VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 24.10.2001, Az. VGH B 1/01
Zur Zulässigkeit der Wahlwerbung von Amtsträgern.
g e g e n das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom
14. November 2000 – 7 A 10595/00.OVG –
hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 24. Oktober 2001, an der teilgenommen haben
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil in einem kommunalwahlrechtlichen Verfahren.
1. Am 27. Juni 1999 fand in der Ortsgemeinde R. die Stichwahl für das Amt des Ortsbürgermeisters statt. Gewählt wurde mit 53,3 % der abgegebenen Stimmen der bisherige Amtsinhaber. Zwei Tage vor der Stichwahl war das Amtsblatt der Verbandsgemeinde erschienen und an alle Haushalte der Verbandsgemeinde kostenlos zugestellt worden. Innerhalb des auf Seite 6 beginnenden nichtamtlichen Teils des Amtsblattes befand sich auf den Seiten 9 und 10 eine zweiseitige Wahlwerbung zugunsten des späteren Wahlsiegers, die von diesem in Auftrag gegeben worden war. Die Wahlwerbung enthielt eine persönliche Erklärung des Kandidaten und danach insgesamt sieben Kästen, in denen über 20 Personen, darunter die neu gewählten Bürgermeister von vier anderen zur Verbandsgemeinde gehörenden Ortsgemeinden sowie der Bürgermeister der Verbandsgemeinde und Mitglieder des Elternausschusses des gemeindlichen Kindergartens, daneben aber auch sonstige Persönlichkeiten des Vereins- und Dorflebens für die Wahl des bisherigen Amtsinhabers eintraten.
Der Beschwerdeführer, ein wahlberechtigter Bürger der Ortsgemeinde R., erhob Einspruch gegen das Ergebnis der Stichwahl mit der Begründung, der Wahl sei durch die oben beschriebene Werbeanzeige eine unzulässige Wahlbeeinflussung von Amtsträgern vorausgegangen. Der nach der Zurückweisung dieses Einspruchs erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit der Begründung statt, dass die Wahlanzeige zugunsten des späteren Wahlsiegers eine unzulässige Wahlbeeinflussung darstelle. Dabei könne offen bleiben, ob eine Wahlwerbung im Amtsblatt nach der Landesverordnung zur Durchführung der Gemeindeordnung (GemODVO) überhaupt zulässig sei. Denn die Wahlwerbung stelle jedenfalls in ihrer konkreten Aufmachung eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, weil sie nicht hinreichend von den übrigen Teilen des Amtsblattes, nämlich dem amtlichen Teil und dem Nachrichtenteil abgehoben sei. Aus § 9 GemODVO ergebe sich ein Verbot von Wahlanzeigen im Nachrichtenteil eines Amtsblatts.
Auf die Berufung der Kreisverwaltung wies das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Urteil vom 14. November 2000 die Klage des Beschwerdeführers unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ab. Zur Begründung führte das Gericht aus: Ein erheblicher Wahlfehler im Sinne von § 50 Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes könne nicht festgestellt werden. Zwar liege ein solcher Fehler bei einer unzulässigen Beeinflussung der Wahl durch staatliche Organe vor. Das dadurch verletzte Gebot der freien Wahl untersage es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren. Die Wahlanzeige im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 könne indessen einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz nicht begründen. Art und Inhalt der Wahlanzeige sowie ihre Platzierung im Amtsblatt könnten nicht den Eindruck erwecken, es handele sich um eine in amtlicher Eigenschaft abgegebene Äußerung von Amtsträgern zugunsten des Wahlbewerbers. Soweit die Anzeige auch Erklärungen von Personen enthalte, die Ämter inne hätten oder als Amtsträger gewählt worden seien, trete das Amt wegen der Einbettung dieser Erklärungen in den gesamten Inhalt der Anzeige nicht in den Vordergrund. Es handele sich der Gesamtaufmachung nach um das Eintreten von dem Wahlbewerber nahestehenden Persönlichkeiten des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens der lokalen Ebene, ohne dass etwa die Einflussmittel des öffentlichen Amtes in den Vordergrund rücken würden. Die „neu gewählten“ Ortsbürgermeister von Nachbargemeinden seien noch nicht in ihr Amt eingeführt worden. Von dem ebenfalls in der Anzeige auftretenden Verbandsbürgermeister und einem wiedergewählten Ortsbürgermeister aus einem Nachbarort seien die amtlichen Eigenschaften nicht erwähnt. Für ein Verbot von Wahlwerbung im Amtsblatt generell oder für eine strikte Trennung zwischen dem Nachrichten- und dem Anzeigenteil des Amtsblattes gebe die Gesetzeslage nichts her.
