OVG Münster, Beschluss v. 03.06.2015, Az. 19 B 463/14
1. Die Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien ist nicht möglich, wenn das Medium der Kunst dient.
2. Diese Entscheidung basiert auf einer Interessenabwägung, in die auch eine Anhörung der am schöpferischen Prozess mitwirkenden Personen mit einzubeziehen ist, da vor allem diese darbringen können, was das Medium ausdrücken soll.
3. Fehlt eine Anhörung gänzlich, ist die Ermittlung der Bundesprüfstelle unzureichend und die Indizierungsentscheidung somit rechtswidrig.
Beschluss
Aktenzeichen: 19 B 463/14
Verkündet am: 2015-06-03
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. April 2014 wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 19 K 6670/13 gegen die Entscheidungen Nr. 5982 und 5983 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vom 5. September 2013 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Die Beschwerde mit dem – sinngemäß – gestellten Antrag,
hat aus den im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen und vom Senat allein zu prüfenden (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -) Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet. Bei der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahmen. Nach gegenwärtiger Erkenntnislage sind die den Tonträger „NWA“ und das Musikvideo „Stress ohne Grund“ betreffenden Indizierungsentscheidungen vom 5. September 2013 offensichtlich rechtswidrig und werden voraussichtlich im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben.
Die Indizierungsentscheidungen stützen sich auf § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Jugendschutzgesetz – JuSchG -. Danach sind Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (Bundesprüfstelle) in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Nach § 18 Abs. 3 Nr. 2 darf ein Medium allerdings nicht in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen werden, wenn es – wie es die Bundesprüfstelle hier sowohl für den Tonträger als auch das Musikvideo angenommen hat – der Kunst dient. Dieses Merkmal schließt zwar eine Indizierung nicht von vornherein aus, erfordert aber die Herstellung eines angemessenen Ausgleichs und zu diesem Zweck eine Abwägung zwischen den durch das Jugendschutzgesetz konkret geregelten Belangen des Jugendschutzes auf der einen Seite und den Belangen der Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, auf der anderen Seite. Ehe eine solche Abwägung vorgenommen werden kann, müssen die widerstreitenden Belange zunächst umfassend ermittelt werden. Eine unzureichende Ermittlung der widerstreitenden Belange hat daher zwangsläufig ein Abwägungsdefizit und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge. Zu einer umfassenden Ermittlung der widerstreitenden Belange gehört auf der Seite der Belange der Kunstfreiheit grundsätzlich auch die Beteiligung und Anhörung derjenigen Personen, die schöpferisch an dem Kunstwerk mitgewirkt haben und insofern typischerweise in der Lage sind, etwas über die in dem Kunstwerk umgesetzten, von einer etwaigen Indizierung betroffenen Belange der Kunstfreiheit im Widerstreit zu den Belangen des Jugendschutzes auszusagen. Da die Bundesprüfstelle „Herrin des Indizierungsverfahrens“ ist, folgt hieraus ihre prinzipielle Pflicht, immer dann, wenn es sich bei dem zu indizierenden Medium um ein Kunstwerk handelt und folglich die Belange der Kunstfreiheit gegen die Belange des Jugendschutzes abgewogen werden müssen, zwecks umfassender Ermittlung der beiderseitigen Belange die an dem Gesamtkunstwerk schöpferisch beteiligten Personen anzuhören.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 – 6 C 9.97 -, juris Rdn. 29, 39; auch Urteil vom 28. August 1996 – 6 C 15.94 -, juris Rdn. 20.
Diesen Anforderungen genügt das Vorgehen der Bundesprüfstelle in den streitgegenständlichen Indizierungsentscheidungen nicht, so dass die Ermittlung der Belange der betroffenen Kunstfreiheit defizitär ist; dies zieht einen Gewichtungsmangel notwendig nach sich.
