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OLG Karlsruhe: Indizwirkung gemeinsamer Vergütungsregeln auf die Bestimmung der angemessenen Vergütung

OLG Karlsruhe, Urteil v. 11.02.2015, Az. 6 U 115/13

1. Von Vereinigungen von Urhebern und Vereinigungen von Werknutzern getroffene gemeinsame Vergütungsregeln im Sinne des § 36 UrhG haben Indizwirkung auf die Bestimmung einer angemessenen Vergütung für den Zeitraum, der vor Inkrafttreten der Vergütungsregeln liegt.

2. Die Indizwirkung der Vergütungsregeln ist umso stärker, je kürzer der Zeitpunkt oder der Zeitraum einer Periode zurückliegt, für den die Angemessenheit einer Vergütung zu bestimmen ist. Ist der zeitliche Abstand größer, so schwächt sich die Indizwirkung tendenziell ab.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 6 U 115/13

Verkündet am: 11.02.2015

I.
Das Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. November 2014 – 6 U 115/13 – wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 02. August 2013 – 7 O 308/12 – wie folgt abgeändert wird: Von den Kosten erster Instanz tragen die Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3.

II.
Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Versäumnisurteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

V.
Die Revision wird zugelassen.

I.

Die Parteien streiten um Honorarnachzahlungen für Text- und Bildbeiträge, welche der Kläger der Beklagten zwischen 2009 und 2011 zur Verfügung stellte und welche die Beklagte als Herausgeberin und Verlegerin der A. Zeitung druckte und veröffentlichte.

Der Kläger ist freier Journalist. Zwischen 2001 und Oktober 2011 war er als freier Mitarbeiter für die Redaktion der „A. Zeitung“ tätig und verfasste Wort- und Bildbeiträge für die Ressorts Lokales, Wirtschaft, Kultur, Sport und Geschäftliches. Ein schriftlicher Vertrag über den Umfang der Einräumung von Nutzungsrechten und das Honorar bestand zwischen den Parteien nicht.

In den Jahren 2009 bis 2011 erhielt der Kläger für Textbeiträge eine Vergütung von 0,33 EUR/Zeile und für Bildbeiträge Vergütungen von 11,00 EUR, 20,63 EUR oder 27,50 EUR. Für bestimmte Wort- und Bildbeiträge wurde er durch Pauschalhonorare vergütet, die sich zwischen 20 EUR und 150 EUR bewegten. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger e.V. – handelnd als Vertreter von im einzelnen aufgeführten Mitgliedsverbänden –, der Deutsche Journalisten-Verband e.V. und die Vereinigte Dienst- leistungsgewerkschaft ver.di stellten am 17. Dezember 2009 mit Wirkung zum 1. Februar 2010 basierend auf § 36 UrhG gemeinsame Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen auf (Anlage K 5). Diese Vergütungsregeln legen Zeilenhonorare für Textbeiträge fest, die nach der Art des Beitrags, der Auflagenhöhe und der Art des eingeräumten Nutzungsrechts (Erstdruckrecht oder Zweitdruckrecht) gestaffelt sind. Im Hinblick auf Bildhonorare wurde ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, das mit einem Einigungsvorschlag der Schlichtungsstelle Fotohonorare vom 1. Februar 2013 (Anlage K 39) endete. Dieser Vorschlag wurde inzwischen von den beteiligten Verbänden anerkannt. Die gemeinsamen Vergütungsregeln für Fotohonorare traten mit Wirkung vom 1. Mai 2013 in Kraft. Für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen bestehen Tarifverträge, die ab dem 1.8.2008 bzw. dem 1.8.2010 gültig sind und Honorare für Text- und Bildbeiträge festlegen (Anlagen K 8, K 9).

Der Kläger hat geltend gemacht, die ihm zugeflossenen Texthonorare seien am Maßstab der gemeinsamen Vergütungsregeln zu messen und deshalb unangemessen im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG. Er habe Anspruch auf Einwilligung in eine Vertragsänderung, durch die ihm eine angemessene Vergütung zugebilligt werde. Angemessen sei ein Zeilenhonorar von 0,65 EUR für Nachrichten und Berichte und ein Zeilenhonorar von 0,81 EUR für Reportagen und Gerichtsberichte. Daraus ergebe sich eine Gesamtnachzahlung für die Jahre 2009 bis 2011 für die Textbeiträge in Höhe von 20.339,84 EUR.

Das Honorar für seine Bildbeiträge sei ebenfalls unangemessen gewesen. Die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Journalisten legten eine angemessene Vergütung fest, nach der sich für den Kläger eine Forderung von 50.540,30 EUR für die Bildbeiträge ergebe.

Für die pauschal abgerechneten Beiträge, bei denen es sich sämtlich um Reportagen oder Gerichtsberichte handele, stehe dem Kläger nach den vorgenannten Maßstäben noch ein restlicher Betrag von 15.846,67 EUR zu. Insgesamt belaufe sich die Forderung damit auf 86.626,81 EUR netto zuzüglich 7% Umsatzsteuer entsprechend 92.690,68 EUR. Ferner hat der Kläger die Einwilligung der Beklagten in eine näher bezeichnete Vertragsanpassung nach § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG begehrt.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, in die Abänderung der mit dem Kläger seit dem 01.01.2009 geschlossenen Verträge, die den Veröffentlichungen sämtlicher Textbeiträge des Klägers, einschließlich der von der Beklagten pauschal abgerechneten Beiträge des Klägers, in der Pforzheimer Zeitung vom 02.01.2009 bis 13.11.2011 gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2009 bis 2011 (Anlagen K 3.1., K 3.2., K 3.3.) zugrunde lagen, dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für sämtliche Textbeiträge wie folgt festgelegt werden:

Veröffentlichungen in der A. Zeitung (Auflage: bis 50.000):
Nachrichten und Berichte: Euro 0,65 pro Druckzeile (Erstdruckrecht)
Reportagen, Gerichtsberichte: Euro 0,81 pro Druckzeile (Erstdruckrecht) Reportagen und Gerichtsberichte sind alle gemäß den Honorarabrechnungen der Beklagten (Anlagen K 3.1., K 3.2. und K 3.3.) pauschal abgerechneten Beiträge.

