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Zitate der Legislaturperiode

In der letzten Legislaturperiode ist unüberschaubar viel gesprochen und geschrieben worden. Um die letzten Stunden bis zur Bundestagswahl zu überbrücken, haben wir einige der griffigsten medienpolitischen Zitate der letzten vier Jahre zum Schmunzeln, Informieren und Aufregen in einer Übersicht zusammengestellt. Über Ergänzungen freuen wir uns natürlich immer.
Edmund Stoiber (CSU) beim „Glaubensgipfel” im Juni 2006:

„Im deutschen Fernsehen gibt es nur noch kaputte Familien. Außer den Simpsons gibt es keine normale Familie mehr im TV.”

Günther Beckstein (CSU), im November 2006 (zitiert nach Bericht der Netzeitung):

„Killerspiele sollten bei der Strafbewährung in der Größenordnung von Kinderpornografie eingeordnet werden, damit es spürbare Strafen gibt.”

Jörg Tauss (damals SPD, heute Piratenpartei), Rede vor dem Deutschen Bundestag, 29. März 2007:

„Datenschutz ist kein lästiges Anhängsel, er ist keine überflüssige Bürokratie, er ist Voraussetzung dafür, dass auch in der Informationsgesellschaft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchgesetzt werden kann.”

Wolfgang Schäuble (CDU), Stern, 7. Mai 2007:

„Die Debatte um die informationelle Selbstbestimmung stammt aus der Zeit der Volkszählung vor zwanzig Jahren. Heute würde doch jeder zugeben, dass die Befürchtungen von damals hysterische Übertreibungen waren.”

Guido Westerwelle (FDP), ARD-Kinderreporter im Juni 2007:

„Der Computer ist für mich eher so ein ganz einfaches Instrument. Wie ein Hammer oder ein Nagel.”

Hans-Christian Ströbele (Grüne), ARD-Kinderreporter im Juni 2007:

„Ins Internet bin ich, glaube ich, ein oder zwei Mal bisher gegangen.”

Brigitte Zypries (SPD), ARD-Kinderreporter im Juni 2007:

„«Browser»…was sind denn jetzt nochmal «Browser»?”

Sigmar Gabriel (SPD), Stern vom 9. August 2007:

„Herr Schäuble will ja am liebsten die Schlafzimmer der Bürger überwachen. Ich finde, wir sollten dann mit den Leitwarten der Atomkraftwerke anfangen.”

Wolfgang Schäuble (CDU), Justizpressekonferenz am 7. November 2007 in Karlsruhe:

„Die globale Informationsgesellschaft ist eben auch die Basis des Verbrechens.”

Brigitte Zypries (SPD), Deutschlandradio vom 9. November 2007:

„Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert.”

Dieter Wiefelspütz (SPD) bei abgeordnetenwatch.de am 11. November 2007:

„Vorratsdatenspeicherung hat mit Terrorismusbekämpfung relativ wenig zu tun. Ich wäre für die Vorratsdatenspeicherung auch dann, wenn es überhaupt keinen Terrorismus gäbe.”

Angela Merkel (CDU) in ihrem Podcast vom 26. April 2008:

„Bestimmte Dinge können wir national alleine nicht lösen. Deshalb müssen wir dies im internationalen Rahmen machen, denn das Herunterladen von Computern ist eine Sache, vor der nationale Grenzen nicht schützen können.”

Hans-Peter Uhl (CSU), FOCUS am 1. September 2008 zur Sperrung von Inhalten im Internet:

„Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.”

Dieter Wiefelspütz (SPD), abgeordnetenwatch.de am 15. November 2008:

„Die Online-Durchsuchung ist in Deutschland kein technisches, sondern ein verfassungsrechtliches Problem. Soll ich Sie an die Hand nehmen und Ihnen zeigen, wie die Online-Durchsuchung in den USA, in Israel, in China und in Rußland technisch überaus erfolgreich angewendet wird?”

