Die Bundesregierung will in Zukunft verhindern, dass deutsche Internetnutzer Kinderporno-Webseiten anschauen können. Ob das technisch möglich sein wird, ist nur eine Frage. Eine andere betrifft die rechtliche Umsetzung: Wie sehen Netzsperren eigentlich in Gesetzesform aus? Im Internet kursiert ein erster Arbeitsentwurf für ein „Kinderpornographie-Bekämpfungs-Gesetz“. Danach sollen das BKA-Gesetz (BKAG) und das Telemediengesetz (TMG) geändert werden. Die Sperrungen werden also gemeinsam vom BKA und den Internet-Providern verwirklicht. Durch die geplante Novelle erhält die erstgenannte mehr Kompetenzen; die letzteren werden in die Pflicht genommen, gleichzeitig aber auch weitgehend von Haftungsrisiken befreit.
Was wird gesperrt?
Welche Inhalte betroffen sind, das bestimmt das BKA. Die neuen Absätze 4a – c des § 2 BKAG ermächtigen die Zentralstelle dazu, eine „Sperrliste“ zu führen. Webseiten werden dann auf diese Liste gesetzt, wenn sie zwei Voraussetzungen erfüllen. Zum einen müssen sie Kinderpornopgraphie darstellen. Maßstab ist hierbei der § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften). Zusätzlich muss der Anbieter der Seite seinen Sitz außerhalb Europas haben. Dazu heißt es in der Begründung:
„Kinderpornographische Angebote dürfen erst dann in die Sperrliste aufgenommen werden, wenn Maßnahmen zur Löschung gegen den Diensteanbieter nach § 7 Abs. 1 und § 10 Telemediengesetz nicht durchführbar oder Erfolg versprechend sind. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Anbieter ihren Sitz im außereuropäischen Ausland haben und für die deshalb das in der E-Commerce-Richtlinie vorgesehene Verfahren nicht greift. Die Regelung trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass Eingriffe zunächst gegen den Störer, d.h. in diesem Fall gegen den Inhalteanbieter oder Host-Provider, durchzuführen sind.“
Die Liste ist vom BKA ständig zu aktualisieren und den Diensteanbietern arbeitstäglich zu übermitteln (§ 2 Abs. 4a BKAG-E). Das BKA entscheidet ganz allein, welche Webseiten es als „kinderpornographische Schriften“ einstuft. Es übernimmt damit aber auch jegliche Verantwortung; so regelt der neue § 2 Abs. 4b BKAG-E:
„Das BKA haftet für die falsche Bewertung einer Internetadresse als kinderpornographisch oder bei Fehlern aufgrund der Aufnahme einer Internetadresse in die Liste. Er haftet insbesondere, dass aufgrund seiner Vorgabe unbeabsichtigt legale Seiten gesperrt werden.“
Allerdings können sich Webseiten verändern und eine Klassifizierung als Kinderpornographie kann in manchen Fällen auch streitig sein. Dann sind gerichtliche Auseinandersetzungen zu erwarten. Dafür verpflichtet der § 2 Abs. 4c BKAG-E das BKA dazu, seine Bewertungen zu dokumentieren. Diese Unterlagen sollen nachweisen, dass die betroffenen Seiten zum Prüfungszeitpunkt als „kinderpornographische Schriften“ iSd § 184b StGB einzuordnen waren.
Wie wird gesperrt?
Ob und was gesperrt wird, bestimmt also das BKA. Die Liste muss es den Internet-Providern übermitteln. Die Begründung spricht hier von einer „Bringschuld des Bundeskriminalamts“; eine eigene Nachforschungspflicht der Provider wird deutlich ausgeschlossen. Anhand dieser Zusammenstellung haben die Diensteanbieter die Sperrungen umzusetzen – und zwar spätestens innerhalb von sechs Stunden. Dazu verpflichtet sie der neue § 8a TMG-E (Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie über Kornmunikationsnetze). Nach dem Absatz 4 müssen sie Nutzer auf eine „Stoppseite“ umleiten. Die wird zwar von ihnen selbst betrieben, inhaltlich aber vom BKA ausgestaltet. In der Begründung heißt es:
„Die Vorschrift ist auf eine Handlungspflicht ausgerichtet, nicht auf einen Erfolg, denn es ist nach dem gegenwärtigen Stand der Technik nicht auszuschließen, dass der Zugang zu kinderpornographischen Inhalten trotz der Sperrmaßnahmen der Anbieter nicht vollständig verhindert werden kann.“
Wie die Provider das genau machen, ist absichtlich offen gelassen. Angesichts der „rasanten Fortentwicklung der Technik“ erscheine es nicht sinnvoll, hier genaue Vorgaben zu machen. Das Gesetz sei deswegen bewusst „technologieneutral“ formuliert. Die Diensteanbieter können also die Art und Weise der Sperrung selbst wählen. Diese Ermächtigung von Privaten ist problematisch; das Demokratieprinzip verlangt nämlich, dass alles „Wesentliche“ im Gesetz geregelt sein muss. Wesentlich sind insbesondere Grundrechtseingriffe. Anders als ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, geht der Arbeitsentwurf jedoch ausdrücklich davon aus, dass die Sperrungen keinen Eingriff in Grundrechte darstellen:
„In der bloßen Verhinderung des Zugangs zu einer bestimmten Information, etwa der Seite mit kinderpornographischen Inhalt, liegt nach einhelliger Auffassung noch kein Eingriff in Art. 10 GG vor.“
Weil die Diensteanbieter ansonsten nur den Weisungen des BKA folgen, stellt der § 8a Abs. 3 TMG-E klar, dass sie kein Verschulden trifft, wenn durch die Sperrungen auch in Wirklichkeit legale Seiten beeinträchtigt sind. In diesen Fällen könnten den Kunden sonst vertragliche Schadensersatzansprüche zustehen. Laut Abs. 5 müssen die Provider dem BKA außerdem eine statistische Auswertung darüber zukommen lassen, wieviele Zugriffe pro Tag abgewehrt worden sind. Daneben sieht der Arbeitsentwurf eine Ergänzung der Bußgeldvorschriften im TMG vor: Danach begehen die Diensteanbieter eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie die Sperrung nicht vornehmen oder die Liste vom BKA nicht vertraulich behandeln. Die Zusammenstellung der Seiten müsse gerade auch deswegen vertraulich bleiben, damit sie nicht als „Quelle“ missbraucht werde.
Diese Darstellung basiert auf dem Arbeitsentwurf zu den Gesetzesänderungen. Ob der Entwurf jemals in dieser Form verabschiedet wird ist ungewiss.