Am 27. Februar 2008 hat das OLG Thüringen ein Urteil zur Verwendung von sog. Thumbnails durch Internet-Suchmaschinen gefällt. Bei Bildersuchen dienen diese stark verkleinerten Abbildungen der Treffer zur Gestaltung der Ergebnislisten: sie werden neben den Links zu den gefundenen Webseiten dargestellt. Das Gericht sieht darin eine Verletzung von Urheberrechten. Im konkreten Fall hat es jedoch einen Unterlassungsanspruch der klagenden Künstlerin verneint. Die Geltendmachung eines solchen stelle einen Rechtsmissbrauch dar.
Schutz durch das Urheberrecht
Die Klägerin hatte Bilder auf einer Homepage veröffentlicht. Damit diese überhaupt vom Schutz des UrhG umfasst sind, müssen sie persönliche geistige Schöpfungen iSv § 2 UrhG darstellen. Im vorliegenden Fall war die Werkkategorie der bildenden Künste (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) einschlägig. Die Abbildungen auf der Webseite stellen Vervielfältigungen der ursprünglichen Kunstwerke dar. Das Gericht lies offen, ob es sich dabei um Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder um bloße Lichtbilder nach § 72 UrhG handelt. Der Hauptunterschied liegt in der unterschiedlichen Schutzdauer und auf diese kam es im vorliegenden Fall nicht an. Ansonsten können die gleichen Rechte geltend gemacht werden.
Eingriff in die Rechte des Urhebers
Das OLG sah hier einen Eingriff in das Recht auf Bearbeitungen (§ 23 UrhG) vorliegen: Durch die Verkleinerung der Abbildungen und die Verringerung der Pixelanzahl werde eine Umgestaltung vorgenommen. Diese Umgestaltung wird zur Aufbereitung der Trefferlisten auch „verwertet“. Eine solche Verwertung bedarf aber stets der Einwilligung des Originalurhebers. Davon ausgenommen sind nur die Fälle der freien Benutzung (§ 24 UrhG):
Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, ihre Trefferliste mit thumbnails gehöre zum Bereich der (zustimmungsfrei zu verwertenden) freien Benutzung im Sinne von § 24 UrhG. (…) § 24 UrhG privilegiert allein eine selbständige Neuschöpfung, die einen ausreichenden künstlerischen Abstand zum benutzten Werk aufweist. Davon kann wegen der rein maschinengesteuerten Zusammenstellung der Trefferliste (…) und wegen der schlichten technischen Veränderung bei der Herstellung eines jeden einzelnen thumbnails nicht die Rede sein. Die Bilder der Klägerin werden in verkleinerter Form schlicht verwertet und nicht zum Ausgangspunkt für eine eigenschöpferische Leistung genommen.
Ein Eingriff in andere Urheberrechte wurden vom OLG nicht geprüft: Im Falle des Vervielfältigungsrechts (§ 16 Abs. 1 UrhG) sei es als deutsches Gericht schon gar nicht zuständig. Der Server, auf dem die Thumbnails zwischen gespeichert werden, befindet sich nämlich in den USA. Bei der Prüfung von § 19 a UrhG (Recht der öffentlichen Zugänglichmachung) stellt sich die Frage, ob auch Umgestaltungen erfasst sind, oder lediglich das Werk im Original.
Zulässigkeit von Links
Das Gericht betont, dass der festgestellte Eingriff in das Bearbeitungsrecht nichts mit der Frage zu tun, ob die Links der Trefferliste rechtlich zu beanstanden sind. In seiner „Paperboy“-Entscheidung hat der BGH festgestellt, dass Links grundsätzlich (urheberrechtlich) zulässig sind. Im vorliegenden Urteil verstößt lediglich die Gestaltung des Linkankers durch die Verwendung der Thumbnails gegen das Urheberrecht.
Keine einschlägige Schrankenbestimmung
Der Eingriff in Urheberrechte muss nicht zwangsläufig rechtswidrig sein. So existieren z.B. Regelungen (sog. Schranken), die die Rechte der Urheber im Interesse der Allgemeinheit einschränken. Das OLG hat jedoch weder § 44 a UrhG (vorübergehende Vervielfältigungen), noch § 58 I UrhG (für Werke in Ausstellungen) oder § 53 UrhG (Privatkopie) bzw. § 51 UrhG (Zitatrecht) für einschlägig gehalten. Weil diese Schrankenregelungen Ausnahmen von den Rechten der Urheber normieren, sind sie prinzipiell eng auszulegen. Die Suchmaschinenbetreiber können sich auf kein schützenswertes Interesse berufen:
Die Beklagte stellt ihre (grundsätzlich als sinnvoll anerkannte) Suchmaschine nicht aus ideellen Gründen der Internetgemeinschaft zur Verfügung. Es ist allgemein bekannt, dass ihr Unternehmenszweck z.B. die Erzielung von Werbeeinnahmen ist, wobei sie auch und gerade Trefferlisten bzw. Suchmaschinenergebnislisten als Werbefläche vermarktet, selbst wenn dies zur Zeit bei der Bildersuche noch nicht der Fall zu sein scheint. Nutzt die Beklagte aber Bilder zur Steigerung der Effizienz und der Anschaulichkeit ihrer Trefferliste, dann diente eine Privilegierung dieses Vorgehens über § 51 UrhG nur ihren eigenen kommerziellen Interessen, ohne die Urheber zu beteiligen.
