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OLG Zweibrücken: Kein Unterlassungsanspruch gegen Berichterstattung bei fehlender Erkennbarkeit

OLG Zweibrücken, Beschluss v. 07.06.2010, Az. 4 W 53/10

Ist in einer Text- und Bildberichterstattung eine Person nicht zu identifizieren, weil Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade der Person eigen sind, unkenntlich gemacht worden sind, oder wenn die Person durch den beigegebenen Text bzw. durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen nicht erkannt werden kann, liegt kein Unterlassungsanspruch hinsichtlicher der Veröffentlichung vor.

OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 53/10

Verkündet am: 2010-06-07

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

J… F… v… K…,
– Antragsteller und Beschwerdeführer –
[…]

gegen

R… und D… GmbH & Co. KG, …, …, …,
– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –

wegen Unterlassung der Verbreitung eines Fotos,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken […] auf die am 3. Mai 2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30. April 2010 gegen den ihm am 19. April 2010 zugestellten Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. April 2010
ohne mündliche Verhandlung am 7. Juni 2010 beschlossen:

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Beschwerdewert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Das erstinstanzliche Gericht hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen des Fehlens eines Verfügungsanspruches abgelehnt.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. § 22 KUG, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zu.

Das von der Antragsgegnerin in der „R…“ vom 13. März 2010 zur Bebilderung des nebenstehenden Artikels mit der Überschrift „Vor …“ veröffentlichte Foto verletzt den Antragsteller wegen der fehlenden Erkennbarkeit gerade seiner Person nicht in seinem Recht am eigenen Bild i. S. v. § 22 KUG.

Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff des Bildnisses setzt nach gefestigter Rechtsprechung die Erkennbarkeit der abgebildeten Person voraus. Ein Bildnis in diesem Sinne ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (BGHZ 26, 349 [351] – Herrenreiter; BGH NJW 1961, 558 – Familie Schölermann; NJW 1965, 2148 [2149] – Spielgefährten I; NJW 1974, 1947 [1948] – Nacktaufnahme; NJW 1979, 2005 – Fußballtor; NJW 2000, 754 [756] – blauer Engel). Hierzu genügt es, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder (etwa durch Retuschen) gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist, oder wenn seine Person durch den beigegebenen Text oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann. Entscheidend für den Bildschutz ist der Zweck des § 22 KUG, nämlich die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung der Öffentlichkeit vorgestellt und so für andere verfügbar gemacht zu werden. Der besonderen Gefährdung persönlichkeitsrechtlicher Interessen, die mit der Verbreitung oder öffentlichen Schaustellung von Personenbildern verbunden ist, trägt die Rechtsprechung im Rahmen des § 22 KUG dadurch Rechnung, dass sie zugunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit stellt. § 22 KUG bezweckt jedoch nicht den Schutz von assoziativen Bildern, welche möglicherweise vor dem inneren Auge des Betrachters entstehen und eine bloße Verbindung zu einer bestimmten Person im Sinne eines geistigen Erinnerungsbildes herstellen. Ein Bild, das lediglich eine Assoziation der Abbildung einer Person beim Betrachter hervorruft, aber keine Merkmale dieser Person wiedergibt, ist kein Bildnis im Sinne von § 22 KUG. Dies bedeutet, dass sich die Erkennbarkeit zunächst einmal aus den personenbezogenen Bildelementen ergeben muss. Soweit die abgebildete Person in ihrem äußeren Erscheinungsbild verändert wurde, muss sich die Erkennbarkeit aus den nicht unkenntlich gemachten oder unveränderbaren Bildelementen ergeben (z. B. Gesichtszüge, Körpersilhouette, Statur, Haltung oder Haarschnitt). Die erkennbaren Bildelemente müssen sich zu einem Persönlichkeitsabdruck einer abgebildeten Person verdichten (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, 1633).

