Die Vorfälle in Norwegen haben die Diskussion um die Einführung der Vorratsdatenspeicherung wieder angefacht. Schon kurz nach den verheerenden Anschlägen wurden auch in Deutschland Stimmen laut, die sich für die Vorratsdatenspeicherung aussprachen.
Die Vorratsdatenspeicherung – also die Speicherung von personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen – ist schon seit vielen Jahren ein heiß diskutiertes Thema. Im Mittelpunkt steht die Frage: Kann das Bedürfnis nach einer „vollständigen inneren Sicherheit“ einen so erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen rechtfertigen? Terrorismus und Kriminalität im Vorfeld bekämpfen und Anschläge durch Überwachung verhindern – das ist das Hauptargument der Befürworter. Die Gegner sehen in der Vorratsdatenspeicherung einen erheblichen Eingriff in Grundrechte, der nicht gerechtfertigt werden kann.
Die Pflicht, Verkehrsdaten zu speichern
„Vorratsdatenspeicherung” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Telekommunikationsanbieter Verkehrsdaten für einen bestimmten Zeitraum speichern müssen. Dass eine umfassende Vorratsdatenspeicherung ohne konkreten Anlass keine zulässige Maßnahme sein kann, war lange die einhellige Meinung aller im Bundestag vertretenen Parteien. Die EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie von 2006 verpflichtete aber dann die EU-Mitgliedstaaten, Betreibern von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten die Speicherung individueller Kunden-, Verbindungs- und Standortdaten für einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu zwei Jahren vorzuschreiben.
Daraufhin wurden im Jahre 2007 deutschen Gesetze erlassen, die die Richtlinie umsetzen sollten. Diese Umsetzungsgesetze wurden dann mit Urteil vom 2.März 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Vorausgegangen waren zahlreiche Verfassungsbeschwerden, unter anderem von dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
Auch die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben die Richtlinie nicht umgesetzt, ihre Gerichte haben die Umsetzung teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die Richtlinie wird dementsprechend zur Zeit überarbeitet. Schon im Juni wurde allerdings ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Bundesrepublik die Vorgaben der noch geltenden Richtlinie bis heute nicht umgesetzt hat.
Neues Eckpunktepapier zu „Quick Freeze Plus“
Im Januar legte das Bundesjustizministerium dann ein Eckpunktepapier zur Vorratsdatenspeicherung vor. In diesem werden einige Lösungsansätze vorgestellt, die – laut des Papiers – gerade die unterschiedslose Speicherung der Verkehrsdaten vermeiden soll. Im Vordergrund soll stehen, dass nur die Daten derjenigen Personen gespeichert werden, die einen hinreichenden Anlass dazu gegeben haben.
Konkret wird vorgeschlagen:
1. Die bei den TK-Unternehmen aus geschäftlichen Gründen (§ 96 TKG) bereits vorhandenen Verkehrsdaten werden anlassbezogen gesichert und stehen den Strafverfolgungsbehörden unter Richtervorbehalt eine begrenzte Zeit zur Verfügung.
2. Im Internetbereich erfolgt eine eng befristete Speicherung von Verkehrsdaten zu dem Zweck, Bestandsdatenauskünfte, d.h eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen zu Personen, insbesondere zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet zu ermöglichen.
„Quick Freeze Plus“ wird es genannt, wenn Strafverfolgungsbehörden glauben, bestimmte Telekommunikationsdaten könnten Ermittlungen vorantreiben und sie deshalb die Löschung durch eine Anordnung verhindern. Das “Plus” in dem Eckpunktepapier bedeutete also, dass die Information 7 Tage gespeichert wird. Die Speicherung erfolgt beim Telekommunikationsunternehmen, nicht beim Staat.
Datenschutzrechtlich gesehen ist jedoch auch die „Vorratsdatenspeicherung light” problematisch – denn die obersten Grundsätze des Datenschutzes, nämlich die Datensparsamkeit und der Zweckbindungsgrundsatz, entsprechen nicht dem, was die Vorratsdatenspeicherung will, nämlich personenbezogene Daten zu speichern, ohne dafür einen bestimmten Grund zu haben. Ob ein konkreter Tatverdacht, also ein tatsächlicher Grund für das „Quick-Freeze” erforderlich ist, geht aus dem Eckpunktepapier zudem auch nicht hervor.
Die Anschläge in Oslo und der erneute Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung
Wie und ob die Anschläge in Oslo im Vorhinein hätten verhindert werden können, ist unklar. Trotzdem haben einige Politiker die Gelegenheit genutzt, um die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung wieder anzuheizen.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, beispielsweise forderte laut Heise Online erneut die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung. Er sagte, man dürfe den Sicherheitsbehörden nicht die Instrumente vorenthalten, die sie zur Täterermittlung benötigen. Zudem appellierte er an die FDP, ihren Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung aufzugeben.
Problematisch ist hierbei, dass in der Diskussion häufig die Vorratsdatenspeicherung mit einer Überwachung der Telekommunikation gleichgesetzt wird. Denn eine reine Speicherung von Verkehrsdaten hätte auch die Anschläge in Norwegen nicht verhindern können. Ein weiterer wichtiger Punkt: Gerade im Bereich Telekommunikation stehen den Strafverfolgungsbehörden auch jetzt nicht unerhebliche Instrumentarien zur „Überwachung“ zur Verfügung. Unter bestimmten Voraussetzungen bietet die StPO beispielsweise die Möglichkeit, den Inhalt eines Telekommunikationsvorgangs zu überwachen und aufzuzeichnen (§ 100a StPO). Auch Standortdaten von Mobiltelefonen können so ermittelt werden.
Die Auseinandersetzung geht weiter
SPD und Grüne haben sich so auch gegen eine Verschärfung der Gesetze in dieser Hinsicht ausgesprochen. Auf der anderen Seite hat sich auch die EU-Kommission in die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeschaltet.
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström forderte erneut eine Neuregelung zum Zweck der Terrorismusbekämpfung. „Auf Vorrat gespeicherte Daten werden zunehmend wichtiger bei der Bekämpfung von Cyber- und Internetkriminalität”, heißt es laut spiegel.de in einem Schreiben an die FDP-Bundestagsfraktion. Das beschriebene „Quick Freeze“ Verfahren sei in diesem Zusammenhang nicht ausreichend.
In Deutschland wird das Verhalten der EU-Kommission kritisiert: FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann sagte laut spiegel.de: „Frau Malmström gehen die Argumente aus. Sie trägt nur noch vor, dass mehr Daten besser seien als weniger.” Der Grundsatz der Datensparsamkeit werde hierdurch erheblich verletzt.
Abschließend bleibt also zu sagen, dass die Anschläge in Norwegen die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung zwar wieder vorangetrieben haben. Die beiden Dinge stehen aber in keinem Zusammenhang. Unabhängig von den Vorfällen in Norwegen muss Deutschland eine grundsätzliche Regelung zu der Vorratsdatenspeicherung treffen. Und dies allein scheint schwierig genug zu sein.
Berichterstattung auf Telemedicus zum Thema „Vorratsdatenspeicherung”.