1. Dies gilt in Bezug auf beide Indizierungsentscheidungen bereits deshalb, weil die Bundesprüfstelle weder in dem einen noch in dem anderen Fall zur Ermittlung des Kunstgehalts die an den Gesamtwerken schöpferisch beteiligten Personen angehört hat. Hierzu gehört sowohl bei der CD als auch bei dem Video neben dem Antragsteller (Künstlername „Bushido“) (mindestens) „Shindy“. „Shindy“ ist maßgeblicher Urheber der insgesamt 14 Stücke umfassenden CD „NWA“, auf der der Antragsteller lediglich als „featured artist“ (etwa: „mit Unterstützung von … als Gastinterpret“ zu übersetzen) erscheint, nämlich nur bei dem nicht für indizierungsrelevant erachteten Titel 5 sowie den Titeln 7 (Springfield) und 11 (Stress ohne Grund). Beim überwiegenden Teil der Titel auf der CD und namentlich beim als indizierungsrelevant angesehenen Titel 9 (Kein Fick) ist „Shindy“ allein Interpret, beim ebenfalls als indizierungsrelevant angesehenen Titel 12 (Martin Scorsese) erscheint der im Übrigen ebenfalls nicht angehörte „Eko Fresh“ als „featured artist“ und Textmiturheber. „Shindy“ ist ferner als (Mit-)Verfasser aller Texte angegeben und auch als Schöpfer des Musikvideos „Stress ohne Grund“ anzusehen, bei dem der Antragsteller gleichfalls lediglich als „featured artist“ fungiert. Zwar wird in dem Musikvideo Strophe 1 von „Shindy“, Strophe 2 vom Antragsteller gesprochen; jedoch handelt es sich schon angesichts des Rahmens, der durch die auf der Bildebene erzählte durchgehende Geschichte geschaffen wird, zweifellos um ein einheitliches Werk. Die Bundesprüfstelle hat zum Kunstgehalt der Werke keinen der beiden schöpferisch Beteiligten befragt und sich darum auch nicht bemüht. Dass die Rechteinhaberin bushidoersguterjunge GmbH, deren Geschäftsführer der Antragsteller ist, im Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat, genügt aus mehreren Gründen nicht: Nicht nur handelt es sich bei dem Antragsteller um ein von der GmbH zu unterscheidendes Rechtssubjekt, vor allem ist der Mit-Schöpfer „Shindy“ in keiner Weise angesprochen. Erst Recht genügt der in der Benachrichtigung vom Termin zur mündlichen Verhandlung enthaltene Hinweis nicht, der mit „Betr.: Bücher“ überschrieben ist und in dem anheimgestellt wird, dem Autor die Benachrichtigung weiterzuleiten; der Hinweis bezieht sich schon seinem Wortlaut nach nicht auf Tonträger bzw. Musikvideos.
Einer der vom Bundesverwaltungsgericht hervorgehobenen Ausnahmefälle, in denen auf die Anhörung der an einem zu indizierenden Kunstwerk schöpferisch Mitwirkenden verzichtet werden kann, ist nicht gegeben. Weder liegt ein Fall vor, in denen eine Anhörung aus praktischen, insbesondere aus den Erfordernissen des Gebots der Beschleunigung des Indizierungsverfahrens folgenden Gründen ausscheidet (dazu a.), noch ein solcher des eindeutigen Überwiegens der Belange des Jugendschutzes gegenüber einem ganz untergeordneten Kunstwert (dazu b.).
a. Nach der – anhand einer einen Film betreffenden Indizierungsentscheidung entwickelten – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf die Bundesprüfstelle sich grundsätzlich darauf beschränken, den Verleiher oder Vertreiber eines Films aufzufordern, seinerseits diejenigen Personen zu benennen, die als Regisseur oder Produzent eines Films an dessen Herstellung schöpferisch oder unternehmerisch beteiligt waren und deshalb typischerweise etwas über die von einer Indizierung des Gesamtkunstwerks betroffenen Belange der Kunstfreiheit aussagen können. Benennt der Verleiher oder Vertreiber des Films trotz Aufforderung diese Personen nicht, muss die Bundesprüfstelle keine eigenen Nachforschungen anstellen; hier muss sie die fraglichen Personen nur dann anhören, wenn sie ihr anderweit bereits bekannt sind und folglich ihre Anhörung zu keiner erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt. Allerdings darf sie im konkreten Fall nicht im Hinblick auf „regelmäßige Erfahrungen“ in anderen Fällen, in denen „meistens“ keine Reaktion der zur Stellungnahme aufgeforderten Personen im Ausland erfolgt, von vornherein eine Aufforderung zur Stellungnahme unterlassen, solange nicht auszuschließen ist, dass eine Stellungnahme innerhalb einer von ihr zu setzenden angemessenen Frist tatsächlich erfolgt.
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 – 6 C 9.97 -, Rdn. 31.
