Mit In-Kraft-Treten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (12. RÄStV) am 01. Juni 2009 sind alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angehalten, ihre Online-Angebote dem neu geschaffenen „Drei-Stufen-Test“ zu unterziehen.
Es wird viel von diesem Test geredet. Viele unterschiedliche Begriffe finden dabei anscheinend synonym Verwendung: „Drei-Stufen-Test“, „Public-Value-Test“ oder auch „Unbedenklichkeits-Test“. Allen Bezeichnungen ist aber eines gemein: Es wird keineswegs deutlich, worum es bei dem Test genau geht, warum man ihn überhaupt braucht oder wer ihn durchführt. Telemedicus liefert im Folgenden eine verständliche Erklärung.
I. Die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Hintergründe
Um die Einzelheiten des Drei-Stufen-Tests verstehen zu können, ist es unumgänglich die Hintergründe zu kennen, die die Schaffung eines solchen Instrumentariums überhaupt notwendig gemacht haben.
1. Der Beihilfekompromiss mit der EU-Kommission
Im Jahre 2003 reichte der „Verband Privater Rundfunk und Telemedien“ (VPRT) eine Beschwerde bei der EU-Kommission in Brüssel ein. Darin rügte er die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wettbewerbsverzerrend und klassifizierte die deutsche „Rundfunkgebühr“ als unzulässige staatliche Beihilfe i. S. v. Art. 87 Abs. 1 EGV. Als Begründung führte der VPRT an, dass dem Tätigkeitsfeld der Rundfunkanstalten keine wirkliche Grenze, etwa in Form eines konkreten Funktionsauftrags gesetzt sei. Insbesondere im Online-Bereich sah der VPRT gefährliche Ausuferungen zu Lasten der privaten Anbieter. Die Kommission überzeugten die Argumente des VPRT in weiten Teilen. Sie qualifizierte die deutsche Rundfunkfinanzierung deshalb fortan als staatliche Beihilfe. Eine solche Beihilfe ist grundsätzlich unzulässig. Nur wenn sie die Ausnahmekriterien des Art 86 Abs. 2 EGV erfüllt kann sie ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Insbesondere ist dazu nötig, dass die Aufgabe, die mit der staatlichen Beihilfe – also hier der Rundfunkgebühr – finanziert wird, klar definiert ist. Darüber hinaus darf die Beihilfegewährung – vereinfacht ausgedrückt – nicht grob wettbewerbsverzerrende Auswirkungen haben. Die zuständigen Bundesländer und der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst sahen in der deutschen Rundfunkfinanzierung zu keiner Zeit eine staatliche Beihilfe. Ein mehrjähriger Streit zwischen der EU-Kommission und der Bundesrepublik entbrannte.
Im sog. „Beihilfekompromiss“ einigten sich die Bundesländer im Jahr 2007 aber schließlich mit der EU-Kommission. Anscheinend scheuten beide Seiten den Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Denn eigentlich hätte nur ein Urteilsspruch abschließende Klarheit bringen können. Allerdings hätten beide Seiten dabei riskiert, dass die Rundfunkfinanzierung in der gesamtem EU in Frage gestellt worden wäre, was unabsehbare politische Folgen gehabt hätte.
Man verständigte sich also lieber auf einen Kompromiss, bei dem die EU-Kommission anbot, die Sache nicht weiter zu verfolgen, sofern sich die Bundesrepublik an einige Auflagen hält. Die Bedingungen dafür waren unter anderem, dass
Zur Umsetzung dieses Auflagenkatalogs erhielten die deutschen Bundesländer Zeit bis zum 01. Juni 2009. Dies ist exakt der Tag des In-Kraft-Tretens des neuen 12. RÄStV, der insbesondere die Regelungen des Beihilfekompromisses in nationales deutsches Recht verbindlich umsetzt. Darunter eben auch jene Regelungen zum Drei-Stufen-Test.
2. Das deutsche Rundfunk-Verfassungsrecht
Doch die Ausgestaltung des Drei-Stufen-Tests misst sich nicht alleine am Beihilfekompromiss. Das Rundfunkrecht ist in Deutschland nämlich stets auch direkter Ausfluss von Verfassungrecht.
