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Wahlcheck 2013: GRÜNE JUGEND

In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2013 haben wir neben den größeren politischen Parteien auch deren Jugendorganisationen nach ihren netzpolitischen Ansichten gefragt. Es folgen die Antworten der Jugendorganisation GRÜNE JUGEND.

Datenschutz

1. Welchen Reformbedarf sieht Ihre Partei im Bereich des privaten und öffentlichen Datenschutzes und wie stehen Sie zur geplanten europäischen Datenschutzgrundverordnung?

Die informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf öffentliche Informationen – die Informationsfreiheit – stehen für uns im Mittelpunkt unserer Arbeit für eine lebenswerte digitale Gesellschaft. Ohne Datenschutz gibt es kein freies Internet. Privatsphäre ist auch im digitalen Zeitalter kein Relikt alter Tage. Im Gegenteil: Der effektive Schutz und die gesetzliche Absicherung pseudonymer und anonymer Kommunikation erfüllt eine Schlüsselrolle für die Privatheit im Internetzeitalter.
Das Fernmeldegeheimnis des Artikels 10 GG wollen wir zu einem umfassenden Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis weiterentwickeln, das die digitale Welt umfasst. So darf unter dem Deckmantel der sogenannten Cybersicherheit nicht der Abbau eines freien und offenen Internets vorangetrieben werden. Auch fordern wir u.a. ein Verbot von computerbezogenem Tracking durch Cookies, das von Bürger_innen nicht bemerkt wird. Ebenso grundlegend ist der präventiv wirkende, gesetzlich verpflichtende Datenschutz durch Technik sowie der Schutz vor ungewollter Profilbildung und automatisierter Bewertung von Daten. Jede_r braucht verbriefte und durchsetzbare Rechte, um den Weg der eigenen Daten nachverfolgen, Auskunft über gespeicherte Daten erlangen, die Weitergabe unterbinden und ihre permanente und umgehende Löschung veranlassen wie auch andere Schutzrechte durchsetzen zu können.
Wir unterstützen wir eine Reform des europäischen Datenschutzrechts, die unter anderem den Datenschutz gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten stärkt und die Durchsetzungsbefugnisse für die Datenschutzbehörden erhöht.

2. Plant Ihre Partei die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und wie soll diese Umsetzung erfolgen?

Bürgerrechtsfeindliche Gruselstücke wie die Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online-Durchsuchung von Computern haben in einer freien, rechtsstaatlichen Gesellschaft keinen Platz. Die massive Ausweitung der Bestandsdatenauskunft, die von CDU/CSU, FDP und SPD vorangetrieben wurde, lehnen wir ab. Mit uns wird es keine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geben.
Stattdessen kämpfen wir für ein wirksames und modernes Datenschutzrecht in Deutschland und in Europa. Wir müssen den Datenschutz fit machen für das digitale Zeitalter und Überwachung durch den Staat sowie das völlig enthemmte Datensammeln von Unternehmen zurückdrängen. Dafür wollen wir Private stärker in die Pflicht nehmen, den Beschäftigtendatenschutz ausbauen und die Durchsetzung des Datenschutzes bei grenzüberschreitenden Datentransfers verbessern. Das sind die Grundlagen für einen zeit- und verfassungsgemäßen Datenschutz – ohne anlasslose Massenspeicherungen.

3. Hält Ihre Partei besondere Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz für erforderlich und wie sollen solche Regelungen aussehen?

Gesunde Arbeitsbedingungen, starke ArbeitnehmerInnenrechte, Beschäftigtendatenschutz und Mitbestimmung sind für uns Merkmale guter Arbeit. Abhöraffären in Unternehmen und Fälle von Videoüberwachung bis hinein in die Umkleidekabinen der Angestellten zeigen hingegen drastisch: Zur Erreichung dieses Ideals brauchen wir endlich einen effektiven Beschäftigtendatenschutz. Deswegen wollen wir einen Beschäftigtendatenschutz einführen, der den veränderten Arbeitsabläufen in einer Informationsgesellschaft gerecht wird und dabei das Abhängigkeitsverhältnis der Beschäftigten umfassend berücksichtigt.

Urheberrecht

4. Sieht Ihre Partei Reformbedarf beim geltenden Urheberrechtsmodell und welche zentralen Punkte müsste eine solche Reform enthalten?

