Vor anderthalb Jahren meldete die WIPO scheinbar unüberwindbare Differenzen bei den Verhandlungen über den Rundfunkvertrag. Insbesondere die Frage nach dem Schutz der Rundfunkanbieter bei Internettätigkeiten war damals heiß umstritten (Telemedicus berichtete). Die Verhandlungen wurden daraufhin abgebrochen. Nun sollen die Verhandlungen allerdings wieder aufgenommen werden. Aber wer verhandelt beim WIPO-Rundfunkvertrag eigentlich worüber? Warum ist so ein Vertrag notwendig? Wo liegen die Probleme und wie stehen die Zukunftschancen für einen derartigen Vertrag? Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über diese zentralen Fragen geben.
Was ist die WIPO?
Die WIPO („World Intellectual Property Organisation“) ist eine Teilorganisation der Vereinten Nationen. Sie beschäftigt sich mit Rechtsfragen, die das Immaterialgüterrecht (das sog. „geistige Eigentum“) betreffen. In diesem Rahmen fördert sie auch Vertragsverhandlungen bei internationalen Abkommen, sofern diese den Schutz des „geistigen Eigentums“ fördern. Die Hauptaufgabe der WIPO bei Vertragsverhandlungen liegt also darin, die die Verhandlungen zu führen und zu koordinieren. Beim WIPO-Rundfunkvertrag wird diese Aufgabe vom „Standing Commitee on Copyright and Related Rights“ (SCCR) wahrgenommen. Unter dessen Führung verhandeln die Mitgliedstaaten der WIPO über den „Treaty on the Protection of Broadcasting Organizations “, den WIPO-Rundfunkvertrag. Von den aktuell 193 weltweit existierenden Staaten sind 184 Staaten Mitgliedsländer der WIPO. Sollte der Rundfunkvertrag also zu Stande kommen, wäre er annähernd weltweit gültig.
Der WIPO-Rundfunkvertrag
Ziel des Vertrags ist es, das zur Zeit geltende Rom-Abkommen von 1961 zu ersetzen. Dieses war international das erste, das neben dem Urheberrechtsschutz auch Schutzrechte für Darsteller und Produzenten festschrieb. Das Rom-Abkommen gilt insbesondere auf Grund der technischen Entwicklung im Kommunikationsbereich in den letzten 45 Jahren als veraltet.
Problematisch dabei ist, dass lediglich 86 Mitgliedstaaten der WIPO dieses Abkommen unterzeichnet haben. Auch große Länder wie die USA und China haben dieses Abkommen nicht anerkannt. So war beispielsweise für die Ablehnung der USA ausschlaggebend, dass Sendeunternehmen im Rom-Abkommen besondere Schutzrechte bekommen haben. In Art. 13 des Rom-Abkommens heißt es dazu:
Art. 13
Die Sendeunternehmen genießen das Recht, zu erlauben oder zu verbieten:a) die Weitersendung ihrer Sendungen;
b) die Festlegung ihrer Sendungen;
c) die Vervielfältigung
(i) der ohne ihre Zustimmung vorgenommenen Festlegungen ihrer Sendungen;
(ii) der auf Grund der Bestimmungen des Artikels 15 vorgenommenen Festlegungen ihrer Sendungen, wenn die Vervielfältigung zu anderen als den in diesen Bestimmungen genannten Zwecken vorgenommen wird;
d) die öffentliche Wiedergabe ihrer Fernsehsendungen, wenn sie an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind; es obliegt der nationalen Gesetzgebung des Staates, in dem der Schutz dieses Rechtes beansprucht wird, die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechtes zu regeln
Nach Ansicht der USA ist sind solche Schutzrechte schlichtweg unnötig. Sendeunternehmen wären ohnehin profitabel genug und bräuchten keine zusätzlichen Anreize, um zu senden.
Diese Ablehnung ist auch eines der zentralen Probleme bei den Verhandlungen um den Rundfunkvertrag. Die USA wollen in diesem Vertrag lediglich wenige Schutzrechte zu Gunsten der Sendeunternehmen festschreiben. Beispielsweise halten sie Regelungen zum Schutz gegen Piraterie für sinnvoll. Weitergehende Schutzrechte – insbesondere eigentumsähnliche Rechte – lehnen sie dagegen strikt ab.
Vor allem die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen die Sendeunternehmen dagegen umfangreich schützen. Als Basis dafür sehen diese Staaten die Regelungen im Rom-Abkommen. Hinzu kommt, dass bestimmte Regelungen von der Mehrheit der Mitglieder abgelehnt werden. Der Vorschlag der EU, das „Simulcasting“ – also die gleichzeitige Sendung von Programmen über Kabel und kabellos – wird von den meisten Staaten abgelehnt. Genauso verhält es sich mit dem Vorschlag der USA, auch das Webcasting – die Sendung von Programmen über das Internet – in die Verhandlungen einzubeziehen. Über den konkreten Regelungsbedarf des Vertrags herrscht also keine Einigkeit.
Aussichten für die Zukunft
Diese Probleme waren ausschlaggebend dafür, dass die Vertragsverhandlungen letztes Jahr abgebrochen wurden. Inzwischen haben die Staaten jedoch erkannt, dass eine Modernisierung des Schutzes der Sendeunternehmen notwendig ist. Das SCCR räumt dem Vertrag daher durchaus noch Chancen ein. In einem informellen Dokument, welches von dem Vorsitzenden des SCCR veröffentlicht wurde, werden zwei mögliche Zukunftswege vorgeschlagen: Zum einen ist eine Diskussion auf Basis des in der Vergangenheit erarbeiteten Vertragsentwurfs denkbar. Bei einem erfolgreichen Abschluss würde am Ende ein Vertrag entstehen, der den Schutz der Sendeunternehmen in allen Einzelheiten regelt. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, einen komplett neuen Weg zu beschreiten. Dieser bestünde darin, einen Vertrag zu entwerfen, der der Lösung in Art. 2 und Art. 3 der „Geneva Phonograms Convention“ ähnelt. Diese lauten:
Article 2 – Obligations of Contracting States; Whom they must protect and against what
Each Contracting State shall protect producers of phonograms who are nationals of other Contracting States against the making of duplicates without the consent of the producer and against the importation of such duplicates, provided that any such making or importation is for the purpose of distribution to the public, and against the distribution of such duplicates to the public.Article 3 – Means of Implementation by Contracting States
The means by which this Convention is implemented shall be a matter for the domestic law of each Contracting State and shall include one or more of the following: protection by means of the grant of a copyright or other specific right; protection by means of the law relating to unfair competition; protection by means of penal sanctions.
Eine solche Lösung ließe die konkrete Gestaltung der Einzelheiten über den Schutz der Rundfunkunternehmen also offen. Der Vertrag selbst würde lediglich einen rechtlichen Rahmen festsetzen. Innerhalb dieses Rahmen müssten die einzelnen Staaten dann auf nationaler Ebene für einen angemessenen Schutz in vorgegebenen Bereichen sorgen.
Fazit
Ob – und wenn ja in welcher Form – die Verhandlungen über den WIPO-Rundfunkvertrag in absehbarer Zukunft zu einem Ende kommen ist derzeit noch offen. Die unterschiedlichen Wünsche der an dem Vertrag beteiligten Staaten sind jedenfalls schwer unter einen Hut zu bekommen. Das jedoch ausnahmslos alle Staaten Handlungsbedarf sehen, kann als positives Zeichen gewertet werden.