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Vertragsfallen im Internet: Das Mahnverfahren

Vor einigen Monaten hat Telemedicus über Vertragsfallen im Internet berichtet. Der Tipp damals: Bloß nicht zahlen – es sei denn ein Mahnbescheid flattert ins Haus. Aber was ist ein Mahnbescheid überhaupt? Und wie funktioniert das gerichtliche Mahnverfahren?
Bleiben wir bei unserem damaligen Beispiel der BWL-Studentin Lena M. Nachdem sie in ihrem Briefkasten die Zahlungsaufforderung über einen Betrag von 65,02 € vorgefunden hat, informiert sie sich zunächst im Internet. Bei verschiedenen Verbraucherzentralen wird sie fündig: Die Internetseite, auf der sie sich angemeldet hat, ist als Internetvertragsfalle dort bereits bekannt. Lena M. entscheidet sich, die Zahlungsaufforderungen nicht einfach zu ignorieren. Stattdessen nimmt sie einen Vordruck, der von einer Verbraucherzentrale bereitgestellt wurde. In diesem steht, dass nach ihrer Auffassung kein Vertrag geschlossen wurde. Hilfsweise fechte sie den Vertrag an und berufe sich im Übrigen auf ihr Widerrufsrecht.

Nachdem sie diesen Vordruck abgeschickt hat, ist der Fall für Lena M. zunächst erledigt. Auch von weiteren Zahlungsaufforderungen und Schreiben von Inkassofirmen lässt sie sich nicht einschüchtern. Nach einigen Monaten erhält sie schließlich einen Brief von einem Amtsgericht, in dem mehrfach von einer „Mahnsache“ die Rede ist. Dem Brief liegt ein Zahlungsvordruck bei. Neben den bereits zuvor geforderten 65,02 € soll Lena M. nun allerdings zusätzlich die Gerichtskosten in Höhe von 23 € tragen. Der Gesamtbetrag hat sich damit auf 88,02 € erhöht. Lena M. wird unsicher. War an der Sache vielleicht doch etwas dran? Wieso beschäftigt sich jetzt ein Gericht mit der Forderung? Waren die Tipps von den Verbraucherzentralen möglicherweise doch falsch?

Was ist das Mahnverfahren?

Um diese Fragen zu beantworten, muss man zunächst verstehen, was das gerichtliche Mahnverfahren ist. Der Brief, der Lena M. Ins Haus geflattert ist (der Mahnbescheid), wurde im Rahmen eines solchen Mahnverfahrens verschickt. Das gerichtliche Mahnverfahren ist ein Gerichtsverfahren, welches der vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen dient. Ziel dieses Verfahrens ist, dass eine Forderung auch ohne eine lange, aufwändige und vor allem teure Prozedur – wie einen Prozess – eingetrieben werden kann.

Grundsätzlich ist das Mahnverfahren dabei eine tolle Sache: Sofern der Schuldner nicht bestreitet, dass die Geldforderung besteht, erfüllt es diese Ziele. Der Nachteil ist, dass das Mahnverfahren natürlich auch mißbraucht werden kann. Anders als im Prozess prüft das Gericht hier nämlich nur stark eingeschränkt.

Der Weg zum Mahnbescheid

Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit, ein solches Verfahren anzustrengen. Er muss nur behaupten, dass eine Geldforderung besteht. Mit dieser Forderung wendet er sich an das zuständige Mahngericht. Dieses ist in Thüringen das örtliche Amtsgericht. In den restlichen Bundesländern werden die Anträge von zentralen Mahngerichten bearbeitet, an die man sich über eine zentrale Internetpräsenz wenden kann. Nachdem das notwendige Formular ausgefüllt ist, wird dieses zum Mahngericht geschickt. Das Mahngericht prüft nun lediglich, ob das Formular alle notwendigen Angaben enthält und ob bestimmte formelle Vorschriften eingehalten wurden. Es überprüft jedoch nicht, ob die Forderung auch berechtigt ist.

Hat alles soweit seine Richtigkeit, addiert das Gericht zu dieser Forderung die Kosten des Mahnverfahrens. Diese Kosten muss der Antragsteller zunächst vorstrecken. Anschließend erstellt das Gericht einen Mahnbescheid, in dem diese Kosten aufgelistet sind, und schickt diesen an den Schuldner.

Für unseren Fall bedeutet das: Der Betreiber der Internet-Vertragsfalle hat ein Mahnverfahren angestrengt. Dazu hat er behauptet, er hätte gegenüber Lena M. eine Forderung in Höhe von 65,02 €. Das Gericht hat den Antrag überprüft und festgestellt, dass dieser vollständig ausgefüllt ist. Daher hat es dem Betreiber der Internet-Vertragsfalle zunächst die Kosten (23 €) in Rechnung gestellt und anschließend den Mahnbescheid an Lena M. verschickt.

