In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2017 haben wir Parteien zu ihren netzpolitischen Ansichten befragt. Es folgen die Antworten der PIRATENPARTEI.
1. Autonome Systeme erobern immer mehr den Alltag und werden damit auch zum möglichen Gegenstand von Haftungsprozessen. Dabei ist ein Hauptproblem der derzeitigen rechtswissenschaftlichen Debatte die Zuweisung konkreter Verantwortlichkeiten für mögliche Schäden. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu?
Die Piraten setzen sich für eine vernünftige Regelung der Haftung ein, die sich an der Verantwortlichkeit an der Stelle orientiert, an der der Schaden aufgetreten ist. Der Hersteller haftet für das ordnungsgemäße Produkt. Der Nutzer dafür, dass Wartung und Sicherheitsupdates pünktlich durchgeführt werden. Bei entsprechenden Fremdverschulden (Hacker), der Angreifer.
2. In der Internetwelt treten immer wieder Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen auf, die konventionelle regulatorische Rahmenbedingungen infrage stellen. Sollte Wettbewerbsgleichheit zwischen digitalen Plattformen und herkömmlichen Anbietern von Rundfunk oder Telekommunikationsinfrastruktur herrschen und welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei hierzu?
Hier gilt es zu differenzieren.
1. Wir treten für die Wettbewerbsgleichheit ein. Das ist schon aus Gründen des Schutzes von Arbeitnehmern notwendig. Diese um- oder durchzusetzen fällt aber extrem schwer.
2. Durch regulatorische Maßregelungen von z.B. YouTube Kanälen sehen wir das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit gefährdet. Daher lehnen wir die Einstufung von YouTube Kanälen und vergleichbaren Diensten als lizenzpflichtigen „Rundfunk“ ab.
3. Sind nach Ansicht Ihrer Partei rechtswidrige und hetzerische Äußerungen in sozialen Netzwerken ein Problem des materiellen Rechts oder der Rechtsdurchsetzung? Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu und insbesondere zum Entwurf des NetzDG?
Die Herangehensweise von Heiko Maas und der Bundesregierung ist falsch. Es gibt bereits Gesetze gegen Hass im Netz, die aber aufgrund mangelnder Sachkenntnisse der Justiz zu Fragen des Medienrechts und der IT nicht umgesetzt werden können. Die Piraten fordern deshalb mehr und kompetenter geschultes Personal, das anhand transparenter, demokratisch legitimierter Regeln darüber entscheidet, welche Aussagen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und welche strafbar sind. Der einzige gangbare Weg ist der Richtervorbehalt.
4. Ist der Bundesregierung die Umsetzung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nach Ihrer Meinung gelungen? Welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei für einen Ausgleich zwischen Interessen Betroffener und der Öffentlichkeit im Datenschutzrecht?
Nein. Die Bundesregierung hat die Öffnungsklausel der DSGVO ausgenutzt, um die totalitäre Überwachung und informationelle Fremdbestimmung auszubauen. Die Piratenpartei stimmt nach der Wahl für eine komplette Überarbeitung des neuen Datenschutzgesetzes und zwar unter Berücksichtigung von Grund- und Menschenrechten, informationeller Selbstbestimmung und persönlicher Unversehrtheit.
5. Der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit scheint immer schwieriger. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu? Sollte dem Staat zum Beispiel eine Hintertür in verschlüsselte Kommunikation offenstehen?
Verschlüsselte Kommunikation ist die Grundlage unserer modernen Wirtschaft und unserer medizinischen Versorgung. Jede Hintertür öffnet die Systeme auch denen, die diesem schaden wollen. Eine Grundforderung der PIRATEN ist daher die Backdoorfreie Verschlüsselung. Nur diese kann langfristig garantieren, dass Informationen sicher Übertragen und gespeichert werden können. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass z.B. medizinische Befunde und Rezepte bei der Übertragung nicht verändert werden.Gleiches gilt für Online-Banking.
6. Sollten Plattformen wie Youtube, Facebook und Co mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten verpflichtet werden, Inhalte nach fremden Urheberrechten zu filtern? Welche Maßnahmen kämen dafür Ihrer Ansicht nach infrage?
Nein. Die Piratenpartei vertritt grundsätzlich die Ansicht, dass Inhalte die im Internet angeboten werden einer Lizenz unterliegen sollen, die die freie Wiederverwendung ermöglicht. Dementsprechend ist ausgeschlossen, dass Nutzer von Videos auf den genannten Plattformen überhaupt haftbar gemacht werden, geschweige denn, dass die Plattformen verpflichtet sind, derartige selbst aufzuspüren.
