In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2017 haben wir Parteien zu ihren netzpolitischen Ansichten befragt. Es folgen die Antworten der FDP.
1. Autonome Systeme erobern immer mehr den Alltag und werden damit auch zum möglichen Gegenstand von Haftungsprozessen. Dabei ist ein Hauptproblem der derzeitigen rechtswissenschaftlichen Debatte die Zuweisung konkreter Verantwortlichkeiten für mögliche Schäden. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu?
Wir Freie Demokraten sehen insbesondere autonomes Fahren als Chance für selbstbestimmte Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe für diejenigen, deren Mobilität derzeit eingeschränkt ist. Autonom fahrende Verkehrsmittel bieten zudem neue Perspektiven für die Attraktivität des ländlichen Raumes. Drohnen sind eine Chance insbesondere für den Rettungseinsatz in ländlichen Gebieten. Daher fordern wir, die derzeit bestehenden gesetzlichen Beschränkungen von Drohnen im Zusammenhang mit Rettungseinsätzen abzuschaffen. Die Frage eines Haftungsregimes, das einerseits innovationsförderlich wirkt, aber andererseits nicht zu einer Diffusion von Verantwortung führt, ist sehr komplex. Wir beraten in den Details der Frage noch.
2. In der Internetwelt treten immer wieder Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen auf, die konventionelle regulatorische Rahmenbedingungen infrage stellen. Sollte Wettbewerbsgleichheit zwischen digitalen Plattformen und herkömmlichen Anbietern von Rundfunk oder Telekommunikationsinfrastruktur herrschen und welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei hierzu?
Wir Freie Demokraten wollen den europäischen digitalen Binnenmarkt. Denn laut Schätzung der Europäischen Kommission könnten dadurch jährlich 415 Milliarden Euro erwirtschaftet werden und hunderttausende neue Arbeitsplätze in Europa entstehen. Allerdings gibt es, anders als wir es in Europa bei Waren, Dienstleistungen und Kapital gewohnt sind, im digitalen Bereich Hindernisse beim Grenzübertritt. Die Mitgliedstaaten haben alle ihren eigenen digitalen Markt mit unterschiedlichen Regulierungen. Das wollen wir ändern, indem wir regulierungsbedingte Barrieren abbauen werden, ohne darüber den Grundsatz der Vertragsfreiheit in Frage zu stellen. In einem gemeinsamen Binnenmarkt kann es zum Beispiel keine Rolle spielen, von welchem Ort aus Verbraucherinnen und Verbraucher auf Internetseiten zugreifen, um beispielsweise ein Hotel für den Urlaub zu buchen oder in einem Online-Shop einzukaufen. Durch ungerechtfertigte Zugangssperren werden Barrieren im digitalen Binnenmarkt errichtet.
Insbesondere zwischen digitalen Plattformen und herkömmlichen Anbietern von Rundfunk oder Telekommunikationsinfrastruktur müssen die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen angeglichen werden. Dabei sollen nach Meinung von und Freien Demokraten etwa die Anbieter von sogenanntem Over-the-top content, wie WhatsApp oder Skype, in gleichem Maße wie traditionelle Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, Verbraucherrechte zu schützen. Dies umfasst unter anderem die Verpflichtung zur Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses.
3. Sind nach Ansicht Ihrer Partei rechtswidrige und hetzerische Äußerungen in sozialen Netzwerken ein Problem des materiellen Rechts oder der Rechtsdurchsetzung? Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu und insbesondere zum Entwurf des NetzDG?
Es handelt sich in erster Linie um ein Problem der Rechtsdurchsetzung. Wir Freie Demokraten fordern daher, dass Polizei und Staatsanwaltschaft strafbewehrte Postings in sozialen Netzwerken konsequenter verfolgen. Hierzu müssen diese Behörden finanziell und personell angemessen ausgestattet werden. Den Betreibern der Angebote dürfen diese Aufgaben nicht übertragen werden. Sie sind keine Zensurbehörde. Das NetzDG lehnen wir Freie Demokraten daher ab, da es zudem einseitig Anreize zur Löschung setzt. Unabhängig davon müssen aber die Betreiber ihrer Verantwortung nachkommen und Strategien zum Umgang mit Hass-Postings entwickeln.
