Telemedicus hat den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mehrere Fragen zu ihren medienpolitischen Grundsatzpositionen gestellt. In dieser Woche veröffentlichen wir nun täglich fortlaufend die Antworten der Parteien. Heute stellen wir im letzten Teil unserer Artikelreihe „Wahlcheck 2009” die Positionen der SPD vor.
SPD: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das zur Schau stellen von sexuellem Missbrauch von Kindern bis hin zur Vergewaltigung von Jungen und Mädchen ist ein Verbrechen auf sozial-ethisch niedrigster Stufe und muss mit aller Konsequenz verfolgt werden.
Wir konnten im Gesetz verankern, dass zu allererst einschlägige Seiten aus dem Netz gelöscht werden. Erst wenn das Löschen nicht möglich ist, soll eine Zugangserschwerung (Sperre) zum Einsatz kommen. Das Gesetz ist auf 3 Jahre befristet, es wird von einem unabhängigen, beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelten Expertengremium evaluiert.
Wir sind uns bewusst, dass versierte Internetnutzer die Sperre umgehen könnten. Hierzu werden nicht alle in der Lage sein und es wird letztlich von der kriminellen Energie des Einzelnen abhängen, inwieweit er sich abschrecken lässt. Wir wollen, dass diejenigen erreicht werden, die den Einstieg in den Konsum kinderpornografischer Inhalte suchen. Gerade sie sollen über die Umleitung auf die Stoppmeldung deutlich signalisiert bekommen, dass die Gesellschaft ein solches Verhalten nicht toleriert.
Um klarzustellen, dass das Instrument der Internetsperren kein allgemeines Instrument ist und werden darf, haben wir die neuen Vorschriften in einem eigenen Gesetz zusammengefasst und nicht im Telemediengesetz verankert. Das Gesetz sieht außerdem ausdrücklich vor, dass das Sperrlistenverfahren und die dafür erforderliche Infrastruktur auf Grund der ausschließlichen Verwendung für die Zugangserschwerung bei Seiten, die kinderpornografische Schriften im Sinne des Strafgesetzbuch enthalten, nicht zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden dürfen.
SPD: Der SPD ist es ein wichtiges Anliegen, die Rahmenbedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs mit Blick auf die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der neuen Dienste auch zukünftig unabhängig vom Verbreitungsweg entwicklungsoffen auszugestalten. Dafür haben wir uns dafür stark gemacht, dass die einschlägigen wirtschaftsbezogenen Regelungen (bundes-, wie landesrechtliche) und die europäische E-Commerce-Richtlinie in ein Telemediengesetz zusammen geregelt werden. Hierbei spielt die Regelung der Haftungsfrage eine zentrale Rolle. Durch die Regelungen des Telemediengesetzes und der darin aufgegangenen Richtlinie der EU, gelten heute europaweit (endlich) einheitliche Haftungsregelungen. Das abgestufte Haftungssystem für eigene, bereitgehaltene Inhalte sowie für die Zugangsgewährung hat sich bewährt. Etwaigen Änderungsbedarf werden wir sorgsam prüfen.
SPD: Die SPD steht für einen wirksamen Verbraucherschutz und einen wettbewerbsrechtlich einwandfreies Verhalten aller Marktteilnehmer. Wir wollen, dass Transparenz auch im elektronischen Geschäftsverkehr gewährleistet ist. Die in der Regel als Impressum bezeichnete Anbieterkennzeichnung erfüllt die wichtige Aufgabe, Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage zu versetzen, Diensteanbieter auf ihre Seriosität zu überprüfen (etwa durch Anruf bei den zuständigen Aufsichtsstellen) bevor sie deren Dienste in Anspruch nehmen. Auch Unternehmen haben ein erhebliches Interesse daran, die erforderlichen Informationen über andere Marktteilnehmer zu bekommen, um sich etwa gegen unlautere Geschäftspraktiken erfolgreich zur Wehr setzen zu können. In diesem Sinne ist es wichtig, dass die im Telemediengesetz aufgeführten Voraussetzungen für eine einwandfreie Anbieterkennzeichnung befolgt und beachtet werden.