Die von dem Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2001 (DVBl. 2001, 1278) zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus: Der Rechtssache komme die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf der Auslegung und Anwendung irreversiblen Landesrechts. Die aufgeworfenen Fragen nach den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben für das Kommunalwahlrecht könnten ohne weiteres aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfe. Bundesrecht verbiete nicht die Veröffentlichung von Wahlanzeigen in Amtsblättern von Gemeinden. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liege nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht sei nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen. Insbesondere sei es nicht unrichtig, wenn das Gericht annehme, die amtlichen Eigenschaften des wiedergewählten Ortsbürgermeisters aus dem Nachbarort und des Verbandsbürgermeisters hätten in dem Amtsblatt keine Erwähnung gefunden. Ferner sei die Feststellung nicht aktenwidrig, dass die Verbandsgemeinde nur für den amtlichen Teil sowie für die Nachrichten und Hinweise im Amtsblatt, nicht aber für den Anzeigenteil verantwortlich sei. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht auch hinsichtlich seiner Annahme, die Wahlanzeige sei erkennbar von einem Dritten geschaltet, nicht gegen eine Hinweispflicht und damit gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen.
2. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bereits zusammen mit der Nichtzulassungsbeschwerde Verfassungsbeschwerde erhoben und die Verletzung der ihm zustehenden Rechte aus Art. 6 Abs. 2 der Landesverfassung – LV – sowie aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gerügt. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 6 Abs. 2 LV) dadurch verletzt, dass es ihm in der mündlichen Verhandlung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme zu den die Entscheidung tragenden Überlegungen des Gerichts gegeben habe. Wäre dies geschehen, so hätte die Vielzahl der unrichtigen Annahmen des Gerichts korrigiert und damit eine andere Entscheidung herbeigeführt werden können. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletze darüber hinaus aber auch seine demokratischen Grundrechte aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV. Das Gericht habe einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl annehmen müssen. Wahlen könnten eine demokratische Legitimation nur dann verleihen, wenn sie frei seien. Dieser Grundsatz verbiete es staatlichen und gemeindlichen Organen, in amtlicher Funktion oder als Amtsträger bestimmte Wahlbewerber zu unterstützen. Zwar könnten sich auch Amtsträger als Bürger am Wahlkampf beteiligen, dürften dabei aber nicht die Grenze zur amtlichen Wahlbeeinflussung überschreiten. Eine solche Grenzüberschreitung habe durch die hier umstrittene Wahlwerbung indessen stattgefunden, was bei der gebotenen Würdigung aller Gesamtumstände ohne weiteres hätte festgestellt werden können. Dass die neu gewählten Ortsbürgermeister zum Zeitpunkt der Wahlwerbung noch nicht in ihr Amt eingeführt gewesen seien, habe für den unbefangenen Leser nicht im Vordergrund stehen können. Hinzu komme, dass sich mit dem Elternausschuss des Kindergartens das Organ einer kommunalen Einrichtung an der Wahlwerbung beteiligt habe. Der amtliche Charakter der Wahlwerbung ergebe sich im Übrigen schon aus der Veröffentlichung im Amtsblatt. Er werde verstärkt durch die in demselben Amtsblatt enthaltene – auf eine Gemeinderatswahl in einer anderen Ortsgemeinde bezogene – Werbeanzeige der Staatsministerin G. Der Verbandsbürgermeister habe das Amtsblatt bewusst für die Wahlpropaganda instrumentalisiert. Der Verstoß gegen die Neutralitätspflicht sei hier deshalb umso offensichtlicher, als es sich um die „heiße Phase“ des Wahlkampfes gehandelt und der Mitbewerber keine Chance gehabt habe, auf diese amtliche Wahlbeeinflussung zu reagieren.
