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OVG Rheinland-Pfalz: Zuteilung von Wahlwerbesendungen – PDS

OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 13.09.2005, Az. 2 B 11292/05.OVG

Zu den Anforderungen an die angemessene Zuteilung von Wahlwerbesendungen.

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ

Beschluss

Aktenzeichen: 2 B 11292/05.OVG

Verkündet am: 2005-09-13

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Fernsehrechts

hier: einstweilige Anordnung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz auf­grund der Beratung vom 13. September 2005,

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Ver­wal­tungsgerichts Mainz vom 7. September 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – unter Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung zu verpflichten, der Antragstellerin einen weiteren (dritten) Sendetermin für Wahlwerbung vor der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 zuzuteilen. Auch nach Auffassung des Senats hat die Antragstellerin jedenfalls den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 11 Abs. 1 Satz 1 ZDF-Staatsvertrag – ZDF-StV – vom 31. August 1991 (GVBl. S. 369) in der Fassung vom 1. April 2005. Danach ist der Antragsgegner ver­pflich­tet, Parteien während ihrer Beteiligung an den Wahlen zum Deutschen Bun­destag angemessene Sendezeit einzuräumen, wenn mindestens eine Landesliste für sie zugelassen wurde. Er hat dabei den verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 21 Grundgesetz – GG – sowie einfachgesetzlich in § 5 Parteiengesetz – ParteiG – ver­ankerten Grundsatz auf Chancengleichheit der politischen Parteien zu berück­sichtigen. Dieser Grundsatz gebietet, jeder Partei möglichst gleiche Chancen im Wettbewerb um Wähler­stimmen durch grundsätz­lich gleiche Werbe­möglichkeiten im Wahlkampf zu ge­währleisten. Das bedeutet aber nicht, dass allen Parteien die gleiche Sendezeit einzuräumen ist. Vielmehr erfordert das Gebot der Gleichbe­handlung nach Maßgabe der Bedeutung der Parteien abgestufte Sendezeiten (BVerfGE 48, 271 [276 ff.]; OVG Rhein­land-Pfalz, Beschluss vom 18. Februar 1983 – 7 B 11/83 -). Die Gewährung von Sendezeit für Wahlwerbung im Rundfunk soll dem Wähler ein zutreffendes Bild über die Bedeutung der Partei vermitteln. Kleinere Parteien, ins­besondere Splittergruppen, dürfen daher gemessen am Umfang der zugeteilten Sendezeit nicht genauso behandelt werden wie große, etablierte Parteien, weil damit der Wähler über die wahre Bedeutung und das parteipolitische Kräftever­hältnis getäuscht würde. Nach Maßgabe des Grundsatzes der gleichen Wettbewerbschancen hat der Antrags­gegner allerdings auch der kleinsten Partei das Mindestmaß an Sendezeit zur Verfügung zu stellen, das erforderlich ist, um den mit der Ausstrahlung einer Sendung angestrebte Werbeeffekt erreichen zu können (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 ParteiG). Andernfalls würde diese Partei von der Möglichkeit, im Wahlkampf ihre Ziele und Programme den Bürgern darzu­stellen und sie als Wähler zu werben, faktisch ausgeschlossen. Des Weiteren muss für eine Partei, die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten ist, der Umfang der Gewährung mindestens halb so groß wie für jede andere und damit auch für die größte Partei sein (§ 5 Abs. 1 Satz 4 ParteiG). Ferner darf die Sendezeit, die einer großen Partei von der Rund­funkanstalt zugebilligt wird, das Vier- bis Fünffache der einer kleineren Partei zu­erkannten Sendezeit nicht über­schreiten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, DÖV 1981, 186 [187]).