In seiner jüngsten Rundfunk-Entscheidung vom 11.09.2007 hat das Bundesverfassungsgericht klar festgestellt, dass sich der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grundsätzlich auch auf neue digitale Angebote erstreckt. Expansionen in diesem Bereich sind demnach eindeutig von der verfassungsrechtlichen Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. in st. Rspr. exemplarisch BVerfGE 74, 297 und BVerfGE 90, 60, 91) gedeckt. Nach dem aktuellen Gebühren-Urteil kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Bereich des Internets sogar eine ganz besondere Bedeutung zu. So ist er nämlich dort besonders zur Sicherstellung von Vielfalt und verlässlichen Informationen aufgefordert. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auch vom „genuinen Online-Auftrag“ gesprochen.
II. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag
Beim neuen Rundfunkstaatsvertrag mussten also sowohl die Vorgaben der Kommission („Beihilfekompromiss“), als auch die Grenzen des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden.
Die Regierungschefs der Länder befanden sich also in einem Spannungsverhältnis. Einerseits forderte Brüssel eine Konkretisierung des Auftrags und auf der anderen Seite vergrößerte das BVerfG den Auftrag. Schließlich verständigten sich die Ministerpräsidenten auf die Formulierung und Ausgestaltung eines öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrags im Online-Bereich. Und normierten dazu einen neuen § 11 im Rundfunkstaatsvertrag:
§ 11
Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
In der bisherigen Fassung von § 11 RStV ist der Auftrag im Online-Bereich auf programmbezogene Inhalte beschränkt. Mit der Neufassung wird der bisherige Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen vollumfänglich auf den Online-Bereich erweitert (so auch die Begründung zum 12. RÄStV).
In Zusammenhang mit dieser erweiterten Auftragsdefinition regelt die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages aber auch gleichzeitig die Art und das Ausmaß des Online-Engagements der Sender. Zukünftig sind nur noch solche Online-Angebote zulässig, die dem Online-Auftrag genügen. Daneben sind auch teilweise sehr strenge Regeln zum zeitlichen Verbleib der Angebote im Netz verabschiedet worden (§ 11d RStV i. d. F. d. 12. RÄStV).
III. Der Drei-Stufen-Test
1. Das Ziel
Der Drei-Stufen-Test hat nun die Aufgabe, sicherzustellen, dass das Engagement der Sender im Online-Bereich – aber auch bei neuen klassischen Rundfunkangeboten – nur soweit reicht, wie es ihr Auftrag zulässt. Dabei soll vor allem sichergestellt sein, dass die dazu notwendige Konkretisierung ihres Auftrags im Zuge des Testverfahrens möglichst transparent erfolgt. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist durch den Beihilfekompromiss selbst und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssache C-280/00 – Altmark Trans) zu einer transparenten und hinreichend konkreten Auftragsdefinition verpflichtet. Dies wird verlangt, damit genau nachvollzogen werden kann, welche Kosten durch die Online-Aktivitäten entstehen und ersetzt werden müssen. So soll sichergestellt sein, dass keine Überkompensation und damit keine ungerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung eintreten können. Die Sender sollen also nicht mehr bekommen, als sie auch tatsächlich benötigen. Denn nur in dem Fall ist die Rundfunkgebühr nach Ansicht der Kommission nicht als unzulässige Beihilfe zu qualifizieren.
Im Hinblick auf die Kernfunktion ist der deutsche Drei-Stufen-Test seinem englischen Bruder, dem „Public-Value-Test“ des BBC Trusts sehr ähnlich. Denn auch der britische Public-Value-Test prüft, ob BBC-Telemedienangebote mit dem Auftrag der BBC in Einklang stehen. Oftmals werden die beiden Begriffe, „Drei-Stufen-Test“ und „Public-Value-Test“ in Deutschland synonym verwendet (vgl. Interview mit Markus Schächter in der Süddeutschen Zeitung vom. 07.11.2007). Außer in ihrem Ziel weisen die beiden Tests aber sonst keine Gemeinsamkeiten auf. Das Prozedere des englischen Public-Value-Tests unterscheidet sich fundamental vom deutschen Drei-Stufen-Test.
