Telemedicus

, von

Vier Fragen zur Steuersünder-CD

Die Diskussion um den Ankauf der (inzwischen mehreren) Steuersünder-CDs krankt daran, dass ständig juristische und politische Kategorien vermischt werden. Mindestens ebenso leidet der Diskurs aber auch daran, dass selbst die juristischen Kategorien nicht richtig eingehalten werden. Da trennt kaum noch einer richtig zwischen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten, da wird lang über die Frage spekuliert, ob der Staat sich strafbar macht, wenn er die CD ankauft – dabei ist das unmöglich. Eine Stellungnahme in 4 Fragen und 4 Anworten.
Wer macht sich strafbar?

Es ist unbekannt, auf welche Weise der geheime Verkäufer die Steuerdaten erlangt hat. Es ist allerdings relativ sicher, dass er damit gegen Strafnormen verstoßen hat – auch gegen deutsche. Denn die gelten unter Umständen auch für Taten, die im Ausland begangen werden (§ 7 StGB). In Frage kommen hier vor allem der § 44 BDSG (Datenmissbrauch), § 17 UWG (Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) und § 202a StGB (Ausspähen von Daten). Ob diese Normen tatsächlich verletzt wurden, kann nur geklärt werden, wenn der Sachverhalt ausermittelt ist – aber ein Anfangsverdacht besteht. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, die Straftat zu verfolgen (§ 152 Abs. 2 StPO). Ob das schon erfolgt, ist einer der vielen Punkte, die bisher im Dunkeln liegen.

Die Ankäufer der Daten, also die Verhandlungsführer in den Ministerien und vielleicht auch Angela Merkel, könnten sich ebenfalls strafbar gemacht haben. Eine Prüfung von Benjamin Küchenhoff, die hier bei Telemedicus veröffentlicht ist, hat aber ergeben: Nein, sie machen sich nicht strafbar.

Der Staat demgegenüber kann sich nicht strafbar gemacht haben. Dies ist der Fehler vieler Diskussionsteilnehmer, die dem Staat „Hehlerei” oder „Teilnahme am Datendiebstahl” vorwerfen. Der Staat unterliegt nicht so wie ein normaler Bürger dem Recht. Für ihn gelten ebenfalls Regeln – aber ganz andere.

Darf der Staat die Daten kaufen?

Über diese Frage kann man lange streiten. Grundsätzlich gilt: Wenn das Handeln des Staates in Grundrechte eingreift, dann darf er nur das, was ihm gesetzlich erlaubt ist („kein Handeln ohne Gesetz”). Im Strafverfahren, wo es intensiv um die Verfahrens- und sonstige Grundrechte geht, gilt das im Besonderen. Hier liegt der Fall so: Der Datenkauf greift in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der – bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig behandelnden (Art. 6 Abs. 2 EMRK) – Steuersünder ein. Allerdings ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eher in den Randbereichen betroffen. Für so einen Fall entscheidet das BVerfG im Wege seiner Wesentlichkeitsrechtsprechung so, dass ein Gesetz zwar vorhanden sein, dieses aber nicht besonders bestimmt sein muss. Es reicht also eine Generalklausel. Als Ermächtigungsgrundlage taugen also § 161 Abs. 1 StPO, § 399 AO, die sagen, dass die zuständigen Ermittlungsbehörden „Ermittlungen jeder Art” vornehmen dürfen.

Neben der Hürde der Grundrechte gibt es aber noch einen zweiten Maßstab, an dem sich der Datenkauf messen lassen muss: Das Rechtsstaatsprinzip. Der Staat ist an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). An dieser Stelle stellt sich die Frage, die aktuell für so viel Kontroversen sorgt: Die Daten, die der Staat hier ankauft, sind nicht irgendwelche. Es handelt sich um Daten, die mittels einer Straftat erlangt wurden. Und es handelt sich um Daten, die der Staat selbst, mit den Mitteln, die ihm gesetzlich zur Verfügung stehen (s.o.), nicht hätte erlangen können.

Dieses Problem ist der Strafrechtswissenschaft nicht neu (ausführlich Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 395 ff.). Die Frage wird regelmäßig diskutiert am Beispiel von sogenannten „Hörfallen”: Ein Privatmann bringt einen Strafverdächtigen dazu, sich selbst zu belasten, indem er ihn täuscht (z.B. darüber, dass er ein Abhörgerät am Körper trägt). Der Staat darf das nicht – er müsste den Verdächtigen vorher belehren (§ 136 StPO). Das Problem ist auch diskutiert worden am Beispiel von Informationen, die im Ausland mittels Folter erlangt wurden (OLG Hamburg NJW 2005, 2326 ff.).

Die deutschen Gerichte folgen bei dieser Frage relativ einheitlich der Linie, dass der Staat solche Informationen, die von Dritten mittels Gesetzesverstößen erlangt wurden, von ihnen annehmen darf – im Strafverfahren ist man in dieser Hinsicht nicht zimperlich. Eine Grenze ziehen die Gerichte erst dort, wo extrem stark gegen Menschenrechte verstoßen wird (SK-StPO, § 136a Rn 15). Anders ist das aber, wenn der Staat die Dritten direkt beauftragt hat. Der Staat darf keine Privatdetektive beauftragen, um in Wohnungen einzubrechen, Beweismittel zu stehlen oder Telefone abzuhören (Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 481; EGMR StV 2004, 1).

