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Wahlcheck 2013: SPD

In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2013 haben wir die größeren politischen Parteien nach ihren netzpolitischen Ansichten gefragt. Es folgen die Antworten der SPD.

Datenschutzrecht

1. Welchen Reformbedarf sieht Ihre Partei im Bereich des privaten und öffentlichen Datenschutzes und wie stehen Sie zur geplanten europäischen Datenschutzgrundverordnung?

Die SPD begrüßt die Intention der Kommission und sieht in dem Vorschlag der Kommission für die Datenschutz-Grundverordnung eine Chance, die genutzt werden muss, um innerhalb Europas einen besseren Datenschutz sowie mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Gleichzeitig dürfen durch die Verordnung nicht die durch das Bundesverfassungsgericht geschaffenen Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ausgehöhlt und verwässert werden. Für eine ausführliche Darstellung unserer Forderungen verweisen wir auf BT-Drs. 17/11144.

2. Plant Ihre Partei die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und wie soll diese Umsetzung erfolgen?

Nach der EU-Richtlinie 2006/24/EG müssen alle Mitgliedstaaten ihre Telekommunikationsunter-nehmen verpflichten, die Verbindungsdaten ihrer Kundinnen und Kunden mindestens sechs Monate lang zu speichern. Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 die damalige Umsetzung der EU-Richtlinie für verfassungswidrig erklärt, allerdings festgestellt, dass eine verfassungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht bei Beachtung strikter Vorgaben möglich ist. Die Verwendung der gespeicherten Daten muss auf die Verfolgung von schwersten Straftaten begrenzt werden und es muss klare rechtstaatliche Absicherungen (z.B. Berufsgeheimnisschutz, Richtervorbehalt, Benachrichtigungspflichten) geben. Für Berufsgeheimnisträger muss es ein absolutes Verwertungsverbot geben. Zu einer Umsetzung der europäischen Richtline ist Deutschland derzeit verpflichtet. Gegenwärtig werden vor dem Europäischen Gerichtshof mehre-re Klagen verhandelt, die die Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherrichtline mit der europäischen Grundrechtecharta in Frage stellen. Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet. Die SPD fordert seit langem eine grundlegende Überarbeitung der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die den Mitgliedsstaaten eine deutliche Verkürzung der Speicherfrist auf maximal drei Monate ermöglicht. Außerdem wollen wir die Speicherfristen je nach Eingriffsintensität differenzieren.

3. Hält Ihre Partei besondere Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz für erforderlich und wie sollen solche Regelungen aussehen?

Wir fordern, den Beschäftigtendatenschutz in einem eigenständigen Gesetz zu regeln, das die Beschäftigten schützt sowie die Rechte der Betriebs- und Personalvertretungen entsprechend ausbaut. Als Schwerpunkte sehen wir das Erfordernis nach:

  • Einschränkungen des Fragerechts und der Recherche ohne Kenntnis des Bewerbers vor Einstellung,
  • Einschränkungen der Möglichkeit, medizinische Untersuchungen vorzunehmen,
  • Einschränkungen bei der Datenerhebung zur Aufdeckung von Straftaten,
  • Einschränkungen bei der Überwachung mittels Video oder GPS-Systemen,
  • Einschränkung der Erhebung von Telekommunikationsdaten,
  • Ausbau der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionierung von Arbeitgebern.

Für Details verweisen wir auf den ausführlichen Forderungskatalog in BT-Drs. 17/7176.

Urheberrecht

4. Sieht Ihre Partei Reformbedarf beim geltenden Urheberrechtsmodell und welche zentralen Punkte müsste eine solche Reform enthalten?

Wir setzen uns für eine Modernisierung des Urheberrechts ein, das Kreative, Urheber und ihre Partner stärken und das Recht mit neuen digitalen Nutzungspraktiken in Einklang bringt. Urheber müssen angemessen vergütet werden. Wir wollen das Urhebervertragsrecht evaluieren und dort nachbessern, wo es einer schnellen Einigung der Parteien gegenwärtig entgegensteht. Die geltenden Streitschlichtungsmechanismen – auch bei der urheberrechtlichen Pauschalvergütung – müssen auf den Prüfstand. Wir wollen insbesondere gewerbsmäßig betriebene Urheberrechtsverletzungen konsequent bekämpfen. Dazu bedarf es keiner flächendeckenden Inhaltefilterung des Datenstroms, keiner Internetsperren und auch keiner Androhung einer individuellen Sperrung des Internetzugangs. Derartig weitreichende Eingriffe in Grundrechte lehnen wir ab. Die Rechtsdurchsetzung muss dort ansetzen und effektiver ausgestaltet werden, wo professionelle Anbieter ihre Geschäftsmodelle gezielt auf Urheberrechtsverletzungen aufbauen und damit Millionengewinne erwirtschaften. Wir wollen daher gezielt gegen diejenigen illegalen Plattformen vorgehen, die von vornherein auf Rechtsverletzungen durch die Nutzer ihrer Leistungen angelegt sind. Wir wollen ferner ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Wissenschaftliche Autorinnen und Autoren müssen ihre Beiträge neben der Verlagspublikation z.B. auf den Seiten der Hochschule zugänglich machen können.