2. Wer prüft?
Im Gegensatz zum Public-Value-Test wird beim deutschen Drei-Stufen-Test gemäß § 11 f Abs. 4 RStV i. d. F. d. 12. RÄStV die abschließende Entscheidung über das Prüfungsergebnis durch interne Gremien der Rundfunkanstalten vorgenommen. Zuständig dafür sind die pluralistisch besetzen Rundfunkräte (bzw. der „Fernsehrat“ beim ZDF, und der „Hörfunkrat“ beim Deutschlandradio).
Genau diese internen Gremien sind aber einer der Hauptkritikpunkte an der Regelung. Zwar sind die Gremien pluralistisch mit unabhängigen Vertretern besetzt, doch denen wird oftmals unzureichende Expertise vorgeworfen.
Die Durchführungsregelungen der Rundfunkanstalten zum Verfahren des Drei-Stufen-Tests sehen zudem umfangreiche gutachterliche Konsultationen vor. Die Kosten hierfür werden alleine im Bereich des ZDF in diesem Jahr auf etwa 1,25 Millionen Euro geschätzt.
Allerdings verbleibt die Bewertung der Gutachten und damit die letzte Entscheidung bei den Rundfunkräten. Durch diese neue und bedeutende Prüfungskompetenz gewinnen die Rundfunkräte zweifelsohne an Gewicht (so auch Peters, K&R 2009, 26, 33). Sie werden vom bislang reinen „Kontrollgremium“ zu einem Kollegialorgan, das mit Hilfe des Drei-Stufen-Tests den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aktiv konkretisiert. In gewisser Weise ist es also nun nicht mehr alleinig Aufgabe des Gesetzgebers die Rundfunkfreiheit auszugestalten, sondern auch ein Teil des Aufgabenkreises der Rundfunkräte (so auch Schulz, Der Programmauftrag als Prozess seiner Begründung, 2008, S. 28).
Verfassungsrechtlich wird diese neue Kompetenzverteilung aber allgemein als zulässig erachtet (vgl. Schulz, a.a.O., S. 13). Bereits 1982 hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rundfunkrat-Entscheidung klargestellt, dass die Rundfunkräte dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Sie sind eben nicht wie ein Aufsichtsgremium in der Wirtschaft dem Wohl „ihres Unternehmens“ verpflichtet (vgl. BVerfGE 60, 53, 65).
IV. Der Ablauf des Drei-Stufen-Tests
Die namensgebenden drei Stufen lassen sich anhand des Gesetzestextes von § 11 f RStV i. d. F. d. 12. RÄStV ablesen:
§ 11 f
Telemedienkonzepte sowie neue oder veränderte Telemedien[…]
(3) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio legen in den Satzungen oder Richtlinien übereinstimmende Kriterien fest, die sie in jedem Einzelfall bei der Entscheidung der Frage anzuwenden haben, in welchen Fällen ein neues oder verändertes Telemedienangebot vorliegt, das nach dem nachstehenden Verfahren zu prüfen ist. Ein verändertes Angebot liegt insbesondere vor, wenn die inhaltliche Gesamtausrichtung des Angebots oder die angestrebte Zielgruppe verändert wird.(4) Ist [Vorprüfung:] ein neues Angebot oder die Veränderung eines bestehenden Angebots nach Absatz 1 geplant, hat die Rundfunkanstalt gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist. Es sind Aussagen darüber zu treffen,
1. [Stufe:] inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,
2. [Stufe:] in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird und
3. [Stufe:] welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist.
[…]
(Zusätze und Hervorhebungen nicht im Original.)
1. Die Vorprüfung: Unterfällt das Angebot überhaupt dem Drei-Stufen-Test?
Bevor allerdings ein Angebot der ersten Stufe des Test unterzogen werden kann, muss zuvor ein Vorverfahren gemäß § 11 f Abs. 3 RStV i. d. F. d. 12. RÄStV durchgeführt werden. Im Rahmen dieses Vorverfahrens ist zu klären, ob das Angebot überhaupt den Drei-Stufen-Test durchlaufen muss. Denn grundsätzlich müssen nur neue und veränderte Angebote geprüft werden. Ob es sich bei dem Vorhaben um ein neues oder um ein verändertes Angebot handelt, wird anhand von anstaltsinternen Bewertungskatalogen ermittelt. Die ARD hat dafür ein Kompetenzzentrum beim SWR eingerichtet. Und auch das ZDF hat sich in Abstimmung mit der ARD Richtlinien für diese Vorprüfung gegeben.
