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VG Wiesbaden zu Netzsperren: Verträge reichen nicht

Mancher, der einen Vertrag etwas voreilig geschlossen hat, muss später von einem Richter zur Erfüllung gezwungen werden. Dem Bundeskriminalamt (BKA) widerfährt gerade das Gegenteil: Ein Richter drängt die Ermittlungsbehörde eidesstattlich zu versichern, sie werde einen Vertrag nicht erfüllen.
Verträge sollen fehlendes Gesetz überbrücken

Es geht um die Vereinbarungen zwischen BKA und fünf Providern, mit denen die Bundesregierung gegen Kinderpornografie im Netz vorgehen wollte. Eigentlich sind sie ja ein alter Hut: Inzwischen wurde schließlich das Zugangserschwerungsgesetz verabschiedet, mit dem die Regierung ebenfalls die umstrittenen Sperren einrichten will. Das Regelwerk sollte ursprünglich zum 1. August in Kraft treten. Doch es musste wegen der Transparenzrichtlinie zeitweilig auf Eis gelegt werden. Um die Netzsperren dennoch durchzusetzen, verwiesen Wirtschafts- und Familienministerium auf die Verträge: Diese seien als Rechtsgrundlage ausreichend – obwohl unter die Richtlinie auch freiwillige Vereinbarungen fallen und damit auch die Wirksamkeit der Verträge unsicher ist. Doch für diese Frage sei das Bundesinnenministerium zuständig, erklärte man, und war so den schwarzen Peter los. Im Bundesinnenministerium wiederum hielt man die Vereinbarung ohne dies näher auszuführen nicht für notifizierungspflichtig, .

Verträge offenbar nichtig

Den Vorsitzenden Richter Hans-Herrmann Schild vom VG Wiesbaden trieben nun offenbar weder etwaige Brüsseler Notifizierungspflichten noch Stillhaltefristen: Für ihn scheinen diese Verträge schlicht keine ausreichende Grundlage für die Errichtung der vielkritisierten Internetsperren zu sein. Er stünde damit auf einer Linie mit der scheidenden Justizministerin Brigitte Zypries und den Kritikern der Netzsperren. Schild verplichtete nun das BKA dazu, klar und eindeutig zu erklären, dass keine Sperrlisten an den Anbieter Arcor zur Verfügung gestellt werden und wurden, der Vertrag bislang also nicht umgesetzt wurde.

Wie gehts weiter?

Kommt das BKA dieser Aufforderung nicht nach, wird die Sache vermutlich mit einer einstweiligen Verfügung der sechsten Kammer geklärt. Die Kritiker der Netzsperren werden sich diese allerdings nicht wünschen. Denn anders als eine eidesstattliche Versicherung kann die Verfügung mit Rechtsmitteln angegriffen werden. Und über die kann dann nicht mehr Hans-Herrmann Schild entscheiden. Gibt das BKA die geforderte Erklärung ab, so dürfte der Antrag auf eine einstweilige Verfügung sich wohl erledigt haben, teilte der Vorsitzende bereits mit.

Doch bald Gesetz als Grundlage?

Vielleicht wird sich der Streit auch ohne weitere Gerichtsverfahren erledigen: Denn die Stillhaltefrist für das Gesetzesvorhaben lief gestern, am 8.10. aus – wenn aus Brüssel keine Einwände laut werden, kann das Gesetz an den Bundespräsidenten überreicht werden, vielleicht mit der Bitte um geradezu hastige Unterschrift. Denn hat sich erst der neue Bundestag konstituiert, sitzt die FDP mit am Regierungshebel – und die hat bereits angekündigt, sie werde die Netzsperren wieder rückgängig machen. Ob das Bundeswirtschaftsministerium trotzdem das dem künftigen Partner missliebige Werk an Horst Köhler durchreichen wird, ist also offen.

Für Schild wird die ganze Sache vielleicht noch aus einem ganz anderen Aspekt interessant: Dass seine gerichtliche Verfügung und die frühere – ungenügende – eidesstattliche Versicherung eines BKA-Referatsleiters im Netz gelandet sind, dürfte den Juristen wenig erfreuen, heißt es im Umfeld des VG Wiesbaden. Schild ist nämlich auch für Datenschutzrecht zuständig.

Zu dem Schriftstück des VG Wiesbaden.

, Telemedicus v. 09.10.2009, https://tlmd.in/a/1525

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