VG Köln, Beschluss v. 03.06.2009, Az. 6 L 798/09
Ein Jugendamt kann nicht dazu verpflichtet werden, die Ausstrahlung einer Fernsehsendung, in der möglicherweise Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden, zu unterbinden. Denn die Zuständigkeiten der Medienaufsicht sind abschließend im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geregelt, wonach Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beachtung der Menschenwürde und des Jugendschutzes im privaten Rundfunk Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalten ist.
Tenor:
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.
3. Dieser Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax bekannt gegeben werden.
Der Antrag,
den Antragsgegner nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, der Beigeladenen die Ausstrahlung des TV-Formats „Erwachsene auf Probe“ (geplanter Beginn der Sendung: 03.06.2009, 20.15 Uhr) zumindest vorläufig und bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens im Wege einer für sofort vollziehbar zu erklärenden Ordnungsverfügung zu untersagen
hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder wenn diese Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO). Ist der Antrag – wie vorliegend – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, so sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist und dem Antragsteller ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
Hiervon ausgehend haben die Antragsteller in grundlegender Verkennung jugendmedienschutzrechtlicher Kompetenzen einen Anordnungsanspruch nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.
Die Kammer teilt hierzu die übereinstimmende Auffassung von Antragsgegner und Beigeladener. Es besteht weder eine medienrechtliche Zuständigkeit des von den anwaltlich vertretenen Antragstellern (auch schon vorprozessual) bewusst in Anspruch genommenen Antragsgegners, die Ausstrahlung der Sendefolgen „Erwachsen auf Probe“ zu verhindern. Noch ist – unabhängig davon – ersichtlich, auf welcher Grundlage gerade den Antragstellern ein Anspruch gegen den Antragsgegner auf das begehrte Einschreiten gegen die Beigeladene zustehen sollte.
Der Antragsgegner ist unter keinem Gesichtspunkt dazu berufen, die Ausstrahlung der Sendefolgen „Erwachsen auf Probe“ zu verhindern. Die Zuständigkeiten der Medienaufsicht sind abschließend in dem am 01.04.2003 in Kraft getretenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt. Behördlich zuständig für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beachtung der Menschenwürde und des Jugendschutzes im privaten Rundfunk sind gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 6 JMStV allein die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten. Ihre Zuständigkeiten und die Möglichkeit der Vornahme von Aufsichtsmaßnahmen werden lediglich durch vorrangige Entscheidungen der anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen gemäß §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 3 JMStV beschränkt. Sie schließen demgegenüber im verfassungsrechtlich geschützten Bereich der Rundfunk- und Programmgestaltungsfreiheit generell jedwede Maßnahmen allgemeiner Polizei- und Ordnungsbehörden aus (Grundsatz der „Polizeifestigkeit“ im Bereich der Presse- und Rundfunkfreiheit).
Weiterhin ist – unabhängig hiervon – auch nicht ersichtlich, in welchen Rechten die Antragsteller – die Antragstellerin zu 1. auf der Grundlage ihrer satzungsmäßigen Zielsetzungen und der Antragsteller zu 2. in seiner Eigenschaft als Mitglied des Antragstellers zu 1. und als Vater von 6 Kindern – durch die Ausstrahlung der Sendefolgen „Erwachsen auf Probe“ überhaupt betroffen sind und woraus die Antragsteller ihr subjektives Recht auf Einschreiten herleiten wollen. Die hierfür zuvorderst reklamierten Grundrechte aus Art. 1 und 2 GG sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat, nicht aber Handlungsansprüche auf ein Einschreiten gegen private Dritte. Eben so wenig bestehen einfach gesetzliche drittschützende medienrechtliche Ermächtigungsgrundlagen für das geltend gemachte Begehren.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die sich am Verfahren beteiligt und einen Kostenantrag gestellt hat.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat den gesetzlichen Auffangstreitwert – wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache ohne Reduzierung – zu Grunde gelegt. Soweit die Beigeladene den Streitwert unter Berücksichtigung der Produktionskosten der ersten beiden Folgen auf 500.000.- Euro festgesetzt wissen will, trägt dies nicht der gesetzlichen Vorgabe Rechnung, dass sich die Streitwertfestsetzung an dem Interesse der Antragsteller am Ausgang des Verfahrens zu orientieren hat.