Zur Ermittlung des Kunstgehalts eines künstlerischen Werks ist demnach zumindest der Versuch der Anhörung der daran schöpferisch Beteiligten erforderlich, soweit das möglich ist, insbesondere nicht zu unzuträglichen Verzögerungen führt. Hiervon ausgehend war ein Ausnahmefall nicht gegeben. Die Bundesprüfstelle hat die an den Werken schöpferisch Beteiligten weder angehört noch sich darum auch nur bemüht. Sie hat weder die Verfahrensbeteiligten zur Angabe der schöpferischen Urheber der indizierten Werke bzw. ihrer Adressen oder sonstigen Erreichbarkeit aufgefordert noch hat sie in anderer Weise versucht, mit den schöpferisch Beteiligten in Kontakt zu treten. Dafür, dass sich die Verfahrensbeteiligten von vornherein geweigert hätten, entsprechende Angaben zu machen, ist nichts ersichtlich; im Übrigen ist angesichts der Medienpräsenz des Antragstellers davon auszugehen, dass dieser ohnedies zu kontaktieren gewesen wäre. Auch wäre jedenfalls für den Versuch der Kontaktaufnahme und Anhörung – gegebenenfalls unter Setzung einer kurzen Frist – im Anschluss an die vorläufige Eintragung in Teil C der Liste der jugendgefährdenden Medien gemäß § 23 Abs. 5 JuSchG durch Entscheidung vom 17. Juli 2013 noch Zeit gewesen. Auf diese Weise hätten sich beispielsweise Spekulationen über den Hintergrund des Titels 7 der CD „NWA“ vermeiden lassen, den die Bundesprüfstelle für indizierungsrelevant hält, obwohl sie seinen Sinn nicht nachzuvollziehen mag und sich in Spekulationen ergeht („wurde bisher nicht öffentlich erläutert“, „dürfte sich auf einen Fernsehauftritt Bushidos … beziehen“; „die geäußerten Grüße an die CSU rekurrieren möglicherweise…“, S. 24 der Entscheidung).
Dass die Beteiligungslasten der Verfahrensbeteiligten so weit gehen, dass diese anstelle der Antragsgegnerin gehalten wären, ihrerseits die schöpferisch Beteiligten des betreffenden Werks zu dessen künstlerischen Wert zu befragen und diese Ermittlungsergebnisse von sich aus der Antragsgegnerin zuzuleiten, ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Es würde auch den Ermittlungsanforderungen nicht gerecht, die die handelnde Behörde aufgrund der mit der Indizierungsentscheidung verbundenen Einschränkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG treffen.
b. Der weitere vom Bundesverwaltungsgericht für möglich gehaltene Ausnahmefall des eindeutigen Überwiegens der Belange des Jugendschutzes ist ebenfalls nicht anzunehmen. Nach dessen Rechtsprechung hängt der Umfang der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotenen Ermittlungen wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab: Je mehr sich die Waagschalen dem Gleichgewicht nähern, desto intensiver muss versucht werden, die beiderseitigen Wertungen abzusichern und auch Einzelgesichtspunkte exakt zu wägen, die möglicherweise den Ausschlag geben; ist dagegen ein Belang stark ausgeprägt und eine Diskrepanz zu den auf der anderen Seite betroffenen Belangen von vornherein offenkundig, dann ist es nicht notwendig und wäre somit unverhältnismäßig, die Gewichtung der beiderseitigen Belange weiter zu betreiben, als es zur Feststellung eines eindeutigen Übergewichts einer Seite geboten ist. Dieser Zusammenhang lässt es zwar nicht zu, dass auf der Seite der Belange der Kunstfreiheit diese in der Weise rein fiktiv gewichtet werden und letztlich offenbleibt, wo konkret auf einer von Null bis zum Maximum reichenden Werteskala sie eingeordnet werden; hier ist eine konkrete Abwägung mit den widerstreitenden Belangen des Jugendschutzes nicht möglich. Anders ist es dagegen dann, wenn sich auf der Seite der Belange der Kunst voraussehbar allenfalls ein oder mehrere Aspekte von nur geringem Gewicht („Kleinstgewichte“) zusammentragen lassen, während auf der Seite der Belange des Jugendschutzes ein eindeutiges „Schwergewicht“ zu verzeichnen ist. In einem solchen Falle würden mögliche weitere Gesichtspunkte von allenfalls geringem Gewicht („Kleinstgewichte“) auf der Seite der Kunstfreiheit, die sich etwa als Ergebnis der Anhörung des im Ausland ansässigen Regisseurs ergeben könnten, keinesfalls ausreichen, das feststehende „Schwergewicht“ der Belange des Jugendschutzes auch nur annähernd aufzuwiegen, so dass eine weitere Ermittlung auf der Seite der Belange der Kunst, die zudem die Entscheidung über den Indizierungsantrag möglicherweise erheblich verzögern würde, unnötig und unverhältnismäßig wäre.