2. Die Beklagte wird verurteilt, in die Abänderung der mit dem Kläger seit dem 01.01.2009 geschlossenen Verträge, die den Veröffentlichungen sämtlicher Bildbeiträge des Klägers, einschließlich der von der Beklagten pauschal abgerechneten Beiträge des Klägers in der A. Zeitung vom 02.01.2009 bis 13.11.2011 gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2009 bis 2011 (Anlagen K 3.1., K 3.2., K 3.3.) zugrunde lagen, dahingehend einzuwilligen, dass die dem Kläger zustehenden Honorarsätze für sämtliche Bildbeiträge wie folgt festgelegt werden:

Zeitraum: 01.01.2009 – 30.04.2009
Art der Veröffentlichung: Erstdruckrecht
schwarz/weiß: Euro 49,40
Farbe: Euro 62,40
Titelfoto s/w: Euro 98,80
Titelfoto Farbe: Euro 124,80

Zeitraum: 01.05.2009 – 30.09.2011
Art der Veröffentlichung: Erstdruckrecht
schwarz/weiß: Euro 50,20
Farbe: Euro 62,75
Titelfoto s/w: Euro 100,40
Titelfoto Farbe: Euro 125,50

Zeitraum: 01.10.2011 – 13.11.2011
Art der Veröffentlichung: Erstdruckrecht
schwarz/weiß: Euro 51,20
Farbe: Euro 64,00
Titelfoto s/w: Euro 102,40
Titelfoto Farbe: Euro 128,00

2a) Hilfsweise zu den Anträgen Ziffern 1 und 2:
Die Beklagte wird verurteilt, in die Abänderung der mit dem Kläger seit dem 01.01.2009 geschlossenen Verträge, die den Veröffentlichungen der Text- und Bildbeiträge des Klägers in der „A. Zeitung“ vom 02.01.2009 bis 13.11.2011 gemäß Abrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2009 bis 2011 (Anlagen K 3.1., K 3.2., K 3.3.} zugrunde lagen, dahingehend einzuwilligen, dass der Kläger eine vom Gericht im Wege der freien Schätzung festzusetzende, angemessene Vergütung für die Übertragung der urheberrechtliehen Nutzungsrechte an seinen in der A. Zeitung vom 02.01.2009 bis 13.11.2011 veröffentlichten Text- und Bildbeiträgen erhält, die über die von der Beklagten gemäß den im Zeitraum vom 03.02.2009 bis 01.12.2011 erteilten Honorarabrechnungen (Anlagen K 3.1., K 3.2., K 3.3.) für die Text- und Bildbeiträge des Klägers gezahlten Vergütungen hinausgeht, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung der Verträge entsprechend zu formulieren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 92.690,68 nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klage zu zahlen.

3a) Hilfsweise zu Antrag 3:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den sich aus der Abänderung der Ver- träge zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß Ziffer 2a) ergebenden Be- trag der dem Kläger zustehenden, über die bereits geleistete Vergütung hinaus- gehenden Vergütung für die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an seinen in der „A. Zeitung“ vom 02.01.2009 bis 13.11.2011 veröffentlichten Text- und Bildbeiträgen zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer in der zum Zeit- punkt der Zahlung geltenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Anwendbarkeit der gemeinsamen Vergütungsregeln auf den Fall des Klägers, der nicht hauptberuflich tätig gewesen sei, bestritten. Jedenfalls für den Zeitraum vor dem 1. Februar 2010 seien die gemeinsamen Vergütungsregeln nicht anwendbar. Aus den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Journalisten könne nicht auf die branchenübliche oder angemessene Vergütung für freie Journalisten geschlossen werden. Im Übrigen seien die behaupteten Ansprüche des Klägers verwirkt, weil dieser im Sommer 2011 nur ein Zusatzhonorar für Zweitveröffentlichungen gefordert und erhalten habe. Der Tarif für das „Erstdruckrecht“ sei nicht einschlägig, weil der Beklagten lediglich ein einfaches Nutzungsrecht eingeräumt worden sei.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 47.187,97 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Hinblick auf die Textbeiträge ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von den Parteien zugrunde gelegte Vergütung von 0,33 EUR/Zeile nicht angemessen sei. Ab dem Inkrafttreten der gemeinsamen Vergütungsregeln am 1.2.2010 indiziere der Vergleich mit den darin bestimmten Honoraren, die zwischen 0,62 und 0,68 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht von Nachrichten und Berichten und zwischen 0,78 und 0,84 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht von Reportagen und Gerichtsberichten liegen, die Unangemessenheit der gezahlten Vergütung. Die gemeinsamen Vergütungsregelungen lieferten auch im Hinblick auf den Kläger die einschlägigen Maßstäbe für die Feststellung der Unangemessenheit. Das Landgericht hat es für erwiesen erachtet, dass der Kläger hauptberuflich als Journalist für Tageszeitungen tätig gewesen sei. Es ist außerdem davon ausgegangen, dass für die Beurteilung der Unangemessenheit die in den gemeinsamen Vergütungsregeln vereinbarten Sätze für das Erstdruckrecht einschlägig seien. Unter dem Erstdruckrecht verstehen die gemeinsamen Vergütungsregeln ein begrenztes ausschließliches Nutzungsrecht, bei dem der Urheber nach Erscheinen des Beitrags in der Zeitung berechtigt ist, diesen anderweitig zu vervielfältigen oder zu verbreiten. Obgleich es im vorliegenden Fall an einer ausdrücklichen Vereinbarung dazu fehlte, hat das Landgericht angenommen, dass der Kläger der Beklagten das Erstdruckrecht konkludent eingeräumt habe. Das ergebe sich daraus, dass der Kläger seine im Auftrag der Beklagten verfassten Artikel nur oder jedenfalls zuerst der „A. Zeitung“ angedient habe. Die in den gemeinsamen Vergütungsregeln vereinbarten Honorare hat das Landgericht auch für den Zeitraum vor dem 1. Februar 2010, jedenfalls bis zum 1. Januar 2009, indiziell zur Bemessung der Angemessenheit herangezogen. Der Beklagten sei es nicht gelungen, eine abweichende Branchenübung substantiiert darzulegen. Angesichts des deutlichen Abstands zwischen der vereinbarten Vergütung und den Tarifen der gemeinsamen Vergütungsregeln sei anzunehmen, dass die vereinbarte Vergütung auch bereits im Januar 2009 unangemessen gewesen sei.

