Telemedicus hat den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mehrere Fragen zu ihren medienpolitischen Grundsatzpositionen gestellt. In dieser Woche veröffentlichen wir nun täglich fortlaufend die Antworten der Parteien. Heute stellen wir die Positionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kinderpornographie gehört zu den widerwärtigsten Straftaten. Auch die Darstellung und Verbreitung der schrecklichen Bilder im Internet und auf anderen Trägermedien sind Teil des Missbrauchsgeschehens. Es muss Ziel staatlichen Handelns sein, gegen diese Verbrechen vorzugehen. Im Vordergrund müssen dabei die Verhinderung von Missbrauch, die Beschlagnahmung und Vernichtung kinderpornographischen Materials, die Verfolgung der Täter und die intensive Hilfe für die Opfer stehen.
Bereits jetzt können Angebote im Netz gelöscht und Strafverfahren eingeleitet werden. Und mit der richterlichen Sperrverfügung können Internet-Zugangs-Anbieter gezwungen werden, durch technische Maßnahmen den Zugang zu bestimmten Angeboten zu erschweren.
Mit dem Gesetz der Koalition wird das BKA nun täglich eine umfassende Sperrliste erstellen. Der Aufbau einer umfassenden Sperrinfrastruktur bei den Internet-Zugangs-Anbietern zur Umsetzung der vom BKA erstellten Liste der zu sperrenden Webseiten, ist auch geeignet, andere Seiten als solche mit kinderpornographischen Inhalten zu sperren. Damit besteht die Möglichkeit einer allgemeinen Zensur von Inhalten im Internet. Es wurden bereits eine Vielzahl von Inhalten genannt, die in Zukunft ebenfalls durch die Sperrliste erfasst werden sollten. Wir Grüne sprechen uns gegen eine solche, rechtsstaatlich problematische Einrichtung einer umfassenden Sperrinfrastruktur im Internet aus.
Die sogenannte Problematik der „Internetpiraterie“ wollen wir durch pauschale Vergütungsmodelle, die zu einem fairen Ausgleich zwischen UrheberInnen und NetznutzerInnen führen, lösen. Auf keinen Fall darf es zu einer Ausweitung der Zugangserschwerungen auf andere Inhalte als Kinderpornographie kommen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für uns ist klar: Es muss eindeutige Haftungsregeln für Diensteanbieter im Internet geben. Vorabkontrollen und entfernungen durch die Diensteanbieter sind im Internet schlichtweg anachronistisch und es ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung, dass sie dies nicht von Anfang an klargestellt hat. Das ganze Web 2.0 wäre mit Vorabkontrollen überhaupt nicht mehr möglich.
Klare Haftungsregelungen müssen auch für Suchmaschinenanbieter gelten. Sie sind ebenso Zugangsdienstleister, die selbst keine Inhalte produzieren.
Im Übrigen dürfen aus unserer Sicht auch Blog- und Forenbetreiber nur in dem Maß haftbar gemacht werden, als ihnen eine Entfernung rechtswidriger Inhalte zumutbar und technisch möglich ist. Auch sie bieten letztendlich eine Plattform für fremde Meinungen an. Wenn Blog- oder Forenbetreiber genötigt werden, jede Sekunde die Beiträge auf ihren Seiten auf mögliche rechtswidrige Inhalte zu prüfen, wird damit eine Szene kaputtgemacht, die für Vielfalt in der öffentlichen Debatte sorgt und eine Alternative zum Mainstream-Journalismus darstellt. Unzumutbare inhaltliche Kontrollen bedrohen hier die Meinungsvielfalt, die das Netz ermöglicht!
