Dieser Artikel ist Teil der Artikelreihe „Künstliche Intelligenz”.
Künstliche Intelligenz (KI) wird häufig mit sehr futuristischen Anwendungen wie Robotern oder selbstfahrenden Autos assoziiert. Dabei steckt die KI-Technologie dieser Anwendungsfälle noch in den Kinderschuhen. Im Gegensatz dazu stoßen wir in unserem Alltag bereits häufiger auf KI als wir vielleicht denken, beispielsweise wenn wir bei Google Maps den schnellsten Weg suchen, mit Freunden kommunizieren oder Online-Einkäufe tätigen. Warum aber investieren Facebook, Google und Co. Milliarden in die Weiterentwicklung solcher Technologien?
Allgemein gesagt, kann KI aus einer Vielzahl von scheinbar ungleichen Datenquellen verborgene Muster erkennen und automatisiert Entscheidungen treffen, ohne vorher explizit dafür programmiert worden zu sein. Das eröffnet einer Vielzahl von Branchen das Potential von Effizienzgewinnen und neue Ertragsmöglichkeiten. Ausschlaggebender Faktor dafür sind zum einen die Daten, mit denen die KI lernt und zum anderen die Algorithmen, die bestimmen, wie der Lernprozess ablaufen soll. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick darüber gegeben, welche Auswirkungen das auf die verschiedenen Branchen heute schon hat und in Zukunft haben kann.
Dafür ist zunächst wichtig zu verstehen, was KI kann und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit solche Technologien eingesetzt werden können. Der Begriff der Künstlichen Intelligenz beschreibt die Fähigkeit von Maschinen Aufgaben auszuführen, die für die menschliche Intelligenz charakteristisch sind – also Dinge wie Planung, Sprachverständnis, Erkennen von Objekten und Geräuschen, Lernen und Problemlösen.
Dabei ist das Konzept der KI keine Erfindung von Apple, Netflix oder Google, sondern beschäftigte schon Gottfried Wilhelm Leibniz (17. Jahrhundert), George Boole (19. Jahrhundert) und Alan Turing (Anfang 20. Jahrhundert), um nur einige zu nennen. Seitdem ist viel passiert und die Leistungsfähigkeit von Computern, Cloud-Computing und die Sammlung von immensen Datenmengen haben dazu geführt, dass sowohl die Forschung als auch Anwendung von KI-Technologien in den letzten Jahren rapide zugenommen hat.
Damit Maschinen intelligent agieren können, müssen sie entweder so programmiert worden sein, oder sie müssen gelernt haben, wann sie in welcher Situation wie handeln sollen. Die Maschinen passen ihre Reaktion auf neue Ereignisse an, erkennen Muster und sind somit durch Wiederholungen immer besser in der Lage bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Je mehr Daten sie für ihre Lernprozesse bekommen, desto intelligenter können sie potenziell werden, je nachdem wie ihr Lernverhalten programmiert wurde (also welchem Algorithmus sie folgen). Dieser Prozess wird auch maschinelles Lernen (engl. Machine Learning) genannt. Maschinen können auch ohne maschinelles Lernen intelligent erscheinen, indem ihre Verhaltensregeln in den Code geschrieben werden. Tatsächlich beruhen aktuell viele Technologien im Bereich selbstfahrende Autos und Chatbots auf regelbasierter KI und sind größtenteils (noch) nicht oder nur teilweise aus maschinellem Lernen entstanden.
Von dieser regelbasierten KI mal abgesehen, ist maschinelles Lernen der Weg um intelligente Maschinen zu erhalten. Auf Grundlage von Trainingsdaten kann eine KI durch maschinelles Lernen Muster innerhalb der Daten erkennen, die es der KI ermöglichen Vorhersagen über neue Daten zu treffen. Wenn der Trainingsdatensatz beispielsweise aus einer Reihe von Bildern besteht und einige das Label „Das ist eine Katze“ und andere „Das ist keine Katze“ tragen, dann erkennt der Computer Muster innerhalb der Pixel, die ihm helfen zu entscheiden ob auf einem neuen Bild eine Katze abgebildet ist oder nicht.