Dem Ruf nach Warnhinweismodellen, einem Ende der Anonymität, der Sperrung von Internetseiten oder Internetanschlüssen, der Filterung von Inhalten, dem ausufernden Abmahnunwesen und einer verpflichtenden Speicherung von Telekommunikationsdaten erteilen wir weiterhin eine klare Absage. Wir treten für eine Politik ein, die auf vergüten statt verfolgen setzt. Urheber_innen und Künstler_innen stärken wir durch eine Reform des Urhebervertragsrechts, um sie fairer an den Erträgen der Verwertung ihrer Werke zu beteiligen.
Die Möglichkeit der kollektiven Wahrnehmung der Rechte von Urheber_innen durch Verwertungsgesellschaften ist ein entscheidendes Instrument, um eine angemessene Vergütung praktikabel sicherzustellen. Auch wenn nicht alle Verwertungsgesellschaften über einen Kamm zu scheren sind, wollen wir mehr gleichberechtigte Mitsprache sicherstellen. Die Verwertungsgesellschaften müssen gerechter, transparenter und demokratischer werden. Mitglieder einer Verwertungsgesellschaft müssen alternative Lizenzmodelle wie „Creative Commons“ nutzen oder andere Geschäftsmodelle entwickeln können. Wir werden dies rechtlich soweit möglich vorantreibe.

5. Wie plant Ihre Partei dem Phänomen Filesharing zu begegnen?

Heute werden Werke auf den unterschiedlichsten Geräten gespeichert und wiedergegeben. Diesen Mehrgewinn an Nutzungen wollen wir schützen und durch eine Stärkung des Rechts auf digitale Privatkopie sicherstellen. Dieses darf technisch nicht eingeschränkt werden.
Durch den digitalen Wandel verschwimmen Grenzen. Hierdurch wird der kreative Umgang mit geschützten Inhalten Dritter erleichtert. Die kreative Weiterentwicklung geschützter Inhalte unterliegt im nichtkommerziellen Rahmen nicht dem Zugriff der Urheber_innen und Künstler_innen, dies wollen wir durch eine zusätzliche urheberrechtliche Schranke für nichtkommerzielle Formen der transformatorischen Nutzung, die auf die Weiterentwicklung und Bearbeitung vorhandener oder urheberrechtlich geschützter Werke zielen, gesetzlich absichern. Wo der Bereich des Nichtkommerziellen jedoch verlassen wird, sind die Urheber_innen angemessen zu vergüten. Urheberpersönlichkeitsrechte sind auch bei der Transformation von Werken zu wahren. Wir wollen eine zentrale Anlaufstelle zum Erwerb von Rechten an Werken für Bearbeitung, Interpretation, Remix und Mashup mit kommerzieller Absicht schaffen und so die verworrene Rechteklärung vereinfachen. Als GRÜNE JUGEND streiten wir darüber hinaus dafür, dass das private Filesharing durch eine Bagatellgrenze entkriminalisiert wird.

6. Hält Ihre Partei die Schutzfristen des Urheberrechtes für angemessen und welche Änderungen sind Ihrer Ansicht nach notwendig?

Wir debattieren kontinuierlich über die Ausgestaltung der Schutzfristen im Urheberrecht. Einer Schutzfristenverlängerung erteilen wir dabei eine klare Absage. Denn wir müssen bedenken, dass alle Schutzfristverlängerungen der Gemeinfreiheit neue Grenzen setzen, obwohl die Gemeinfreiheit in Wissensgesellschaften von integraler Bedeutung ist. Wir Grünen werden uns daher auch weiterhin auf europäischer und globaler Ebene dafür einsetzen, dass es zu einer Kehrtwende im Bereich der Schutzfristen kommt, um bei gleichzeitiger Stärkung der Urheberinnen und Urheber_innen gegenüber den Verwerter_innen mehr Raum für Kreativität und Gemeinsinn zu schaffen und zu verhindern, dass Gesetze lediglich zugunsten großer Firmen gemacht werden.
Wir wollen auch weiterhin einen transparenten gesellschaftlichen Prozess zur Modernisierung und Reform des Urheberrechts gestalten. Ziel ist es, einen neuen Konsens über einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber_innen, der Verwerter_innen sowie den Interessen der Nutzer_innen und der Allgemeinheit zu verhandeln.

Sonstiges

7. Seit 2002 läuft die Breitbandinitiative des BMWi und der BITKOM. Welche konkreten Maßnahmen wird die künftige Regierung ergreifen um den Breitbandausbau auch in ländlichen Regionen voranzutreiben?