3. Das Ministerium der Justiz hat sich zu der Verfassungsbeschwerde wie folgt geäußert: Die Verfassungsbeschwerde sei hinsichtlich der Gehörsrüge unzulässig. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe diese Frage bereits geprüft und verneint, so dass eine landesverfassungsgerichtliche Überprüfung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts insofern auf eine mittelbare Kontrolle der Bundesstaatsgewalt hinauslaufe; hierzu sei der Verfassungsgerichtshof nicht befugt. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Rüge sei die Verfassungsbeschwerde indessen zulässig. Die Wahlrechtsgrundsätze gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV seien nicht nur objektives Recht, sondern zugleich grundrechtsgleiche Rechte. Auf ihre Einhaltung könne sich deshalb nicht nur der in der Stichwahl unterlegene Bewerber, sondern jeder zur Teilnahme an der Wahl Berechtigte berufen. Die Verfassungsbeschwerde sei indessen nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Freiheit der Wahl zutreffend erkannt und diese Grundsätze in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet. Es verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, wenn die Zulässigkeit von Wahlanzeigen in kommunalen Amtsblättern bejaht werde. Was die umstrittene Wahlanzeige anbelange, habe das Oberverwaltungsgericht zutreffend eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung verneint. Die Wahlanzeige habe nach Art und Inhalt sowie ihrer Platzierung im Amtsblatt nicht den Eindruck erwecken können, es handele sich um Äußerungen von Amtsträgern zugunsten eines Wahlbewerbers. Die Anzeige stelle ihrer Gesamtaufmachung nach das Eintreten von dem Wahlbewerber nahestehenden Persönlichkeiten des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens der lokalen Ebene dar, ohne dass etwa die Einflussmittel öffentlicher Ämter in den Vordergrund rückten.
Der im Ausgangsverfahren beigeladene Ortsbürgermeister und die dort ebenfalls beteiligte Ortsgemeinde haben von einer Stellungnahme abgesehen.
Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist bereits unzulässig.
1. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 2 LV) folgt dies daraus, dass eine Überprüfung des vor dem Oberverwaltungsgericht durchgeführten gerichtlichen Verfahrens zu einer mittelbaren Kontrolle der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 2001 führen würde, wozu der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz nicht befugt ist (Art. 130 a LV). Die Anwendung von Bundesverfahrensrecht, hier also der Verwaltungsgerichtsordnung, unterliegt nur insoweit der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle am Maßstab der inhaltsgleich mit dem Grundgesetz gewährleisteten Landesverfahrensgrundrechte, als die nach Erschöpfung des Rechtswegs verbleibende Beschwer des Beschwerdeführers auf der Ausübung der Staatsgewalt des Landes – und nicht auch der Bundes – beruht. Letzteres ist dann nicht mehr der Fall, wenn und soweit ein Bundesgericht die Entscheidung des Gerichtes des Landes in der Sache ganz oder teilweise bestätigt hat (vgl. VerfGH Rh-Pf, NJW 2001, 2621 [2622]; BVerfGE 96, 345 [363, 371]).
Soweit der Beschwerdeführer die Durchführung des Verfahrens durch das Oberverwaltungsgericht, insbesondere den Ablauf der mündlichen Verhandlung, angreift, hat das Bundesverwaltungsgericht die dahingehende Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 2 LV) in der Sache am Maßstab des inhaltsgleich in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechts geprüft und als nicht begründet angesehen. Die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte verfassungsrechtliche Beschwer beruht damit nicht mehr ausschließlich auf der Ausübung der Staatsgewalt des Landes.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber auch hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung materiellen Rechts unzulässig. Insofern ist der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt.
Die Verfassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf zur Verteidigung eigener subjektiver Rechte. Sie kann gemäß Art. 130 a LV nur von demjenigen zulässig erhoben werden, der darlegen kann, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem seiner in der Verfassung enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Eine Popularbeschwerde ist damit ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer muss durch den angegriffenen Hoheitsakt mithin selbst in eigenen Rechten betroffen sein. Ein bloß reflexhaftes Betroffensein reicht zur Begründung einer rügefähigen Beschwer ebenso wenig aus wie die Geltendmachung einer Verletzung nur objektiven Verfassungsrechts.
