VG Köln, Beschluss v. 15.03.2006, Az. 1 L 109/06
1. Der rechtswidrige Teil einer Entgeltanordnung ist nicht in der Weise abtrennbar, dass der VA im Übrigen ohne Änderung seines Inhalts sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben könnte. Eine Entgeltanordnung ist deshalb nicht teilbar.
2. Im Rahmen einer nachträglichen Entgeltregulierung ist für eine Vergleichsmarktbetrachtung ist als Referenzgröße nicht der Durchschnittpreis sondern der höchste unverzerrte Wettbewerbspreis aus den Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien heranzuziehen.
Dabei darf das Vergleichsmarktprinzip nicht durch Überlegungen verwässert werden, die an Stelle einer Betrachtung der tatsächlichen Marktsituation an einem marktwirtschaftlich idealen Entgeltniveau eines rein kostenorientierten effizienten Marktes ausgerichtet sind.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 25.000,- EUR festgesetzt.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 7596/05 VG Köln gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 01.12.2005 (BK 4d-05-071/E 22.09.05)
1. insoweit anzuordnen, als das in Ziffer 1 a) des Tenors dieses Beschlusses angeordnete Entgelt den Betrag von 0,05 EUR pro Minute übersteigt,
2. hilfsweise, insgesamt anzuordnen,
ist ohne Erfolg.
Die im Verfahren nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der sich aus § 137 Abs. 1 TKG ergebenden sofortigen Vollziehbarkeit der angegriffenen Entgeltanordnung -einerseits- und dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin -andererseits- fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Die Klage 1 K 7596/05 ist nämlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unbegründet.
1. Das folgt in Bezug auf den Antrag zu 1) bereits daraus, dass die angegriffene Entgeltanordnung auf der Grundlage des Vortrags der Antragstellerin nicht betragsmäßig teilbar ist.
Eine derartige Anordnung kann zwar -wie jeder angefochtene Verwaltungsakt- teilweise aufgehoben werden, wenn und soweit der rechtlich unbedenkliche Teil nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil steht. Der rechtswidrige Teil des Verwaltungsaktes muss dann aber in der Weise selbstständig abtrennbar sein, dass der Verwaltungsakt im Übrigen ohne Änderung seines Inhalts sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben könnte, vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2005 – 6 B 6.05 -; VG Köln, Urteil vom 15.09.2005 -1 K 8432/04-.
Diese Voraussetzung, die auch für das Aussetzungsverfahren entsprechend gilt, ist hier aber in Bezug auf das nach dem Antrag zu 1) verbleibende Basisentgelt in Höhe von 0,05 EUR pro Minute (statt genehmigter 0,11 EUR pro Minute) nicht erfüllt. Wenn -wie die Antragstellerin meint- die Entgeltanordnung auf einem grundsätzlich fehlerhaften Prüfungsmaßstab beruhen würde, beträfe dies das durch Ziffer 1 a) des Beschlusses vom 01.12. 2005 angeordnete Entgelt in vollem Umfange. Die Entgeltanordnung ließe sich nicht in einen rechtmäßigen und einen rechtswidrigen Teil zerlegen; sie wäre konsequenterweise insgesamt anzugreifen. Eine Teilaussetzung ist unter diesen Umständen nicht möglich.
2. Der Antrag zu 2) ist trotz seines umfassenden Wortlauts dahingehend zu verstehen, dass sich das Begehren auf das in Ziffer 1 a) des Beschlusstenors angeordnete Basisentgelt beschränkt. Denn zu den darüber hinausgehenden Anordnungen hat die Antragstellerin weder im Klage- noch im vorliegenden Aussetzungsverfahren etwas vorgetragen.