Mit dem Telemediengesetz vom 27. Februar 2009 ist gegenüber dem Teledienstgesetz von 2001 eine Klarstellung in den Gesetzestext aufgenommen worden. Geschäftsmäßig bedeutet „in der Regel gegen Entgelt”. Damit wurde eine bessere Abgrenzung zu rein privaten Inhalten im Internet möglich.
Um zu verhindern, dass dennoch Anbieter falsche Kennzeichnungen verwenden werden und der Verwender damit Gefahr läuft eine Ordnungswidrigkeit und (zu meist schlimmer, weil kostspieliger) einen Wettbewerbverstoß (mit kostspieligen Abmahnungen) zu begehen, hat die sozialdemokratische Bundesjustizministerin Brigitte Zypries reagiert und einen ausführlichen Leitfaden „Impressumspflicht“ zur Verfügung gestellt.
SPD: Den Schutz vor Internetkostenfallen (Abofallen) haben wir im Frühjahr 2009 in Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung verbessert. Verbraucherinnen und Verbraucher verfügen jetzt grundsätzlich über ein Widerrufsrecht, auch wenn mit der Ausführung der Dienstleistung bereits begonnen wurde. Zudem müssen die Anbieter über Vertragskonditionen und die Widerrufsmöglichkeiten in Textform aufklären. Die Beweislast für den Zugang der Widerrufsbelehrung trägt der Anbieter.
Wir gehen davon aus, dass wir Internetkostenfallen damit die Grundlage entzogen haben, weil sie wirtschaftlich unattraktiv geworden sein dürften. Wir werden das Problem aber weiter beobachten und dann ggf. weitere gesetzgeberische Maßnahmen wie das Erfordernis einer gesonderten Bestätigung prüfen.
Unabhängig davon stehen wir für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Verbraucherzentralen und ihres Bundesverbandes, zu deren Aufgaben es gehört, unseriöse Anbieter mit Hilfe von Abmahnungen und Unterlassungsklagen vom Markt zu drängen und den zu Unrecht erzielten Gewinn abzuschöpfen
SPD: Für die SPD ist die Kulturflatrate ein zentraler Punkt bei der gerechten Vergütung kreativer Arbeit. Wir setzen uns deshalb für die Einführung einer Flatrate in diesem Bereich ein.
Wir wollen das Urheberrecht und das Urhebervertragsrecht in der digitalen Welt stärken.
Für uns ist ein weiteres Argument ganz zentral.
Trotz mancher neuen Geschäftsmodelle hat sich die weitgehend prekäre Lebenssituation vieler Urheber dramatisch verschlechtert. Diejenigen in der Netz-Community haben unrecht, wenn sie die totale Netzfreiheit propagieren. Eine Kreativwirtschaft, bei der Kreativität nicht angemessen vergütet wird, kann sich nicht entwickeln.
Wir werden einen Mentalitätswandel nur schwer über Strafandrohung und Aufklärung hinbekommen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass im allgemeinen Rechtsempfinden demnächst das illegale Herunterladen mit einem Handtaschenraub gleichgesetzt wird. Daher ist die Forderung nach einer Kulturflatrate dringend notwendig.
SPD: Die SPD setzt sich dafür ein, dass alle Kreativen von ihrer Arbeit leben können.
Mit der Urheberrechtsreform von 2007 haben wir die Rechte der Kreativen gestärkt. Es ist klargestellt worden, dass etwa nicht nur der Upload, sondern auch der Download von urhebrechtlich geschützten Inhalten strafbar ist. Der SPD war es bei der Reform aber auch wichtig, nicht ganze Schulhöfe zu kriminalisieren. Deshalb Hier für wurde für Urhebern als Ausgleich für die erlaubte Privatkopie eine pauschale Vergütung festgelegt. Nun nach neuem Recht sind es die Beteiligten (Verwertungsgesellschaften und die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller) selbst, die Vergütung miteinander aushandeln.