Der Beschwerdeführer hat nicht geltend gemacht, selbst in einem der ihm in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleisteten Rechte verletzt zu sein. Nach diesen Bestimmungen wählen die Bürger die Bürgermeister in den Gemeinden nach den Grundsätzen der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen und freien Wahl. Die Vorschriften beinhalten zunächst objektiv-rechtliche Verfassungsgebote (vgl. zum Homogenitätsgrundsatz in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerfGE 99, 1 [7 f.]). Mit den Wahlrechtsgrundsätzen werden die grundlegenden Voraussetzungen dafür benannt, dass Wahlen ihre Aufgabe demokratischer Legitimation von Staats- oder sonstiger Hoheitsgewalt erfüllen. Darüber hinaus vermitteln die Bestimmungen zwar auch subjektive Rechte zugunsten der ihr aktives oder passives Wahlrecht ausübenden Bürger (vgl. Schröder, in: Grimm/Caesar, LV-Kommentar, 2000, Art. 76 Rn. 3). Indes reicht diese subjektive Rechtsstellung nicht so weit, dass jeder Wahlberechtigte jede Verletzung des objektiven Wahlrechts ungeachtet eines eigenen Betroffenseins mit der Verfassungsbeschwerde rügen darf.
Gegenteiliges folgt weder aus der Gewährleistung des Instituts der Wahlprüfungsbeschwerde in Art. 82 LV noch aus der Einräumung der Klagebefugnis zur Überprüfung von Kommunalwahlen in § 51 des Kommunalwahlgesetzes – KWG –. Es ist allgemein anerkannt, dass das Wahlprüfungsverfahren die Kontrolle der Gültigkeit der Wahl als solche zum Gegenstand hat und den Schutz des objektiven Wahlrechts bezweckt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 m.w.N.]; Glauben, in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 82 Rn. 12). Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht den in § 48 Abs. 1 BVerfGG für die Zulässigkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde verlangten Beitritt von mindestens 100 Wahlberechtigten als verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle gewertet (BVerfGE 79, 47 [48]; 66, 311 [312]). Die Zulässigkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde gemäß Art. 41 Abs. 2 GG oder Art. 82 LV setzt deshalb ebenso wenig wie die Zulässigkeit einer Klage gemäß § 51 KWG das Geltendmachen einer Verletzung eigener subjektiver Rechte voraus (vgl. BVerfGE 66, 311 [312]). Wahlprüfungsverfahren garantieren die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl und stellen damit ein spezifisches Sicherungsinstrument der Volkssouveränität dar (vgl. Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, 1998, Art. 41 Rn. 7; Badura, in: Bonner Kommentar, Anhang zu Art. 38: BWahlG, Zweitbearbeitung 1997, Rn. 81; Glauben, a.a.O., Rn. 12). Sie sind deshalb aus Gründen des Demokratieprinzips von Verfassungs wegen geboten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1048 [1051]). Nur soweit Wahlfehler zugleich Eingriffe in eigene subjektive Rechte (insbesondere das persönliche aktive oder passive Wahlrecht, vgl. BVerfGE 66, 311 [312]) bewirken, dient das Wahlprüfungsverfahren auch dem subjektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 85, 148 [158 f.]; 89, 291 [299]; 99, 1 [18]).
Der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des einzelnen Wahlberechtigten ist daher durch Auslegung des Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV zu ermitteln. Dabei sind die Länder – ungeachtet der objektiv-rechtlichen Bindung an die Homogenitätsanforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG – autonom, den subjektiven Schutz des Wahlrechts auszugestalten (vgl. BVerfGE 99, 1 [12 u. 17]; NJW 2001, 1048 [1051]). Sind – wie im Land Rheinland-Pfalz – keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Regelung ersichtlich, entspricht es dem allgemein anerkannten Verständnis subjektiver Rechte, dass die Wahlbürger aus den objektiv-rechtlichen Bestimmungen in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV eigene Rechte nur ableiten können, wenn und soweit die Schutz- und Garantiewirkung einzelner Grundsätze gerade ihrer persönlichen Teilnahme am Wahlgeschehen dient (so: Badura, a.a.O., Rn. 32). Ein mit der Verfassungsbeschwerde durchsetzbarer Anspruch auf Beachtung der objektiven Wahlrechtsgrundsätze kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Wahlberechtigte selbst in seinem eigenen – aktiven oder passiven – Mitwirkungsrecht (status activus) und nicht als Teil des Wahlvolks betroffen ist.