Wolfgang Schäuble (CDU), FAZ vom 11. März 2009:

„In der Tat muss man sich fragen, wie weit das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung gehen kann. Ich habe zum Beispiel verfassungsrechtliche Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftaten man welches Instrument gesetzlich vorsehen kann oder nicht. In der einstweiligen Anordnung zur Vorratsdatenspeicherung hat es das getan. Es ist doch Sache des Gesetzgebers, zu sagen: Für diese Straftat kann ich dieses Instrument einsetzen – für jene nicht.”

Joachim Herrmann (CSU), ZEIT vom 16.3.2009:

„Ich kann von einem Kinobetreiber erwarten, dass er tatsächlich nur 18-Jährige ins Kino lässt. Wenn es aber um Computerspiele geht, ist das anders. Wenn ein 18-Jähriger ein Spiel in der Hand hat, gibt er es am nächsten Tag an 17-, 16- und 15-Jährige weiter. Ich glaube nicht, dass es in unserer freiheitlichen Gesellschaft einen Anspruch auf solche Computerspiele gibt.”

Hans-Peter Uhl (CSU), abgeordnetenwatch.de, 17. April 2009 (für seinen „unnötig polemischen Ton” folgte später eine Entschuldigung.):

„Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein „unzensiertes Internet“ verteidigen etc. – vgl. www.ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.”

Ursula von der Leyen (CDU) auf Radio eins am 24. April 2009 zu Leuten, die in der Lage sind, Netzsperren zu umgehen:

„Wir wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört, kann eigentlich sich selber fragen, wen kenne ich, der Sperren im Internet aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Pädokriminelle. Die bewegen sich in ganz anderen Foren. Die sind versierte Internetnutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft. ”

Wolfgang Wieland (Grüne), Erste Beratung zum Zugangserschwerungsgesetz, 6. Mai 2009:

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das Internet ist aber auch kein bürgerrechtsfreier Raum.”

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Tagesschau am 8. Mai 2009:

„Das macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornografischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.”

Dieter Wiefelspütz (SPD), abgeordnetenwatch.de am 9. Mai 2009:

„Was soll denn ein „Computer“ sein, was soll „Internet“ sein?

Ich habe diese Begriffe noch nie gehört oder gelesen. Ich stamme nämlich aus dem vergangenen Jahrtausend.

DNS, TLD, GAGA, GOGO, TRALAFITTI oder was?”

Kristina Köhler (CDU) auf Antwort vom 9. Mai 2009 ihrer Webseite:

„Wenn etwa der Chaos Computer Club, die „galaktische Vereinigung ohne feste Strukturen“, heute Behauptungen aufstellt wie: „Die Strafverfolgungsbehörden könnten die Anbieter und Produzenten zwar effektiv verfolgen, tun es aber nicht“, dann kann ich ganz ehrlich nur noch raten, ab und zu mal wieder frische Luft ins Zimmer zu lassen.”

Andreas Popp (Piratenpartei) bei Spiegel-Online am 10. Juni 2009:

„Niemand ist paranoid, nur weil er für seine Freiheit kämpft. Viele sind eher gebrannte Kinder. Vor zwei Jahren, als ich jemandem sagte, die Regierung wird noch anfangen, das Internet zu zensieren, wurde ich ausgelacht. Heute stehen wir nur noch fünf Zentimeter vor dem Abgrund.”

Jörg Tauss (Piratenpartei) auf abgeordnetenwatch.de am 23. Juni 2009:

„Kein (SPD-) MdB kaeme z.B. auf die Idee, zum Gespraech auf einen Bauernhof zu fahren, ohne sich vorher etwas ueber die Milchquote oder dergl. anzulesen oder wenigstens aufschreiben zu lassen. Unter „Internet“ koennen sich aber eben viele immer noch weniger vorstellen als unter einer Kuh.”