Von Wissenschaftlern wird seit geraumer Zeit ein „Open Access”, das Prinzip eines freien und für die Nutzer im Regelfall kostenlosen Zugangs zu mit Unterstützung öffentlicher Mittel produzierten Wissens gefordert. Eine kleine Lösung für öffentliche Leseplätze wurde gefunden. Für die Zukunft geht es darum, wie wir kostenlose Bildung mit den legitimen Ansprüchen der Urheber wissenschaftlicher Ergebnisse in einen für beide Seiten akzeptierbaren Ausgleich bringen können.
Bei allen Bemühungen um die Verbesserung des normativen Schutzes, ist nicht zu übersehen, dass Inhalte und Urheberrechte im www von den Nutzerinnen und Nutzer nicht de lege lata geachtet und honoriert werden. Deshalb muss einerseits das Bewusstsein geändert werden und andererseits gilt es wirtschaftliche Wertschöpfungsprozesse an verändertes Konsumverhalten anzupassen.
SPD: Die SPD will, dass die Bürgerinnen und Bürger sich darauf verlassen können, dass ihre personenbezogenen Daten vor Mißbrauch geschützt sind. Immer mehr Daten werden von Unternehmen gesammelt und vor alllenm für viel Geld verkauft oder für Werbezwecke genutzt. Bei der am 3. Juli verabschiedeten Datenschutznovelle sind wir hinter unseren Zielen in diesem Bereich zurück geblieben, da mit dem Koalitionspartner CDU ein größeres Maß an infomationeller Selbstbestimmung für die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu machen war. Die von der SPD geforderte moderate Ausweitung des Verbandsklagerechts bei Datenschutzverstößen, wie auch die Abschaffung des bisherigen so genannten Listenprivilegs beim Adresshandel wurden nicht umgesetztt. An dieser Stelle werden wir nach der Bundestagswahl nachlegen.
Positiv zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die von der SPD durchgesetzte Einführung eines besonderen Kündigungsschutzes für die betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Auch die Eingriffsbefugnis der Datenschutzbehörden wird deutlich erweitert. Die Hinweis- und Informationspflichten z. B. bei festgestelltem Missbrauch werden ausgebaut. Die Dokumentationspflichten, wie beispielsweise bei der Datenverarbeitung im Auftrag eines Anderen, werden ausgeweitet. Diese neuen Regelungen werden flankiert durch zusätzliche und erhöhte Bußgelder.
Die ursprünglich geplanten gesetzlichen Regelungen eines Datenschutzaudits sollen zunächst in einem Pilotverfahren erprobt werden.
SPD: Für die SPD ist es ganz wichtig, die Medienkompetenz generell zu stärken. Wir wollen eine Stiftung Medienkompetenz einrichten und das Angebot eines Medienführerscheins für alle Kinder und Jugendlichen einführen.
Wir wollen, dass der Einzelne sich sicher in der digitalen Welt bewegen kann und lernt, was sich durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Daten ergeben kann und in der Lage ist, kritisch mit allen Angeboten umzugehen. Medienkompetenz ist nicht nur die Schlüsselqualifikation in der Informations- und Kommunikationsgesellschaft, sondern auch ein zu förderndes Bildungsthema.
Telemedicus hat die Antworten redaktionell nicht bearbeitet.
Update am 27. Juli 2009, 15:15 Uhr:
Herr Felix Falk vom Bundestagsbüro von Frau Monika Griefahn (SPD) hat sich noch einmal bei Telemedicus gemeldet. Er bittet darum, die Missverständnisse zu entschuldigen. Nach seinen Angaben sei die Aktion für Frau Griefahn, die medienpolitische Fraktionssprecherin der SPD im Bundestag, keineswegs irrelevant gewesen. Vielmehr hätte Frau Griefahn sich gern der Sache angenommen. Allerdings sei dies – so seine Darstellung – aufgrund einer Flut von Anfragen in Verbindung mit der Bundestagswahl aus organisatorischen Gründen ausnahmsweise leider nicht möglich gewesen.