Fehlende Einwilligung
Auch eine Einwilligung des Urhebers kann die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs ausschließen. Im vorliegenden Fall hat die Künstlerin eine solche zumindest ausdrücklich nicht erteilt:
Eine ausdrückliche Erklärung der Einwilligung, die auch und gerade von den „crawlern“ oder „robots“ der Suchmaschinen „verstanden“ werden kann, wäre aber auch nach dem Vortrag der Beklagten tatsächlich technisch möglich. Denn es wäre (in Anlehnung an den Vortrag zur Sperrung des Zugriffs von Suchmaschinenrobots) technisch möglich, eine Website mit der Programmzeile „Googlebot-Image Allow“ zu versehen, um die Einwilligung ausdrücklich zum Ausdruck zu bringen.
Das Gericht hat jedoch auch geprüft, ob sie sich durch konkludentes Verhalten mit der Nutzung ihrer Werke in dieser Form einverstanden erklärt hat. An eine solche Einwilligung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Das bloße Einstellen der Bilder ins Internet genügt nach Ansicht des OLG dafür nicht:
Derjenige, der Bilder frei ins Internet einstellt, will lediglich erreichen, dass sie von anderen Internetnutzern angesehen werden können. Ein darüber hinaus gehender Wille, irgendwelche Nutzungsverträge abschließen oder auch nur Einwilligungen zu erteilen, geht damit vernünftigerweise nicht einher, weil dies originären Urheberinteressen widersprechen würde.
(…) Gerade die Einwilligung in Umgestaltungen ist daher aus dem Verhalten der Klägerin, mögliche Schutzmaßnahmen zu unterlassen, grundsätzlich nicht herzuleiten. Daran ändert auch nichts, dass die Schutzmaßnahmen, die gegenüber den „crawlern“ der Verfügungsbeklagten einzusetzen wären (Programmzeile „Googlebot-Image Disallow“) sehr einfach zu bewerkstelligen sind und von einer Vielzahl von Programmierern beherrscht werden.
Im Gegensatz zur Vorinstanz lehnt das OLG das Vorliegen einer Einwilligung ab.
Unterlassungsanspruch als Rechtsmissbrauch
Mangels einer Einwilligung liegt also eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung vor. Das OLG hat jedoch entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 UrhG) nicht geltend machen kann. Das würde dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und somit einen Rechtsmissbrauch darstellen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nämlich eine Suchmaschinenoptimierungsfunktion benutzt: Durch META-Elemente im Quelltext der Webseite sollte die Seite als bevorzugter Treffer bei Suchmaschinen angezeigt werden. Diese Wortlisten wurden auch ständige aktualisiert. Damit habe die Klägerin die Crawler der Suchmaschine „angelockt“. Würde sie nun auf Unterlassung klagen, liege ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) vor:
Jedenfalls ist es widersprüchlich, ein mangelndes Einverständnis mit der Indexierung und Verwertung durch eine (ebenfalls textgestützte) Bildersuchmaschine im Prozess zu behaupten, gleichzeitig aber tatsächlich Handlungen vorzunehmen, die eine Indexierung durch Suchmaschinen ermöglichen und sogar erleichtern, und die auf einer bewussten technischen Ansteuerung bzw. Beeinflussung der Suchmaschinentechnik beruhen.
(…) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, ihr Interesse habe sich lediglich darauf bezogen, dass „ihre Kunst“ im Internet aufgefunden werde, nicht aber, dass die Beklagte sie in Form von thumbnails nutze. Denn durch ihre Beeinflussung der META-Elemente im Rahmen der Programmierung ihrer Homepage hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie insgesamt am Zugriff durch Suchmaschinen interessiert ist. Sie darf sich dann auch nicht gegen ein Verfahren (also die Umgestaltung in thumbnails) wenden, das bei der Bildersuche üblich ist.
Damit kommt das OLG mit einer abweichenden Begründung zum selben Ergebnis wie die Vorinstanz; das LG Erfurt war vom Vorliegen einer konkludenten Einwilligung ausgegangen. Die Berufungsklage wurde somit abgewiesen. Da die Frage jedoch von grundsätzlicher Bedeutung ist, hat das Gericht die Revision zum BGH gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.