Die ARD-Richtlinien enthalten sowohl „Positiv-“ als auch „Negativkriterien“ für das Vorliegen eines neuen oder veränderten Angebots. Als Positivkriterium ist beispielsweise die Veränderung der Zielgruppe oder die Neueinführung einzelner Elemente zu nennen. Ein exemplarisches Negativkriterium ist dagegen die bloße Veränderung des Designs ohne inhaltliche Auswirkungen.
2. Die drei Stufen
a) Die erste Stufe: Inwieweit entspricht das Angebot dem öffentlich-rechtlichen Auftrag?
Im Bereich der ersten Stufe soll geklärt werden, ob das neue Angebot dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht. Dieser Frage wird in zwei Schritten nachgegangen.
aa) Bestimmung eines kommunikativen Bedürfnisses
Zunächst wird das „kommunikative Bedürfnis“ in der Gesellschaft untersucht, auf das das zu prüfende Angebot eingehen will. Konkret wird dazu eine entsprechende Nutzernachfrage für das neue Angebot ermittelt. Dies erfolgt anhand empirischer Untersuchungen. Hierbei können allerdings auch Prognose-Entscheidungen notwendig werden. Denn es ist allgemein damit zu rechnen, dass sich das Nutzerverhalten gerade in Bezug auf die Online-Angebote wie IPTV zukünftig noch weiter entwickeln wird.
bb) Auftragsrelevanz der Bedürfnisbefriedigung
Kann im ersten Schritt ein "Bedürfnis" im Nutzerkreis festgestellt werden, so ist das Angebot weiter anhand des öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrags zu messen. Es stellt sich also die Frage, ob die Befriedigung des ermittelten kommunikativen Bedürfnisses unter den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fällt.
Der recht abstrakte Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf dazu weiterer Konkretisierung. Dies ist nicht zuletzt aufgrund der Forderungen der EU-Kommission aus dem Beihilfekompromiss erforderlich. Vielleicht bedient sich der 12. RÄStV dabei auch deshalb einer Formulierung der EU-Rundfunkmitteilung aus dem Jahr 2001 (vgl. Abs. 34): „[..] demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft […]“.
Jedoch kann dieser aus dem Europarecht entliehene Begriffstrias (demokratisch, sozial, kulturell) nicht allein Maßstab für den öffentlich-rechtlichen Online-Auftrag sein. Vielmehr wird der Auftrag auch durch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts präzisiert (siehe oben). Die letzte Einlassung aus Karlsruhe dazu erfolgte mit dem Zweiten Gebührenurteil im Jahre 2007, das ausdrücklich einen genuinen Online-Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen statuiert hat.
Insoweit müssen auch an dieser Stelle einmal mehr die Interessen der EU-Kommission und die Wertungen des Bundesverfassungsgerichts eine weitgehend einvernehmliche Würdigung erfahren.
b) Die zweite Stufe: Ist das Angebot ein qualitativer Beitrag zum publizistischen Wettbewerb?
In der zweiten Stufe stellt der publizistische Wettbewerb den zentralen Maßstab dar.
Dieser Prüfungsschritt ist zugleich das Herzstück des Drei-Stufen-Tests. Es soll hier untersucht werden, inwieweit der publizistische Wettbewerb durch das prüfungsgegenständliche Angebot beeinflusst wird. Hiervon ist der Einfluss auf den ökonomischen Wettbewerb grundsätzlich zu unterscheiden. Einzig in der Konstellation, dass sich der publizistische Wettbewerb auf den ökonomischen durchschlägt, ist auch der ökonomische Wettbewerb beachtlich (vgl. Peters, a.a.O., S. 30). Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn durch das neue Angebot andere, sich bereits am Markt befindliche Angebote vollständig verdrängt werden könnten.
Der Umstand, dass bereits ähnliche oder gleichartige Angebot von privaten Betreibern existieren ist per se aber noch kein Ausschlussgrund. Denn die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu leistende Grundversorgung ist eben nicht gleichzusetzen mit einer Mindestversorgung (st. Rspr. des BVerfG, vgl. exemplarisch BVerfGE, 74, 297, 325).
