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VerfGH Rheinland-Pfalz: Zur Zulässigkeit der Wahlwerbung von Amtsträgern

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 24.10.2001, Az. VGH B 1/01

Zur Zulässigkeit der Wahlwerbung von Amtsträgern.

VERFASSUNGSGERICHTSHOF RHEINLAND-PFALZ

Beschluss

Aktenzeichen: VGH B 1/01

Verkündet am: 2001-10-24

In dem Verfahren

g e g e n das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom

14. November 2000 – 7 A 10595/00.OVG –

hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 24. Oktober 2001, an der teilgenommen haben

beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil in einem kommunalwahlrecht­lichen Verfahren.

1. Am 27. Juni 1999 fand in der Ortsgemeinde R. die Stichwahl für das Amt des Orts­bürgermeisters statt. Gewählt wurde mit 53,3 % der abgegebenen Stimmen der bisherige Amtsinhaber. Zwei Tage vor der Stichwahl war das Amtsblatt der Verbands­gemeinde erschienen und an alle Haushalte der Verbandsgemeinde kostenlos zugestellt wor­den. Innerhalb des auf Seite 6 beginnenden nichtamtlichen Teils des Amtsblattes befand sich auf den Seiten 9 und 10 eine zweiseitige Wahlwerbung zugunsten des späte­ren Wahl­siegers, die von diesem in Auftrag gegeben worden war. Die Wahlwerbung ent­hielt eine per­sönliche Erklärung des Kandidaten und danach insgesamt sieben Kästen, in denen über 20 Personen, darunter die neu gewählten Bürgermeister von vier anderen zur Ver­bands­gemeinde gehörenden Ortsgemeinden sowie der Bürgermeister der Verbands­gemeinde und Mitglieder des Elternausschusses des gemeindlichen Kindergartens, daneben aber auch sonstige Per­sönlichkeiten des Vereins- und Dorflebens für die Wahl des bisherigen Amts­inhabers ein­tra­ten.

Der Beschwerdeführer, ein wahlberechtigter Bürger der Ortsgemeinde R., erhob Einspruch gegen das Ergebnis der Stichwahl mit der Begründung, der Wahl sei durch die oben beschriebene Werbeanzeige eine unzulässige Wahlbeeinflussung von Amts­trägern vorausgegangen. Der nach der Zurückweisung dieses Einspruchs erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit der Begründung statt, dass die Wahl­anzeige zugunsten des späteren Wahlsiegers eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar­stelle. Dabei könne offen bleiben, ob eine Wahlwerbung im Amtsblatt nach der Landes­verordnung zur Durchführung der Gemein­deordnung (GemODVO) überhaupt zulässig sei. Denn die Wahlwerbung stelle jedenfalls in ihrer konkreten Aufmachung eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar, weil sie nicht hin­reichend von den übrigen Teilen des Amtsblattes, nämlich dem amtlichen Teil und dem Nach­richtenteil abge­hoben sei. Aus § 9 GemODVO ergebe sich ein Verbot von Wahlanzeigen im Nachrichtenteil eines Amts­blatts.