Nach diesem Maßstab ist der Antragsteller nicht durch Merkmale, die sich aus dem inkriminierten Bild selbst ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar. Der Antragsteller trägt in seiner Antragsschrift vom 12. April 2010 kein einziges identifizierendes Merkmal vor, welches die Annahme seiner Erkennbarkeit auf dem Lichtbild rechtfertigen würde. Er stützt sich allein darauf, dass ihn bestimmte Personen aus dem Bekanntenkreis erkannt hätten; dies genügt nicht. Auch den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen kann nicht entnommen werden, anhand welcher spezifischer individueller Merkmale der Antragsteller als die im linken Bildvordergrund befindliche Person erkannt wurde. In den eidesstattlichen Versicherungen wird lediglich erklärt, dass der Antragsteller wiedererkannt worden sei; weitere Angaben dazu erfolgen nicht. Dies wäre aber notwendig gewesen, da die drei im Bildvordergrund frontal zu sehenden Personen in verschatteter Form abgelichtet sind. Erstmals in der ergänzenden Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2010 wird behauptet, dass der Antragsteller wegen seines bekannten Haarschnittes und seiner Brille im Bekanntenkreis unschwer erkennbar gewesen sei. Das ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Denn auf dem vorgelegten Zeitungsausschnitt ist nur erkennbar, dass die im Bildvordergrund links abgelichtete Person Haare hat und eventuell auch eine Brille trägt. Aufgrund der Schattierung der Person ist es unmöglich dem Bild einen weitergehenden Informationsgehalt zu der Haartracht oder der Form der Brille zu entnehmen. Deshalb können diese Merkmale von dem Antragsteller (wegen der fehlenden Aussagekraft) nicht als ihm eigene typische Erkennungsmerkmale herangezogen werden (vgl. KG Berlin Beschluss vom 5. September 2006 – 9 W 127/06, zitiert nach juris). Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass der Antragsteller aufgrund der Umrisse der abgebildeten Person erkannt wurde. Im Übrigen unterscheidet sich die hier interessierende Abbildung von einem sog. Schattenriss, in dem besondere Merkmale einer Person gerade durch die Art der Abbildung hervorgehoben werden (vgl. LG Berlin, NJW-RR 2000, 555, 556).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich seine Erkennbarkeit auch nicht aus der zum Foto gehörenden Textveröffentlichung. In dem Text des Artikels wird der Antragsteller weder erwähnt noch ein sonstiger Bezug zu ihm hergestellt. Der Autor des Artikels befasst sich kritisch mit einer Kundgebung von ehemaligen Absolventen der Schule des K… E…. Der Umstand, dass der Antragsteller anhand des im Text und in der Bildunterschrift benannten Veranstaltungsortes und der zeitlichen Zuordnung identifizierbar sein mag, ist für sich allein nicht geeignet, einen Verletzungstatbestand im Sinne von § 22 KUG zu begründen (vgl. OLG Köln, NJW 2005, 2554).

Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, dass selbst bei der Annahme einer Erkennbarkeit des Antragstellers die Bildveröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG auch ohne die Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter zulässig gewesen wäre.

§ 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG nimmt von dem Veröffentlichungsverbot nach § 22 KUG Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus, wobei die Formulierung „im Bereich der Zeitgeschichte“ weit zu fassen ist. Zu den Personen der Zeitgeschichte zählen auch diejenigen Personen, die zufällig oder absichtlich in Verbindung zu einem Ereignis der Zeitgeschichte geraten (Schricker/Gerstenberg/Götting, Urheberrecht, 2. Aufl., § 23 KUG/ § 60 Rdnr. 12). Als zeitgeschichtliches Ereignis ist hier die auf dem Gelände des K… E… erfolgte Demonstration von ehemaligen Absolventen für die dortige Schuleinrichtung zu werten. Von diesem zeitgeschichtlichen Ereignis durfte in Wort und Bild berichtet werden. Der Antragsteller ist mit diesem Ereignis aufgrund eines zufälligen Zusammentreffens in Verbindung geraten.

Die Abbildungsfreiheit nach § 23 KUG gilt allerdings nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden.

Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der abgebildeten Person aus Art. 8 EMRK, Artt.1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und der Presse aus Art. 10 EMRK sowie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits ist deshalb schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welche der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (BGH GRUR 2007, 527, 528 mit Anm. von Götting). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Information über das Zeitgeschehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.08.2006 – 1 BVR 2606/04 u. a. NJW 2006, 3406, 3407 f). Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiteren Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Im Rahmen dieser Abwägung ist dem Persönlichkeitsschutz des Antragstellers durch die vorgenommene Schattierung in einem ausreichenden Maße Genüge getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

Via http://www3.justiz.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil.asp?rowguid={7B816114-20B1-4161-8A8B-AB8782336F98}

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