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OLG Saarbrücken: Kein Gegendarstellungsrecht bei wertenden Äußerungen

OLG Saarbrücken, Urteil v. 22.03.2010, Az. 5 U 51/10 - 9

1. Aus dem Kontext der Zeitungsmeldung „Staatssekretär nennt Holzfäller Massenmörder“ kann sich ergeben, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.

2. Zum Gegendarstellungsrecht bei wertenden Äußerungen in öffentlich geführten Aueinandersetzungen.

OBERLANDESGERICHT SAARBRÜCKEN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 5 U 51/10 – 9

Verkündet am: 2010-03-22

Tenor:

Unter Abänderung der Urteile des Landgerichts Saarbrücken vom 27.1.2010 und 10.2.2010 werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:
I.

Der Verfügungskläger verlangt von den Verfügungsbeklagten eine presserechtliche Gegendarstellung gemäß § 10 SMG.

Der Verfügungskläger ist Staatssekretär im saarländischen Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr. Der Verfügungsbeklagte ist Leiter der Regionalredaktion der Tageszeitung B. S.

Hintergrund des Rechtsstreits sind Presseveröffentlichungen zum Einsatz sogenannter Harvester im Bereich der Forsttechnik. In der Ausgabe Nr. 19/2009 der Zeitschrift H.-Z. vom 8.5.2009 erschien ein Artikel in der Rubrik „Lesermeinung“ mit der Überschrift „Grünen-Politiker führt Wahlkampf mit unfairen Mitteln“. Er bezog sich auf eine Sendung im Saarländischen Rundfunk vom 24.4.2009 zum Thema „Verwüstung des Waldes“ und trug den Untertitel: „Forstunternehmer wehren sich gegen Vorwürfe von Förster und Grünen-Funktionär K. B. im Saar-Fernsehen“ (Bl. 46 d. A.). In dem Artikel hieß es unter anderem:

„Noch dreister wurde es, als K. B. (Förster und stellv. Landesvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Saarland) behauptete, dass ein Harvester tiefe Fahrspuren auf der Rückegasse hinterlasse und nicht mit naturnaher Waldwirtschaft in Einklang zu bringen sei.

[…]

Herr B. verbreitet wissentlich die Unwahrheit und versucht mit durchsichtigen Methoden, durch die ‚angebliche Waldzerstörung‘ Wahlkampf zu führen […]“

Am 18.5.2009 richtete der Verfügungskläger daraufhin einen Leserbrief an die Zeitschrift „H.-Z.“. Darin schrieb er (Bl. 9 d. A.):

„In der Ausgabe 12/01 der Zeitschrift Harvest Magazin wird der Harvestereinsatz wie folgt beschrieben:

‚Wie ein leichtfüßiger Saurier frisst sich der Harvester lärmend mit ungeheuerem Appetit durch den Wald. Alle 32 Sekunden wird ein Baum gefällt. Alles elektronisch gesteuert aus der schallisolierten, schlagsicheren Führerkabine. Dort sitzt G. W. bei säuselnder Popmusik und bewegt sein Hightech-Ungetüm durch unwegsames Gelände mit nur leichtem Druck auf die beiden Joysticks.‘

Und auch der europaweit in Sachen naturnahe Waldwirtschaft wohl renommierteste Waldbauprofessor Prof. Dr. D. M. kommt 1991 zu einem ähnlichen Urteil, wenn er den Einsatz der Maschine beschreibt:

‚Die unheilvolle Verbindung von Technik und Destruktivität wirkt sich nicht nur beim Menschengeschlecht selbst aus, sondern auch auf seine Mitwelt und ganz besonders auf die Waldlandschaft. Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zwischen einer während des Krieges gefallenen Nation und einem gefallenen Wald. Beide wurden durch Ideologien geleitet und in einem kybernetischen Prozess vernichtet – mit Hilfe der verleiteten Personen bzw. der Maschinen. Dabei führt der Pilot des Bombers und der Pilot des Vernichtungsprozessors im Wald kaum bewusst, gefühllos, die Befehle zum Massenmord aus.‘