Im Hinblick auf die Bemessung des Zahlungsanspruchs hat das Landgericht im Anschluss an den Vorschlag des Klägers und in Ausübung des ihm durch § 287 ZPO eröffneten Ermessens jeweils den Mittelsatz der in den gemeinsamen Vergütungsregeln bestimmten Rahmensätze zugrunde gelegt. Die gleichen Vergütungssätze hat das Landgericht für den vor Inkrafttreten der Vergütungsregeln liegende Zeitraum (1. Januar 2009 bis 31. Januar 2010) herangezogen. Unter Zugrundelegung dieser Beträge hat sich im Hinblick auf die Wortbeiträge eine berechtigte Nachforderung von 20.339,84 EUR ergeben.

Im Hinblick auf die Bildbeiträge hat das Landgericht ebenfalls die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung bejaht. Den Rückgriff auf die Heranziehung der Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Journalisten an Tageszeitungen hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, die Interessenverbände der Journalisten hätten sich mit ihrer Forderung, die dort festgesetzten Fototarife auf alle Journalisten auszudehnen, gerade nicht durchsetzen können. Auch bei den Texthonoraren lägen die Honorare nach den gemeinsamen Vergütungsregeln deutlich unter denjenigen der Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Journalisten. Zur Beurteilung konnte das Landgericht auch nicht auf gemeinsame Vergütungsregeln zurückgreifen. Unter Bezugnahme auf eine in einem anderen Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart durchgeführte Beweisaufnahme und die Ausführungen des dort angehörten Sachverständigen hat das Landgericht angenommen, dass wegen der erheblichen Bandbreite der Vergütungssätze nicht von einer Branchenüblichkeit ausgegangen werden könne. Innerhalb der gerichtlichen Schätzung gem. § 287 ZPO hat sich das Landgericht an dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle Fotohonorare vom 1. Februar 2013 orientiert, weil es sich dabei um die aktuellste einschlägige Stellungnahme handelte, die wegen der paritätischen Besetzung der Schiedsstelle eine gewisse Ausgewogenheit für sich in Anspruch nehmen könne. Auch diesem Einigungsvorschlag hat das Landgericht indizielle Bedeutung für die jüngere Vergangenheit vor dem Zeitpunkt des Einigungsvorschlages beigemessen. Insoweit hat das Landgericht die Honorarkategorie für das Erstdruckrecht herangezogen, und Mindesthonorare zwischen 28 und 40 EUR vorgesehen. Im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hat das Landgericht nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt, welcher Platzkategorie die insgesamt 1.327 Fotos zuzuordnen sind. Im Hinblick auf die Tarifierung im Einigungsvorschlag hat das Landgericht die durchschnittliche Vergütung auf 36 EUR/Foto festgesetzt. Daraus hat es einen restlichen Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 14.817,70 EUR ermittelt.

Im Hinblick auf das Pauschalhonorar ist das Landgericht ebenfalls von der Unangemessenheit des dem Kläger zugeflossenen Honorars ausgegangen. Insoweit hat das Landgericht die Pauschalhonorare mit den nach den für angemessen erachteten Sätzen für Text- und Bildbeiträge verglichen und ist als Folge der erheblichen Differenz zur Unangemessenheit gelangt. Für die Bemessung des angemessenen Honorars hat das Landgericht auf die Maßstäbe zur Bemessung des Honorars von Bild- und Textbeiträgen zurückgegriffen und eine Differenz von 8.943,37 EUR ermittelt. Zuzüglich der Umsatzsteuer von 7% ergibt sich daraus der ausgeurteilte Betrag von 47.187,97 EUR.

Den Verwirkungseinwand hat das Landgericht zurückgewiesen, weil Ansprüche aus § 32 UrhG bereits einer kurzen Verjährung von drei Jahren unterlägen und eine weitere Abkürzung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden könne. Solche Umstände seien vorliegend nicht erkennbar. Dass der Kläger aus einem anderen Rechtsgrund, nämlich wegen ungenehmigter Zweitverwertung seiner Artikel, eine zusätzliche Vergütung gefordert und erhalten habe, genüge hierfür nicht.

Im Hinblick auf den Antrag des Klägers auf Einwilligung in die Vertragsanpassung, hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Insoweit ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die berechtigten Interessen des Klägers vollständig durch den bezifferten Zahlungsantrag gewahrt würden. Es sei ausgeschlossen, dass es künftig zu von den Aufträgen gedeckten Nutzungshandlungen komme, für welche die nunmehr begehrten Vertragsanpassungen noch von Bedeutung sein könnten.

Das Unterliegen des Klägers hat das Landgericht bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt, weil den auf Einwilligung in die Vertragsanpassung gerichteten Anträgen kein eigener wirtschaftlicher Wert zukomme und im Hinblick auf die Kürzung des Zahlungsanspruchs die Bemessung vom richterlichen Ermessen abhänge.

Mit ihrer Berufung greift die Beklagte das Urteil in vollem Umfang an. Im Hinblick auf die Unangemessenheit der ursprünglich vereinbarten Vergütungssätze macht die Beklagte geltend, dass die gemeinsamen Vergütungsregeln die Ansprüche des Klägers nicht erfassten, weil der Kläger nicht hauptberuflicher Journalist an Tageszeitungen sei. Für verfehlt hält die Berufung auch das Abstellen auf den für das Erstdruckrecht vereinbarten Honorarsatz. Weil die Prozessparteien keine Vereinbarung über die Art des Nutzungsrechts getroffen hätten, müsse es bei der Grundregel des § 38 Abs. 3 S. 1 UrhG bleiben, dass die Beklagte nur das einfache Nutzungsrecht erworben habe.