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: § 5 des TMG regelt, dass Diensteanbieter für geschäftsmäßige (hierunter fallen auch private), in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien eine Anbieterkennzeichnung vornehmen müssen, die in jedem Fall Namen und die Anschrift und Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglicht, enthält. Somit gilt zurzeit eine Regelung, die frei zugängliche, anonyme Blogs oder Webseiten verbietet. Bündnis 90/Die Grünen diskutieren noch, ob sie die bestehenden Impressumspflichten angesichts der Entwicklung des Internets verändern wollen und haben hier noch keine abschließende Position.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Verbraucherschutz im Internet ist dringend geboten. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher werden Opfer von so genannten Abo-Fallen im Internet. Vermeintliche Gratisangebote im Internet erweisen sich oft als teure Langzeit-Abos. Dadurch entstehen Schäden in Millionenhöhe. Denn vor allem sehr junge und sehr alte Internetsurferinnen und -surfer haben gegen Firmen, die es bewusst auf eine Irreführung im Internet anlegen, kaum eine Chance. Wenn die Bundesregierung lediglich eine Kennzeichnungspflicht der Kosten im Internet unterstützen will, greift das zu kurz.
Wir Grünen halten eine Pflicht zur Email-Bestätigung im Internet für sinnvoll. Die im Internet geschlossenen Verträge müssen mit den wesentlichen Vertragsbedingungen aufgelistet werden. Der Verbraucher darf auch nicht haften, wenn Manipulation oder Sicherheitslücken von Seiten öffentlich bekannt werden. Vorgaben für die grafische Gestaltung von Webseiten können hier auch helfen, so dass anfallende Kosten im Kleingedruckten nicht überlesen werden.
Wir Grünen fordern auch die Möglichkeit zur Sammelklage, damit Verbraucherinnen und Verbraucher sich als Gruppenkläger vor Gericht zusammenschließen und ihr gutes Recht schnell und einfach durchsetzen können. So kann den „Abo-fallen-stellern“ besser das Handwerk gelegt werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen einen fairen Ausgleich zwischen UrheberInnen digitaler Werke und deren NutzerInnen im Internet und halten eine pauschale Vergütung für einen möglichen Weg dahin. Deshalb haben wir das Rechtsgutachten zur „Zulässigkeit einer Kulturflatrate nach nationalem und europäischem Recht“ in Auftag gegeben und sind damit die erste Partei, die konkrete Schritte für die Entwicklung einer Kulturflatrate unternommen hat.
Das Gutachten hat deutlich gemacht, dass eine Kulturflatrate für das Internet nach nationalem und europäischem Recht machbar ist. Das Modell könnte beinhalten, dass per staatlicher Lizenz Verträge mit Internet-Providern geschlossen werden, die je nach Datenmenge preislich gestaffelt den legalen digitalen Download möglich machen. Diese Einnahmen könnten mittels einer Verwertungsgesellschaft für das Internet direkt an die Produzenten kreativer Inhalte fließen. Neben dem Vorteil zusätzlicher Einnahmen für die Kreativen böte eine Kulturflatrate auch die Chance, NutzerInnen von Tauschbörsen zu entkriminalisieren, Ermittlungsbehörden und Gerichte zu entlasten und den Schutz der informationellen Selbstbestimmung und des Fernmeldegeheimnisses massiv zu verbessern. Auch wäre die Unterhaltungsindustrie von der Last befreit, ihre eigenen Konsumenten zu verfolgen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind fest entschlossen, neue Wege zu gehen, um KünstlerInnen für die Bereitstellung ihrer Werke im Internet zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir setzen uns für eine durchsetzungsstarke digitale Privatkopie ein, die wir als Ausnahme exklusiver Urheberrechte ansehen. So muss für das Erstellen von Privatkopien das Umgehen wirksamer Kopierschutzmechanismen erlaubt werden.
Zurzeit sind prinzipiell alle strafrechtlich belangbar, die zu privaten Zwecken urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigen. Hier muss schnell gehandelt werden, damit Urheberrechtsverletzungen unterhalb der Bagatellgrenze strafrechtlich nicht verfolgt werden.
Wir wollen, dass die Regelung für geschlossene Benutzergruppen im Bereich Forschung und Lehre, die es erlaubt Teile von Werken in Intranets und für E-learning zugänglich zu machen, entfristet wird.
Außerdem fordern wir, dass alle öffentlich zugänglichen Bildungseinrichtungen elektronische Leseplätze anbieten können. Die Beschränkung, dass pro Exemplar nur ein Leseplatz zur Verfügung steht, sollte gestrichen oder zumindest in eine realitätsnahe Regelung (z.B. pro Exemplar zehn Leseplätze) umgewandelt werden.