Eine Literaturrecherche ergab in diesem Zusammenhang folgendes. Der Name Harvester wurde bezeichnender Weise im Zusammenhang mit Kriegsschiffen im 2. Weltkrieg gebraucht. So war die HMS Harvester (H19) ein Zerstörer der H-Klasse der britischen Royal Navy. […]

Naturnahe Waldpflegemaßnahmen im Gemeindewald K. vor einiger Zeit, jüngste Maßnahmen im Gemeindewald N., im Staatswald bei V., Sch. und anderswo zeigen das gemeinsame Ergebnis der Einsatzziele der Harvester und zwar ‚Beute machen‘ und Zerstörung. Auf der einen Seite gegnerische Schiffe, auf der anderen Seite Wälder und ihre Böden […]“

Am 22.12.2009 veröffentlichte die B. S. einen Bericht (Bl. 8 d. A.) unter der Überschrift

„Staatssekretär nennt Holzfäller Massenmörder“.

Auf der Abbildung eines Waldarbeiters beim Fällen eines Baumes war folgender Text abgedruckt:

„Forstarbeiter in Aktion: B. verglich ihre Arbeit mit der von Massenmördern“

Im Text hieß es:

„In einem Beitrag für die Forst-Fachzeitschrift ‚H.-Z.‘ hat der Grünen-Vize die Waldarbeiter mit Massenmördern verglichen.

B. in der Zeitschrift: „Im Prinzip gibt es keinen Unterschied zwischen einer während des Krieges gefallenen Nation und einem gefallenen Wald.“ Weiter schreibt er: „ Dabei führen der Pilot des Bombers und der Pilot des Vernichtungsprozesses im Wald … die Befehle zum Massenmord aus .“ WORTE WIE PEITSCHENHIEBE!“

In der Ausgabe vom 22.12.2009 hieß es im Impressum der B. S.:

“ B. S.: Chef der Regionalredaktion: F. R., R. S. (StV.) […]

ViSdP: B.-Bundesausgabe […] : J. Q. […] .BILD-SAARLAND: R. S. „

In der Ausgabe vom 29.12.2009 ist im Impressum unter „ViSdP“ der Verfügungsbeklagte aufgeführt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2009 (Bl. 10 d. A.) forderte der Verfügungskläger die A. S. AG zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf. Unter dem 29.12.2009 (Bl. 14 d. A.) erinnerte er nochmals hieran und setzte eine Frist auf den 31.12.2009. Das letztgenannte Schreiben übermittelte er per Fax auch an die Regionalredaktion in Saarbrücken.

Mit weiterem Schreiben vom 4.1.2010 (Bl. 17 d. A.) – dieses war erstmals auch vom Verfügungskläger unterzeichnet – wurde erneut eine Gegendarstellung verlangt. Das Schreiben wurde vorab per Fax an den Sitz des A. S. Verlags und am gleichen Tag an die Redaktion Saarbrücken gesandt (Bl. 6 d. A.).

Der Verfügungskläger hat die Ansicht vertreten, die Verfügungsbeklagten hätten unzutreffende Tatsachenbehauptungen aufgestellt, indem sie aus Passagen seines Leserbriefs schlussfolgerten, er habe Holzfäller Massenmörder genannt, die Arbeit von Forstarbeitern mit der von Massenmördern sowie Waldarbeiter mit Massenmördern verglichen. Er habe in dem Brief keine Person als Massenmörder bezeichnet und im Übrigen in dem Zitat lediglich auf Fahrer von Harvestern Bezug genommen, keineswegs auf Holzfäller im Allgemeinen (Bl. 6 d. A.).

Der Verfügungskläger hält beide Verfügungsbeklagte für passivlegitimiert, weil es nach seiner Auffassung – in Bezug auf den Verfügungsbeklagten zu 1) – allein darauf ankomme, wer zum Zeitpunkt des Zugangs des Gegendarstellungsbegehrens als Redakteur verantwortlich zeichne (Bl. 57, 58 d. A.).