Dasselbe müsse für die Prüfung der Unangemessenheit der für Bildbeiträge gezahlten Honorare gelten. Das Landgericht habe im Übrigen zu Unrecht angenommen, dass sich eine branchenübliche Vergütung nicht feststellen lasse. Die Zugrundelegung des Einigungsvorschlages der Schiedsstelle Fotohonorare sei mit § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG unvereinbar. Mit dem Einigungsvorschlag im Jahr 2013 hätten die Tarifparteien Neuland betreten, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der Größe des veröffentlichten Fotos.

Schließlich beanstandet die Berufung die Kostenentscheidung. Wenn der Kläger nur mit einem Hauptantrag teilweise Erfolg habe, seien auch die Kosten entsprechend der Regel des § 92 Abs. 1 ZPO zu teilen.

Im Verhandlungstermin vom 12.11.2014 war die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Auf Antrag des Klägers ist die Berufung der Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen worden. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Beklagten auferlegt worden. Die Beklagte hat fristgemäß Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 12.11.2014 und das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 02.08.2013 – 7 O 308/12 – unter Abweisung der Klage aufzuheben.

Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der gemeinsamen Vergütungsregeln vertieft er seinen Vortrag, hauptberuflicher Journalist an Tageszeitungen zu sein.

Im Hinblick auf die Qualität des der Beklagten eingeräumten Abdruckrechts macht der Kläger geltend, dass die über ein Jahrzehnt hinweg innerhalb der Geschäftsbeziehung praktizierte Übung, Textberichte und Fotografien zunächst der „A. Zeitung“ anzudienen und ihr faktisch das Recht des ersten Zugriffs einzuräumen, die Grundlage der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gebildet habe. Weitere Indizien lieferten der Umstand, dass der Kläger fast ausschließlich im Auftrag der Beklagten tätig war, sowie die Formulierung im Arbeitszeugnis des Klägers, dass er „exklusiv“ für die Beklagte tätig gewesen sei. Auch die Vermutungsregel des § 6 Abs. 3 S. 4 der gemeinsamen Vergütungsregeln gehe davon aus, dass ein nicht weiter qualifiziertes Angebot eines Journalisten bei der Einsendung oder Vorlage eines Beitrags an den Verlag als zur Erstveröffentlichung befristetes ausschließliches Nutzungsrecht gem. § 38 Abs. 3 S. 2 UrhG gelte.

Im Hinblick auf die Bildbeiträge stützt der Kläger ebenfalls die Annahme des Landgerichts, wonach es sowohl an gemeinsamen Vergütungsregeln als auch an branchenüblichen Vergütungen fehle. Die Orientierung am Einigungsvorschlag der Schiedsstelle Fotohonorare hält der Kläger ebenfalls für angemessen. Dafür spreche auch, dass dieser Vorschlag zwischenzeitlich von den beteiligten Verbänden anerkannt worden sei.

Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend ebenso Bezug genommen wie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

II.

Das Versäumnisurteil des Senats ist mir der aus dem Tenor des vorliegenden Urteils ersichtlichen Einschränkung hinsichtlich der Kostenentscheidung des Landgerichts (vgl. unten 3.) aufrechtzuerhalten, § 343 S. 1 ZPO. In der Sache erweist sich die zulässige Berufung der Beklagten als unbegründet.

1. Der vom Landgericht unter 1. ausgeurteilte Zahlungsanspruch besteht in eben dieser Höhe auf der Grundlage von § 32 Abs. 1 S. 1 UrhG.

a) Der Senat geht davon aus, dass die Parteien nicht nur auf Grund einer mindestens konkludent getroffenen Abrede darüber einig waren, dass die Beklagte zur Nutzung der vom Kläger zur Verfügung gestellten Werke berechtigt war, sondern dass zwischen ihnen auch eine Vergütungsregelung bestand, die den Inhalt hatte, dass der Kläger der Beklagten ein Erstnutzungsrecht (dazu u.) an seinen Werken zu den von dieser angebotenen Konditionen einräumte. Dies ergibt sich aus der unstreitigen Handhabung während der annähernd zehn Jahre lang bestehenden Geschäftsverbindung. Dass die Nutzungsverträge jeweils konkludent geschlossen wurden, steht der Annahme einer Vergütungsregel nicht zwingend entgegen (so aber wohl Dreier/Schulze/Schulze, UrhG, 4. Aufl., 2013, § 32 Rn. 24). Vorliegend ergibt sich aus der langjährigen Übung der Beteiligten ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt auch im Hinblick auf die Höhe der Vergütung. Der Anspruch auf angemessene Vergütung ergibt sich somit nicht unmittelbar aus § 32 Abs. 1 S. 2 UrhG, sondern allein in Verbindung mit dem Anspruch auf Einwilligung in die Änderung des Vertrages im Hinblick auf die Vergütungshöhe gem. § 32 Abs. 1 S. 3 UrhG.

Der Zahlungsanspruch kann aber gleichwohl unmittelbar klagweise geltend gemacht werden (so bereits Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern vom 23.01.2002, BT-Drs. 14/8058, S. 18). Als Vorbilder wurden zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschriften die zivilrechtlichen Rechtsinstitute der Wandelung sowie der Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage betrachtet. Zahlungsklage und Klage auf Einwilligung in die Vertragsänderung sind demgemäß zu verbinden (BGH, ZUM-RD 2011, 212 – Angemessene Übersetzervergütung III; BGH, GRUR 2009, 939 – Mambo No. 5, Rn. 35, zur Parallelvorschrift in § 32a UrhG; Wandtke/Bullinger/Wandtke/Grunert, UrhR, 3. Aufl., 2009, § 32 Rn. 18; Dreier/Schulze/Schulze, § 32 Rn. 25).

b) Die zwischen den Parteien vereinbarten Vergütungen für die Einräumung von Nut- zungsrechten an den geschützten Werken des Klägers waren unangemessen und be- gründen Ansprüche des Klägers auf ergänzende Vergütungen.

aa) Wortbeiträge
aaa) Nach dem 1. Februar 2010
Bei der Beurteilung der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung ist im Hinblick auf die nach dem 1. Februar 2010 zur Verfügung gestellten Wortbeiträge gem. § 36 Abs. 1 UrhG unmittelbar auf die gemeinsamen Vergütungsregeln abzustellen.

