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Wahlcheck 2017: CDU/CSU

In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2017 haben wir Parteien zu ihren netzpolitischen Ansichten befragt. Es folgen die Antworten von CDU und CSU.

Autonome Systeme

1. Autonome Systeme erobern immer mehr den Alltag und werden damit auch zum möglichen Gegenstand von Haftungsprozessen. Dabei ist ein Hauptproblem der derzeitigen rechtswissenschaftlichen Debatte die Zuweisung konkreter Verantwortlichkeiten für mögliche Schäden. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu?

Einer der Bereiche, in denen automatisierte bzw. autonome Systeme bereits eingesetzt werden bzw. in der Erprobung sind, ist das automatisierte bzw. autonome Fahren. Die Entwicklung des automatisierten Fahrens wird dazu führen, dass öffentliche Verkehrsmittel flexibel per Knopfdruck verfügbar sind. Wir werden erreichen, dass Deutschland beim autonomen Fahren international Innovationsführer wird. Wir haben bereits jetzt die gesetzlichen Voraussetzungen für autonomes Fahren in Deutschland geschaffen. Wir wollen die Besten sein beim Bau intelligenter Autos und intelligenter Straßen. Dies bedarf einer großen Kraftanstrengung, die wir gemeinsam mit der Automobilindustrie ins Werk setzen wollen. Eine Ethikkommission unter Vorsitz des Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio hat erste Vorschläge erarbeitet, was automatisierte Fahrsysteme künftig dürfen und wo Grenzen zu ziehen sind.

Plattformen, Kommunikation und Regulierung

2. In der Internetwelt treten immer wieder Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen auf, die konventionelle regulatorische Rahmenbedingungen infrage stellen. Sollte Wettbewerbsgleichheit zwischen digitalen Plattformen und herkömmlichen Anbietern von Rundfunk oder Telekommunikationsinfrastruktur herrschen und welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei hierzu?

Klar ist, neben den „klassischen“ Rundfunk- und Telekommunikationsanbietern treten immer neue, auch international agierende Unternehmen. Diese neuen Marktteilnehmer bieten Dienste an, die die Vielfalt im Markt bereichern und gleichzeitig in Wettbewerb zu den etablierten Programmveranstaltern, Plattformanbietern und Presseangeboten treten. Grundsätzlich begrüßen wir diesen publizistischen wie ökonomischen Wettbewerb, der sich zwischen den unterschiedlichen Plattformen entwickelt. In diesem Leistungs- und Preiswettbewerb sehen wir einen wichtigen Faktor für die Förderung der medialen Vielfalt in unserem Land. Wichtigste Kernanliegen sind für uns: Die Sicherung der Meinungs- und Informationsfreiheit, der Vielfalt, von Pluralismus und damit Grundlage demokratischer Gesellschaft. Diese Ziele gelten auch bei einer Weiterentwicklung der Plattformregulierung. Essentielle Eckpunkte einer möglichen Anpassung der Regulierung sind Diskriminierungsfreiheit, Zugangsoffenheit, Auffindbarkeit und Transparenz. Sie müssen dem übergeordneten Ziel dienen: Der Sicherung der Meinungsfreiheit.

3. Sind nach Ansicht Ihrer Partei rechtswidrige und hetzerische Äußerungen in sozialen Netzwerken ein Problem des materiellen Rechts oder der Rechtsdurchsetzung? Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu und insbesondere zum Entwurf des NetzDG?

Bereits vor dem Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG) waren Anbieter sozialer Netzwerke nach dem Telemediengesetz (TMG) verpflichtet, strafrechtlich relevante Inhalte bei Kenntnisnahme von ihren Seiten zu löschen. Dies ist leider in der Vergangenheit zu selten gemacht worden.

