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Wahlcheck 2013: FDP

In unserem Wahlcheck zur Bundestagswahl 2013 haben wir die größeren politischen Parteien nach ihren netzpolitischen Ansichten gefragt. Es folgen die Antworten der FDP.

Datenschutzrecht

1. Welchen Reformbedarf sieht Ihre Partei im Bereich des privaten und öffentlichen Datenschutzes und wie stehen Sie zur geplanten europäischen Datenschutzgrundverordnung?

In den letzten vier Jahren haben wir die Vorratsdatenspeicherung verhindert, ELENA abgeschafft, Sicherheitsgesetze entschärft und bei der Bestandsdatenauskunft die rechtsstaatlichen Hürden über das vom BVerfG geforderte Maß hinaus erhöht. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat es durch die Regierungsbeteiligung der FDP in den letzten vier Jahren keine neuen Sicherheitsgesetze gegeben. Mit der Gründung der Stiftung Datenschutz tragen wir zu einem modernen Datenschutz bei, in dem Selbstdatenschutz und Zertifizierungen eine immer größere Rolle spielen werden.

Die FDP spricht sich weiterhin gegen die Vorratsdatenspeicherung und andere anlasslose Datensammlungen, ebenso gegen die heimliche Online-Durchsuchung, für die strikte Einhaltung des Tren-nungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, hohe Hürden für Telekommunikationsüberwachung und die Überprüfung der bestehenden rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen für einen besseren Grundrechtsschutz, klare gesetzliche Eingrenzungen der sog. Funkzellenabfragen, einen besseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern, die Begrenzung der Befugnisse zur Abfrage von Bankkontostammdaten, eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste und gegen neue Befugnisse wie den Spähangriff aus.

Wir begrüßen für den Bereich des privaten Datenschutzes, dass die Kommission eine Verordnung zur Reform des Datenschutzrechts vorgelegt hat. Ein modernes, technikneutrales Datenschutzrecht mit Wirkung für die gesamte EU ist notwendig, darf dabei aber nicht hinter dem hohen deutschen Datenschutzniveau zurückbleiben. Die Koalitionsfraktionen haben hierzu bereits eine Stellungnahme zur Datenschutzverordnung eingebracht (BT-Drs. 17/11325).

2. Plant Ihre Partei die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und wie soll diese Umsetzung erfolgen?

Wir lehnen weiterhin die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab. Deutschland ist auch ohne Vorrats-datenspeicherung ein sicheres Land. Gegenüber der Europäischen Kommission drängen wir darauf, die verfehlte Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie an der Europäischen Grundrechtecharta zu messen und grundlegend zu überarbeiten. Vor dem Europäischen Gerichtshof treten wir weiterhin dafür ein, dass es kein Urteil im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland gibt, bevor sich der Gerichts-hof inhaltlich zur Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie mit der EU Grundrechtscharta geäußert hat.
Die liberale Bundesjustizministerin hat bereits Eckpunkte für ein sog. Quick-Freeze-Verfahren vorgelegt (http://www.bmj.de/SharedDocs/Dow…daten.pdf?__blob=publicationFile). Damit liegt ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch, um ohne anlasslose Massendatenspeicherung wirksam Recht und Gesetz durchsetzen zu können. Dabei steht die FDP einer siebentägigen Speicherung von Bestandsdaten – also gerade nicht Verkehrsdaten – bei der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen zu einer bestimmten Person offen gegenüber. Wir wollen keine Verkehrsdaten speichern, aus denen hervorgeht, wer wann mit wem was gemacht hat. Aber wir wären unter strikten rechtstaatlichen Voraussetzungen bereit, dass für einen überschauba-ren Zeitraum von sieben Tagen das hinter einer IP-Adressen stehende Nutzerkonto so gespeichert wird, um im Falle einer Gefahr oder eines Verdachts im Nachhinein zu ermitteln, gegen wen sich der Verdacht richtet. Bei der IP-Adresse handelt es sich quasi um das „Kennzeichen“ des Internet-Nutzers, an denen die Technik ihn erkennt. Dabei handelt es sich auch bei dynamisch zugeordneten (wechselnden) IP-Adressen um ein Bestandsdatum, wie das BVerfG festgestellt hat. Wenn überhaupt, sollen diese dezentral beim jeweiligen Anbieter gespeichert werden. Mit einem richterlichen Be-schluss soll darauf dann die Polizei bei konkretem Verdacht darauf zugreifen dürfen.