Auf die Berufung der Kreisverwaltung wies das Oberverwaltungsgericht mit dem hier ange­griffenen Urteil vom 14. November 2000 die Klage des Beschwerdeführers unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ab. Zur Begründung führte das Gericht aus: Ein erheb­licher Wahlfehler im Sinne von § 50 Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes könne nicht festge­stellt werden. Zwar liege ein solcher Fehler bei einer unzulässigen Beeinflussung der Wahl durch staatliche Organe vor. Das dadurch verletzte Gebot der freien Wahl untersage es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funk­tion vor Wahlen mit politi­schen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren. Die Wahlanzeige im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 könne indessen einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz nicht begründen. Art und Inhalt der Wahlanzeige sowie ihre Platzierung im Amtsblatt könn­ten nicht den Eindruck erwecken, es handele sich um eine in amtlicher Eigenschaft abgege­bene Äußerung von Amtsträgern zugunsten des Wahlbewerbers. Soweit die Anzeige auch Erklärungen von Personen enthalte, die Ämter inne hätten oder als Amtsträger gewählt wor­den seien, trete das Amt wegen der Ein­bettung dieser Erklärungen in den gesamten Inhalt der Anzeige nicht in den Vordergrund. Es handele sich der Gesamtaufmachung nach um das Eintreten von dem Wahlbewerber nahestehenden Persönlichkeiten des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens der loka­len Ebene, ohne dass etwa die Einflussmittel des öffent­lichen Amtes in den Vordergrund rücken würden. Die „neu gewählten“ Ortsbürger­meister von Nachbargemeinden seien noch nicht in ihr Amt eingeführt worden. Von dem ebenfalls in der Anzeige auftreten­den Verbandsbürgermeister und einem wiedergewählten Ortsbürger­meister aus einem Nach­barort seien die amtlichen Eigenschaften nicht erwähnt. Für ein Ver­bot von Wahl­werbung im Amtsblatt generell oder für eine strikte Trennung zwi­schen dem Nachrichten- und dem Anzeigenteil des Amtsblattes gebe die Gesetzeslage nichts her.

Die von dem Beschwerdeführer gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. April 2001 (DVBl. 2001, 1278) zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus: Der Rechtssache komme die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die Entscheidung des Berufungs­gerichts beruhe auf der Auslegung und Anwendung irreversiblen Landesrechts. Die auf­geworfenen Fragen nach den bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben für das Kommu­nalwahlrecht könnten ohne weiteres aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der vorliegenden Rechtsprechung des Bun­desverwaltungsgerichts beantwortet werden, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfe. Bundesrecht verbiete nicht die Veröffentlichung von Wahlanzeigen in Amtsblättern von Gemeinden. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liege nicht vor. Das Oberverwaltungs­gericht sei nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen. Insbesondere sei es nicht unrichtig, wenn das Gericht annehme, die amtlichen Eigen­schaften des wieder­gewählten Orts­bürgermeisters aus dem Nachbarort und des Ver­bandsbürger­meisters hätten in dem Amtsblatt keine Erwähnung gefunden. Ferner sei die Feststellung nicht aktenwidrig, dass die Verbands­gemeinde nur für den amtlichen Teil sowie für die Nachrichten und Hin­weise im Amts­blatt, nicht aber für den Anzeigenteil ver­antwortlich sei. Schließlich habe das Oberverwal­tungsgericht auch hinsichtlich seiner Annahme, die Wahlanzeige sei erkennbar von einem Dritten geschaltet, nicht gegen eine Hinweispflicht und damit gegen den Anspruch auf recht­liches Gehör verstoßen.

2. Der Beschwerdeführer hat gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts bereits zusam­men mit der Nichtzulassungsbeschwerde Verfassungsbeschwerde erhoben und die Verlet­zung der ihm zustehenden Rechte aus Art. 6 Abs. 2 der Landesverfassung – LV – sowie aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gerügt. Zur Begrün­dung führt er im Wesentlichen aus: Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begrün­det. Das Oberverwal­tungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 6 Abs. 2 LV) dadurch verletzt, dass es ihm in der mündlichen Verhandlung nicht in aus­reichen­dem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme zu den die Entscheidung tragenden Über­legungen des Gerichts gegeben habe. Wäre dies geschehen, so hätte die Vielzahl der unrichtigen Annahmen des Gerichts kor­rigiert und damit eine andere Entscheidung her­beigeführt werden können. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletze darüber hin­aus aber auch seine demokratischen Grund­rechte aus Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbin­dung mit Art. 76 Abs. 1 LV. Das Gericht habe einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl annehmen müssen. Wahlen könnten eine demokratische Legitimation nur dann verleihen, wenn sie frei seien. Die­ser Grundsatz verbiete es staatlichen und gemeindlichen Organen, in amtlicher Funk­tion oder als Amts­träger bestimmte Wahl­bewerber zu unter­stützen. Zwar könnten sich auch Amts­träger als Bürger am Wahlkampf beteiligen, dürften dabei aber nicht die Grenze zur amt­lichen Wahl­beeinflussung über­schreiten. Eine solche Grenzüberschreitung habe durch die hier umstrit­tene Wahlwerbung indessen stattgefun­den, was bei der gebotenen Würdigung aller Gesamt­umstände ohne weiteres hätte fest­gestellt werden können. Dass die neu gewähl­ten Orts­bürgermeister zum Zeitpunkt der Wahlwerbung noch nicht in ihr Amt eingeführt gewesen seien, habe für den unbefange­nen Leser nicht im Vordergrund stehen können. Hinzu komme, dass sich mit dem Eltern­aus­schuss des Kindergartens das Organ einer kommunalen Einrichtung an der Wahl­werbung beteiligt habe. Der amtliche Charakter der Wahlwerbung ergebe sich im Übrigen schon aus der Veröffentlichung im Amtsblatt. Er werde verstärkt durch die in demselben Amts­blatt ent­haltene – auf eine Gemeinderatswahl in einer anderen Orts­gemeinde bezogene – Werbe­anzeige der Staatsministerin G. Der Verbands­bürgermeister habe das Amtsblatt bewusst für die Wahlpropaganda instrumentalisiert. Der Verstoß gegen die Neutralitätspflicht sei hier deshalb umso offensichtlicher, als es sich um die „heiße Phase“ des Wahlkampfes gehandelt und der Mitbewerber keine Chance gehabt habe, auf diese amtliche Wahlbeein­flussung zu reagieren.