(1) Die gemeinsamen Vergütungsregeln sind hinsichtlich ihres persönlichen Anwendungsbereichs einschlägig. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum als hauptberuflicher Journalist für Zeitungen tätig. Gemäß § 1 Abs. 1 der gemeinsamen Vergütungsregeln hat der vom DJV Baden-Württemberg ausgestellte Presseausweis indizielle Wirkung für die Hauptberuflichkeit der journalistischen Tätigkeit. Etwaige Interessenverbindungen zwischen dem DJV Baden-Württemberg und dem Kläger vermögen diese Indizwirkung jedenfalls insoweit nicht zu beeinträchtigen, als der erste insoweit relevante Presseausweis des Klägers (Anlage K 1) bereits im Jahr 2009 und damit erheblich vor dem Rechtsstreit oder seiner Absehbarkeit ausgestellt wurde. Hinzu kommen die vom Kläger vorgelegten Umsatzsteuernachweise für die Jahre 2009 – 2011 (Anlage K 26 – 28), die im Hinblick auf ihren Umfang ebenfalls eine hauptberufliche journalistische Tätigkeit für die Beklagte nahelegen. Die Einkommenssteuerbescheide des Klägers, vorgelegt für die Jahre 2009 – 2011 jeweils in Form der maßgeblichen Seite über die Besteuerungsgrundlagen (Anlage K 58), belegen ebenfalls, dass der Kläger weder zu versteuernde Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit noch in maßgeblichem Umfang aus selbständiger Tätigkeit außerhalb der Geschäftsbeziehung mit der Beklagten erzielt haben kann: Ausweislich der Abrechnungen der Beklagten (Anlage K 3.1.) hat der Kläger etwa im Jahr 2009 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für die Beklagte in Höhe von knapp 29.000 EUR erzielt. Seine Umsatzsteuer für denselben Zeitraum geht von Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von knapp 41.000 EUR und etwa 3.000 EUR zum Regelsteuersatz (Anlage K 26) aus. Die Differenz in Höhe von etwa 12.000 EUR gibt keinen Grund zu der Annahme, dass der Kläger nicht hauptsächlich für die Beklagte tätig gewesen ist. Die vorgelegten Einkommensteuerbescheide (Anlage K 58) machen darüber hinaus deutlich, dass der Kläger auch keiner nicht selbständigen Tätigkeit nachgegangen ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Beklagten, die hauptberufliche journalistische Tätigkeit des Klägers zu widerlegen, berücksichtigt der Senat, dass regelmäßige unselbständige Tätigkeiten schwer geheim zu halten und dementsprechend leicht für die Beklagte festzustellen wären. Auch wäre es für die Beklagte einfach gewesen, durch Vortrag zum zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Klägers die Indizwirkung von Presseausweis und Steuerbescheiden zu entkräften.

(2) Innerhalb der gemeinsamen Vergütungsregeln ist auf die für die Einräumung des Erstdruckrechts geltenden Tarife abzustellen. Der Urheber räumt mit dem Erstdruckrecht – und das unterscheidet es vom Zweitdruckrecht – gem. § 9 Nr. 1 der gemeinsamen Vergütungsregeln ein begrenztes ausschließliches Nutzungsrecht nach Maßgabe des § 38 Abs. 3 S. 2 UrhG ein: Sogleich nach Erscheinen des Beitrags auf Veranlassung des Erstdruckberechtigten ist der Urheber wieder berechtigt, den Beitrag anderweitig zu vervielfältigen und zu verbreiten.

Der Wortlaut des § 38 Abs. 3 UrhG („…, wenn nichts anderes vereinbart ist“), macht zwar deutlich, dass ausschließliche Nutzungsrechte die gegenüber dem einfachen Nutzungsrecht zu begründende Ausnahme sind. Es entspricht aber dem Primat der Privatautonomie im Bürgerlichen Rechtsverkehr, vereinbarten Regelungen den Vorrang zu gewähren. Im Hinblick auf das Vorliegen einer solchen Vereinbarung, insbesondere ihre Feststellung im Wege der Auslegung konkludenter Erklärungen, ist der Schutzzweck des § 38 Abs. 3 S. 2 UrhG zu berücksichtigen: Mit der Vorschrift soll der besonderen Interessenlage von Zeitungsredakteuren Rechnung getragen werden, die durch die Tagesaktualität von Zeitungsberichten entsteht (OLG München, ZUM 2011, 576, 581; LG Erfurt, ZUM 2012, 261, 264). Zeitungsredakteure sind darauf angewiesen, tagesaktuelle Berichte in den Zeitungen des jeweils folgenden Tages zu platzieren, und müssen deshalb die Möglichkeit haben, ihre Berichte mehreren Verlegern anzubieten, ohne Gefahr zu laufen, zustande kommende Nutzungsverträge zu verletzen und sich dadurch ersatzpflichtig zu machen. Dem dient die angesprochene Zweifelsregelung zugunsten der Einräumung eines bloß einfachen Nutzungsrechts. Diese besonderen Interessen stehen vorliegend nicht im Raum, da der Kläger seine tagesaktuellen Berichte eben nicht parallel mehreren Zeitungen zur Veröffentlichung angeboten hat und daher auch nicht vor möglichen Vertragsverletzungen geschützt werden muss.