3. Hält Ihre Partei besondere Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz für erforderlich und wie sollen solche Regelungen aussehen?

Wir wollen den Datenschutz am Arbeitsplatz durch ein Beschäftigtendatenschutzgesetz verbessern und so Rechtssicherheit für Unternehmen und Beschäftigte schaffen. Klare Regeln sorgen für mehr Transparenz in den Unternehmen. Die Regelungen dürfen nicht hinter dem heutigen, weitgehend von der Rechtsprechung entwickelten Schutzniveau zurückbleiben und einen interessengerechten Aus-gleich bilden. Dabei müssen die neuen Medien hinreichend berücksichtigt und ausgewogene Regeln zur Korruptionsbekämpfung gefunden werden.

Zentrale Punkte eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes sind für uns u.a.:

  • die Wahrung des Grundsatzes der Direkterhebung beim Betroffenen,
  • eine Beschränkung der Fragen nach einer Schwangerschaft oder einer Behinderung im Bewerbungsgespräch auf eng begrenzte Ausnahmefälle,
  • die Zulässigkeit ärztlicher Untersuchungen im laufenden Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich nur aus Gründen des Arbeitsschutzes und zum Schutz der Betroffenen oder Dritter vor schweren Gefahren,
  • eine Eingrenzung des automatisierten Datenabgleichs („Screening“) lediglich auf die Aufklärung ausgewählter Straftaten und auf das Vorliegen eines vorab zu dokumentierenden konkreten Verdachts,
  • das Verbot der heimlichen Videoüberwachung und der Ausschluss der Videoüberwachung zur all-gemeinen Leistungs- und Verhaltenskontrolle,
  • das Verbot des heimlichen Lauschangriffs,
  • eine Begrenzung des Mithörens bei Callcenter-Angestellten, die eine Dauerüberwachung ausschließt.

Urheberrecht

4. Sieht Ihre Partei Reformbedarf beim geltenden Urheberrechtsmodell und welche zentralen Punkte müsste eine solche Reform enthalten?

Im Bereich des Urheberrechts ist es uns ein besonderes Anliegen Anreize, kreativ tätig zu werden und damit neue, innovative Inhalte zu schaffen, weiter zu fördern. Hierdurch dürfen allerdings technischer Fortschritt und neue legale Geschäftsmodelle nicht unnötig behindert werden.
Das Urheberrecht in seiner geltenden Form hat sich bewährt und zeichnet sich zu Recht durch ein hohes Schutzniveau aus. Dieses hohe Schutzniveau muss auch und gerade in der digitalen Welt bewahrt werden. Forderungen nach einer grundlegenden Revision des Urheberrechts sind unbegründet. Die berechtigten Belange der Nutzer müssen im Rahmen eines angemessenen Interessenausgleichs auch weiterhin auf sachgerechte Weise berücksichtigt werden. Im Zentrum des Urheberrechts muss aber auch in Zukunft der Schutz der kreativen Leistung stehen.

Allgemein gilt, wer urheberrechtlich geschützte Werke verwenden möchte, muss den jeweiligen Rechteinhaber fragen, denn diesem obliegt die Entscheidung, welche Nutzung er für seine Werke zulässt. Um dies zu garantieren, muss eine rechtssichere Infrastruktur vorliegen, die eine möglichst einfache Ermittlung des Rechteinhabers erlaubt.