3. Das Ministerium der Justiz hat sich zu der Verfassungsbeschwerde wie folgt geäußert: Die Verfassungsbeschwerde sei hinsichtlich der Gehörsrüge unzulässig. Denn das Bun­desverwaltungsgericht habe diese Frage bereits geprüft und verneint, so dass eine landes­verfassungsgerichtliche Überprüfung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts inso­fern auf eine mittelbare Kontrolle der Bundesstaatsgewalt hinauslaufe; hierzu sei der Verfassungs­gerichtshof nicht befugt. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Rüge sei die Verfassungs­beschwerde indessen zulässig. Die Wahlrechtsgrundsätze gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV seien nicht nur objektives Recht, sondern zugleich grund­rechtsgleiche Rechte. Auf ihre Einhaltung könne sich deshalb nicht nur der in der Stichwahl unterlegene Bewerber, sondern jeder zur Teilnahme an der Wahl Berechtigte berufen. Die Verfassungsbeschwerde sei indessen nicht begründet. Das Ober­verwaltungs­gericht habe die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Freiheit der Wahl zutreffend erkannt und diese Grundsätze in verfassungsrechtlich nicht zu beanstan­dender Weise ange­wendet. Es verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, wenn die Zulässig­keit von Wahlanzeigen in kommunalen Amtsblättern bejaht werde. Was die umstrittene Wahlanzeige anbelange, habe das Ober­verwaltungsgericht zutreffend eine unzulässige amt­liche Wahlbeeinflussung verneint. Die Wahlanzeige habe nach Art und Inhalt sowie ihrer Platzierung im Amtsblatt nicht den Ein­druck erwecken können, es handele sich um Äußerun­gen von Amtsträgern zugunsten eines Wahlbewerbers. Die Anzeige stelle ihrer Gesamt­aufmachung nach das Ein­treten von dem Wahlbewerber nahestehenden Persön­lichkeiten des öffentlichen und gesell­schaftlichen Lebens der lokalen Ebene dar, ohne dass etwa die Ein­flussmittel öffentlicher Ämter in den Vordergrund rückten.

Der im Ausgangsverfahren beigeladene Ortsbürgermeister und die dort ebenfalls betei­ligte Orts­gemeinde haben von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist bereits unzulässig.

1. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 2 LV) folgt dies daraus, dass eine Überprüfung des vor dem Oberverwaltungsgericht durchgeführten gericht­lichen Verfahrens zu einer mittelbaren Kontrolle der Entscheidung des Bundes­verwal­tungs­gerichts vom 19. April 2001 führen würde, wozu der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz nicht befugt ist (Art. 130 a LV). Die Anwendung von Bundesverfah­rensrecht, hier also der Verwaltungsgerichtsordnung, unterliegt nur insoweit der landesverfassungsgerichtlichen Kontrolle am Maßstab der inhalts­gleich mit dem Grundgesetz gewährleisteten Landesverfahrensgrund­rechte, als die nach Erschöpfung des Rechtswegs verbleibende Beschwer des Beschwer­de­führers auf der Aus­übung der Staatsgewalt des Landes – und nicht auch der Bundes – beruht. Letzteres ist dann nicht mehr der Fall, wenn und soweit ein Bundesgericht die Ent­scheidung des Gerichtes des Landes in der Sache ganz oder teilweise bestätigt hat (vgl. VerfGH Rh-Pf, NJW 2001, 2621 [2622]; BVerfGE 96, 345 [363, 371]).

Soweit der Beschwerdeführer die Durchführung des Verfahrens durch das Oberverwal­tungs­gericht, insbesondere den Ablauf der mündlichen Verhandlung, angreift, hat das Bundesver­waltungsgericht die dahingehende Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 Abs. 2 LV) in der Sache am Maßstab des inhaltsgleich in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechts geprüft und als nicht begründet angesehen. Die von dem Beschwerdeführer geltend gemachte verfas­sungsrechtliche Beschwer beruht damit nicht mehr ausschließlich auf der Ausübung der Staatsgewalt des Landes.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist aber auch hinsichtlich der geltend gemachten Ver­letzung materiellen Rechts unzulässig. Insofern ist der Beschwerdeführer nicht beschwer­debefugt.

Die Verfassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf zur Verteidigung eigener subjektiver Rechte. Sie kann gemäß Art. 130 a LV nur von demjenigen zulässig erhoben werden, der dar­legen kann, durch die öffentliche Gewalt des Landes in einem seiner in der Verfassung enthaltenen Rechte verletzt zu sein. Eine Popularbeschwerde ist damit ausgeschlossen. Der Beschwer­deführer muss durch den angegriffenen Hoheitsakt mithin selbst in eigenen Rechten betrof­fen sein. Ein bloß reflexhaftes Betroffensein reicht zur Begründung einer rügefähigen Beschwer ebenso wenig aus wie die Geltendmachung einer Verletzung nur objektiven Ver­fassungsrechts.

Der Beschwerdeführer hat nicht geltend gemacht, selbst in einem der ihm in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleisteten Rechte verletzt zu sein. Nach diesen Bestimmungen wählen die Bürger die Bürgermeister in den Gemeinden nach den Grundsätzen der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen und freien Wahl. Die Vor­schriften beinhalten zunächst objektiv-rechtliche Verfassungsgebote (vgl. zum Homo­geni­tätsgrundsatz in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerfGE 99, 1 [7 f.]). Mit den Wahl­rechts­grundsätzen werden die grundlegenden Voraussetzungen dafür benannt, dass Wahlen ihre Aufgabe demokra­tischer Legitimation von Staats- oder sonstiger Hoheits­gewalt erfüllen. Darüber hinaus ver­mitteln die Bestimmungen zwar auch subjektive Rechte zugunsten der ihr aktives oder passives Wahlrecht ausübenden Bürger (vgl. Schröder, in: Grimm/Caesar, LV-Kommentar, 2000, Art. 76 Rn. 3). Indes reicht diese subjektive Rechtsstellung nicht so weit, dass jeder Wahl­berechtigte jede Verletzung des objektiven Wahlrechts ungeachtet eines eigenen Betroffen­seins mit der Verfassungs­beschwerde rügen darf.