Der Widerspruch

In dem Mahnbescheid steht allerdings nicht nur der geforderte Betrag. Vielmehr wird dort auch darauf hingewiesen, dass der Empfänger zwei Wochen Zeit hat, entweder den Betrag zu begleichen oder Widerspruch einzulegen. In der Regel ist dem Mahnbescheid hierfür auch ein Widerspruchsvordruck beigelegt. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, kann dem Gericht auch in einem formlosen Brief mitgeteilt werden, dass der Forderung widersprochen wird. Dieser Hinweis im Mahnbescheid sollte unbedingt beachtet werden. Sofern der Widerspruch rechtzeitig eingelegt wird, kann der Anspruch nur noch im Rahmen eines Zivilprozesses durchgesetzt werden. In unserem Fall müsste der Betreiber der Internet-Vertragsfalle also gegen Lena M. klagen. Da hier kein Anspruch entstanden ist (wie bereits im letzten Artikel erläutert wurde), ist eine solche Klage für den Betreiber Geld- und Zeitverschwendung. Schließlich basiert das „Geschäftsmodell“ solcher Betreiber darauf, dass zumindest einige Personen nach einigen Briefen anstandslos zahlen.

Kein Widerspruch: Der Vollstreckungsbescheid

Aber was passiert, wenn kein Widerspruch eingelegt wird? Spinnen wir unseren Fall einmal weiter: Lena M. hat den Mahnbescheid bekommen und informiert sich im Internet über die Folgen. Sie füllt den Widerspruchsbescheid aus, vergisst aber im Klausurenstress, diesen abzuschicken. Erst zwei Wochen später findet sie den fertig frankierten Brief unter einem Stapel von Unterlagen wieder. Die Widerspruchsfrist ist natürlich inzwischen verstrichen.

Zwei Wochen nach der Zustellung des Mahnbescheids kann der Betreiber des Mahnverfahrens bei Gericht einen so genannten Vollstreckungsbescheid beantragen. Mit diesem Vollstreckungsbescheid kann ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden, die Forderung in Höhe von 88,02 € gegen Lena M. zu vollstrecken. Im schlimmsten Fall steht also nach diesen zwei Wochen ein Gerichtsvollzieher vor der Tür von Lena M. Er überreicht ihr zunächst den Vollstreckungsbescheid. Gegen diesen kann Lena M. zwar – genau wie schon gegen den Mahnbescheid – innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen. Allerdings kann unabhängig davon, ob Widerspruch eingelegt wird oder nicht, die Forderung sofort vollstreckt werden. Der Gerichtsvollzieher kann Lena M. zunächst nach Bargeld fragen und – sollte sie nicht vor Ort zahlen können – Gegenstände mitnehmen, die in etwa diesem Wert entsprechen. Es kann allerdings auch von den Konten von Lena M. gepfändet werden. Sofern sie ausreichend Geld auf dem Girokonto oder auf einem Sparkonto hat, könnten die 88,02 € von diesem Konto abgezogen werden.

Unabhängig davon, wie der Gerichtsvollzieher vollstreckt: Eine solche Situation ist nicht nur für Lena M. unangenehm. Spätestens jetzt sollte sie aktiv werden. Auch wenn das Geld zunächst einmal weg ist, sollte sie nun umgehend einen Anwalt aufsuchen. Dieser wird Lena M. in diesem Fall empfehlen, zunächst Widerspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einzulegen. Damit ist das Mahnverfahren beendet, die Forderung wird nun im Rahmen eines Prozesses vor Gericht überprüft.

Fazit

Auch wenn der Betreiber einer Internet-Vertragsfalle zu Unrecht Geld fordert, sollte auf einen Mahnbescheid immer reagiert werden. Liegt ein solcher Bescheid im Briefkasten, ist es ratsam, einen Anwalt aufzusuchen. Wer sich vor diesem Schritt scheut, sollte dem Mahnbescheid zumindest schnellstmöglich widersprechen. Am besten per Einschreiben um sicher zu gehen, dass der Widerspruch das Gericht auch erreicht. Ist die im Mahnbescheid angegebene Zwei-Wochen-Frist nämlich erst einmal verstrichen, kann es unangenehm werden. Auch wenn im Internet kein Vertrag zu Stande gekommen ist.

, Telemedicus v. 25.03.2009, https://tlmd.in/a/1220

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