Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die mündliche Verhandlung zum „Wahlcomputer“ angekündigt. Sie soll am 28. Oktober 2008 stattfinden. Doch worum geht es dabei? Weshalb sind Wahlcomputer gesellschaftlich umstritten und rechtlich bedenklich?
Der Einsatz von Wahlcomputern
Wahlcomputer wurden in Deutschland erstmals 1999 bei der Europawahl eingesetzt, seit 2002 sind sie auch bei Bundestagswahlen vertreten. Mittels dieser technischen Geräte werden Wählerstimmen erfasst und/oder ausgezählt. In Deutschland werden Wahlmaschinen des niederländischen Herstellers „Nedap“ verwendet. „Nedap“-Apparate wurden zunächst auch in den Niederlanden verwendet – bis es Hackern gelang einen solchen Wahlcomputer zu manipulieren und die Regierung wieder Wahlen per Zettel und Stift verordnete. Sinn der Wahlcomputer ist es, Wahlen einfacher, sicherer und billiger zu gestalten.
Funktionsweise von Wahlcomputern
Ein solcher Wahlcomputer hat ein Tastenfeld, das einen Stimmzettel darstellt und über das der Wähler seine Stimme abgibt. Auf einem Bildschirm wird die Wahl des Bürgers angezeigt, sodass er die Richtigkeit überprüfen kann. Der Computer speichert die Angaben und wertet sie aus. Die Wahlergebnisse können vom Wahlleiter abgelesen und ausgedruckt werden.
Rechtsgrundlage
Die Rechtsgrundlagen für Bundestagswahlen sind § 35 Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlgeräteverordnung. Danach ist der Einsatz von Wahlgeräten zulässig, allerdings unter der Voraussetzung, dass eine geheime Stimmabgabe gewährleistet wird. Deshalb muss die Bauart des Wahlcomputers überprüft werden (sog. Bauartzulassung) und ihr Einsatz vom Bundesinnenministerium genehmigt werden. Die Beurteilung der Wahlgeräte wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vorgenommen. Ein Hersteller von zugelassenen Wahlcomputern ist verpflichtet zu bestätigen, dass jeder Computer, den er in den Verkehr bringt, dem vom Ministerium geprüften Gerät entspricht (sog. Baugleichheitserklärung; § 2 VI BWahlGV).
Hintergrund der Wahlprüfungsbeschwerde
Bei der vorliegenden Wahlprüfungsbeschwerde (Art. 41 II GG, § 13 Nr. 3 BVerfGG) geht es um eine Überprüfung der Bundestagswahl 2005. Dabei wurden in Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Wahlcomputer eingesetzt. Die Beschwerdeführer betrachten die Wahl als ungültig und fordern eine Wiederholung in den Wahlkreisen, in denen Wahlcomputer eingesetzt wurden: verfassungsrechtlich gewährte Wahlgrundsätze seien verletzt worden. Hilfsweise soll das Bundesverfassunsgericht feststellen, dass Wahlcomputer generell oder jedenfalls in der aktuellen Verwendungsweise nicht mit der Verfassung in Einklang sind.
Argumente der Wahlprüfungsbeschwerde
Die Beschwerdeführer rügen insbesondere, dass durch den Wahlcomputereinsatz der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verletzt werde. Der Grundsatz der Öffentlichkeit wird aus dem Demokratieprinzip hergeleitet. Konkret geht es um folgende Argumente:
• Mangelnde Transparenz: Weder Wählende noch Wahlvorstände könnten kontrollieren, ob alle abgegebenen (und nicht mehr und nicht weniger) Stimmen korrekt im Computer gespeichert wurden.
• Bekanntgabe des technischen Aufbaus: Die Beschwerdeführer fordern, dass bereits der technische Aufbau der Wahlgeräte, insbesondere der Quellcode der verwendeten Software öffentlich bekannt gegeben werden. Nur so könne die Gerätesoftware auf ihre Sicherheit überprüft und eine rechtmäßige Wahl gewährleistet werden.
• Baugleichheitserklärung: Außerdem wird die Baugleichheitserklärung kritisiert. Die einheitliche Baugerätezulassung gewähre keine ausreichende Sicherheit. Vielmehr sollte darüber hinaus – ebenso wie es z.B. bei Feuerlöschern der Fall ist – jedes einzelne Gerät vom PTB daraufhin überprüft werden, ob es tatsächlich dem zugelassen Bautyp entspricht.
• Kriterien des PTB: Beanstandet wird auch, dass die Überprüfungskriterien des PTB nicht öffentlich sind. Dies sei aber erforderlich, um eine öffentliche Überprüfung der Sicherheit und der Prüfkriterien zu ermöglichen.
• Manipulierbarkeit: Auch das (einfache) Wahlrecht aus Art. 38 GG sei verletzt. Seit dem Hackangriff auf einen „Nedap“-Wahlcomputer in den Niederlanden könnten Manipilationen nicht mehr ausgeschlossen werden. Die handwerklich einfache Manipulierbarkeit wurde auch anderenorts bereits demonstriert (Video). Das Vertrauen der Bürger sei deshalb beeinträchtigt.
Ausblick
Welche Entscheidung das Bundesverfassungsgericht treffen wird, ist freilich ungewiss. Dass es die Bundestagswahl 2005 für – wenn auch nur teilweise – ungültig erklären wird, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Gut möglich ist es hingegen, dass das Gericht Wahlcomputer als generell verfassungsgemäß betrachtet – aber das aktuelle Wahlverfahren mit Computern beanstandet.
Für die am Sonntag in Brandenburg stattfindenden Kommunalwahlen hat der Chaos Computer Club vorerst Bürger aufgerufen den Einsatz der Wahlcomputern zu beobachten.
Die Wahlprüfungsbeschwerde des Beschwerdeführers Dr. Ulrich Wiesner im Volltext (PDF).