Gegenteiliges folgt weder aus der Gewährleistung des Instituts der Wahlprüfungsbeschwerde in Art. 82 LV noch aus der Einräumung der Klagebefugnis zur Überprüfung von Kommunalwahlen in § 51 des Kommunalwahlgesetzes – KWG –. Es ist allgemein anerkannt, dass das Wahlprüfungsverfahren die Kontrolle der Gültigkeit der Wahl als solche zum Gegenstand hat und den Schutz des objektiven Wahl­rechts bezweckt (vgl. BVerfGE 66, 369 [378 m.w.N.]; Glauben, in: Grimm/Caesar, a.a.O., Art. 82 Rn. 12). Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht den in § 48 Abs. 1 BVerfGG für die Zulässigkeit einer Wahlprüfungs­beschwerde verlangten Beitritt von mindestens 100 Wahl­berechtigten als verfassungsrecht­lich zulässige Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle gewertet (BVerfGE 79, 47 [48]; 66, 311 [312]). Die Zulässigkeit einer Wahlprüfungs­beschwerde gemäß Art. 41 Abs. 2 GG oder Art. 82 LV setzt deshalb ebenso wenig wie die Zulässig­keit einer Klage gemäß § 51 KWG das Geltendmachen einer Verletzung eigener subjektiver Rechte voraus (vgl. BVerfGE 66, 311 [312]). Wahlprüfungsverfahren garantieren die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl und stellen damit ein spezifisches Siche­rungsinstrument der Volkssouveränität dar (vgl. Morlok, in: Dreier, GG-Kommentar, 1998, Art. 41 Rn. 7; Badura, in: Bonner Kommentar, Anhang zu Art. 38: BWahlG, Zweit­be­arbeitung 1997, Rn. 81; Glauben, a.a.O., Rn. 12). Sie sind deshalb aus Gründen des Demokratieprinzips von Verfassungs wegen geboten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1048 [1051]). Nur soweit Wahlfehler zugleich Eingriffe in eigene subjek­tive Rechte (insbesondere das persön­liche aktive oder passive Wahlrecht, vgl. BVerfGE 66, 311 [312]) bewirken, dient das Wahlprü­fungs­verfahren auch dem subjektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 85, 148 [158 f.]; 89, 291 [299]; 99, 1 [18]).

Der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des einzelnen Wahlberechtigten ist daher durch Auslegung des Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV zu ermit­teln. Dabei sind die Länder – ungeachtet der objektiv-rechtlichen Bindung an die Homo­genitäts­anforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG – autonom, den subjektiven Schutz des Wahl­rechts auszugestalten (vgl. BVerfGE 99, 1 [12 u. 17]; NJW 2001, 1048 [1051]). Sind – wie im Land Rheinland-Pfalz – keine Anhaltspunkte für eine weitergehende Rege­lung ersichtlich, entspricht es dem allgemein anerkannten Ver­ständnis subjektiver Rechte, dass die Wahlbürger aus den objektiv-rechtlichen Bestimmun­gen in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV eigene Rechte nur ableiten können, wenn und soweit die Schutz- und Garantiewirkung einzelner Grundsätze gerade ihrer persönlichen Teil­nahme am Wahl­geschehen dient (so: Badura, a.a.O., Rn. 32). Ein mit der Verfassungs­beschwerde durchsetzbarer Anspruch auf Beachtung der objektiven Wahlrechtsgrundsätze kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Wahlberechtigte selbst in seinem eigenen – aktiven oder passiven – Mitwirkungs­recht (status activus) und nicht als Teil des Wahlvolks betroffen ist.

Im vorliegenden Fall ist für eine Verletzung subjektiver Rechte nichts dargetan. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung der in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbin­dung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleisteten Freiheit der Wahl geltend. Dieser Grundsatz ver­langt, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflus­sung von außen ausüben kann. Er soll sein Urteil in einem freien, offenen Prozess der Mei­nungsbildung gewinnen können und dabei vor Beeinflussungen geschützt werden, die geeig­net sind, seine Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 66, 369 [380]). Der Beschwerdeführer hat nicht geltend gemacht, durch die Wahl­werbung im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 selbst in seiner Ent­schei­dungsfreiheit beeinträch­tigt worden zu sein. Vielmehr rügt er, die von ihm als amt­liche Wahlbeeinflussung verstandene Anzeige habe andere Wähler in unzulässiger Weise beeinflusst und dadurch das Wahlergebnis verfälscht. Die Beeinträchtigung der Wahlfrei­heit anderer Wahlberechtigter berührt jedoch nicht den Rechtskreis des Beschwerde­führers. Sie hat sich auf seine Möglich­keit zur Mitwirkung an der Wahl nicht ausgewirkt. Darin unterscheidet sich seine subjektive Rechts­stellung etwa von derjenigen des sein passives Wahlrecht ausüben­den Gegenkan­di­daten für die Wahl des Bürgermeisters.