Die Bewertung des Beitrags zum publizistischen Wettbewerb bedarf im Einzelnen sicherlich einer mehrstufigen Herangehensweise. Im Rahmen der einzelnen Prüfungsfragen sind dabei dann auch die privaten Wettbewerber aufgerufen, substantiierte Stellungnahmen und insbesondere betriebswirtschaftliche Daten vorzulegen.
aa) Quantitative und Qualitative Erfassung der bestehenden Wettbewerbssituation
Zunächst ist die aktuelle Wettbewerbssituation im entsprechenden Marktsegment quantitativ zu erfassen. Dies kann beispielsweise im Online-Bereich anhand des IVW-Rankings erfolgen.
Anschließend müssen die bestehenden Angebote qualitativ bewertet werden. Dabei stellt sich schließlich die Frage, was Qualität ausmacht. Diese Frage lässt sich aber so wohl kaum abschließend beantworten. Deswegen ist hierbei auf objektive Messgrößen abzustellen. Herangezogen werden als Parameter etwa die Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten, aber auch die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, wie z. B. das Trennungsgebot von Werbung und Inhalt (vgl. Peters, a.a.O., S. 31, m. w. N.).
bb) Prognose der Wettbewerbssituation nach Hinzutreten des zu prüfenden Angebots
Nachdem der status quo (ante) erfasst ist, wird eine Prognose der Wettbewerbssituation nach dem Hinzutreten des zu prüfenden Angebots angefertigt. Bei dieser Prognose ist eine umfassende Würdigung aller Wettbewerbsumstände notwendig. Zum einen muss auch hier wieder das sich wandelnde Mediennutzungsverhalten berücksichtigt werden. Zum anderen müssen aber auch die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der privaten Anbieter in diesem Marktsegment betrachtet werden. Denn es gilt insbesondere, die Zusammenhänge zwischen publizistischem und ökonomischem Wettbewerb zu ermitteln, um ein Durchschlagen des publizistischen Wettbewerbs auf den ökonomischen zu vermeiden.
cc) Ermittlung des publizistischen Mehrwerts des zu prüfenden Angebots
Weiter bedarf es innerhalb der zweiten Teststufe einer Bewertung des konkreten publizistischen Mehrwertes des Angebots. Es stellt sich also – vereinfacht ausgedrückt – zum einen die Frage, was das Angebot der Zielgruppe bringt. Aber auch die Frage, welchen Gewinn das Angebot ggf. für den publizistischen Wettbewerb selbst darstellt.
Die Bewertungen und Prognosen werden wohl regelmäßig umfangreicher interdisziplinärer gutachterlicher Stellungnahmen bedürfen. Die Rundfunkräte sind im Übrigen gesetzlich auch zur Einholung entsprechender externer Expertisen angehalten.
c) Die dritte Stufe: Wie hoch sind die Kosten des Angebots?
Abschließend müssen die Kosten des Angebots untersucht werden. Die Kostenprüfung ist dabei nicht allein am Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung zu messen. Vielmehr soll eine individuelle Abwägung zwischen dem Kostenaufwand und dem damit erzielten publizistischen Mehrwert vorgenommen werden.
d) Abschließende Entscheidung
Die Letztentscheidungskompetenz liegt bei den Rundfunkräten als zuständige Gremien i. S. v. § 11 f Abs. 4 RStV i. d. F. d. 12. RÄStV. Der Rundfunkratsmitglieder haben also darüber zu befinden, ob das projektierte Angebot die Anforderungen des Drei-Stufen-Tests im Ergebnis erfüllt. Die Entscheidung hierüber ist vom Rundfunkrat substantiiert zu begründen. Mit Veröffentlichung der Entscheidung ist das Verfahren beendet. Im Falle einer positiven Bescheidung kann danach das Angebot umgesetzt werden.
V. Gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses
Die Ergebnisse des Drei-Stufen-Tests sind auf vielfache Weise gerichtlich angreifbar.
1. Deutscher Verwaltungsrechtsweg
Die Entscheidungen des Rundfunkrats beim Drei-Stufen-Test sind regelmäßig Ermessensentscheidungen. Damit kommt eine gerichtliche Überprüfung nur im Hinblick auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf eine allgemeine Missbrauchskontrolle in Frage. Insoweit würde dem VPRT nach seinen aktuell gegen den KiKa erhobenen Vorwürfen der Verwaltungsgerichtsweg gegen das Ergebnis des Drei-Stufen-Tests offenstehen.