Es muss noch stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden, dass das Urheberrecht die rechtliche Basis für das Einkommen vieler tausend Menschen in Deutschland ist. Die Kreativwirtschaft trägt zum gesamtwirtschaftlichen Ergebnis einen erheblichen Teil bei, der deutlich über dem Anteil anderer Wirtschaftszweige liegt. Es bedarf einer Eindämmung des massenhaften Verkaufs von Produkt- und Markenfälschungen. Eine verstärkte und ernsthafte internationale Zusammenarbeit muss daher vorangetrieben werden, um die Rechtedurchsetzung sicherzustellen. Hierzu ist der Dialog insbesondere mit den anderen europäischen Mitgliedstaaten zu intensivieren, um vor allem gefälschte Ware aus dem außereuropäischen Raum, nicht auf den europäischen Markt gelangen zu lassen.

5. Wie plant Ihre Partei dem Phänomen Filesharing zu begegnen?

Das Urheberrecht ist die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Wahrung des geistigen Eigentums. Unerlaubtes Filesharing ist illegal, Rechteinhaber müssen daher auch weiter mit Abmahnungen ihre Rechte schützen dürfen. Um Missbrauch zu begegnen, hat der Bundestag im Juni 2013 das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet. In diesem Gesetz sind neue und schärfere Sanktionen enthalten.

Zudem muss eine verstärkte und ernsthafte internationale Zusammenarbeit vorangetrieben werden, um die Rechtedurchsetzung sicherzustellen. Hierzu ist der Dialog insbesondere mit den anderen europäischen Mitgliedstaaten zu intensivieren.

6. Hält Ihre Partei die Schutzfristen des Urheberrechtes für angemessen und welche Änderungen sind Ihrer Ansicht nach notwendig?
Die derzeitigen gesetzlichen Schutzfristen gewährleisten, dass Urheberrechte auch über den Tod hin-aus zur Schaffung materieller Vermögenswerte genutzt werden können. Neben der Versorgung des Urhebers selbst kann die Tätigkeit des Urhebers so auch der Absicherung von Verwandten, Lebensgefährten oder Kindern dienen. Sollte ein Urheber keine entsprechenden Interessen verfolgen, kann er jederzeit mit Wirkung für die Zukunft auf die Ausübung und Durchsetzung seiner Verwertungsrechte ganz oder teilweise verzichten (z.B. im Rahmen einer Creative Commons-Lizenz).

Sonstiges

7. Seit 2002 läuft die Breitbandinitiative des BMWi und der BITKOM. Welche konkreten Maßnahmen wird die künftige Regierung ergreifen um den Breitbandausbau auch in ländlichen Regionen voranzutreiben?

Zentrale Aufgabe ist die Verbesserung der Standortbedingungen des ländlichen Raums durch eine flächendeckend gleichwertige Teilhabe von städtischen und ländlichen Regionen am schnellen Internet. Hier sehen wir eine Reihe von Maßnahmen als prioritär an, darunter insbesondere die zügige Umsetzung der neu geschaffenen investitionsfreundlichen Regulierungsmaßnahmen aus der Novelle des Telekommunikationsgesetzes. Die Länder sind gefordert, ihre Bauvorschriften so anzupassen, dass die Novelle vor Ort jetzt auch ohne weitere Verzögerung umgesetzt werden kann.

Darüber hinaus ist zu prüfen, ob nicht die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können, wie es im Verkehrswegebeschleunigungsgesetz im Zuge der deutschen Einheit geschehen ist. Ferner sollen bestehende Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau für Unternehmen und Kommunen durch textliche Präzisierungen, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und eine erhöhte Transparenz besser für den Breitbandausbau genutzt werden können.
Wir werden auch in Zukunft dafür eintreten, dass der Datenverkehr im Netz frei ist. Netzneutralität ist als Grundprinzip der Telekommunikationsregulierung anerkannt. Das heißt, dass es eine Diskriminierung von einzelnen Angeboten innerhalb einer Dienstklasse nicht geben darf. Volumentarife von Telekommunikationsunternehmen, die eine Begrenzung auf bestimmte Datenmengen vorsehen, müssen klar als solche bezeichnet werden, um dem Bürger eine transparente Entscheidung zu ermöglichen und somit den Wettbewerb zu stärken.