Der Sachverhalt, um den es hier geht, liegt irgendwo dazwischen. Der Verkäufer der CD hat die Daten nicht gestohlen, weil ihn der Staat dazu „beauftragt” hat – er hat es gemacht, weil er dafür Geld erwartete. Dieses Geld hat er aber erwartet, weil die Bundesrepublik solche Daten schon einmal gekauft hat – und den Eindruck erweckte, dies auch zukünftig tun zu wollen. Ist dies schon ein „Auftrag” in einem Sinn, der dazu führen würde, die Handlungen der Dritten dem Staat zuzurechnen? Wenn nein: Was ist, wenn er für die aktuelle CD auch bezahlt? Und für die nächste? Und für die übernächste?

Die Frage ist aktuell noch offen. Aber man darf sicher sein, dass sie nicht nur die Gerichte, sondern auch die Strafrechtswissenschaft in den nächsten Jahren beschäftigen wird.

Darf man die Daten in einem Prozess verwerten?

Für Nichtjuristen hört sich diese Frage erstmal blöd an: Wenn man die CD ankaufen durfte, dann darf man sie doch auch verwerten – bzw. wenn es illegal ist, sie zu kaufen, dann darf man sie doch auch nicht im Prozess verwenden? Die Regel in der deutschen Rechtsprechung ist aber anders. Die Gerichte differenzieren zwischen Beweiserhebungs– und Beweisverwertungsverboten. Die Regel gilt dabei: Wenn ein Rechtsmittel erst mal vorliegt – auch wenn es illegal erlangt wurde – dann ist es nicht per se unverwertbar, sondern es erfolgt eine Interessenabwägung. Man vergleicht das Gewicht des Beweisverbots (z.B. Art. 13 GG bei einer fehlerhaft durchgeführten Wohnungsdurchsuchung) mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse. Wenn dieses Strafinteresse überwiegt (und das tut es fast immer), dann ist das Beweismittel trotzdem verwertbar. Der Hintergrund ist dabei (grob vereinfacht): Niemand will einen Straftäter laufen lassen, von dem jeder weiß, dass er schuldig ist. Ein Beweisverwertungsverbot ist daher im deutschen Strafprozessrecht die krasse Ausnahme. Das LG Bochum hat im Fall der Liechtenstein-CD ein Verwertungsverbot daher abgelehnt (Entscheidung vom 7. August 2009, Az. 2 Qs 2/09). Dagegen läuft nun eine Verfassungsbeschwerde.

Diese Regel von den Beweisverwertungsverboten kann man aber auch anders herum drehen: Nicht alles, was im Prozess verwertet werden darf, darf auch zulässigerweise erhoben werden. Diejenigen, die aktuell mit der Entscheidung des LG Bochum oder allgemein mit der Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten argumentieren, trennen nicht sauber. Denn aktuell geht es um eine Frage der Beweiserhebung.

Was wäre die optimale Lösung?

Eine optimale Lösung in diesem Problemkreis dürfte es nicht geben – zu starke Rechtsgüter sind betroffen, zu widersprüchlich sind die Interessen. Viele der aktuellen Probleme könnten aber gelöst werden, wenn es für diese Art von Datenkäufen eine ordentliche Rechtsgrundlage gäbe. Würden die wesentlichen Entscheidungen zu solchen Fällen nicht von einzelnen Spitzenpolitikern getroffen, die von der Bild-Zeitung getrieben werden, sondern vom Bundestag, dann würde das auch juristisch gesehen viele Probleme lösen. Ein solches Gesetz würde die ganze Diskursmaschinerie des Bundestags durchlaufen, mit Ausschüssen, Lesungen und Debatten. Das Gesetz müsste beachten, dass es ein starkes, legitimes Interesse an Strafverfolgung gibt und der Staat hier – zurecht – keine Samthandschuhe trägt.

Ein Gesetz müsste jedoch auch klare Grenzen ziehen und absichern, dass der Staat die Grenzen, die ihm das Rechtsstaatsprinzip zieht, nicht übertritt. Ob es zulässig ist, dass der Staat – überspitzt gesagt – Bürger für das Begehen von Straftaten belohnt und sich die Ergebnisse dieser Taten zu Nutze macht, ist eine schwierige Frage. Keine einfache Aufgabe für unsere Volksvertreter. Aber dafür sind sie ja auch gewählt worden.

Eingehende Hintergrundprüfung bei Telemedicus.

Beiträge zum Thema im Beck-Blog.

Beiträge zum Thema bei Internet-Law.

, Telemedicus v. 09.02.2010, https://tlmd.in/a/1644

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

In Kooperation mit

Kommunikation & Recht

Hosting

Domainfactory