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Zukunftsforum: Quo vadis Urheberrecht?

Das Urheberrecht ist ein Mammutprojekt. Wen und was man hier nicht alles unter einen Hut bringen muss: Urheber, Verlage, Verwertungsgesellschaften, Nutzer, IT-Branche, die sogenannte Allmende. Eine Problematik, die auch für das Zukunftsforum Urheberrecht galt: Die Konferenz ging letzte Woche der Frage nach, was ein modernes Urheberrecht leisten muss. Dazu lud das Bundesjustizministerium Größen aus der Kreativbranche zu einem Diskurs ein. Telemedicus war vor Ort. Resümee und Gedanken zum Zukunftsforum.

Die Diskussionspanels

Das erste Diskussionspanel ging der Frage nach, wofür Kunden zukünftig bezahlen. Neue Geschäftsmodelle werden durch schleppende Verhandlungen gebremst, konstatierte Bitkom-Chef Thomas Mosch: Zwischen Bitkom und GEMA etwa vergingen Jahre bis zur Einigung um Streaming-Tarife. Spotify Deutschland-Chef Stefan Zilch sah auch die Industrie in der Pflicht: Je länger die wartet, desto teurer werde es, die Kunden zurück in die Legalität zu gewinnen. „Glückliche Kunden kaufen auch”, brachte es Heise-Justitiar Joerg Heidrich auf den Punkt. Ein verschärftes Urheberrecht lehnte er ab.

„Das Warnmodell haben wir schon!”

Das zweite Panel stand unter dem Titel „Schutz des geistigen Eigentums – eine Frage der Rechtsdurchsetzung?” Hier fehlten die Vertreter der Musikindustrie und Verlagslobby. Diese hatten schon im Vorfeld der Veranstaltung abgesagt: Der Börsenverein des deutschen Buchhandels, die GVU und der Bundesverband der Musikindustrie schimpften, das Zukunftsforum sei eine Alibiveranstaltung und erschienen deshalb nicht.

Die Gegnerseite war dafür durchaus vertreten. Rechtsanwalt Christian Solmecke gab die These aus: „Das Warnmodell haben wir schon – gleich morgen können alle Abmahnungen die Überschrift „Warnung“ tragen und die Gebühr weglassen!” Den Ruf nach dem Gesetzgeber bezeichnete er deshalb als scheinheilig. Es sei heuchlerisch, ein vollautomatisiertes Verfahren zu fordern, denn ein solches sei schon Realität. Das fand Zuspruch im Publikum und brachte ihm im Folgenden den Titel „Sascha Lobo der Juristen” ein. Solmecke monierte außerdem die Beweislastumkehr in Filesharing-Prozessen: Es sei praktisch unmöglich, sich aus der Abmahnschlinge zu befreien – und das in teilweise schlampig geführten Massenverfahren. Der fliegende Gerichtsstand gehört nach Solmeckes Meinung außerdem abgeschafft. Damit wäre dem „Abmahnwahn” Einhalt geboten.

Komponist Micki Meuser machte sich für ein Warnmodell stark und fühlte sich vom Justizministerium im Stich gelassen. Meuser machte aber auch klar: Als Komponist wolle er keine schneidigen Abmahnungen, sondern ein sanfteres Modell. Meuser legte den Finger in die Wunde: „Wir kreieren, Anwälte verdienen!” Die großen Player im Netz hätten außerdem die vermeintliche Freiheit des Internets „ad absurdum geführt” hätten, so Meuser.

Wirklich ein Zukunftsforum?

Matthias Spielkamp von irights.info plädierte für Fair Use im Urheberrecht. Außerdem regte er an, Bildungseinrichtungen und überhaupt solche Institutionen zu privilegieren, die einen gesellschaftlichen Auftrag haben. GEMA-Syndikus Alexander Wolf waren dagegen die großen Plattformbetreiber wichtig – auch er äußerte sich gegen die gängige Abmahn-Praxis.