5. Wie plant Ihre Partei dem Phänomen Filesharing zu begegnen?

P2P-Filesharing ist heute nicht mehr die Hauptquelle zur Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke. Somit kann auch die Kulturflatrate keine Kompensation für die illegale Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke sein. Eine Zwangsabgabe würde zu einer erheblichen Belastung auch derjenigen führen, die das Internet nur in geringem Umfang nutzen. Sie entzieht dem Urheber gleichzeitig die Befugnis, über die Nutzung seines Werkes selbst zu entscheiden. Außerdem ist eine gerechte Verteilung des Aufkommens an die Künstler, die sich an den Downloadzahlen orientieren müsste, kaum zu gewährleisten. Sie ist zudem mit europarechtlichen Vor-gaben unvereinbar. Urheberrechtsverletzungen finden heute überwiegend über kommerzielle Plattformen statt, die ihre Geschäftsmodelle gezielt auf Urheberrechtsverletzungen aufbauen. Daher wollen wir uns in der kommenden Legislaturperiode darauf konzentrieren, wie die Rechtsdurchsetzung gegenüber diesen Plattformen verbessert werden kann (s. dazu Antwort auf Frage 4).

6. Hält Ihre Partei die Schutzfristen des Urheberrechtes für angemessen und welche Änderungen sind Ihrer Ansicht nach notwendig?

Die SPD hält die bestehenden urheberrechtlichen Schutzfristen für angemessen. Eine Verküzung beeinträchtigt die berechtigten Verwertungsinteressen der Urheber und wäre mit internationalen Vorgaben kaum zu vereinbaren. Eine Verlängerung von Schutzfristen lehnen wir ebenfalls ab.

Sonstiges

7. Seit 2002 läuft die Breitbandinitiative des BMWi und der BITKOM. Welche konkreten Maßnahmen wird die künftige Regierung ergreifen um den Breitbandausbau auch in ländlichen Regionen voranzutreiben?

Die SPD tritt für eine aktive Breitbandpolitik ein. Sie muss allen Bevölkerungsgruppen und Regi-onen einen Mindeststandard von schnellen Internetverbindungen sichern. Für den Fall, dass durch wettbewerbliche Lösungen eine vollständige Breitbandgrundversorgung nicht zeitnah erfolgt, sollte durch eine gesetzliche Universaldienstverpflichtung sichergestellt werden. Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben muss ein Breitbanduniversaldienst auch die Gesichtspunkte der Technologieneutralität, der technischen Durchführbarkeit und der Minderung von Marktverzerrungen berücksichtigen. Im Bedarfsfalle ist eine Finanzierung durch eine Unternehmensabgabe vorzusehen; entsprechend den Regelungen in den §§ 78 ff. Telekommunikationsgesetz (TKG). Davon unterscheidet sich die Frage, wie es gelingen kann, schrittweise einen flächendeckenden Ausbau von Hochleistungsnetzen mit hohen Bandbreiten von 50 Mbit/s und mehr zu realisieren. Schon aus rechtlichen und wettbewerbspolitischen Gründen ist hierfür der Universaldienst nicht geeignet. Vielmehr setzt die SPD Bundestagsfraktion bei Hochleistungsnetzen darauf, die Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen und zusätzliche private Investitionen anzuregen. Mit einem Sonderfinanzierungsprogramm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Zinsverbilligung und über „Breitbandfonds“, in die sowohl institutionelle Anleger als auch Bürgerinnen und Bürger investieren können, wollen wir das Ziel erreichen.

8. Inwieweit sollten und können die Parteien den Bürgern interaktive und moderne Partizipationsformen wie E-Partizipation und E-Democracy schmackhaft machen, um diese stärker in das politische Geschehen einzubinden?

Die SPD will unsere Demokratie stärken, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Politik und staatlichen Institutionen wieder wächst. Das Wahlalter wollen wir auf 16 Jahre senken. Wir wollen mehr Mitwirkungsrechte der Menschen bei der politischen Willensbildung, auch digitale Beteiligungsmöglichkeiten. Dazu werden wir auf auch Bundesebene Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einführen. Die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft hat für das Parlament mit ihrer Online-Beteiligungsplattform enquetebeteiligung.de neue Wege erprobt. Die Ergebnisse sollen nun evaluiert werden. Die zentralen Forderungen lauten, dass die Transparenz politischer Prozesse weiter ausgebaut und dass die Beteiligungsmöglichkeiten, insbesondere auch die digitalen, verstärkt genutzt und ausgebaut werden sollen. Darüber hinaus hat die Kommission einstimmig die Einrichtung eines Ausschusses „Internet und digitale Gesellschaft“ sowie eine entsprechende Spiegelung im Bereich der Exekutive empfohlen. Auf Initiative der SPD hat die Enquete in Ihrem Schlussbericht einstimmig empfohlen, das Online-Beteiligungswerkzeuge wie beispielsweise die Adhocracy-Plattform, die von der Internetenquete genutzt wurde und wie sie auch in der SPD-Bundestagsfraktion eingesetzt wird den Ausschüssen und Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt werden sollen.

9. Wie könnte die Gesetzgebung im Bereich neuer Medien künftig besser bei schnellen Entwicklungen Schritt halten?

Neben der Befristung und (unabhängigen und wissenschaftlichen) Evaluierung und Gesetzesfolgenabschätzung von bereits auf den Weg gebrachten Gesetzen sollte gerade im Bereich der sich schnell veränderten Netzpolitik verstärkt bereits bei der Erarbeitung von Gesetzesvorhaben auf die direkte Beteiligung externen Sachverstandes gesetzt werden. Neben den bekannten Möglichkeiten wie die Durchführung von Anhörung oder Expertengesprächen kommt gerade bei diesem Themenkomplex den neuen Beteiligungsmöglichkeiten eine herausragende Bedeutung zu. Nicht zuletzt die Erfahrungen der Internetenquete zeigen, dass auf diesem Weg sehr wichtiger und sehr kompetenter Input in den parlamentarischen Prozess eingebracht werden können.

Die Fragen beantwortete Thorben Albrecht, Abteilungsleiter Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Übersicht zum Wahlcheck 2013.

, Telemedicus v. 26.07.2013, https://tlmd.in/a/2610

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