auszuschließen ist das Risiko nicht.

Nachtrag:

Der AK-Vorratsdatenspeicherung hat die Aktion mittlerweile vorübergehend eingestellt.

, Telemedicus v. 17.01.2008, https://tlmd.in/a/596

Ein Gedanke zu “Rechtliche Risiken beim Tausch von Prepaid-Handykarten”

  1. Almut Hamm sagt:

    Hallo, mir haben die Ausführungen sehr geholfen. Allerdings kommt meine Fragestellung aus einer ganz anderen Richtung. Ich überlege mir, als rechtliche Betreuerin für einen Klienten auf meinen Namen einen Prepaid-Vertrag zu machen, da dieser noch keinen Ausweis hat. Ich möchte nicht warten, da ich den Klienten möglichst bald auch telefonisch erreichen möchte. Er möchte ein Smartphone, um sich auch APPs herunterladen zu können. Das scheint für mich zunächst einmal ungefährlich. Ein anderer positiver Effekt: Ein andere Klient hatte von seinem Telefon (auch Prpaid-Vertrag über mich) einen Hilferuf abgesetzt. Die Polizei hat bei mir angerufen und ich konnte dann nachsehen, ob Alles o.k. ist, was so war.

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