Das so genannte NetzDG ist in der letzten Sitzungswoche vom Parlament verabschiedet worden und tritt zum 1. Oktober 2017 in Kraft. Die Union war sich im Zuge der Diskussionen um das NetzDG immer einig, dass die Plattformen zu wenig gemacht haben, um Hasskriminalität auf ihren Webseiten zu unterbinden. Denn Hassbotschaften, Verleumdung und Beleidigungen haben im Netz nichts zu suchen. Deswegen musste nun final der Gesetzgeber handeln. Gleichwohl musste der Entwurf aus dem Bundesjustizministerium erheblich nachgebessert werden. Wichtig war es der Union, hier eine gesamtgesellschaftliche Anerkennung zu erreichen. Zentrale Frage dabei war: Wer definiert, ob ein Inhalt gelöscht wird oder nicht und nach welchen Kriterien? Wir als Union legen dabei großen Wert auf die Meinungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger. Um dem Vorwurf des so genannten Overblockings (Anbieter löschen zu viel, um Bußgelder zu vermeiden) und dem damit verbundenen Eingriff in die Meinungsfreiheit effektiv zu begegnen, haben wir ein System der ‚regulierten Selbstregulierung‘ integriert, wie wir es etwa aus dem Jugendmedienschutz kennen. Das heißt nun, dass bei nicht eindeutigen Fällen nicht die Plattformbetreiber entscheiden, was geht und was nicht, sondern eine vom Staat kontrollierte und von den Unternehmen finanzierte Instanz. Diese prüft alle kritischen Sachverhalte nach klaren Kriterien mit geschultem Personal. Neben dieser aus unserer Sicht zentralen Anpassung, haben wir noch an über 20 weiteren Stellen Änderungen vorgenommen.

Datenschutz/Überwachung

4. Ist der Bundesregierung die Umsetzung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nach Ihrer Meinung gelungen? Welche Maßnahmen beabsichtigt Ihre Partei für einen Ausgleich zwischen Interessen Betroffener und der Öffentlichkeit im Datenschutzrecht?

Die Metapher von Daten als Rohstoff und als Öl des 21. Jahrhunderts wird oft benutzt. Das stimmt: Die digitale Ökonomie funktioniert eben genau durch die Verarbeitung von Daten. Deswegen ist es auch wichtig gewesen, hier mit der Datenschutzgrundverordnung einheitliche europäische Regelungen zu schaffen. Die Angleichung unseres nationalen Datenschutzrechts an die europarechtlichen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung sorgt für die Vereinheitlichung des Datenschutzes im EU-Binnenmarkt. Zugleich reagiert sie auf die Herausforderungen, vor die die fortschreitende Digitalisierung auch den Datenschutz stellt. Um das Ziel der EU-weiten Harmonisierung nicht zu gefährden, haben wir die zahlreichen Öffnungsklauseln, die die Datenschutzgrundverordnung für den nicht-öffentlichen Bereich bereithält, mit Augenmaß gestaltet. Die Nutzung dieser Spielräume wurde zugunsten der Betroffenen und der privaten Wirtschaft mit ihren etablierten Geschäftsmodellen vorgenommen.

5. Der Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit scheint immer schwieriger. Welche Position vertritt Ihre Partei hierzu? Sollte dem Staat zum Beispiel eine Hintertür in verschlüsselte Kommunikation offenstehen?

Das Thema Innere Sicherheit ist ein Kernthema der Union. So wurden in dieser Wahlperiode in der Tat auf Betreiben der Union viele Sicherheitsgesetze beschlossen und umgesetzt. Dazu gehört unter anderem auch die neue Rechtsgrundlage für die Anwendung der Quellen-Telekommunikations- überwachung (TKÜ) und der Online-Durchsuchung. Hintergrund ist, dass in allen Kriminalitätsbereichen und insbesondere im Bereich des islamistischen Terrorismus die Kommunikation heute nicht mehr über SMS oder ein gewöhnliches Telefonat erfolgt, sondern über Messengerdienste, die jedem Nutzer eine starke Verschlüsselung zur Verfügung stellen. Ziel war es, die Polizei in die Lage zu versetzen, durch den Einsatz einer bestimmten Software Kommunikation mitzulesen, bevor diese durch einen Messengerdienst verschlüsselt wird. Es geht auch nicht um eine Ausweitung von Befugnissen. Die neue Rechtsgrundlage soll im digitalen Bereich nur das ermöglichen, was im analogen Bereich seit langer Zeit unumstritten ist und praktiziert wird. So stellt niemand die Möglichkeit infrage, ein Telefonat mitzuhören, eine SMS mitzulesen oder eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Diese Maßnahmen kommen zudem nur in Fällen schwerster Kriminalität zum Einsatz und müssen von einem Richter angeordnet werden. Entsprechendes gilt auch für den Einsatz der Quellen-TKÜ und der Onlinedurchsuchung.

Urheberrecht

6. Sollten Plattformen wie Youtube, Facebook und Co mit von Nutzern hochgeladenen Inhalten verpflichtet werden, Inhalte nach fremden Urheberrechten zu filtern? Welche Maßnahmen kämen dafür Ihrer Ansicht nach infrage?