Vorliegend haben die Parteien zumindest konkludent ein Erstdruckrecht vereinbart. Was bei Arbeitsverträgen die betriebliche Übung ist, stellt im Rechtsverkehr zwischen Nicht- Verbrauchern die laufende Geschäftsverbindung dar. Die innerhalb einer solchen Geschäftsverbindung im Lauf der Zeit entwickelte und regelmäßig der Abwicklung zugrunde gelegte Praxis begründet nicht allein ein schutzwürdiges Vertrauen der Parteien darauf, dass bei künftigen Verträgen entsprechend verfahren werde, sondern ist als konkludente Vereinbarung, in ihrer Wirkung einem Rahmenvertrag vergleichbar, zu deuten (BGH, Urt. v. 12.02.1992, VIII ZR 84/91, NJW 1992, 1232, zur Einbeziehung von AGB; BGH, Urt. v. 03.05.2006, VIII ZR 183/05, TranspR 2006, 315, zur Auslegung eines Kommissionsgeschäfts; BGH, Urt. v. 27.09.2011, XI ZR 328/09, DB 2011, 2767, zur konkludenten Genehmigung einer Lastschriftbuchung; LG München I, Urt. v. 11.09.2012, 28 O 30145/11). Die im vorliegenden Fall entwickelte Praxis ist eindeutig. Dass der Kläger der Beklagten seine Wortbeiträge über einen Zeitraum von beinahe zehn Jahren stets als erster zur Verfügung gestellt und vor dem Abdruck durch diese auch keinem anderen zur Veröffentlichung angeboten hat, wurde von der Beklagten nicht bestritten. Unter diesen Umständen ist von der konkludenten Einräumung eines Erstdruckrechts auszugehen. Dadurch unterscheidet sich der Fall auch von dem vom OLG Köln (ZUM-RD 2014, 373) entschiedenen.

(3) Gemessen an den einschlägigen Honorarsätzen der gemeinsamen Vergütungsregeln sind die vereinbarten Vergütungen unangemessen. Beim Zustandekommen gemeinsamer Vergütungsregeln wird deren Angemessenheit unwiderleglich vermutet, §§ 32 Abs. 2 S. 1, 36 UrhG. Sehen sie einen Rahmen vor, so ist die Vergütung angemessen, solange sie in diesen Rahmen fällt (vgl. BT-Drucks 14/8058, S. 18). Einer weiteren Feststellung der Angemessenheit bedarf es dort nicht mehr. Für den hier zu beurteilenden Fall einer Unterschreitung der Untergrenze des Rahmens zum Nachteil des Urhebers ist die gesetzliche Regelung dahin zu verstehen, dass eine Vergütung, die nicht mindestens der Untergrenze des Rahmens entspricht, unangemessen ist (vgl. Schricker/Haedicke in Schricker/Loewenheim 4. Aufl. § 32 Rdn. 28). Jedenfalls begründet die Unterschreitung der Untergrenze aber ein starkes – und im Streitfall nicht entkräftetes – Indiz für die Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung (Wandtke/Bullinger/Grunert § 32 UrhG Rdn. 26). Im Ergebnis ist die vereinbarte Vergütung deshalb unangemessen.

(4) Zur Feststellung der angemessenen Vergütung, auf welche der Kläger einen Anspruch hat, ist insoweit unmittelbar auf die gemeinsamen Vergütungsregeln zurückzugreifen. Diese bestimmen zwar Rahmensätze für das Erstdruckrecht von Nachrichten und Berichten (0,62 – 0,68 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht von Nachrichten und Berichten; 0,78 – 0,84 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht von Reportagen und Gerichtsberichten und dergleichen). Das Landgericht hat insoweit von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, gem. § 287 ZPO eine Schätzung vorzunehmen, und ist jeweils von den Mittelwerten (0,65 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht an Nachrichten und Berichten; 0,81 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht an Reportagen und Gerichtsberichten) ausgegangen. Einen Fehler lässt diese Schätzung nicht erkennen.

bbb) Vom 2. Januar 2009 bis zum 31. Januar 2010
(1) Im Hinblick auf die zwischen dem 2.1.2009 und dem 31.1.2010 eingereichten und abgedruckten Wortbeiträge folgt die Unangemessenheit der Vergütung nicht unmittelbar aus §§ 32 Abs. 2 S. 1, 36 UrhG, da die gemeinsamen Vergütungsregeln erst am 1. Februar 2010 in Kraft traten.

Der Senat geht gleichwohl von der Unangemessenheit der Vereinbarungen aus, da er den in den gemeinsamen Vergütungsregeln getroffenen Vergütungssätzen eine starke Indizwirkung für die Angemessenheit innerhalb einer kurzen (ca. ein Jahr) Periode unmittelbar vor dem Inkrafttreten der gemeinsamen Vergütungsregeln beimisst. Es ist gerichtsbekannt, dass sowohl die allgemeine Lohn- als auch die Preisentwicklung in dieser Phase sehr stabil verlaufen sind. Die Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, weshalb die in den gemeinsamen Vergütungsregeln enthaltenen Sätze für diesen Zeitraum nicht der Branchenübung bzw. den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien entsprochen haben sollte. Die erhebliche Abweichung der vereinbarten Vergütung von den in den gemeinsamen Vergütungsregeln festgesetzten Tarifen begründet die Unangemessenheit.