Der Verfügungskläger hat beantragt,

den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, unverzüglich ohne Einschaltungen und Weglassung und in gleicher Aufmachung wie die Ausgangsberichterstattung in der B. S. vom 22.12.2009, Seite 5, die nachfolgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:
Gegendarstellung
zum Bericht in der B. S. vom 22.12.2009, Seite 5, „Staatssekretär nennt Holzfäller Massenmörder“

Am 22.12.2009 haben Sie in der B. S. auf Seite 5 einen Artikel veröffentlicht, der unzutreffende Behauptungen über mich enthält.

1. Sie schreiben:

„Staatssekretär nennt Holzfäller Massenmörder“.

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe zu keinem Zeitpunkt Holzfäller Massenmörder genannt.

2. Weiter heißt es:

„Forstarbeiter in Aktion: B. verglich ihre Arbeit mit der von Massenmördern“.

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe die Arbeit von Forstarbeitern zu keinem Zeitpunkt mit der von Massenmördern verglichen.

3. Darüber hinaus schreiben Sie:

„… hat der Grünen-Vize die Waldarbeiter mit Massenmördern verglichen“.

Hierzu stelle ich fest:

Ich habe zu keinem Zeitpunkt Waldarbeiter mit Massenmördern verglichen.


Die Verfügungsbeklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte zu 1) hat sich für nicht passiv legitimiert gehalten und hierzu – unbestritten – vorgetragen, er sei für die fragliche Ausgabe nicht verantwortlicher Redakteur gewesen (Bl. 38 d. A.). Zudem hat er das Fehlen der vorgerichtlichen Inanspruchnahme seiner Person nach § 10 Abs. 3 SMG gerügt. Ferner ist er der Auffassung gewesen, es gehe allein um den Bereich der Meinungsäußerung und der Kritik an der vom Verfügungskläger geäußerten Meinung (Bl. 39 d. A.). Der Verfügungskläger mache sich in seinem Leserbrief die Stellungnahme des Prof. Dr. M. zu eigen. Indem der Bericht die Aussage des Verfügungsklägers als Vergleich von Baumfällen und Massenmord interpretiere, werde sie bewertet (Bl. 40 d. A.). Die Verfügungsbeklagten meinen, der Verfügungskläger müsse hinnehmen, dass seine pointierte Meinung ebenso pointiert aufgefasst und kritisiert werde (Bl. 41 d. A.)

Mit den am 27.1.2010 und 10.2.2010 verkündeten Urteilen (Bl. 59 d. A.) hat das Landgericht Saarbrücken den Anträgen stattgegeben. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Verfügungsbeklagten haben dagegen Berufung eingelegt.

Der Verfügungsbeklagte zu 1) stellt seine presserechtliche Verantwortung nach § 10 SMG im Hinblick auf seine unstreitige Urlaubsabwesenheit am Vortag der Veröffentlichung (21.12.2009) in Abrede. Nach seiner Ansicht kommt es nicht darauf an, dass er am 29.12.2009 – dem Tag, für den der Verfügungskläger eine Gegendarstellung begehrte – im Impressum aufgeführt gewesen sei. Eine den gesetzlichen Erfordernissen erstmals genügende Gegendarstellung sieht er erst in dem an die A. S. AG adressierten Fax vom 4.1.2010. Auch im Zeitraum 30.12.2009 bis 8.1.2010 sei er indessen in Urlaub gewesen (Bl. 84 d. A.). Der Verfügungsbeklagte meint, dass das Landgericht den „Chef der Regionalredaktion“ der B. S. und den Verantwortlichen im Sinne des § 10 Abs. 1 SMG verwechsle (Bl. 84/85 d. A.).

Der Verfügungsbeklagte zu 1) vertritt weiter die Auffassung, § 10 Abs. 4 S. 1 SMG statuiere ein vorgerichtliches Verlangen nach einer Gegendarstellung als Prozessvoraussetzung (Bl. 85/86 d. A.). Die Übermittlung des Abdruckverlangens vom 4.1.2010 an die A. S. AG in Berlin und die Weiterleitung per Fax nach Saarbrücken erachtet er als nicht ausreichend als vorgerichtliche Inanspruchnahme seiner Person. Nach seiner Meinung hätte ihm selbst eine unterschriebene Gegendarstellung vorliegen müssen (Bl. 87 d. A.).