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1998 – 6 C 9.97 -, Rdn. 32 f.
Auch das ist im Streitfall nicht anzunehmen. Die Bundesprüfstelle ist zwar – was in Frage zu stellen der Senat keinen Anlass hat – von einer hohen Jugendschutzrelevanz der indizierten Werke ausgegangen, nicht aber von einem von vornherein ganz untergeordneten Kunstgehalt der indizierten Werke. Auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials kann auch der Senat einen ganz untergeordneten künstlerischen Stellenwert des Tonträgers oder des Videos nicht annehmen. In den Entscheidungen fehlen hinreichende, insbesondere von ihrer jugendgefährdenden Wirkung unabhängige Feststellungen und Wertungen zum Kunstwert des Tonträgers und des Musikvideos.
Zum künstlerischen Wert des Tonträgers „NWA“ im Ganzen gibt die Bundesprüfstelle in der Entscheidung Nr. 5983 an, dieser falle zweifelsohne unter den Schutzbereich der Kunstfreiheit (S. 22 der Entscheidung). Für die Frage, ob der künstlerische Stellenwert einer Musikproduktion als gering einzustufen sei, habe indizielle Bedeutung, welche Beachtung sie in der Fachpresse gefunden habe, das Ansehen, das sie beim Publikum genieße, Echo und Wertschätzung in Kritik und Wissenschaft. Das mediale Echo auf die Veröffentlichung sei enorm gewesen (S. 22 der Entscheidung). Es handele sich um eine Selbstinszenierung des Künstlers Shindy verbunden mit einer Selbstinszenierung des Antragstellers als Album im Album (S. 22 der Entscheidung). Im Gangsta- und im Battle-Rap könne durchaus ein künstlerischer Wert vorhanden sein; insoweit komme es auf eine Einzelfallbetrachtung an (S. 24 der Entscheidung). Die weiteren Betrachtungen der Bundesprüfstelle beschränken sich fast ausschließlich auf die als indizierungsrelevant eingestuften Titel und deren jugendgefährdende Aspekte. Eine andere, kurze Betrachtung erfahren allein die Titel 13 „Oma“ („liebevolle und persönliche Auseinandersetzung mit der verstorbenen Großmutter“) und 14 („Spiegelbild“); letzterem wird ein „durchaus gehobener künstlerischer Anspruch“ (S. 23 der Entscheidung) zuerkannt, der die insgesamt frauenfeindliche Tendenz der Texte jedoch nicht relativieren könne. Mit dieser Vermengung von Belangen der Kunstfreiheit und des Jugendschutzes verkennt die Bundesprüfstelle, dass der Kunstwert eines Mediums unabhängig und gesondert betrachtet werden muss. Denn jugendgefährdende Aspekte eines Mediums können aufgrund ihrer künstlerischen Gestaltung und Einbettung in das Kunstwerk sogar zu dessen Kunstwert beitragen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83, 130 = juris Rdn. 53 mit weiterem Nachweis.
Entsprechendes gilt für das Musikvideo „Stress ohne Grund“. Auch hinsichtlich dessen Kunstwertes hat die Bundesprüfstelle ausgeführt, für die Frage, ob der künstlerische Stellenwert einer Musikproduktion als gering einzustufen sei, habe indizielle Bedeutung, welche Beachtung sie in der Fachpresse gefunden habe, das Ansehen, das sie beim Publikum genieße, Echo und Wertschätzung in Kritik und Wissenschaft. Das mediale Echo auf die Veröffentlichung des Videoclips sei enorm gewesen (S. 15 der Entscheidung). Im Gangsta- und im Battle-Rap könne durchaus ein künstlerischer Wert vorhanden sein; insoweit komme es auf eine Einzelfallbetrachtung an (S. 16 der Entscheidung). Eine isolierte Feststellung und Bewertung des künstlerischen Gehalts, insbesondere eine solche als vernachlässigenswert, findet nach Allem hinsichtlich beider indizierter Medien nicht statt und liegt nach den vorzitierten Ausführungen auch nicht nahe.