Der Antrag zu 2) ist unbegründet, weil die angegriffene Entgeltanordnung die Antragstellerin höchstwahrscheinlich nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Festlegung des Basisentgelts für die Leistung V.1 erfolgt zu Recht auf der Grundlage von § 25 Abs. 1 und 5, § 30 Abs. 4 i.V.m. den entsprechend geltenden §§ 38 Abs. 4 und 28 TKG. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird zur Begründung auf das Urteil der Kammer vom 15.09.2005 -1 K 8432/04- verwiesen, welches sich auf den Vorgängerbeschluss vom 08.11.2004 bezieht (damaliges Basisentgelt: 0,1320 EUR/Min.) und zwischen denselben Beteiligten ergangen ist. Soweit der Vortrag der Antragstellerin neu ist, rechtfertigt er keine abweichende Beurteilung:
Dass die Bundesnetzagentur kein Konsultations- und Konsolidierungsverfahren nach § 12 TKG in Bezug auf die Entgeltanordnung durchgeführt hat, ist nicht zu beanstanden. Die von der Antragstellerin herangezogene Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG betrifft nämlich nur Regulierungsverfügungen, wozu nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift Entgeltanordnungen nach § 25 Abs. 5 TKG nicht gehören.
Abgesehen davon ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragstellerin mit einer etwa doch bestehenden Konsultations- und Konsolidierungsverpflichtung entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 TKG in spezifischer Weise und unabhängig von einem materiellen Recht eine eigene, selbstständig durchsetzbare Rechtsposition gewährt wird, vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 10.10.2002, BVerwGE 117 (115,116).
Soweit sich die Antragstellerin auf den am 30.09.2005 bei der Europäischen Kommission notifizierten Entwurf der Bundesnetzagentur zum Markt Nr. 16 der Märkte- Empfehlung als wesentliche Sachverhaltsänderung beruft, verkennt sie die rechtliche Tragweite dieses Vorgangs. Es handelt sich um einen Entwurf nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 TKG. Er dokumentiert nur die Absicht, unter anderem die Beigeladene als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf dem Markt für die Anrufzustellung in deren Mobiltelefonnetz festzulegen. Rechtlich verbindlich ist eine solche Festlegung aber erst dann, wenn sie selbstständig oder zusammen mit einer Regulierungsverfügung als Verwaltungsakt ergangen ist. Das ergibt sich zwingend aus § 13 Abs. 3 TKG. Liegt -wie hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesnetzagentur- ein entsprechender Verwaltungsakt noch nicht vor, fehlt es nach § 9 Abs. 2 TKG an der Grundvoraussetzung dafür, einem Unternehmen Regulierungsmaßnahmen, die das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht voraussetzen, nach Teil 2 des TKG auferlegen zu können. Selbst wenn -wie u.a. die Antragstellerin meint- der Bundesnetzagentur eine sachlich ungerechtfertigte Hinauszögerung der rechtsverbindlichen Festlegung einer faktisch bestehenden beträchtlichen Marktmacht der Beigeladenen vorzuwerfen wäre, ersetzte dies nicht das Erfordernis der entsprechenden Festlegung durch einen nach außen wirksamen Verwaltungsakt (§ 132 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 TKG i.V.m. §§ 35, 41 VwVfG).
Aus dem gleichen Grunde ist rechtlich unerheblich, ob die Bundesnetzagentur verpflichtet ist, etwa von der in § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG normierten Ermessensermächtigung durch Erlass vorläufiger, auf eine Ex-ante- Entgeltregulierung hinauslaufender Maßnahmen zu Lasten der Beigeladenen Gebrauch zu machen. Abgesehen davon, dass weder außergewöhnliche, d.h. durch die Erfordernisse eines regulären Verfahrens nach § 12 TKG bedingte Umstände, noch die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null ersichtlich sind, ist entscheidend, dass die Bundesnetzagentur auch eine derartige vorläufige Maßnahme tatsächlich nicht erlassen hat.
Es kann weiterhin offen blieben, ob auf Betreiber, bei denen beträchtliche Marktmacht noch nicht rechtsverbindlich festgestellt worden ist, § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG überhaupt entsprechend anwendbar ist oder ob sich dies im Hinblick auf Art. 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 13 Zugangsrichtlinie verbietet. Denn selbst wenn auch Entgelte von -noch- nicht als beträchtlich marktmächtig festgestellten Betreibern analog § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht missbräuchlich sein dürften, wäre diese Vorschrift jedenfalls im Ergebnis nicht zu Lasten der Antragstellerin verletzt.