Die Verfügungsbeklagte zu 2) vertritt die Auffassung, das Landgericht habe seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen.

Die Verfügungsbeklagten meinen zudem, sie würden in unzulässiger Weise zur Gegendarstellung gegen eine Meinungsäußerung verpflichtet.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

unter Abänderung der Urteile des LG Saarbrücken 12 O 4/10 vom 27.1.2010 und 12 O 14/10 vom 10.2.2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.
II.

Die Berufungen sind begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO sind nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob der Verfügungsbeklagte zu 1) der richtige Anspruchsgegner für ein Gegendarstellungsverlangen und auf formell ordnungsgemäße Weise in Anspruch genommen worden ist. Dahinstehen kann – im Hinblick auf § 513 Abs. 2 ZPO – auch, welches der richtige Gerichtsstand für ein Gegendarstellungsverlangen ist (zum Streitstand vgl. MünchKommBGB/Rixecker, Anh. zu § 12 Rdn. 256).

Der Verfügungskläger hat nämlich keinen Verfügungsanspruch. Er kann die begehrte Gegendarstellung nicht verlangen. Denn die Äußerungen, zu denen eine Gegendarstellung verlangt wird, geben Meinungen kund und behaupten keine Tatsachen.

1.

Mit einer Gegendarstellung darf lediglich eine tatsächliche Erwiderung auf eine Tatsachenbehauptung erfolgen. Meinungsäußerungen werden von dem Regime des Gegendarstellungsrechts nicht erfasst (MünchKommBGB/Rixecker, a.a.O. Rdn. 241). Für die Einstufung einer Aussage als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob sie im Wege des Beweises – jedenfalls theoretisch – verifizierbar ist. Bei einer Meinungsäußerung scheidet das aus, weil sie durch wertende Elemente geprägt ist und deshalb nicht „wahr“ oder „unwahr“ sein kann. Die Zuordnung richtet sich danach, ob aus der Sicht eines unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten (siehe BGH, Urt. v. 16.6.1998 – VI ZR 205/97NJW 1998, 3047) die subjektive Beurteilung im Vordergrund steht oder die wertende Mitteilung von Geschehenem (Seitz/Schmidt/Schoener, Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdn. 304). In komplexen Äußerungen, in denen sich passagenweise berichtende und wertende Elemente mischen, dürfen die tatsächlichen Elemente nicht isoliert, aus dem Kontext herausgelöst und dem Regime der persönlichkeits- und medienrechtlichen Verteidigung gegen Tatsachenbehauptungen unterworfen werden (BVerfGE 85, 1 ff.). Das gilt auch für Zitate. Als solche behaupten sie, der Zitierte habe sich – genau so – geäußert. Werden sie indessen bekräftigt und in einen wertenden Zusammenhang gestellt, können sie zum Teil einer Meinungsäußerung werden (BGH NJW 2005, 279, 281; MünchKommBGB/Rixecker, a.a.O. Rdn. 142). In jedem Fall kommt es darauf an, den sprachlichen, gegebenenfalls auch den bildlichen, Kontext sowie die weiteren Begleitumstände einer Äußerung einzubeziehen (BGH VersR 2005, 277; NJW 1998, 3047). Das schließt nicht aus, im Wege der Gegendarstellung die Klarstellung zu verlangen, eine als Zitat berichtete Äußerung des Betroffenen sei kein Zitat. Allein ein solches Verlangen richtet sich dann gegen eine Tatsachenbehauptung.

Wären die drei streitgegenständlichen Mitteilungen als Wiedergabe von Zitaten zu verstehen, mit welcher dem Verfügungskläger zugeschrieben würde, ausdrücklich – oder doch zumindest in der Formulierung eng daran angelehnt – gesagt oder geschrieben zu haben: „Holzfäller sind Massenmörder“, wären sie daher einer Gegendarstellung zugänglich. Ob Derartiges (mehr oder weniger) explizit formuliert wurde, ließe sich ohne weiteres überprüfen und bejahen oder verneinen.

2.

Das ist jedoch nicht der Fall.