Die Bedeutung der Partei bemisst sich insbesondere nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ParteiG). Maßgeblich ist insoweit in erster Linie die Ebene, auf der die Wahl ansteht. Denn es liegt auf der Hand, dass die Bedeutung einer Partei auf Bundesebene und Lan­desebene ein anderes Gewicht besitzen kann. Ebenso kann die Bedeutung der politischen Parteien in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sein. Dementsprechend ist das Wahlergebnis der letzten gleichartigen Wahl, vorliegend also der letzten Bundestagswahl, von besonderer Aussagekraft. Das Abstellen auf das jeweilige Parlament, für das eine neue Volksvertretung gewählt wird, erscheint auch mit Blick auf die Funktion der Wahl gerechtfertigt. In ihr sollen die Wähler entscheiden, ob während der kommenden Legislaturperiode die von der bis­herigen Regierungsmehrheit maßgeblich bestimmte Politik fortgesetzt oder ob eine andere Politik an deren Stelle treten soll. In diesem Zusammenhang erlangen vor allem die Parteien eine besondere, Differenzierungen gestattende Bedeutung, die entweder in der Regierungsverantwortung oder in der Opposition die bisherige Ent­wicklung auf der betreffenden (Bundes- bzw. Landes)Ebene entscheidend geprägt haben und voraus­sichtlich auch künftig auf die dortige staatliche Willensbildung mehr oder minder großem Einfluss haben werden (vgl. BVerGE 14, 121 [135 f.]; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. Februar 1983 – 7 B 11/83.OVG -). Weitere Kriterien, um die Bedeutung einer Partei zu ermitteln, sind die Vertretung der Partei im Parlament, ihre Beteiligung an den Re­gierungen in Bund und Ländern, die Dauer ihres Bestehens, die Kontinuität ihrer Betätigung, die Zahl ihrer Mitglieder sowie Umfang und Ausbau ihres Organisa­tionsnetzes (vgl. BVerfGE, a.a.O., 137; OVG Rheinland-Pfalz, DÖV 1981, a.a.O.). Ferner können auch repräsentative Umfragen (Wahlprognosen) herangezogen werden (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 9. September 1993 – Bs III 335/93 – Jurisdokument).

Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben ist nach derzeitigem Erkenntnisstand mit dem Antragsgegner und dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass die Zuteilung von zwei Sendeterminen für Wahlwerbung im Programm des Antrags­gegners der gegenwärtigen Bedeutung der Antragstellerin angemessen ist. Die Zahl der zuge­teilten Sendetermine unterschreitet, auch mit Rücksicht darauf, dass Wahl­werbung auf eine gewisse Wiederholung angewiesen sein dürfte, das dargelegte Mindestmaß für eine effektive Wahlwerbung ohne Zweifel nicht. Darüber hinaus ist auch nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner die gegenwärtige Bedeutung der Antragstellerin falsch eingeschätzt hat. In Abwägung aller maßgeblichen Kriterien kann die Antragstellerin, ungeachtet ihres Wahlerfolges bei der letzten Wahl zum sächsischen Landtag am 19. September 2004 (Stimmanteil: 9,2%) und der Tat­sache, dass sie im sächsischen Landtag mit doppelter Fraktionsstärke (12 Abge­ordneten) vertreten ist, jedenfalls auf der Bundesebene eine der Linkspartei.PDS vergleichbare Bedeutung für sich nicht in Anspruch nehmen. Allein in diesem Fall wäre es gerecht­fertigt, auch noch zu Gunsten der Antragstellerin zwischen dieser und den übrigen kleineren Parteien zu differen­zieren.