Soweit es in dem dann durch die §§ 25 Abs. 5 Satz 3 und 30 Abs. 4 Satz 2 TKG vorgegebenen Prüfungsrahmen entsprechend § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG auf eine Vergleichsmarktbetrachtung ankäme, wäre -wie im Urteil zum Vorgängerbeschluss bereits dargelegt- als Referenzgröße der höchste unverzerrte Wettbewerbspreis aus den Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien heranzuziehen, nicht aber -wie hier wiederum von der Bundesnetzagentur- der gewichtete Durchschnittspreis aller Betreiber in diesen Ländern (vgl. nochmals: Bechtold, GWB-Kommentar, 3. Aufl., 2002, § 19 Rn. 74; Möschel, in Immenga/Mestmäcker, GWB- Kommentar, 3.Aufl., 2001, § 19 Rn. 165) in Höhe von 0,1130 EUR pro Minute. Soweit demgegenüber allgemein für die Netzwirtschaften die Auffassung vertreten wird, es sei zulässig, den günstigsten Vergleichsmarkt zu wählen, um so einen Zwang zur vollständigen Ausschöpfung sämtlicher Rationalisierungsprozesse auszuüben, (so: Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, München 2004, S. 32) widerspricht dies jedenfalls im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 2 TKG dem Missbrauchserfordernis. Dies zumal dann, wenn der Missbrauchsmaßstab sogar auf einen nicht beträchtlich Marktmächtigen angewendet werden soll. Denn die Feststellung des Missbrauchs der Marktstellung enthält den Vorwurf, sich mit den Entgelten im Vergleich zu anderen Betreibern unzulässige Vorteile zu verschaffen. Wird das Entgeltniveau der anderen Betreiber jedoch nicht erheblich überschritten, liegt selbst dann kein Missbrauch vor, wenn dieses Niveau unter Berücksichtigung möglicher Rationalisierungsprozesse zu hoch ist. Anknüpfungspunkt für den Missbrauchsvorwurf ist nicht der aus Nutzersicht ideale Preis, sondern das, was sich vergleichbare Anbieter im Rahmen ihrer Preissetzungsfreiheit maximal „erlauben“.
Die gleichen Einwände sind gegenüber dem teilweise ohne nähere Begründung, so: BerlKomm TKG/ Groebel, Rn. 29 zu § 28 vertretenen sog. Best-practice-Ansatz zu erheben.
Aus diesen Gründen darf das gemäß § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG gegenüber der konkreten Kostenprüfung (§ 33 TKG) vorrangige Vergleichsmarktprinzip auch nicht etwa durch Überlegungen verwässert werden, die nicht aus der tatsächlichen Marktsituation abgeleitet sind, sondern sich an einem marktwirtschaftlich idealen Entgeltniveau eines rein kostenorientierten effizienten, dem Wettbewerb geöffneten Marktes ausrichten. Selbst wenn analytische Kostenmodelle im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG existierten, mit denen sich ein derartiges ideales Entgeltniveau in allgemein anerkannter Weise ex ante feststellen ließe, wären solche Modelle im Rahmen der nachträglichen Entgeltregulierung nicht heranziehbar. Denn § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG wird -anders als § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 33 TKG- in § 38 Abs. 2 TKG nicht erwähnt.
In tatsächlicher Hinsicht beruht die von der Bundesnetzagentur durchgeführte Vergleichsmarktbetrachtung in nicht zu beanstandender Weise auf dem Datenstand vom 19.08.2005 ( BA III, 1130). Legt man anstelle des Länderdurchschnitts die entsprechenden Einzelpreise aller 900 MHz-Netzbetreiber in den erwähnten vier Ländern zugrunde (BA III, 942 ff), so zeigt sich, dass nicht nur ein, sondern sogar alle Betreiber aus Italien und Spanien mit ihren Preisen über dem hier umstrittenen Entgelt von 0,11 EUR pro Minute liegen. Das bedeutet, dass dieses Entgelt im Ergebnis nicht missbräuchlich i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Hälfte des im Hauptsacheverfahren in vergleichbaren Fällen regelmäßig angesetzten Wertes zugrunde gelegt wird.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 137 Abs. 3 Satz 1 TKG).