c) Der Umstand, dass die Entscheidungen ausführlich begründet sind und dabei eine Würdigung aus den Medien zu entnehmender Ausführungen des Antragstellers enthalten, gleicht das Defizit nicht aus, das im Fehlen der unmittelbaren Anhörung der schöpferisch Beteiligten liegt. Das gilt schon deshalb, weil die Bundesprüfstelle Äußerungen anderer schöpferisch Beteiligter, insbesondere des medial offenbar uninteressanten „Shindy“, mit Ausnahme eines einzelnen „Tweets“ nicht verwertet hat.
2. Ob daneben weitere Ermittlungsdefizite zur Rechtswidrigkeit der Indizierungsentscheidung Nr. 5983 hinsichtlich des Tonträgers CD „NWA“ führen, kann angesichts des Vorstehenden auf sich beruhen. Es fällt allerdings auf, dass die Feststellungen der Bundesprüfstelle zu der CD „NWA“ sich zunächst auf eine zum Teil fehlerhafte, zum Teil unvollständige Niederschrift der Texte der einzelnen Titel beschränken. Obgleich die Bundesprüfstelle die Titel 7 (Springfield), 9 (Kein Fick), 11 (Stress ohne Grund) und 12 (Martin Scorsese) für indizierungsrelevant hält (S. 12 der Entscheidung), hat sie auf eine vollständige Ermittlung der Texte der Titel 9 und 12 durch Nachfrage bei den Interpreten verzichtet. In der Niederschrift werden von ihr nicht erfasste Textteile durch Pünktchen, ihr unverständliche Textzeilen mit einem Fragezeichen gekennzeichnet. Die Niederschrift enthält darüber hinaus mehrere sinnentstellende Fehler. So gibt die Bundesprüfstelle beispielsweise einen Textteil des Titels 9 (Kein Fick) mit „Dicker alle finden Shindy fresh/ doch ich rede nicht mit Bitches in nem Pinky Dress/ ….Dicker Ersguterjunge Eighteen/ Typen sind am hinken, so als war ich ne Boygroup“ wieder, während es richtigerweise heißt „Dicka, alle finden Shindy fresh/ doch ich rede nicht mit bitches in nem Pimkie dress/ …Dicka Ersguterjunge A-Team/ Typen sind am haten, so als wär ich ne boygroup“. Ein Textteil des Titels 12 (Martin Scorsese) wird mit „Willkommen in der bunten Welt von Shindy Cool/ BWL Student lernen auf …/Machen auf Beziehung doch ich bin immun/ Bitch, ich schmier Dir Honig ums Maul und nenn dich Winnie Pooh/ ….. Bitches kommen an und machen kiss kiss to pay“ wiedergegeben, während es tatsächlich heißt „Willkommen in der bunten Welt von Shindy Cool/ BWL-Studentinnen auf Jimmy Choos/ machen auf Beziehung, doch ich bin immun/ Bitch, ich schmier Dir Honig um Dein Maul und nenn es Winnie Pooh/….. Bitches kommen an und machen „Kiss Kiss“ – T-Pain“. Auch die Texte der weiteren, nicht als indizierungsrelevant eingestuften Titel sind zum Teil nicht vollständig erfasst.
Der beschließende Senat war auch nicht gehalten, die von der Bundesprüfstelle unterlassene Ermittlung und Gewichtung der Belange der Kunstfreiheit im gerichtlichen Verfahren – zumal im vorliegenden Eilverfahren – nachzuholen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 1996 – 6 C 15.94 -, juris Rdn. 28.
Angesichts der nach allem anzunehmenden offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Indizierungsentscheidungen kommt eine Entscheidung über die Beschwerde auf der Grundlage einer offenen Interessenabwägung nicht in Betracht. Dabei wäre jedenfalls hinsichtlich des Videos allerdings zudem nicht ohne Weiteres von einem Überwiegen der Belange des Jugendschutzes auszugehen, da das Video bei allen Internetabfragen des Senats während des Laufs des Beschwerdeverfahrens ohne jede Schwierigkeit unter youtube.com abzurufen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).