Der Breitbandausbau ist Grundlage einer modernen Ökonomie. Auch ist der Zugang zum Internet ist für uns Teil der Daseinsvorsorge. Zu unserem Verständnis von sozialer Teilhabe im 21. Jahrhundert gehört es, den Breitbandinternetzugang über einen verpflichtenden Universaldienst – wie bei der Postzustellung – sicherzustellen.
Mit fairen Rahmenbedingungen und gezielten Fördermaßnahmen möchten wir den Aufbau eines Universaldienstes und den Ausbau eines flächendeckenden Hochleistungsnetzes voranbringen. Durch diesen Universaldienst müssen überall Breitbandanschlüsse mit mindestens 6 Mbit/s verfügbar sein. Diesen Universaldienst wollen wir dynamisch gestalten, um mit der technischen Entwicklung und den Anforderungen Schritt zu halten. Unser Ziel ist es, bis zum Ende der Legislaturperiode flächendeckend Breitbandanschlüsse im zweistelligen Mbit/s- Bereich bereitzustellen. Mit Netzneutralität garantiert auch kleinen Anbietern einen gleichrangigen Zugang.
Über die Breitbandversorgung hinaus wollen wir öffentliche wie private Vorhaben, die den Ausbau von kostenfrei nutzbaren und öffentlich zugänglichen WLAN-Netzwerken zum Ziel haben, aktiv unterstützen. Hierzu suchen wir pragmatische Wege, wie Anschlussinhaber Dritten den Internetzugang ermöglichen können, ohne für missbräuchliche Nutzung in die Mithaftung genommen zu werden.

8. Inwieweit sollten und können die Parteien den Bürgern interaktive und moderne Partizipationsformen wie E-Partizipation und E-Democracy schmackhaft machen, um diese stärker in das politische Geschehen einzubinden?

Mit dem Internet sind neue, digitale Öffentlichkeiten entstanden. Sie laden zum Informieren, Mitmachen und Einmischen ein. Beispiele gibt es viele: Seien es Online-Petitionen, kommunale Bürgerhaushalte, Blogs oder auch Wikipedia. Sie alle sind eine Frischzellenkur für unsere Demokratie und bringen mehr Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten. Redaktionell-journalistischen und gleichzeitig nichtkommerziellen Angeboten im Netz wollen wir mit einer zeitgemäßen und übersichtlichen Regelung zur Impressumspflicht entgegenkommen und formale Hürden abbauen, wie den Zwang der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift.
Wir GRÜNE haben immer wieder Positionspapiere, Anträge und Gesetzentwürfe online zur Diskussion gestellt, bevor sie in den Bundestag eingereicht wurden. Alle, die wollten, konnten sich so direkt einbringen und haben geholfen, unsere Entwürfe zu optimieren. Solche Konsultationen wollen wir auch bei Gesetzesvorhaben der Bundesregierung vorsehen. Das erfolgreiche Instrument der „öffentlichen Petition“ wollen wir als eine Form der Bürgergesetzgebung weiterentwickeln. Offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln muss Standard werden. Wir wollen die Informationsfreiheit verfassungsrechtlich stärken, ausweiten und Open-Data-Strategien durchsetzen.

9. Wie könnte die Gesetzgebung im Bereich neuer Medien künftig besser bei schnellen Entwicklungen Schritt halten?

Hunderttausend Menschen gingen bei klirrender Kälte gegen das ACTA-Abkommen auf die Straßen. Ein #aufschrei, der dem alltäglichen Sexismus in unserer Gesellschaft vielfältige Gesichter gibt, wird Thema in allen Medien. Immer mehr Menschen beteiligen sich an Online-Petitionen. Das sind Beispiele, wie immer mehr Menschen die Möglichkeiten des Internets nutzen, um sich eine eigene Meinung zu bilden, sich politisch einzumischen und zu organisieren. Unsere Demokratie wird digital lebendiger. U.a. dies wollen wir nutzen, um mehr Transparenz und Beteiligungsformen, sei es in der Politik, der Wirtschaft oder der Verwaltung, zu schaffen und dadurch auf neue Entwicklungen entsprechend reagieren zu können.
In diesem Prozess sind besonders Parteien für die Bündelung, Vertretung wie Austarierung unterschiedlicher Werthaltungen und Interessen verantwortlich. Parteien müssen sich für mehr Transparenz und Mitbestimmung öffnen. Wir GRÜNE reden nicht nur davon, sondern haben in dieser Legislaturperiode eine Vielzahl entsprechender Initiativen für mehr Transparenz in den Bundestag eingebracht und Beteiligung und Mitarbeit ermöglicht.

Die Fragen beantwortete Jens Parker als Bundessprecher der GRÜNEN JUGEND.

Zum Wahlcheck der Jugendorganisationen.

, Telemedicus v. 12.09.2013, https://tlmd.in/a/2627

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