Im vorliegenden Fall ist für eine Verletzung subjektiver Rechte nichts dargetan. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung der in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleisteten Freiheit der Wahl geltend. Dieser Grundsatz verlangt, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann. Er soll sein Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen können und dabei vor Beeinflussungen geschützt werden, die geeignet sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 66, 369 [380]). Der Beschwerdeführer hat nicht geltend gemacht, durch die Wahlwerbung im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 selbst in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt worden zu sein. Vielmehr rügt er, die von ihm als amtliche Wahlbeeinflussung verstandene Anzeige habe andere Wähler in unzulässiger Weise beeinflusst und dadurch das Wahlergebnis verfälscht. Die Beeinträchtigung der Wahlfreiheit anderer Wahlberechtigter berührt jedoch nicht den Rechtskreis des Beschwerdeführers. Sie hat sich auf seine Möglichkeit zur Mitwirkung an der Wahl nicht ausgewirkt. Darin unterscheidet sich seine subjektive Rechtsstellung etwa von derjenigen des sein passives Wahlrecht ausübenden Gegenkandidaten für die Wahl des Bürgermeisters.
Eine Beschwerdebefugnis lässt sich ferner auch nicht aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit herleiten, zumal dessen Verletzung in der Verfassungsbeschwerde nicht ausdrücklich gerügt wird. Auch dieses Gebot vermittelt keinen Anspruch, jeden Verstoß gegen objektive Wahlrechtsgrundsätze als eine Beeinträchtigung des Erfolgswertes der eigenen Stimme geltend zu machen. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlangt, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss. Im Rahmen eines Verhältniswahlsystems muss deshalb jede Stimme grundsätzlich den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben – parteilistenbezogene Erfolgswertgleichheit –. Bei der Persönlichkeitswahl (Mehrheitswahl) – wie hier der Stichwahl des Ortsbürgermeisters – wird dem Gebot der Wahlrechtsgleichheit hingegen schon durch den gleichen Zählwert der Stimme genügt (vgl. BVerfGE 95, 335 [353 f.] – Überhangmandate –; VerfGH Rh-Pf, AS 22, 14 [19] – Höchstzahlverfahren nach d’Hondt –; vgl. im Übrigen: Badura, a.a.O., Rn. 12 f.; Morlok, a.a.O., Rn. 95; Schröder, a.a.O., Rn. 7). Der Beschwerdeführer hat eine Ungleichheit im Zählwert seiner Stimme nicht geltend gemacht. Abgesehen davon ist anerkannt, dass aus dem Anspruch auf gleiche Gewichtung der Stimmen aller Wahlberechtigten kein Recht hergeleitet werden kann, etwa auf die Zusammensetzung des Kreises der Wahlberechtigten Einfluss zu nehmen (vgl. zum Kommunalwahlrecht für Ausländer: BVerfGE 89, 155 [180]; BVerfG, Kammerbeschluss, NVwZ 1998, 52). Gleichermaßen vermittelt der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit keinen Anspruch darauf, dass die Wahlentscheidung der übrigen Wähler in jeder Hinsicht unter objektiv rechtmäßigen Bedingungen getroffen worden ist. Eine unzulässige Beeinflussung anderer Wähler kann zwar zu einer Verfälschung des Wahlergebnisses führen und die Legitimationswirkung der Wahl in Frage stellen. Für diesen Verstoß gegen das objektive (Wahl-)Recht sieht die Rechtsordnung zur Wahrung des Demokratiegebots Wahlprüfungsverfahren vor, die von jedem Wahlberechtigten eingeleitet werden können (Art. 82 LV i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 des Landeswahlprüfungsgesetzes, § 51 KWG). Das subjektive Recht eines Wahlberechtigten auf aktive Teilnahme an der Wahl bleibt von einem solchen Wahlfehler jedoch unberührt (zu der vergleichbaren Rechtsstellung eines Ratsmitglieds hinsichtlich der Mitwirkung befangener Ratsmitglieder: OVG Rh-Pf, AS 19, 65 [70]).