2. Deutscher Zivilrechtsweg
Sofern ein vermeintlich fehlerhaftes Drei-Stufen-Test-Ergebnis auch wettbewerbsrechtliche Auswirkungen hat, wäre zudem auch der Rechtsweg vor den ordentlichen deutschen Zivilgerichten eröffnet. Denkbar wäre beispielsweise ein auf §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m §§ 11 ff RStV i. d. F. d. 12. RÄStV gestütztes Verfahren.
3. Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
Sollten die Verfahren vor den deutschen Zivil- und Verwaltungsgerichten nicht zu einer akzeptablen Klärung führen, so könnte gegen die Entscheidungen jeweils Verfassungsbeschwerde zum BVerfG in Karlsruhe erhoben werden.
4. Europarechtliche Wettbewerbsbeschwerde und Verfahren vor dem EuGH
Neben den nationalen Rechtsschutzmöglichkeiten könnte ein vermeintlich fehlerhaftes Ergebnis auch bei der EU-Kommission in Brüssel als Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht angezeigt werden. Dieses Verfahren würde dann in letzter Konsequenz vor dem EuGH enden.
VI. Ausblick: Neue EU-Rundfunkmitteilung
Die sog. „Rundfunkmitteilung“ der EU-Kommission legt Grundsätze und Voraussetzungen für die Prüfung der Vereinbarkeit der staatlichen Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks mit dem Beihilfenrecht der Europäischen Union fest. Bei den Mitteilungen handelt es sich um „Akte sui generis“.
Die derzeit geltende Fassung stammt aus dem Jahre 2001 und soll in den kommenden Monaten durch eine Neufassung abgelöst werden. Deren Konsultationsphase ist im letzten Jahr abgeschlossen worden. In der Bundesrepublik und im EU-Parlament wird der derzeitige Entwurfsstand allerdings immer noch als zu weitgehend kritisiert. In Randziffer 62 verlangt der Entwurf unter anderem, dass der Drei-Stufen-Test zukünftig von unabhängigen Stellen durchzuführen ist. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission an dieser Auflage weiterhin festhält. Unter Umständen ist dann bereits im kommenden 13. RÄStV mit einer entsprechenden Anpassung des Prüfungsverfahrens zu rechnen.
VII. Fazit
Bereits am Beihilfekompromiss, der Grundlage für den Drei-Stufen-Test, kann man Kritik üben. Denn alle Beteiligten gingen dabei einer klaren Beantwortung wichtiger Kernfragen durch den EuGH bewusst aus dem Wege. Im Ergebnis führt dieser Kompromiss dazu, dass die einzelnen Beteiligten sich jeweils in ihren entgegengesetzten Rechtsauffassungen bestätigt sehen. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist an dieser Stelle keineswegs gewonnen worden.
Deshalb besitzt der Drei-Stufen-Test in seiner jetzigen Ausprägung wohl auch schon ein Verfallsdatum. Es bleibt abzuwarten, wie alle Beteiligten – Kommission, Öffentlich-Rechtliche und Private – mit den neuen Regeln umgehen. Aber es spricht vieles dafür, dass der Drei-Stufen-Test selbst nur ein weiterer Schritt von vielen auf der Suche nach einer angemessenen Rundfunkregulierung im Lichte der Digitalisierung sein wird.
VIII. Weiterführende Literatur
Eine umfangreiche und sehr fundierte Darstellung der gesamten rundfunkrechtlichen Problemfelder im Bereich des Drei-Stufen-Tests bieten insbesondere:
Butz Peters
Der „Drei-Stufen-Test“: Die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote
in: Kommunikation & Recht 2009, Heft 1, S. 26 – 34
PDF-Download.
Wolfgang Schulz
Der Programmauftrag als Prozess seiner Begründung
Kurzstudie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung
Berlin 2008
PDF-Download.
Hinweis: Der Autor dieses Artikels ist als studentische Hilfskraft für das Justitiariat des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) in Mainz tätig. Er ist dort jedoch nicht mit den Regelungen zum Drei-Stufen-Test befasst.
Update:
Die aktuellen Entwicklungen beim Drei-Stufen-Test.