Klar ist, dass Kreative auch im digitalen Zeitalter von ihrer geistigen Leistung leben können müssen. Deswegen gilt es den Ausgleich der Interessen von Nutzern und Kreativen auch im digitalen Zeitalter zu ermöglichen. Derzeit wird die EU- Urheberrechtsreform – voraussichtlich bis zum Ende des Jahres 2017 – endgültig verhandelt. Wir werden die Verhandlungen auf europäischer Ebene eng begleiten. Die eventuell notwendigen Anpassungen des nationalen bzw. Umsetzungen in nationales Recht werden erst dann seriös diskutiert werden können.

7. Beabsichtigt Ihre Partei Maßnahmen zum besseren Schutz von Urheberrechten im Internet? Wenn ja, welche? Hält Ihre Partei Netzsperren über Internetprovider für sinnvoll?

Wie bereits gesagt, werden wir zunächst die Verhandlungen zur EU- Urheberrechtsreform eng begleiten. Wichtig ist, dass eine gerichtliche Durchsetzung von Urheberrechten grundsätzlich möglich bleiben und Rechtsverletzungen abgestellt werden müssen. Eine völlige Freistellung wäre europarechtswidrig und würde den Grundsatz des Eigentumsschutzes verletzen. Gleichzeitig ist es so, dass Internetsperren lediglich den Zugang zu bestimmten Inhalten erschweren, ohne diese Inhalte tatsächlich aus dem Netz zu beseitigen. Deswegen ist es grundsätzlich sinnvoller, rechtswidrige Inhalte zu löschen.

8. Das Bundeskabinett hat kürzlich einen neuen Schrankenkatalog vorgelegt, der das Urheberwissenschaftsrecht reformieren soll. Ist nach Ansicht Ihrer Partei der Ausgleich von Interessen von Forschung und Lehre auf der einen und der Autoren- und Verlagswelt auf der anderen Seite geglückt? Hält Ihre Partei weitere Maßnahmen für erforderlich – und wenn ja, welche?

Mit dem Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) haben CDU und CSU den Koalitionsvertrag umgesetzt, in dem festgelegt wurde, dass wir eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen wollen. Über den Gesetzentwurf haben CDU und CSU gemeinsam intensiv in der Bundestagsfraktion diskutiert. Die Bedenken der Verlage wurden ernst genommen und geprüft. Gleichzeitig mussten wir auch auf Leistungsfähigkeit unseres Wissenschafts- und Hochschulstandorts achten. Die Balance zwischen den widerstreitenden Ideen ist uns letztlich gelungen. Das Gesetz ist jedoch bislang nur auf fünf Jahre befristet. Nach vier Jahren werden wir evaluieren, ob sich die Regelungen bewährt haben. Darüber hinaus werden wir prüfen, ob in der nächsten Legislaturperiode die Schaffung einer rechtssicheren Onlinelizenzierungsplattform zur Einzelabrechnung für urheberrechtlich geschützte Werke möglich ist.

Telekommunikationsrecht

9. Zugang zum Internet gilt heutzutage als existenzieller Lebensstandard und Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe. Doch viele Bürger erhalten nur sehr schwache Internetzugänge. Dabei werden verschiedene Lösungen diskutiert, wie man einen stabilen und zukunftsstarken Ausbau von Infrastruktur in Deutschland sicherstellen kann. Welche Ziele sollten hier formuliert werden und welche Maßnahmen hält Ihre Partei für erforderlich?

Wir schaffen die „Gigabit-Gesellschaft“. Deutschland soll das Land sein, in dem Daten in Echtzeit überall und für alle verfügbar sind. In Stadt und Land, in Ost und West. Für alle absehbaren Anwendungen: Für das Internet der Dinge, im Verkehrsbereich, in der Medizin, in der Kommunikation. Hierzu werden wir den flächendeckenden Ausbau von modernsten Glasfasernetzen vorantreiben und bis 2025 realisieren. Deutschland und Europa müssen Leitmarkt für den neuen 5G- Mobilfunk werden.

Diese neue Mobilfunkgeneration ermöglicht Datenübertragung in Echtzeit. 5G wird damit die Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation. Wir schaffen die Voraussetzungen für den Ausbau bereits bis 2020 und werden ihn bis 2025 zum Abschluss bringen. Dazu schaffen wir ein investitionsförderndes Umfeld und treiben den Glasfaserausbau zur Anbindung von 5G-Basisstationen voran. Die notwendigen Funkfrequenzen werden wir rasch festlegen und bereitstellen. Bei der Vergabe der Mobilfunkfrequenzen für 5G wollen wir die Ersten sein. Erlöse daraus werden wir in den Glasfaserausbau investieren.

, Telemedicus v. 01.09.2017, https://tlmd.in/a/3223

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