3. Im Übrigen hätte die Verfassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, weshalb es nicht geboten war, den Beschwerdeführer auf die Problematik der Beschwerdebefugnis hinzuweisen, die im bisherigen Verfahren nicht in Zweifel gezogen worden ist.
Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Freiheit der Wahl nicht verkannt. Die von ihm vorgenommene Bewertung der Wahlanzeige im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Wie bereits ausgeführt besteht die von Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleistete Freiheit der Wahl unter anderem darin, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann (vgl. Schröder, a.a.O., Rn. 10; BVerfGE 66, 369 [380]). Die Rücksicht auf einen freien und offenen Prozess der Meinungsbildung sowie auf die Chancengleichheit der Bewerber verbietet es staatlichen und anderen hoheitlichen Organen, sich vor Wahlen in amtlicher Funktion mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen (vgl. BVerfGE 63, 230 [243]). Auch ein Bürgermeister darf deshalb in amtlicher Eigenschaft keine Wahlempfehlung aussprechen. Allerdings darf auch er nicht nur als Wähler an der Wahl teilnehmen, sondern im Wahlkampf als Bürger auch von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerung wird jedoch dann überschritten, wenn ein Bürgermeister das ihm aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzt, die mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist (vgl. BVerwGE 104, 323 [326 f.]; DVBl. 2001, 1278).
Das Oberverwaltungsgericht hat diese aus der inhaltsgleichen Gewährleistung des Grundgesetzes entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den zu beurteilenden Sachverhalt hält ebenfalls der verfassungsgerichtlichen Prüfung stand.
Zunächst kann auch dem Landesverfassungsrecht kein Verbot zur Veröffentlichung von Anzeigen und insbesondere Wahlanzeigen in Amtsblättern entnommen werden. Ob § 27 der Gemeindeordnung – GemO – oder § 9 GemODVO etwas anderes gebietet, ist eine Frage des einfachen Rechts und damit nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Die von Verfassungs wegen gebotene Neutralität der Gemeinden und ihrer Organe im Kommunalwahlkampf kann auch bei der Aufnahme von Wahlanzeigen in das Amtsblatt gewahrt werden. Dies setzt allerdings eine klare Trennung zwischen den von der Gemeindeverwaltung zu verantwortenden Teilen (öffentliche Bekanntmachungen, amtliche Mitteilungen und Nachrichten – vgl. § 9 Abs. 3 GemODVO) und den übrigen Teilen (Anzeigen) voraus. Dem Neutralitätsgebot wird dann genügt, wenn die Anzeigen hinreichend erkennen lassen, dass sie nicht von der das Amtsblatt herausgebenden Gemeindeverwaltung stammen.
Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberverwaltungsgericht die umstrittene Wahlwerbung nicht der Verbandsgemeindeverwaltung als Herausgeberin des Amtsblattes zugerechnet hat. Die von ihm gegebene Begründung, dass die Werbung nach der Art und drucktechnischen Aufmachung sowie ihrer Platzierung im Amtsblatt hinreichend deutlich als Anzeige erkennbar war, ist gerade bei einer Gesamtwürdigung aller im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 enthaltenen Anzeigen, die sowohl Produktwerbung als auch Geschäftsanzeigen sowie politische Werbung und Danksagungen von Kandidaten verschiedenster Parteien umfassten, durchaus nachvollziehbar.
Was die Beurteilung der in der Wahlanzeige enthaltenen Erklärungen von Personen anbelangt, ist die Wertung des Oberverwaltungsgerichts, dass auch insofern keine unzulässige Wahlbeeinflussung durch amtliche Stellen, sondern eine private Wahlwerbung vorgelegen hat, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Gericht durfte insofern sowohl auf die fehlende Erwähnung von Amtsbezeichnungen als auch auf die Einbettung der Erklärungen der neu gewählten Ortsbürgermeister sowie des Verbandsbürgermeisters in das Gesamtbild der Anzeige abstellen. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, der Verbandsbürgermeister habe die Veröffentlichung von Wahlwerbungen im Amtsblatt nur einseitig ermöglicht.
Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a Abs. 1 VerfGHG).