Eine Beschwerdebefugnis lässt sich ferner auch nicht aus dem Grundsatz der Wahlrechts­gleichheit herleiten, zumal dessen Verletzung in der Verfassungsbeschwerde nicht aus­drück­lich gerügt wird. Auch dieses Gebot vermittelt keinen Anspruch, jeden Verstoß gegen objektive Wahlrechtsgrundsätze als eine Beeinträchtigung des Erfolgswertes der eigenen Stimme geltend zu machen. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verlangt, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche recht­liche Erfolgschance haben muss. Im Rahmen eines Verhältniswahlsystems muss deshalb jede Stimme grundsätzlich den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Parla­ments haben – parteilistenbezogene Erfolgswertgleichheit –. Bei der Persönlichkeitswahl (Mehrheitswahl) – wie hier der Stichwahl des Ortsbürgermeisters – wird dem Gebot der Wahlrechtsgleichheit hingegen schon durch den gleichen Zählwert der Stimme genügt (vgl. BVerfGE 95, 335 [353 f.] – Überhangmandate –; VerfGH Rh-Pf, AS 22, 14 [19] – Höchstzahl­verfahren nach d’Hondt –; vgl. im Übrigen: Badura, a.a.O., Rn. 12 f.; Morlok, a.a.O., Rn. 95; Schröder, a.a.O., Rn. 7). Der Beschwerdeführer hat eine Ungleichheit im Zählwert seiner Stimme nicht geltend gemacht. Abgesehen davon ist anerkannt, dass aus dem Anspruch auf gleiche Gewichtung der Stimmen aller Wahlberechtigten kein Recht hergeleitet werden kann, etwa auf die Zusam­mensetzung des Kreises der Wahlberechtig­ten Einfluss zu nehmen (vgl. zum Kommunal­wahlrecht für Ausländer: BVerfGE 89, 155 [180]; BVerfG, Kammerbeschluss, NVwZ 1998, 52). Gleichermaßen vermittelt der Grund­satz der Wahlrechtsgleichheit keinen Anspruch darauf, dass die Wahl­entscheidung der übrigen Wähler in jeder Hinsicht unter objektiv rechtmäßigen Bedingungen getroffen wor­den ist. Eine unzulässi­ge Beeinflussung anderer Wähler kann zwar zu einer Verfälschung des Wahlergebnisses führen und die Legitimations­wirkung der Wahl in Frage stellen. Für diesen Verstoß gegen das objektive (Wahl-)Recht sieht die Rechtsordnung zur Wahrung des Demokratiegebots Wahlprüfungs­verfahren vor, die von jedem Wahlberechtigten ein­geleitet werden können (Art. 82 LV i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 des Landeswahl­prü­fungsgesetzes, § 51 KWG). Das subjektive Recht eines Wahl­berechtigten auf aktive Teil­nahme an der Wahl bleibt von einem solchen Wahlfehler jedoch unberührt (zu der ver­gleichbaren Rechtsstellung eines Ratsmitglieds hin­sichtlich der Mitwir­kung befangener Ratsmitglieder: OVG Rh-Pf, AS 19, 65 [70]).

3. Im Übrigen hätte die Verfassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, weshalb es nicht geboten war, den Beschwerdeführer auf die Problematik der Beschwerde­befugnis hinzuweisen, die im bisherigen Verfahren nicht in Zweifel gezogen worden ist.

Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung den verfassungsrechtlichen Grund­satz der Freiheit der Wahl nicht verkannt. Die von ihm vorgenommene Bewertung der Wahl­anzeige im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Wie bereits ausgeführt besteht die von Art. 50 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 76 Abs. 1 LV gewährleistete Freiheit der Wahl unter anderem darin, dass jeder Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann (vgl. Schröder, a.a.O., Rn. 10; BVerfGE 66, 369 [380]). Die Rücksicht auf einen freien und offenen Prozess der Meinungsbildung sowie auf die Chancengleichheit der Bewerber ver­bietet es staatlichen und anderen hoheitlichen Organen, sich vor Wahlen in amtlicher Funktion mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amts­träger zu unter­stützen oder zu bekämpfen (vgl. BVerfGE 63, 230 [243]). Auch ein Bürgermeister darf des­halb in amtlicher Eigenschaft keine Wahlempfehlung aussprechen. Allerdings darf auch er nicht nur als Wähler an der Wahl teilnehmen, sondern im Wahl­kampf als Bürger auch von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Die Grenze zulässiger Mei­nungsäußerung wird jedoch dann überschritten, wenn ein Bürgermeister das ihm auf­grund seiner amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzt, die mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist (vgl. BVerwGE 104, 323 [326 f.]; DVBl. 2001, 1278).

Das Oberverwaltungsgericht hat diese aus der inhaltsgleichen Gewährleistung des Grund­gesetzes entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den zu beurteilenden Sachverhalt hält eben­falls der verfas­sungsgerichtlichen Prüfung stand.

Zunächst kann auch dem Landesverfassungsrecht kein Verbot zur Veröffentlichung von Anzeigen und insbesondere Wahlanzeigen in Amtsblättern entnommen werden. Ob § 27 der Gemeinde­ordnung – GemO – oder § 9 GemODVO etwas anderes gebietet, ist eine Frage des ein­fachen Rechts und damit nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Die von Verfassungs wegen gebotene Neutralität der Gemeinden und ihrer Organe im Kommu­nalwahlkampf kann auch bei der Aufnahme von Wahlanzeigen in das Amtsblatt gewahrt werden. Dies setzt allerdings eine klare Trennung zwischen den von der Gemein­deverwaltung zu ver­antwortenden Teilen (öffentliche Bekanntmachungen, amtliche Mit­teilungen und Nachrichten – vgl. § 9 Abs. 3 GemODVO) und den übrigen Teilen (Anzeigen) voraus. Dem Neutralitätsgebot wird dann genügt, wenn die Anzeigen hin­reichend erkennen lassen, dass sie nicht von der das Amts­blatt herausgebenden Gemein­deverwaltung stammen.

Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Ober­verwaltungsgericht die umstrittene Wahlwerbung nicht der Verbandsgemeindever­waltung als Herausgeberin des Amtsblattes zugerechnet hat. Die von ihm gegebene Begründung, dass die Werbung nach der Art und drucktechnischen Aufmachung sowie ihrer Platzierung im Amtsblatt hinreichend deutlich als Anzeige erkennbar war, ist gerade bei einer Gesamtwürdigung aller im Amtsblatt vom 25. Juni 1999 enthaltenen Anzeigen, die sowohl Produktwerbung als auch Geschäftsanzeigen sowie politische Werbung und Danksagungen von Kandidaten ver­schiedenster Parteien umfassten, durchaus nachvoll­ziehbar.

Was die Beurteilung der in der Wahlanzeige enthaltenen Erklärungen von Personen anbelangt, ist die Wertung des Oberverwaltungsgerichts, dass auch insofern keine unzu­lässige Wahlbeeinflussung durch amtliche Stellen, sondern eine private Wahl­wer­bung vor­gelegen hat, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Das Gericht durfte insofern sowohl auf die fehlende Erwähnung von Amtsbezeichnungen als auch auf die Einbettung der Erklärungen der neu gewählten Ortsbürgermeister sowie des Verbandsbürgermeisters in das Gesamtbild der Anzeige abstellen. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, der Verbandsbürgermeister habe die Veröffent­lichung von Wahlwerbungen im Amtsblatt nur einseitig ermöglicht.

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 21 a Abs. 1 VerfGHG).

Via http://cms.justiz.rlp.de/justiz/nav/704/broker?uMen=70479ed1-9880-11d4-a735-0050045687ab&uTem=fff70331-6c7f-90f5-bdf3-a1bb63b81ce4

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Weitere Fundstellen: NVwZ 2002, 78.

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