Erhebliches Gewicht kommt insoweit dem Ergebnis der Bundestagswahl 2002 zu. Die Antragstellerin erhielt lediglich 0,4%, die PDS, die gemeinsam mit der WASG im Wege einer sog. offenen Liste unter dem Namen Linkspartei.PDS bei der anstehenden Bundestagswahl antritt, 4% der Zweitstimmen. Der Stimm­anteil der Antragstellerin betrug somit nur ein 1/10 des Stimmanteils der PDS. Zwar haben beide Parteien bei der letzten Bundestagswahl die 5%-Hürde nicht überschritten. Die PDS erzielte jedoch zwei Direktmandate und ist daher im Un­terschied zur Antragstellerin auf Bundesebene zumindest mit zwei Abgeordneten im Parlament ver­treten. Weiteres Indiz für eine geringere bundesweite Bedeutung der Antragstellerin gegenüber der Linkspartei.PDS ist das Ergebnis der Europa­wahl 2004. Während die Antragstellerin auch insoweit mit einem Stimmanteil von 0,9% deutlich unter­halb der 5%-Hürde blieb, erreichte die PDS 6,1% und zog da­mit ins Europa­parlament ein. Abgerundet wird das Bild durch die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen. Die Antragstellerin ist lediglich im sächsischen Land­tag mit 12 Abgeordneten vertreten. In den übrigen fünfzehn Bundesländern nahm sie ent­weder nicht an der Wahl teil oder blieb deutlich unter der 5%-Hürde. Die PDS ist hingegen in sechs von sechzehn Landesparlamenten mit jeweils einer deutlich höheren Zahl von Abgeordneten (bis auf Mecklenburg-Vorpommern je­weils zwi­schen 25 und 33 Abgeordneten) vertreten. Insbesondere im sächsischen Landtag bildet die PDS die zweitstärkste Fraktion (31 Abgeordnete, Stimmanteil: 23,6%). Sie hat in den sechs neuen Bundesländern, in denen sie ins Parlament eingezo­gen ist, ein jeweils zweistelliges Wahlergebnis erzielt. Darüber hinaus ist die PDS in zwei Ländern (Berlin und Mecklenburg-Vorpommern) an der Regierung beteiligt. Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg dar­auf be­rufen, sie habe bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland jeweils besser als die PDS abgeschnitten. Die Unter­schiede sind nicht so gravierend, dass sie geeignet wären, der Antragstellerin eine größere als die ihr bisher zugeschriebene bundespolitische Bedeutung beizu­messen. Dies gilt umso mehr als die Antragstellerin in keinem der drei Länder den Einzug ins Parlament geschafft hat. Ergänzend können die Er­gebnisse der in Bezug auf die anstehende Bundestags­wahl durchgeführten reprä­sentativen Umfragen herangezogen werden, die das hier gefundene Ergebnis stützen. Die Werte der Antragstellerin liegen danach er­heblich unter denen der Linkspartei.PDS. Während von der Forschungsgruppe Wahlen e.V. und Infratest dimap für die Antragstellerin im August Werte von maximal 1% bis 1,5% ermittelt wurden, lagen die Werte für die Linkspartei.PDS nach allen Umfrageinstituten im August zwischen 8% und 10%. Die Einwände der Antragstellerin gegen die Ver­wertbarkeit der Umfrageergebnisse vermögen nicht zu überzeugen. Darüber hin­aus kann die Antragstellerin auch nichts daraus her­leiten, dass sie im Unterschied zu einer Vielzahl der kleineren Parteien flächen­deckend mit 295 Wahlkreiskan­didaten zur Bundestagswahl antrete und in allen Bundesländern mit Landeslisten zur Bundestagswahl zugelassen sei. Diese Um­stände gehören nicht zu den in der Rechtsprechung anerkannten Kriterien zur Be­urteilung der Bedeutung von Par­teien. Sie sind zudem auch nicht geeignet die aufgezeigten Bedeutungsunter­schiede auf Bundesebene zwischen der Antrag­stellerin und der Linkspartei.PDS zu entkräften.

Angesichts dessen bedarf die Frage, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, keiner weiteren Vertiefung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

Via http://cms.justiz.rlp.de/justiz/nav/704/broker?uMen=70479ed1-9880-11d4-a735-0050045687ab&uTem=fff70331-6c7f-90f5-bdf3-a1bb63b81ce4

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Weitere Fundstellen: NVwZ 2006, 109.

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