Der Titel der Veranstaltung konnte jedoch nicht so recht halten, was er versprach – und das zeigte sich vor allem am dritten Diskussionspanel: Ein Zukunftsforum sollte in die Ferne schweifen, frei von Denkverboten sein: Man hätte auch ein fiktives Urheberrechtsmodell in den Raum stellen und diskutieren können. Rein hypothetisch und aufs große Ganze bezogen – etwa die Kulturflatrate. Stattdessen waren die Gespräche (abgesehen von Spielkamps Fair-Use-Vorschlag) meist dem Status quo und Detailaspekten verhaftet. Ein europäisch vollharmonisiertes Urheberrecht wurde nur kurz als Begriff in den Raum geworfen, aber nicht diskutiert – schade.

Kein 3. Korb

Es war insofern wenig überraschend, als sich gegen Ende der Veranstaltung auch das Justizministerium selbst von dem Versuch verabschiedete, einen großen Wurf zu machen: Am Ende der Veranstaltung stellte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dar, der lang erwartete Dritte Korb werde höchstens körbchenweise kommen. Konkrete Punkte auf ihrer Agenda:

• ein Gesetzentwurf gegen das „überzogene Abmahnwesen”;
• die technologieneutrale Kabelweitersendung;
• eine Regelung zu verwaisten Werken (hier kam ihr Europa zuvor);
• Warnhinweise wird es nicht geben – dabei bleibt es.

Alibiveranstaltung oder notwendiger demokratischer Prozess?

Zum Prozess der Rechtsfindung und Meinungsbildung gehören Diskurs und Dialog – insofern kann von einer Alibiveranstaltung keine Rede sein. Denn wenn eine Behörde ein Potpourri an Interessen und Anliegen zusammenkommen lässt, sollte man das nicht von vorn herein schwarzmalen. Davon lebt schließlich die Demokratie. Boykotte nutzen da nicht; sie entlarven höchstens die Hybris der Beteiligten.

Jeder Schritt bewegt die Gemüter

Wie man es dreht und wendet: Jede Reform und jedes Reförmchen des Urheberrechts wird Empörte auf den Plan rufen. Ob verschärft oder dereguliert wird, das Konfliktpotential lässt sich nicht im Zaum halten. Den „großen Wurf” im Urheberrecht kann es nicht geben, da hat die Ministerin Recht. Quantensprünge sind in der Rechtsentwicklung kein probates Mittel, denn langsam und bedacht schreitet das Recht fort. Dennoch: In der laufenden Legislaturperiode hätte mehr passieren können und müssen.

Der Ball liegt beim BMJ

Einig waren sich alle Teilnehmer jedenfalls in einem Punkt: Das Urheberrecht muss weiterentwickelt werden. Nur wie, das war die große Frage. Was soll ein modernes Urheberrechtsgesetz leisten? Das Völker- und Europarecht steckt bekanntlich den Rahmen ab. WIPO, EU und Konsorten geben die Richtung vor – insofern kann diese Frage ohnehin nicht der deutsche Gesetzgeber beantworten.

An einigen Stellschrauben kann er allerdings drehen; und auch Feintuning kann das Recht voranbringen. Immerhin ließen beinahe alle Beteiligten ihre Abneigung gegenüber der gängigen Abmahnpraxis erkennen. Auch im Rahmen des geltenden Europarechts kann der deutsche Gesetzgeber korrigierend eingreifen. Solche Maßnahmen sind es, die dem Urheberrecht einen Mehrwert verschaffen – und den braucht es dringend. In der Tat muss hier das Justizministerium handeln. Das ist – man kann es nicht oft genug sagen – dringender als Partikularinteressen, etwa der Presseverlage. Jetzt ist das BMJ am Zug, das Angekündigte wahrzumachen. Oder wie Fred Breinersdorfer es formulierte: „Das Gaspedal ist vorne rechts.”

Zum aktuellen Stand des 3. Korbs auf Telemedicus.
Videoaufzeichnung der Veranstaltung und aller Panels bei bmj.de.

, Telemedicus v. 24.09.2012, https://tlmd.in/a/2425

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