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Vivaldis Motezuma – erschienen oder nicht?

Am 23. Januar entschied der BGH den Streit über die Vivaldi-Oper „Motezuma“, der die Gerichte seit knapp drei Jahren beschäftigte. Es ging um die Frage, wann ein Werk noch „nicht erschienen“ ist – denn dies ist erforderlich, damit dem Herausgeber der Erstausgabe ein Verwertungsrecht gem. § 71 UrhG zustehen kann.

Das Stück des venezianischen Komponisten galt lange Zeit als verschollen. Erst im Jahre 2002 wurde es im Archiv der Sing-Akademie zu Berlin (Klägerin) wiederentdeckt. Von dieser aufgefundenen Handschrift gab die Klägerin Kopien heraus und hielt sich auf Grund dessen für die Herausgeberin iSd § 71 UrhG. Als die Veranstalterin des Düsseldorfer Kulturfestivals „Altstadtherbst“ (Beklagte) die Oper im September 2005 ohne Zustimmung aufführen ließ, verlangte die Klägerin Schadensersatz. Doch dieses Verlangen blieb sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erfolglos.
Erscheinen schon im Jahre 1733
Auch der BGH wies in seinem jüngsten Urteil die Klage als unbegründet ab. Ansatzpunkt war zunächst § 6 II UrhG: Hiernach ist ein Werk dann erschienen, „wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke […] in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.“ Ausreichend dafür ist, dass der Öffentlichkeit die Möglichkeit eröffnet wird, das Werk wahrzunehmen. Nach Auffassung des BGH sei „Motezuma“ dann aber bereits im Jahre 1733 „erschienen“. Dazu berief sich der Senat auf die vorgelegten Stellungnahmen von Musikwissenschaftlern: Hieraus ergebe sich, dass es sich bei der Komposition um ein für die venezianischen Opernhäuser angefertigtes Auftragswerk handele. Bei diesen sei es üblich, dass auch ein Exemplar beim Opernhaus hinterlegt werde, von denen Abschriften angefertigt werden konnten.

Beweislast beim Anspruchsteller
Offen blieb aber dennoch, ob dies auch bei dieser Partitur der Fall war. Die Richter des I. Zivilsenats gingen allerdings davon aus, dass derjenige, der ein entsprechendes Verwertungsrecht beansprucht, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dieses Werk „nicht erschienen“ ist. Die Klägerin trug jedoch keinerlei Anhaltspunkte für einen abweichenden Ablauf vor, sodass die frühere Publikation nicht widerlegt wurde.

Im Ergebnis bestand damit bereits im Jahre 1733 ausreichend Gelegenheit zur Kenntnisnahme, sodass das Werk bereits gem. § 6 II UrhG erschienen war. Demnach konnte sich die Sing-Akademie auch nicht auf § 71 UrhG berufen. Die Aufführung war also zulässig.

Fazit
Die Entscheidung des BGH ist insbesondere mit Blick auf die Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich des „Erscheinens“ interessant. Denn weder die Gesetzgebungsmaterialien zu § 71 UrhG noch zu Art. 4 Schutzdauer RiL enthalten hierzu eindeutige Hinweise. Vielmehr ging man davon aus, dass das Erscheinen „in der Regel leicht nachweisbar“ sein würde. (so Götting/Lauber-Rönsberg in GRUR 2006, S.638 (642).

Auch die bisherige Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast war uneinheitlich. So ging etwa das LG Magdeburg – allerdings in zwei absoluten Ausnahmeentscheidungen – letztlich von einer grundsätzlichen Vermutung für das Nicht-Erscheinen aus. Dem trat jedoch das OLG Düsseldorf entgegen, dessen Auffassung nunmehr durch den BGH bestätigt wurde.

Letztlich hat er sich damit aber nur der bereits bestehenden „herrschenden Meinung“ angeschlossen, die von einer vollen Beweislast für das Nichterscheinen des Werkes ausgeht. Dem wird von Teilen der Literatur entgegengehalten, dass so die richterliche Überzeugungsbildung durch eine richterliche Einschätzung von „Wahrscheinlichkeiten“ ersetzt werde. Auf Grund dessen sei allein eine vollständige Beweislastumkehr sach- und interessengerecht (so Thum in Wandte/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 71 Rn. 10a). Zweifelhaft ist aber, ob für eine solche Ausnahme von den allgemeinen prozessualen Grundsätzen überhaupt Raum ist (vgl. dazu auch Götting/Lauber-Rönsberg in GRUR 2006, S.638 (643).

Im Ergebnis legt der BGH hier lockerere Maßstäbe an das Erscheinen iSd § 6 II an und entscheidet sich so gegen das Schutzrecht aus § 71 – denn hier gelten ja dann für das neative Tatbestandsmerkmal „noch nicht erschienen“ höhere Anforderungen. Allerdings hat sich der BGH nur streng an den allgemeinen Prozessgrundsätzen orientiert. Damit bringt er letztlich zum Ausdruck, dass der durch § 71 UrhG begründete Leistungsschutz eben doch nur eine Ausnahme von der (grundsätzlichen) Benutzungsfreiheit ist.

Pressemitteilung des BGH vom 23. Januar 2009.

Urteil des OLG Düsseldorf vom 16. Januar 2007.

, Telemedicus v. 31.01.2009, https://tlmd.in/a/1131

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