4. Ist der Bundesregierung die Umsetzung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nach Ihrer Meinung gelungen? Welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei für einen Ausgleich zwischen Interessen Betroffener und der Öffentlichkeit im Datenschutzrecht?
Die Bundesregierung hat bei der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einseitig alle Möglichkeiten und insbesondere Öffnungsklauseln genutzt, um die Interessen und Rechte der betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Vergleich zur europäischen Regelung auf nationaler Ebene einzuschränken. Sie hat die Spielräume, die ihr die DSGVO lässt, an vielen Stellen überschritten. Wir Freie Demokraten werden daher insbesondere die Einschränkungen der Rechte der Betroffenen durch das neue BDSG und in den verschiedenen Fachgesetzen kritisch prüfen. Ziel der DSGVO ist eine weitgehende Harmonisierung des Datenschutzes in der EU. Einheitliche Regelungen in der EU sind sowohl im Interesse der Betroffenen als auch der Wirtschaft, die sich nur noch auf ein Regelungsregime einstellen muss. Auch aus diesem Grund sollte das nationale Datenschutzrecht so wenige Ausnahmen wie möglich vorsehen.
Wir Freie Demokraten wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger Verfügungsgewalt über auf ihre Person bezogene Daten haben. Niemand soll sie gegen deren Willen nutzen können („Opt-in“). Wer entschieden hat, staatlichen oder privaten Stellen Zugriff auf sie zu geben, muss auch weiterhin die Kontrolle behalten („Auskunftsrecht“). Es muss überprüfbar sein, ob sich die Nutzer an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten. Sensible Daten sollen nur dann außerhalb der Reichweite deutscher Behörden und Gerichte auf Servern, außerhalb des Anwendungsbereiches der DSGVO, gespeichert werden dürfen, wenn das Datenschutz- und Datensicherheitsniveau dort dem der DSGVO im Wesentlichen entspricht.
5. Der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit scheint immer schwieriger. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu? Sollte dem Staat zum Beispiel eine Hintertür in verschlüsselte Kommunikation offenstehen?
Für uns Freie Demokraten zeigen die Vorratsdatenspeicherung und der Staatstrojaner deutlich, dass die Große Koalition inzwischen jedes Maß verloren hat. Dabei ist es Aufgabe des Staates, die Privatsphäre zu schützen, statt seine Bürgerinnen und Bürger zu bespitzeln.
Wir Freie Demokraten wollen die digitale Infrastruktur – privater und staatlicher Stellen – auf den neuesten Stand der Technik bringen und effektiv schützen. Der unbefugte Zugriff auf persönliche Daten durch Dritte ist nicht nur ein Schaden für das betroffene Unternehmen, sondern vor allem auch für die betroffenen Kunden. Daher setzen wir uns für eine Haftung des Anbieters bei Fahrlässigkeit ein, wenn zum Beispiel nicht der Stand der Technik verwendet wurde. Wir Freie Demokraten fordern ein Grundrecht auf Verschlüsselung. Die Weiterentwicklung von Verschlüsselungstechnologien, der Sicherheit von Speichersystemen und von qualifizierten Zugriffs- und Berechtigungslogiken muss hierzu stärker vorangetrieben werden. Gesetzliche Beschränkungen oder Verbote kryptografischer Sicherungssysteme lehnen wir genauso wie den Einsatz von Backdoors und die staatliche Beteiligung an digitalen Grau- und Schwarzmärkten ab.
6. Sollten Plattformen wie Youtube, Facebook und Co mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten verpflichtet werden, Inhalte nach fremden Urheberrechten zu filtern? Welche Maßnahmen kämen dafür Ihrer Ansicht nach infrage?
Nein. Das Prinzip des „Notice-and-Take-down“ hat sich aus Sicht von uns Freien Demokraten für Intermediäre bewährt. Weitergehende präventive Pflichten für Internetplattformen, deren Tätigkeit sich allein auf das Hosting beschränkt, lehnen wir ab.
7. Beabsichtigt Ihre Partei Maßnahmen zum besseren Schutz von Urheberrechten im Internet? Wenn ja, welche? Hält Ihre Partei Netzsperren über Internetprovider für sinnvoll?