Andreas Pinkwart (FDP), Grußwort zum medienforum.nrw, 14. Juni 2009:

„Nehmen wir das Beispiel Twitter: Wenn Oppositionelle im Iran per Twitter auf Ihre Lage aufmerksam machen, dann sieht man, was für ein enormes Demokratisierungspotenzial in diesem neuen Instrument steckt. Es zeigt, dass Nachrichtensperren totalitären Regierungen es nicht mehr schaffen, der Welt Eindrücke und Bilder von dem vorzuenthalten, was sich auf den Straßen der Hauptstadt tut. Das ist die intelligente Nutzung von Twitter. Die weniger intelligente sind dann Updates über Parteifreunde, die sich neue Schuhe kaufen oder die Deo-Marke wechseln. Das sind eher Beiträge zur Banalisierung und Trivialisierung der politischen Kommunikation.”

Hans-Joachim Otto (FDP), FDP-Pressemeldung im Juli 2009 zur Idee der Kulturflatrate:

„Das wäre der Einstieg in den Kultur-Sozialismus.”

Matthias Güldner (Grüne), WELT-Debatte am 26. Juli 2009:

„Die Tatsache, dass diese Community viel Zeit in virtuellen Räumen verbringt, spielt dabei eine große Rolle. Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert.”

Angela Merkel (CDU) im „Kanzlerchek” (NJOY-Radio, 2009) zur Piratenpartei:

„Die Partei verstehe ich in ihren Inhalten oft nicht, aber diejenigen, die sich für diese Partei interessieren, nehme ich schon sehr ernst.”

Ursula von der Leyen (CDU), Hamburger Abendblatt vom 2. August 2009:

„Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann.”

Brigitte Zypries (SPD), Interview mit der taz vom 10. September 2009 auf die Frage, warum jemand die Piratenpartei wählt:

„Das ist mir schleierhaft. Ich bin wirklich die Letzte, die die Bedeutung der Informationsfreiheit gering schätzt, aber ich finde es schon sehr dürftig, wenn sich das Programm einer Partei, die für den Bundestag kandidiert, im Wesentlichen auf dieses Thema beschränkt.”

Wolfgang Schäuble (CDU), Interview mit welt.de am 12. September 2009:

„Im Gegensatz zu den emotionalen bis aggressiven Debatten früherer Jahrzehnte erlebe ich den Wahlkampf als sehr gemäßigt. Die jungen Leute twittern ein bisschen oder posten auf Facebook. Und auch die paar Kollegen aus der Fraktion der SPD, die manchmal die Grundregeln von Anstand und Fairness verletzt haben, vermag ich auszuhalten.”

Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der ZDF-Sendung „Erst fragen, dann wählen” im September 2009:

„Wir sind erst dabei, uns daran zu gewöhnen, dass dieses «Internet» wohl auch Verkehrsregeln braucht.”

Guido Westerwelle (FDP), Interview in der meinVZ-Wahlzentrale, September 2009:

„[…] die Piratenpartei kann man ja wählen, aber die Stimme ist natürlich dann im Gulli. Wer die Piratenpartei wählt, sorgt nur dafür, dass die Stimme verloren ist.”

Ergänzungen:

Brigitte Zypries (SPD), Interview mit der WELT vom 19. Juli 2009 (danke an Klaus G. für den Hinweis per E-Mail):

„Schon in meiner Jugend war das Mitschneiden von Musik aus dem Radio üblich, damals auf Tonbändern oder Kassetten. Es gibt also eine gewisse Tradition zu glauben: Man darf das. Ähnlich ist es beim Kopieren von Büchern. Es ist weder der Industrie noch der Politik gänzlich geglückt, die Botschaft zu vermitteln: Man darf das eben nicht.”

  • Adrian Schneider

    Adrian Schneider ist Mitbegründer, Vorstand und Hausnerd von Telemedicus sowie Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Köln.

, Telemedicus v. 26.09.2009, https://tlmd.in/a/1509

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