Sollten urheberrechtlich geschützte Werke auf Online-Plattformen auftauchen, sehen wir in folgendem Model einen guten Kompromiss: Inhaber von Rechten wenden sich an den Betreiber und belegen ihre Rechte. Daraufhin ist der Betreiber verpflichtet diese zu löschen. Da die Daten vermutlich bereits geteilt wurden, sind die Kopien über den Hashwert zu ermitteln und zu löschen. Dafür müssen aber realisierbare Fristen eingeräumt werden.
7. Beabsichtigt Ihre Partei Maßnahmen zum besseren Schutz von Urheberrechten im Internet? Wenn ja, welche? Hält Ihre Partei Netzsperren über Internetprovider für sinnvoll?
Die Piratenpartei vertritt die Ansicht, dass das creativ common Lizenzverfahren weit ausgedehnt werden und das Urheberrecht im Internet grundsätzlich überarbeitet werden muss, um die freie Nutzung der angebotenen Inhalte zu ermöglichen. Dementsprechend setzen wir uns gegen eine Verschärfung des Urheberrechts im Internet rein und lehnen Internetsperren grundsätzlich ab
Dennoch müssen Künstler und Autoren von ihren Werken leben können. Das UHG stammt aus einer Zeit in der es nicht, wie heute, möglich war, verlustfreie Kopien zu erstellen. Wir treten daher für eine Modernisierung des UHG ein, der Künstler gerecht entlohnt. Das kann z.B. über eine Kulturabgabe auf Internetanschlüsse geschehen. Je nach Nutzung erhalten Künstler einen Betrag, wobei der Betrag mit steigender Nutzung abnimmt. Dadurch wird Künstlern für die ersten Nutzungen ein relativ hoher Betrag zugerechnet und den Topsellern ein immer kleiner werdender zusätzlicher Betrag. Dadurch wird verhindert, dass „kleine“ Künstler verhungern und „große“ ihren Reichtum überdimensional ausbauen.
8. Das Bundeskabinett hat kürzlich einen neuen Schrankenkatalog vorgelegt, der das Urheberwissenschaftsrecht reformieren soll. Ist nach Ansicht Ihrer Partei der Ausgleich von Interessen von Forschung und Lehre auf der einen und der Autoren- und Verlagswelt auf der anderen Seite geglückt? Hält Ihre Partei weitere Maßnahmen für erforderlich – und wenn ja, welche?
Prinzipiell sieht die Piratenpartei genau wie in den Fällen von Künstlern auch die Notwendigkeit, dass Wissenschaftler eine angemessene Entlohnung ihrer Arbeit erhalten. Insofern gehen wir mit der entsprechenden Regelung im Gesetzestext konform. Allerdings ist zu beachten, woher diese Entlohnung kommt. Die große Mehrzahl von Veröffentlichungen in der Wissenschaft wird im Rahmen einer Anstellung an Universitäten oder Forschungseinrichtungen erarbeitet. Hier hat der Arbeitgeber für die angemessene Entlohnung zu sorgen. Dies gilt insbesondere, wenn die Entlohnung aus Steuergeldern geschieht.
Auch muss sichergestellt sein, dass die Ergebnisse staatlicher Forschung allgemein verfügbar und somit einerseits kritisch zu hinterfragen, andererseits auch weitergehenden Forschungen zugänglich gemacht wird.
Generell befinden wir uns im Einklang mit den WTO-Verträgen. Demnach müssen Beschränkungen und Ausnahmen im Urheberrecht „auf bestimmte Sonderfälle“ beschränkt bleiben, „die weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen.“
9. Zugang zum Internet gilt heutzutage als existenzieller Lebensstandard und Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe. Doch viele Bürger erhalten nur sehr schwache Internetzugänge. Dabei werden verschiedene Lösungen diskutiert, wie man einen stabilen und zukunftsstarken Ausbau von Infrastruktur in Deutschland sicherstellen kann. Welche Ziele sollten hier formuliert werden und welche Maßnahmen hält Ihre Partei für erforderlich?
Das zu formulierende Ziel lautet: Jeder Einwohner Deutschlands hat das Recht auf einen schnellen Internetzugang. Dieser sollte 100 MBit in Städten, 50 MBit auf Dörfern und 10 MBit in abgelegeneren Gegenden betragen. Die dazu notwendigen Maßnahmen sind: Ausbau der Infrastruktur generell mit Glasfaser und wenn nötig, Förderung des Ausbaus der Infrastruktur durch staatliche Förderung. Erfolgt die Errichtung von Infrastruktur mit Hilfe staatlicher Förderung (Dörfer) so ist ausschließlich das Betreibermodell zu wählen.