Wir Freie Demokraten lehnen Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen ab. Internetprovider sind keine Hilfssheriffs. Wir favorisieren – wie bei anderen rechtswidrigen Inhalten – den Grundsatz „Löschen statt Sperren“.
8. Das Bundeskabinett hat kürzlich einen neuen Schrankenkatalog vorgelegt, der das Urheberwissenschaftsrecht reformieren soll. Ist nach Ansicht Ihrer Partei der Ausgleich von Interessen von Forschung und Lehre auf der einen und der Autoren- und Verlagswelt auf der anderen Seite geglückt? Hält Ihre Partei weitere Maßnahmen für erforderlich – und wenn ja, welche?
Ziel muss es sein, den Zugang zum gesamten Wissensbestand für Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen und entsprechend den Bedürfnissen der Praxis zu regeln, solange das entsprechende Wissen durch öffentliche Gelder gefördert wurde. Wir Freie Demokraten begrüßen die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Werken durch „Open Access“, um einem möglichst breiten Publikum Zugang zu wissenschaftlichen Werken zu ermöglichen. Ein gesetzlich zwingend geregelter kostenloser Zugang aller Nutzer und im Speziellen aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird allerdings von uns abgelehnt. Es muss grundsätzlich in der Entscheidungsgewalt des Urhebers liegen, ob er sein Werk frei zugänglich machen will oder ob er die Verwertung über einen wissenschaftlichen Verlag oder über eigene Verwertungswege sucht. Bei öffentlich geförderten Forschungsprojekten sprechen wir Freie Demokraten uns dafür aus, dass in den Förderrichtlinien die Mittelvergabe verstärkt von der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse unter „Open Access“ abhängig gemacht wird.
Änderungen des Urheberrechts müssen dem Interessengeflecht der beteiligten Parteien (Urheber, Werkvermittler und Nutzer) Rechnung tragen. Das Grundrecht auf Eigentum, das auch das geistige Eigentum umfasst, gehört zum Kern liberaler Politik und ist von erheblicher gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Gleichzeitig sehen wir das berechtigte Bedürfnis auf einen möglichst ungehinderten Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger und die Möglichkeit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im digitalen Raum als Grundvoraussetzungen einer modernen Demokratie und Wirtschaftsordnung an.
9. Zugang zum Internet gilt heutzutage als existenzieller Lebensstandard und Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe. Doch viele Bürger erhalten nur sehr schwache Internetzugänge. Dabei werden verschiedene Lösungen diskutiert, wie man einen stabilen und zukunftsstarken Ausbau von Infrastruktur in Deutschland sicherstellen kann. Welche Ziele sollten hier formuliert werden und welche Maßnahmen hält Ihre Partei für erforderlich?
Für uns Freie Demokraten ist der zügige Ausbau der digitalen Infrastruktur eine der aktuell wichtigsten Aufgaben von Staat und Gesellschaft. Denn die Zukunft ist digital und schnelles Internet ist zentrale Voraussetzung, damit Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen die Chancen des digitalen Wandels für sich nutzen können. Wir wollen überall in Deutschland hochleistungsfähiges Internet durch flächendeckende Gigabit-Infrastrukturen sowohl im Festnetz als auch beim Mobilfunk. Glasfaser überträgt Daten deutlich schneller als die weit verbreiteten Kupferkabel. Selbst wenn Kupferkabel mittels des sogenannten Vectoring nachgerüstet werden, erreichen sie nicht annähernd die Übertragungsgeschwindigkeit von Glasfaser. Wir treten dafür ein, dass der Ausbau in Regions-Clustern ausgeschrieben wird, sodass dieser auch im ländlichen Raum attraktiv ist. Alle Provider müssen Kapazitäten auf neuen Glasfaserleitungen mieten können. Dies ermöglicht echten Wettbewerb bis an die Grundstücke bei gleichzeitiger Refinanzierung über die kommenden Jahrzehnte. Wir Freie Demokraten wollen zudem, dass der Bund seine direkten und indirekten Aktienbeteiligungen an der Deutsche Telekom AG und der Deutsche Post AG vollständig verkauft. Mit den Erlösen aus der Privatisierung ließe sich die notwendige Infrastruktur für die Gigabit-Gesellschaft stärken, damit Deutschland endlich den technologischen Anschluss an andere europäische Länder findet.