Dieses Beispiel stellt auch die Bedeutung von Daten dar: Wenn der Trainingsdatensatz beispielsweise relativ klein ist oder die Daten falsch „gelabelt ”sind, dann kann die Maschine nur schwer relevante Muster erkennen, wobei jeder weitere Dateninput dazu führt, dass die Maschine intelligenter wird, sodass anfängliche „Fehler” im Trainingsdatensatz durch die Menge ausgeglichen werden können. Diese sehr vereinfachte Logik lässt sich auf viele Anwendungsgebiete übertragen, wobei neben der Qualität und dem Umfang der Daten vor allem deren Aufbereitung entscheidend ist. Denn nur, wenn Daten aus den verschiedenen Quellen intelligent aufbereitet und abgelegt sind, können sie als Input für statistische Verfahren herangezogen werden.
Wenn es beispielsweise darum geht einem Nutzer einen für ihn relevanten Online-Artikel vorzuschlagen, um ihn so auf der Website zu halten, muss das Profil des Lesers in Zusammenhang mit den Informationen zu den Artikeln gebracht werden. Die Herausforderung liegt in diesem Fall darin, dass die hier verwendeten Daten aus verschiedenen Quellen (Nutzungsverhalten, Inhalt der Artikel) kommen und unterschiedliche Formate (Textdaten, Zahlen, etc.) besitzen. Die Fähigkeit Daten aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln und zu verbinden ist ein ausschlaggebender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Viele Unternehmen besitzen beispielsweise Tonnen von Textdaten, die entweder aus dem Internet gecrawlt, aus Social Media-Seiten, Foren usw. extrahiert wurden oder im Kundensupport entstanden sind. Diese Daten sind in der Regel ziemlich chaotisch, aber sie enthalten eine Menge Informationen, die Unternehmen helfen können, mit Hilfe von Natural Language Processing (NLP) Erkenntnisse zu gewinnen, die sie nutzen können, um ihre Marktposition zu stärken.
Um die Herausforderung der Datenorganisation zu bewerkstelligen, stellen verschiedene Cloud-Dienstleister eine Infrastruktur zur Verfügung, welche neben der Organisation auch die Vorverarbeitung der Daten, sowie das Training und Bewertung für KI-Modelle abdecken. Die Analyseergebnisse können dann über REST-APIs mit der unternehmensinternen IT-Infrastruktur verknüpft werden. Der Sammelbegriff für diesen Service ist Machine Learning as a Service (MLaaS) und die bekanntesten Anbieter sind Amazon Machine Learning Services, Azure Machine Learning, Google Cloud AI und IBM Watson.
Branchen, in denen eine Unmenge an Daten aus unterschiedlichen Quellen gesammelt und aufbereitet werden, setzen mit ziemlicher Sicherheit jetzt schon KI ein oder werden es in den nächsten Jahren tun. Mit KI Technologien können eine Reihe von Vorhersagen und Entscheidungen automatisiert werden, beispielsweise im Produktionsprozess, im Finanz- und Aktienmarkt oder bei Krankheitsbildern. Vor allem intelligente Techniken zur Vorhersage menschlichen Verhaltens sind in vielen, sehr unterschiedlichen Branchen ein wichtiger Faktor geworden.
Zu diesen Branchen zählen vor allem Banken und Finanzdienstleister, die Werbebranche und natürlich digitale und sozialen Medien. Für Versicherungen und Banken eröffnet die KI Technologie die Möglichkeit Entscheidungen über Policen und Kredite auf Grundlage detaillierter Kundenprofile zu treffen. Für den Handel mit Konsumgütern spielen diese Vorhersagen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Markttrends zu analysieren und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Medienangebote können auf Grundlage dieser Analyse bessere Empfehlungen für ihre Kunden geben (z.B. Netflix, Spotify oder Online Nachrichtenportale).
Viele Medienangebote sind neben Inhalteanbietern auch Plattformen, die den Werbemarkt mit dem Markt verbindet, der die Inhalte konsumiert. Gleiches gilt für soziale Medien, bei denen der Werbemarkt mit dem Konsumenten dieser Medien verbunden wird. Hier schafft KI die Möglichkeit Werbung zielgerichteter zu platzieren, um so die Netzwerkeffekte zu stärken und so den Nutzen, mindestens für den Werbemarkt, zu optimieren. Aber auch die andere Marktseite, die Konsumenten der Inhalte oder des sozialen Mediums, profitieren davon, wenn sie die für sie relevante Werbung erhalten und so informiert werden.