Zwar scheint der in der Überschrift des Artikels gebrauchten Aussage, „Staatssekretär nennt Holzfäller Massenmörder“ , auf den ersten Blick kein wertender Gehalt zuzukommen. Das hält einem zweiten indessen nicht Stand.

Nach Aufbau und Gestaltung des Berichts handelt es sich bei den drei Äußerungen, welche der Verfügungskläger – ausschließlich – zum Gegenstand seines Gegendarstellungsbegehrens macht, um plakative, zusammenfassende wertende Schlussfolgerungen aus dem Inhalt des in der Zeitschrift „H.-Z.“ veröffentlichten Leserbriefs. Das ergibt sich allein schon aus der Verwendung des Verbs „vergleichen“. Wer vergleicht, „hält“ das Verglichene – wenn auch aufgrund der Betrachtung tatsächlicher Umstände – für ähnlich. Diese Ähnlichkeit können unterschiedliche Leser für berechtigt oder unberechtigt halten, für wahr oder falsch indessen nicht.

Der Charakter als Stellungnahme ergibt sich im Übrigen aus dem notwendigen textlichen und grafischen Zusammenhang der Überschrift („Staatssekretär nennt …“) mit der kommentierenden Bildzeile („B. verglich ihre Arbeit…“) und der Einleitung des Artikels („hat der Grünen-Vize die Waldarbeiter … verglichen“). Das alles nimmt erkennbar Bezug auf einen „Beitrag“ des Verfügungsklägers für die Forstfachzeitschrift H.-Z., greift also einen Disput über eine öffentlich diskutierte, nahezu ausschließlich mit Wertungen geführte Auseinandersetzung auf. Die Kennzeichnungen „nennt“ und „verglich“ sind also – wie es der Verfügungskläger in seiner Antragsschrift selbst zutreffend wörtlich sieht – „Schlussfolgerungen“ , also Wertungen.

Die folgenden Auszüge aus diesem Leserbrief, in denen von dem Piloten eines Bombers einerseits und dem Piloten des „Vernichtungsprozesses“ im Wald als Ausführendem von Massenmordbefehlen – die von dem Verfügungskläger zitierte Äußerung spricht allerdings von einem „Vernichtungsprozessor“ – unterstreichen, dass die Veröffentlichung sich wertend mit wertenden Stellungnahmen befasst. Für den unvoreingenommenen durchschnittlichen Leser, der selbstredend weiß, dass Holzfäller keine Massenmörder sind, gibt der Bericht den Leserbrief des Verfügungsklägers in Teilen wieder und kommentiert, darauf aufbauend, dessen Inhalt mit den gewählten Formulierungen. Anders ausgedrückt: Der Leser erkennt, dass der Verfasser des Zeitungsberichts meint , der Verfügungskläger habe mit seinem Leserbrief Holzfäller auf eine Stufe mit Massenmördern gestellt. Diese Wertung kann man teilen oder nicht teilen, mit den allein auf Tatsachen beziehbaren Attributen wahr oder falsch kann sie nicht versehen werden.

Insoweit ist auch völlig unerheblich, dass sich der Verfügungskläger – wie er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – sich lediglich mit dem industriellen Einsatz von Harvestern beschäftigt hat. Auch die plakative Verkürzung auf den Begriff „Holzfäller“ oder „Waldarbeiter“ nimmt teil am wertenden Charakter, den die Pressefreiheit der Verfügungsbeklagten schützt.

Soweit die Berichterstattung impliziert, die wörtlich wiedergegebenen Formulierungen des Leserbriefs seien solche des Verfügungsklägers selbst und nicht etwa wiederum Zitate (des Prof. Dr. M.), hat der Verfügungskläger die fehlende Kennzeichnung des – unstreitig wörtlich in seinem Leserbriefs enthaltenen – Texts als eines Drittzitats, von dem er sich allerdings auch nicht distanziert hat, nicht zum Gegenstand seines Begehrens gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist eine Entscheidung über die Zulassung der Revision nicht veranlasst.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Via http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&Art=en&sid=cdd178eae017bdea561a4a287ecdac79&nr=3116&pos=0&anz=6

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