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VG Dresden: Allgemeines Versammlungsverbot nicht durch polizeilichen Notstand gerechtfertigt – Heidenau

VG Dresden, Beschluss v. 28.08.2015, Az. 6 L 815/15

Wir durch eine Allgemeinverfügung für einen bestimmten Ort ein Versammlungsverbot ausgesprochen und dies mit dem polizeilichen Notstand begründet, so darf sich die hierfür erforderliche Darlegung der Umstände in Bezug auf die Gefahrenprognose nicht darauf beschränken, lediglich Ereignisse des vergangenen Wochenendes zu erwähnen und für das kommende Wochenende eine Vielzahl an Demonstranten aus dem gesamten Bundesgebiet vorherzusagen.

VERWALTUNGSGERICHT DRESDEN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 6 L 815/15

Verkündet am: 2015-08-28

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.8.2015 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Bündnis „D“ zeigte am 26.8.2015 eine Versammlung für den 28.8.2015 in der Zeit von 15 bis 18 Uhr auf dem Parkplatz gegenüber dem ehemaligen Baumarkt mit den Thema: „Gemeinsam und für Refugees! Refugees welcome!“ an.

Der Antragsgegner hat mit Allgemeinverfügung vom 27.8.2015 alle öffentlichen Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel im gesamten Gebiet der Stadt H vom 28.8.2015, 14 Uhr bis 31.8.2015, 6 Uhr untersagt (Ziffer 1.) und verfügt, dass alle bislang angezeigten Versammlungen in diesem Sicherheitsbereich von dieser Regelung erfasst werde (Ziffer 2.) Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Ziffer 3.)

Zur Begründung wurde angegeben, vor dem Hintergrund der medial begleiteten gewalttätigen Geschehnisse um die erste Aufnahme von Flüchtlingen in die Erstaufnahmeeinrichtung H am vergangenen Wochenende vom 21.-23.8.2015 werde von einer unmittelbar bestehenden erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgegangen. Diese könne durch ein Vorgehen gegen die Störer nicht abgewendet werden, weil nicht ausreichend eigene sowie diese ergänzende Kräfte aus anderen Bundesländern und dem Bund zur Verfügung stünden, um die gefährdeten Rechtsgüter wirksam zu schützen. Zudem würde der Einsatz der der Polizei zur Verfügung stehenden dann noch wirksamen Mitteln, insbesondere Wasserwerfer, unverhältnismäßige Schäden auch bei Nichtbeteiligten hervorrufen.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 28.8.2015 Widerspruch und hat mit seinem ebenfalls am 28.8.2015 bei Gericht eingereichten Antrag auf vorläufigen Rechtschutz den Antrag gestellt,

die aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 28.8.2015 gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners betreffend Versammlungen in H vom 27.8.2015 wieder herzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Allgemeinverfügung, insbesondere zum Vorliegen des polizeilichen Notstandes. Zudem macht er Zweifel am der Widerspruchsbefugnis des Antragstellers geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.8.2015 hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.

Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller hat die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche Antragsbefugnis, weil er von dem streitgegenständlichen Versammlungsverbot betroffen ist. Er hat mit seiner eidesstattlichen Versicherung hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass beabsichtigt, an einer von dem Verbot erfassten Versammlung teilzunehmen.

Der Antrag ist auch begründet. Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Überzeugung, dass die angegriffene Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 27.8.2015 offensichtlich rechtswidrig ist.

Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass der polizeiliche Notstand, der zur Begründung der Allgemeinverfügung herangezogen wurde, schon nicht hinreichend vorgetragen und belegt ist. So stützt sich die vom Antragsgegner vorgenommene Gefahrenprognose lediglich auf die Ereignisse des vergangenen Wochenendes ohne sich konkret mit den für das kommende Wochenende angezeigten Versammlungen auseinanderzusetzen und dazulegen, wie von der zu erwartenden Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen soll. Insoweit reicht es nicht aus, auf die aus dem gesamten Bundesgebiet erwarteten übrigen Demonstranten zu verweisen.

Darüber hinaus erscheint die Allgemeinverfügung, die ein vollständiges Verbot sämtlicher Versammlung für das gesamte kommende Wochenende umfasst, unverhältnismäßig. Sie stellt nach Überzeugung der Kammer schon nicht das mildeste Mittel dar, um den vom Antragsgegner angenommenen Gefahren, die von den angezeigten Demonstrationen ausgehen sollen, wirksam zu begegnen. So sind für Freitag, den 28.8.2015 lediglich 2 Demonstrationen in H angemeldet und eine weitere für Samstag, den 29.8.2015. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welchen Gründen diese Versammlungen nicht beispielsweise in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht beauflagt wurden, um ein Aufeinandertreffen der unterschiedlichen politischen Lager zu unterbinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung in Höhe von 5.000 Euro folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Im Hinblick darauf, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers bei dem unmittelbaren zeitlichen Bevorstehen der betroffenen Versammlung die Entscheidung in der Hauptsache im Ergebnis vorwegnimmt, war der Regelstreitwert – wie sonst im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes üblich – nicht zu halbieren.

Via http://openjur.de/u/843362.html

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