8. Inwieweit sollten und können die Parteien den Bürgern interaktive und moderne Partizipationsformen wie E-Partizipation und E-Democracy schmackhaft machen, um diese stärker in das politische Geschehen einzubinden?

Bürgerbeteiligung darf nicht nur zu Wahlen ein Thema sein, ihre Bedeutung findet Bürgerbeteiligung gerade zwischen den Wahlen. Wir setzen uns für die Einführung des Bürgerplenarverfahrens, eines fakultativen Gesetzesreferendums und der verfassungsrechtlichen Verankerung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden ein.

In der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ (EIDG) des Deutschen Bundestages gab es erstmals im Bundestag eine Online-Beteiligung. Auf der Online-Beteiligungsplattform https://enquetebeteiligung.de/ konnten Bürgerinnen und Bürger als sog. „18. Sachverständige“ die Projektgruppen der Kommission begleiten und ganz konkrete Vorschläge für Handlungsempfehlungen machen. Diese Vorschläge wurden online diskutiert und abgestimmt. Viele Vorschläge sind in die Arbeit der Projektgruppen und schließlich die Schlussberichte eingegangen.

Die FDP lebt das Prinzip der direkten Beteiligung. Als erste Partei gründete die FDP bereits im Jahr 2000 den FDP Internet-Landesverband (FDP LV Net), der eine Beteiligung an politischen Entscheidungen mittels der neuen Medien ermöglicht. Der FDP LV Net tagt ausschließlich im virtuellen Raum, hält seine Parteitage und Wahlen im Internet ab und sorgt so für erweiterte Möglichkeiten der Beteiligung an der Parteiarbeit. Seit 2002 stellen wir die Bundestagswahlprogrammentwürfe vor der Verabschiedung online, um sie mit allen Mitgliedern sowie Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Im Bayerischen Landesverband gibt es das Programm „New Democracy“: Dort können online Anträge gestellt, diskutiert, geändert und beschlossen werden. So können sich alle beteiligen und nicht nur die Personen, die auf Parteitagen anwesend sind. Das Social Media Portal der FDP, „Meine-Freiheit.de“, steht allen liberal gesinnten Personen offen. Hier kann man sich in Gruppen und Foren austauschen und darüber hinaus mit anderen Personen verlinken und u.a. aktuelle politische Fragen diskutieren.

9. Wie könnte die Gesetzgebung im Bereich neuer Medien künftig besser bei schnellen Entwicklungen Schritt halten?

In der Demokratie setzt die Gesetzgebung einen Meinungsbildungsprozess voraus, der gerade bei neuen technischen Entwicklungen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Probleme müssen erkannt und Lösungen gefunden werden, bevor der politische Dialog über die richtige Lösung einsetzt. Im Gesetzgebungsverfahren müssen alle Beteiligten eingebunden und Minderheitenrechte wie auch das Mehrheitsprinzip beachtet werden. Es lässt sich bei neuen und komplexen Sachverhalten nicht immer so schnell durchführen wie zuletzt die gelungene konsensuale Verabschiedung des Fluthilfefonds. Zudem bedarf es für Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und die Verwaltung Rechtssicherheit, damit Entscheidungen Bestand haben und Investitionsentscheidungen klug getroffen wer-den können. Gesetzgebung darf nicht nur kurzfristige Rahmen setzen, sondern so gestaltet sein, dass Rechtssicherheit gewährleistet ist.

Im Datenschutzrecht setzen wir daher auf technikneutrale Vorschriften, damit der Gesetzgeber nicht immer hinter der technischen Entwicklung hinterher läuft. Wir glauben, dass neben Zertifizierungen durch unabhängige Stellen auch Selbstverpflichtungen der Wirtschaft an Bedeutung gewinnen werden.

Die Fragen haben wir an MdB Jimmy Schulz übersandt, die Antworten übermittelte der Generalsekretär der FDP Patrick Döring.

Übersicht zum Wahlcheck 2013.

, Telemedicus v. 25.07.2013, https://tlmd.in/a/2602

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