Mehrere Zeitungsverlage haben gestern vor der Wettbewerbskammer des LG Köln gegen die ARD und den NDR geklagt. Grund ist die „Tagesschau-App”.
In einer Pressemitteilung begründen die Verlage ihr Vorgehen wie folgt:
Die Verlagshäuser stützen sich bei ihrer Wettbewerbsklage auf den Rundfunkstaatsvertrag der Länder, der presseähnliche digitale Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender ohne konkreten Bezug zu einer erfolgten Sendung verbietet. Die Praxis habe jedoch gezeigt, dass sich die Rundfunkhäuser an diese Vorgaben nicht halten. Die Kontrollgremien der Sender sowie die jeweiligen Aufsichtsbehörden hätten diese Entwicklung gebilligt. Daher sei es aus Sicht der Verlage erforderlich, den Rechtsweg – wie angekündigt – zu beschreiten.
Die Vertreter des öffentlichen Rundfunks zeigten sich über die Nachricht wenig erfreut. Digitalfernsehen.de beschreibt die Reaktion von ZDF-Intendant Schächter, der auf den NRW-Medientagen von der Klage erfahren hatte, als „sichtlich geschockt”. Und auch der NDR-Intendant Marmor kommentiert, er bedauere diesen Schritt der Verlage.
Die Klage soll wohl offenbar auf eine Kombination aus wettbewerbsrechtlichen und rundfunkrechtlichen Normen gestützt werden. Vermutlich argumentieren die Verlage damit, dass die Bestimmungen des RStV ein Schutzgesetz i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG darstellen. Als Vorschrift des RStV, die verletzt worden sein soll, kommt insbesondere § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 in Frage: „nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote sind nicht zulässig”.
In wettbewerbsrechtlicher Hinsicht wirft der Rechtsstreit Fragen auf, etwa ob (und in welchem Bereich) ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Rundfunkanstalten und den Verlagen bestehen kann – die öffentlich-rechtlichen Anstalten bieten Daseinsvorsorge an, die Verlage handeln kommerziell motiviert. Auch wäre zu klären, ob § 11d RStV ein Schutzgesetz i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG darstellt.
Interessanter ist jedoch die dahinter liegende rundfunkrechtliche Fragestellung: Hier geht es um ganz grundsätzliche Fragen, nämlich z.B., was denn öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eigentlich auf Smartphones anstellen. Wie weit reicht der Grundversorgungsauftrag, insbesondere auch die Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Gehören Apps auf Mobilfunk-Endgeräten überhaupt zum Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn? Parallel hat der Streit eine europarechtliche Komponente: Die Rundfunkanstalten hatten sich im „Beihilfenkompromiss” mit der EU-Kommission erst darauf geeinigt, den Rundfunkauftrag genau zu definieren. Ob die Tagesschau-App im Einklang mit dieser Vereinbarung ist, ist fraglich. Der Zeitungsverlegerverband BDZV jedenfalls gab bekannt, er habe die Europäische Kommission auf den „grundsätzlichen Mangel an einer effektiven Kontrolle der Gebührensender” hingewiesen.