Im Filmbereich muss es ein starkes Widerrufsrecht bei Verträgen über unbekannte Nutzungsarten geben. Allerdings soll weiterhin das Widerrufsrecht nicht möglich sein, wenn es „wider Treu und Glauben“ ausgeübt wird (§ 31a UrhG).
Wir sprechen uns auch gegen eine Verlängerung der Schutzfristen aus und haben dies auch im Europaparlament deutlich gemacht. Die vor kurzem beschlossenen Verlängerungen der Schutzfristen wurden entgegen der Meinung sämtlicher wissenschaftlicher Stimmen durchgesetzt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Verschärfung des Bundesdatenschutzgesetzes erfolgt nach einer Reihe von Fällen des unberechtigten Handels mit personenbezogenen Daten, deren Herkunft meist nicht mehr nachvollziehbar war. Es liegt die Vermutung nahe, dass von fast allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland persönliche Daten auf dem illegalen Markt existieren. Selbst wenn deren ursprüngliche Erhebung einer Zweckbindung unterlag, so ist diese beim illegalen Handel nicht mehr erkennbar. Wir halten es daher für notwendig, dass das „Listenprivileg“ eingeschränkt und stattdessen ein Einwilligungslösung (Opt-In) eingeführt wird. Die Nutzung persönlicher Daten soll vom ausdrücklichen Einverständnis der Betroffenen abhängig sein. Ihr schutzwürdiges Interesse muss gegenüber dem wirtschaftlichen Anliegen für die Verarbeitung und Nutzung in Werbung, Markt- und Meinungsforschung grundsätzlich überwiegen. Die bisherige Widerspruchslösung hat nicht funktioniert und sorgte für keinen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Verbraucher und Wirtschaft. Um mehr Verbraucherschutz und mehr Rechtssicherheit für die Wirtschaft zu gewährleisten, setzen wir uns außerdem für ein Datenschutzgütesiegel, die Einführung absoluter Kopplungsverbote und eine kostengünstige Form der Einwilligung, etwa durch Bürgerportale im Internet, ein. Persönliche Daten sind keine Handelsware. Wir sehen unsere Verpflichtung darin, das informationelle Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen und Datenschutz und Datensicherheit zu gewährleisten.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Medien umzugehen, will gelernt sein – in jeder Hinsicht und von Anfang an. Im Gegensatz zu vielen älteren Erwachsenen, die mit dem Internet Neuland betreten, gilt für die jüngere Generation: Wer hin und wieder abschaltet, gewinnt an Zeit für direkten Austausch mit anderen und Ruhe, Konsumiertes zu verarbeiten und zu bewerten. Bei den heutigen Mengen an Information, Unterhaltung und Ablenkung kommt es entscheidend darauf an, herauszufiltern, was wirklich wichtig ist. Dazu gehört auch, Angebote kritisch zu hinterfragen und die Mittel des Internets gezielt einzusetzen. Medienerziehung muss all das vermitteln – in Familien, Kindergärten, Schulen und Jugendeinrichtungen ebenso wie in der Weiterbildung. Es reicht allerdings nicht aus, in einem Unterrichtsfach „Medienkunde“ nur den technischen Zugang zu erschließen. Vielmehr muss der Umgang mit Medien fächerübergreifend in Unterricht und Weiterbildungsangebote einfließen.
Für die Förderung von Medienkompetenz sind insbesondere Schulen und Weiterbildungsstätten gefragt; sie müssen den kritischen Umgang mit neuen Kommunikations-, Vernetzungs- und Informationsmöglichkeiten in ihre Inhaltevermittlung einbauen.
Wo dies noch nicht oder noch nicht ausreichend geschieht, muss die Vermittlung von Medienkompetenz, vor allem in Sachen Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung, vorangetrieben werden. Dafür muss auf die Bundesländer und Gemeinden eingewirkt werden. Auch für das Lehrpersonal muss diese Vermittlung verstärkt zum Bestandteil seiner beruflichen Aus- und Weiterbildung werden.
Medienkompetenz ist heute ein universelles Thema und eine Herausforderung für alle Generationen.
Telemedicus hat die Antworten redaktionell nicht bearbeitet.