(2) Für die Bemessung der angemessenen Vergütung kann unter Zugrundelegung derselben Schätzung hinsichtlich der Rahmensätze von einem angemessenen Honorar von 0,65 EUR/Zeile für das Erstdruckrecht an Nachrichten und Berichten sowie von 0,81 EUR/Zeile für das Erstruckrecht an Reportagen und Gerichtsberichten ausgegangen werden.

ccc) Geht man von den unter aaa) und bbb) dargelegten Grundsätzen sowie von der als Anlage K 18 a vorgelegten und als solche von der Beklagten auch in der Berufungsinstanz nicht beanstandeten Forderungsaufstellung des Klägers aus, ergibt sich, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit gezahlten Beträge ein zusätzlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 20.339,84 EUR.

bb) Fotobeiträge
(aaa) Auch die für Fotobeiträge vereinbarte Vergütung ist unangemessen. Die in der Zwischenzeit verabschiedeten gemeinsamen Vergütungsregeln für Fotohonorare sind erst mit Wirkung vom 1. Mai 2013 in Kraft getreten und daher nicht unmittelbar auf den für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraum anwendbar. Ihnen kommt aber aus den schon genannten Gründen im Hinblick auf die Angemessenheit vereinbarter Vergütungen indizielle Kraft zu. Allerdings ist diese Indizwirkung wegen des zeitlichen Abstandes – vorliegend bis zu annähernd vier Jahre – tendenziell abgeschwächt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Verbraucherpreisindex – wie im Verhandlungstermin vom 12.11.2014 mit den Parteien erörtert – zwischen Februar 2009 und Mai 2013 nur von 98,9 auf 105,5 (vgl. ) und mithin um lediglich knapp 6,7 % angestiegen ist, geht der Senat wegen der erheblichen Differenz der Vergütungssätze und insbesondere der niedriger bepreisten Fotobeiträge von der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung aus: Für die kleinsten Bildbeiträge (kleiner als 1-spaltig) sehen die gemeinsamen Vergütungsregeln bei der zugrunde zu legenden Auflage von 50.000 und der Einräumung eines Erstdruckrechts (vgl. dazu o.) eine Vergütung von 28 EUR vor, wohingegen die vertraglich vereinbarte Vergütung mit nur 11 EUR nicht einmal 50 % dieses Betrages erreichte. Auch bei den am höchsten vergüteten Fotobeiträgen (4- spaltig und größer) ist die Differenz ganz erheblich (40 EUR in den gemeinsamen Ver- gütungsregeln gegenüber 27,50 EUR vertraglich vereinbart).

bbb) Zur Bemessung des angemessenen Honorars kann auf die gemeinsamen Vergütungsregeln für Fotohonorare zurückgegriffen werden. Den gemeinsamen Vergütungsregeln liegen dieselben Strukturentscheidungen und Tarifsätze zugrunde wie bereits dem vom Landgericht herangezogenen Einigungsvorschlag der Schiedsstelle Fotohonorare. Die Ausführungen des Landgerichts zur Bemessung der angemessenen Vergütung im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO lassen auch insoweit keinen Rechtsfehler erkennen.

Die Schätzung verpflichtet das Gericht insbesondere weder, auf eine Klärung der für die Tarifeinordnung an sich maßgeblichen Abbildungsgröße hinzuwirken, noch zu einer Berechnung auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwerts zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert. Im Hinblick auf die Zahl von 1.327 Fotobeiträgen würde eine nachträglich als Folge der Regelungsstrukturen der gemeinsamen Vergütungsregeln entstehende prozessuale Last, im Einzelnen zur Größe der Abbildungen vorzutragen, sowohl dem Zweck des § 32 UrhG zuwiderlaufen als auch das Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz verletzen. Die Abweichung vom arithmetischen Mittel (34 EUR) nach oben (36 EUR) hat das Landgericht aus Sicht des Senats ausreichend damit begründet, dass die überwiegende Zahl der Fotos in die Kategorie „kleiner als 4-spaltig“ (38 EUR) falle und die Kategorie „kleiner als 1-spaltig“ (28 EUR) nur „in Ausnahmefällen“ betroffen sei.

Der Berufung ist zuzugeben, dass das Kriterium der Abbildungsgröße neu von den Vergütungsregelungen eingeführt worden ist und vordem unüblich gewesen sein mag. Ein Rückgriff auf dieses Kriterium wird durch § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG gleichwohl nicht ausgeschlossen. § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG verlangt allein, dass vordringlich auf die übliche Praxis im Sinne einer Branchenpraxis (vgl. etwa BT-Drs. 14/8058, S. 18) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückgegriffen wird. An einer solchen Branchenpraxis fehlt es vorliegend aber gerade.

Vor diesem Hintergrund hat das Gebot der Redlichkeit – wiederum bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses – überragende Bedeutung. Nichts spricht dagegen, die von allen relevanten Interessengruppen in den gemeinsamen Vergütungsregeln für Fotohonorare zugrunde gelegten Tarifstrukturen, die sich vorliegend an der Größe der abgedruckten Fotografien orientieren, bei der Bemessung der redlicher Weise zu leistenden Vergütung heranzuziehen.

Eines Abschlages wegen der zwischen der angemessen zu vergütenden Leistungserbringung zwischen Februar 2009 und Ende 2011 und dem Inkrafttreten der gemeinsamen Vergütungsregeln im Mai 2013 verstrichenen Zeit bedurfte es nicht. Wie bereits ausgeführt haben sich in diesem Zeitraum keine Veränderungen auf der Leistungs- oder Vergütungsseite ergeben, welche die Angemessenheit in erheblichem Umfang berührt hätten. Die überschaubare Preissteigerung, die sich in der Tendenz zugunsten des Klägers auswirkt, wird im Rahmen der Schätzung von sich zu seinen Lasten auswirkenden Umständen neutralisiert und begründet keinen rechtserheblichen Fehler der gerichtlichen Schätzung. Die darauf gründende Berechnung durch das Landgericht lässt keine Fehler erkennen.

ccc) Die auf dieser Schätzung beruhende Berechnung des Landgerichts ist ebenfalls korrekt und begründet einen zusätzlichen Vergütungsanspruch in Höhe von 14.817,70 EUR.