Aber nicht nur die Produkte, Dienstleistungen und Werbung lassen sich durch das Profiling von Kunden optimieren, sondern auch die Preissetzung, sodass Preisdiskriminierung erleichtert wird. So kann es beispielsweise vorkommen, dass jemand, der mit seinem iPhone in Hamburg nach einem Produkt sucht einen anderen Preis angezeigt bekommt, als jemand, der in Berlin an seinem Laptop nach dem selben Produkt sucht. Auch die dynamische Preissetzung, also die Anpassung der Preise an externe Faktoren (beispielsweise die Preise der Wettbewerber), wird durch Preissetzungsalgorithmen vereinfacht. Zwar haben Unternehmen ihre Preise auch schon vorher nach impliziten oder expliziten Regeln angepasst, der Einsatz von computergestützter Software erlaubt es aber, eine größere Menge an Daten schneller auszuwerten und so die Preissetzung dynamischer zu gestalten.
Eine solche algorithmische Preisgestaltung an sich kann natürlich grundsätzlich wettbewerbsfördernd sein, indem sie eine schnelle, wettbewerbsorientierte Reaktion ermöglicht. Dass die Preise als Reaktion auf Wettbewerb oder Verbrauchernachfrage durch den Einsatz von Computerisierung schneller steigen oder fallen, entspricht sogar eher dem Grundprinzip des freien Wettbewerbs. Da die Algorithmen und die Software, mit der sie ausgeführt werden, immer ausgeklügelter werden, kann es jedoch vorkommen, dass koordiniertes Verhalten ohne ausdrückliche „Anweisung” durch den Menschen häufiger auftritt. Die Anfechtung von Verhaltensweisen, bei denen die Rolle des Menschen bei der Entscheidungsfindung weniger klar ist, kann nach geltendem Recht schwieriger sein. Während die explizite Absprache beispielsweise illegal ist, ist das bei der bloßen bewussten Parallelität nicht der Fall. Die Unterscheidung zwischen beiden Fällen ist bereits dann eine Herausforderung, wenn die Preise durch Personen gesetzt werden, und wird durch computergestützte Preissetzung noch erschwert.
Ein weiterer wichtiger Bereich der zusammen mit KI an Bedeutung gewinnt ist das sog. Internet der Dinge (IoT, engl. Internet of Things). IoT bedeutet, dass physische Geräte wie Fahrzeuge oder Haushaltsgeräte mit Hilfe von Sensoren und Software systematisch Daten sammeln. Der Zusammenhang zwischen KI und IoT kann mit der Beziehung zwischen dem menschlichen Gehirn und dem Körper verglichen werden: Unser Körper sammelt Sinneseindrücke wie Sehen, Hören und Berühren. Unser Gehirn nimmt diese Daten und versteht sie, verwandelt Licht in erkennbare Objekte und Geräusche in verständliche Sprache. Unser Gehirn trifft dann Entscheidungen und sendet Signale an den Körper zurück, um Bewegungen wie das Aufnehmen eines Objekts oder das Sprechen zu steuern. Auch selbstfahrende Fahrzeuge zählen zu dem Bereich IoT.
Wie bereits erwähnt agiert die KI hier eher regelbasiert was natürlich auch an den rechtlichen und ethischen Bedenken liegt, die auftauchen, wenn eine KI-Technologie im Fahrzeug darüber entscheidet ob am Zebrastreifen gebremst wird oder nicht. Dass es hier in naher Zukunft weitere technologische Fortschritte geben wird zeigen zum einen die Investitionstätigkeiten in diesem Bereich, und zum anderen die Tatsache, dass immer mehr Daten (zum Beispiel über Sensoren im Fahrzeug oder Verkehrsdaten bei Google) gesammelt werden, mit deren Hilfe die KI immer intelligenter werden kann.
Wie wir gesehen haben, ist KI in vielen Branchen bereits allgegenwärtig und wird für die Analyse von aggregierten Daten verwendet, um so neue Einblicke in die für die Branche relevanten Bereiche zu erlangen. Auch dort, wo Daten existieren, deren Aufbereitung und Analyse aufgrund fehlender Expertise und Strukturen bis dato aber schwierig ist, wird KI in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Der Aufbau dieser Strukturen, sowie der entsprechenden Expertise zu Datenauswertung und Modellbildung werden ausschlaggebende Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sein.
Franziska Löw ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Industrieökonomik an der Helmut Schmidt Universtät in Hamburg und promoviert derzeit im Bereich digitale Märkte und Plattformökonomie. Neben ihrer Tätigkeit an der Universität ist sie Mitgründerin von Localyze, einer Softwarelösung zur Unterstützung für den Relocation Prozess internationaler Mitarbeiter. Sie ist hier für die Produktentwicklung, sowie die Datenanalyse zuständig.