cc) Pauschalhonorare
Pauschalhonorare werden als Vergütungsmodus von § 32 UrhG zwar nicht ausgeschlossen (BT-Drs. 14/8058, S. 18), müssen sich aber auch über den Durchschnitt eines längeren Zeitraumes hinweg auf dem Niveau angemessener Vergütungen halten (BGH, GRUR 2009, 1148 – Talking to Addison, Rn. 24). Abweichungen von den angemessenen Vergütungen wird man bei Pauschalhonoraren im Einzelfall insbesondere dann hinzunehmen haben, wenn der Eigenwert der Pauschalierung im Sinne der Verfahrensvereinfachung und Risikobegrenzung im Vordergrund steht. Bei einer über annähernd zehn Jahre währenden Geschäftsverbindung mit durch Pauschalhonorare vergüteten Beiträgen von insgesamt fast 16.000 Zeilen sowie annähernd 250 Fotos muss jedoch eine enge Anlehnung an den nach den gemeinsamen Vergütungsregeln bzw. im Übrigen angemessenen Honoraren erkennbar sein. Unter Zugrundelegung der für Wort- und Bildbeiträge heranzuziehenden Vergleichsgrundlagen fehlt es vorliegend an der Angemessenheit, da von der nach den oben entwickelten Grundsätzen angemessenen Vergütung von 21.743,37 EUR erheblich nach unten abgewichen wurde. Erhalten hat der Kläger nämlich nur 12.800 EUR. Im Hinblick auf die Differenz in Höhe von 8.943,37 EUR hat der Kläger daher einen zusätzlichen Vergütungsanspruch.

dd) Die Teilbeträge von 20.339,84 EUR (Wortbeiträge), 14.817,70 EUR (Fotobeiträge) und 8.943,37 EUR (Pauschalhonorare) ergeben in der Summe einen Gesamtbetrag von 44.100,91 EUR. Einschließlich der vom Kläger auf diesen Betrag abzuführenden Umsatzsteuer von 7 % ergibt sich die ausgeurteilte Gesamtforderung von 47.187,97 EUR.

c) Der Anspruch des Klägers ist nicht im Hinblick darauf verwirkt, dass er im Sommer 2011 eine zusätzliche Vergütung gefordert und erhalten hat. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten, vom Kläger nicht mehr im Hinblick auf die Angemessenheit der Vergütung in Anspruch genommen zu werden, wurde dadurch nicht begründet. Der Anspruch auf Vergütung der Zweitverwertung beruht auf einem anderen Rechtsgrund. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, denen zu entnehmen wäre, dass durch die Zahlung alle etwaigen Ansprüche abgegolten sein sollten.

2. Soweit der Zahlungsanspruch besteht, wird er von einem Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. §§ 291, 288 Abs. 2 BGB begleitet. Der Zahlungsanspruch wurde gleichzeitig mit dem Anspruch auf Einwilligung in die Vertragsänderung rechtshängig.

3. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist allerdings nicht frei von Rechtsfehlern. Die erstinstanzlichen Kosten hat nicht die Beklagte allein zu tragen. Vielmehr sind diese Kosten zu 1/3 dem Kläger und (nur) zu 2/3 der Beklagten aufzuerlegen, §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

a) Die Klagabweisung im Hinblick auf die Klaganträge 1., 2. und 2 a) (Anträge auf Einwilligung in die Vertragsanpassung) beruht nicht auf einem Unterliegen des Klägers in der Sache, sondern auf der hier nicht mehr zur Prüfung stehenden Annahme des Landgerichts, dass es einer Einwilligung der Beklagten im Hinblick auf die abgeschlossenen Nutzungshandlungen in der Vergangenheit nicht bedurfte. Vor diesem Hintergrund ist aber jedenfalls die Einschätzung des Landgerichts, dass diesen Anträgen kein eigener wirtschaftlicher Wert zukomme, zutreffend.

b) Die teilweise Abweisung des bezifferten Zahlungsantrags 3. musste jedoch bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten gem. § 92 ZPO berücksichtigt werden. Eine ausnahmsweise Verlagerung der Kosten auf die Beklagte gem. § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt vorliegend nicht in Betracht. Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Überwälzung des Kostenrisikos auf den Kläger dann unbillig erscheint, wenn für ihn im Zeitpunkt der Klageerhebung deren Vermögenswert noch nicht erkennbar ist (MüKo-ZPO/Schulz, 4. Aufl., 2013, § 92 Rn. 22). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gesetzgeber die Bemessung von Zahlungspflichten ins Ermessen der Gerichte gestellt hat. Vor diesem Hintergrund wird in solchen Fällen auch ein unbezifferter Zahlungsantrag als mit dem Bestimmtheitsgrundsatz für vereinbar gehalten. Konsequenterweise ist es nach allgemeiner Auffassung auch bei der Klage auf angemessene Vergütung zulässig, einen unbestimmten Zahlungsantrag zu stellen.

Vorliegend hat der Kläger aber unter 3. einen bezifferten Antrag gestellt. Fordert der Kläger einen bestimmten Betrag, so gelten keine Besonderheiten. Die Heranziehung von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO scheidet im Fall einer erheblichen Unterschreitung des klägerseits bezifferten Betrags aus (OLG Köln, NJW 1989, 720, 721: 7.000 statt 10.000 DM; MüKo-ZPO/Schulz, § 92 Rn. 23). Nur wenn der Kläger die Bemessung des Anspruchs der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts stellt und in der Klagebegründung lediglich unverbindliche Vorstellungen über die Größenordnung äußert, ist § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulasten des Beklagten anwendbar, sofern das Gericht von der Angabe des Klägers um nicht mehr als 20 – 30% (so zum Schmerzensgeld BGH, JurBüro 1965, 371; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 955; OLG Köln, ZfS 1994, 362, 363; OLG Koblenz, AnwBl. 1990, 398) nach unten abweicht. Selbst nach diesem Maßstab schiede die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorliegend aus, da der zugesprochene Betrag (47.187,97 EUR) um beinahe 50 % hinter dem eingeklagten Betrag (92.690,68 EUR) zurückbleibt. Das teilweise Obsiegen der Beklagten im Kostenpunkt kann für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vernachlässigt werden.

4. Im Übrigen ergeben sich die Nebenentscheidungen aus §§ 704, 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 709 S. 3 ZPO greift nicht ein, Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift be- schränkt sich auf Entscheidungen, die unter § 709 ZPO fielen, wenn kein Versäumnisurteil erlassen worden wäre.

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