OLG Hamburg, Urteil v. 02.03.2010, Az. 7 U 125/09
Ein aktiver Profi-Sportler hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr, wenn in einer Werbeanzeige sein Name aufgrund aktueller Ereignisse aufgegriffen wird, um in satirischspöttischer Form Kritik am Einfluss von Geld und Geldgebern im Profi-Sport zu üben.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 7 U 125/09
Verkündet am: 2010-03-02
In dem Rechtsstreit
[…]
hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 7. Zivilsenat […], nach der am 2.3.2010 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:
1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Auskunft sowie Zahlung einer fiktiven Lizenz gerichtete Stufenklage des Klägers abgewiesen.
Der Kläger ist Mitglied der deutschen Fußballnationalmannschaft und spielt in der englischen Premier League für den FC C., welcher dem russischen Finanzinvestor R. A. gehört. Ende 2008/Anfang 2009 wurde in den Medien die Frage aufgeworfen, ob A. im Zuge der Finanzkrise den FC C. oder der FC C. den Kläger verkaufen müsse (vgl. Anl. B 5, B 3).
Die Beklagte ist eine Privatbank. Sie ließ Anfang 2009 online (unter anderem auf www.s.de) eine Anzeige schalten, die aus einer Folge von fünf Teilen bestand. Der Text des ersten Teils lautete:
Es folgen die Teile:
und
Wegen der Einzelheiten der Anzeige wird auf die als Anlage K 1 eingereichten Ausdrucke Bezug genommen.
Der Kläger hatte der Verwendung seines Namens nicht zugestimmt. Die Beklagte gab auf Aufforderung eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, weigerte sich aber, hinsichtlich des Umfangs der Nutzung umfassend Auskunft zu erteilen und eine Lizenz zu zahlen.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte zwar den Namen des Klägers zu kommerziellen Zwecken genutzt und damit in die vermögenswerten Bestandteile seines Persönlichkeitsrechts eingegriffen habe. Diese Beeinträchtigung habe der Kläger aber hinzunehmen, da die beanstandete Anzeige nicht ausschließlich der Werbung diene, sondern sich in Form der Satire mit den Auswirkungen der Finanzkrise auf den Finanzinvestor A. bzw. auf den in seinem Eigentum stehenden FC C. befasse. Nur scheinbar, nicht ernsthaft werde A. aufgefordert, sein Vermögen bei der Beklagten mit einer besonders hohen Rendite anzulegen, um so zu verhindern, dass er seinen bekannten Spieler, den Kläger, verkaufen müsse. Das Interesse des Klägers, ohne seine Einwilligung nicht in einer Werbeanzeige namentlich genannt zu werden, müsse – nach den vom Bundesgerichtshof in den Urteilen vom 26.10.2006, Az. I ZR 182/04 (Rücktritt des Finanzministers), und vom 5.6.2008, Az. I ZR 96/07 (Zerknitterte Zigarettenschachtel), aufgestellten Grundsätzen – gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten, zumal die Werbeanzeige für den Kläger keinen herabsetzenden Inhalt habe und auch nicht den Eindruck erwecke, dass der Kläger sich mit den Finanzdienstleistungen der Beklagten identifiziere oder diese empfehle.
Der Kläger bekämpft das Urteil mit der form- und fristgemäß eingelegten Berufung und macht geltend, dass die vom Bundesgerichtshof in den beiden vom Landgericht zitierten Entscheidungen sowie in dem weiteren Urteil vom 5.6.2008, Az. I ZR 223/05 (Schau mal, D.) genannten Voraussetzungen für eine zulässige werbliche Vereinnahmung nicht erfüllt seien. Die Anzeige der Beklagten sei nicht satirischspöttisch. Konstitutives Merkmal einer Satire sei die ernstliche Kritik, die mal polemisch, mal didaktisch und mal schlichtweg unterhaltend transportiert werden könne. Eine derartige mit den Mitteln der Satire verfremdete Kritik sei der Anzeige der Beklagten nicht zu entnehmen. Weder A. noch der Kläger oder der FC C. würden kritisiert. Es werde allenfalls spöttisch auf etwaige finanzielle Einbußen A. Bezug genommen. Satire sei dies nicht.
Die Zulässigkeit der namentlichen Nennung hänge entgegen der Auffassung des Landgerichts davon ab, ob die Anzeige ein öffentlich diskutiertes Ereignis thematisiere, an dem der Benannte beteiligt sei. Liege – wie vorliegend – kein Bezug zu realen Geschehnissen oder Begebenheiten vor, so bestehe überhaupt kein Informationsinteresse der Allgemeinheit. Soweit es überhaupt Spekulationen über einen „Verkauf“ des Klägers gegeben habe, so seien diese gänzlich haltlos gewesen. Überdies habe der Kläger nicht selbst durch ein Verhalten zu einer angeblich öffentlichen Diskussion beigetragen; insofern unterscheide sich der vorliegende Fall ebenfalls von den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen.
Auch habe Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger eine Privatperson sei, die weder ein politisches Amt noch sonstige offizielle Funktionen ausübe. Insgesamt müsse die Abwägung zu Gunsten des Persönlichkeitsrechts ausfallen.
Der Kläger beantragt,
(Anzeige)
b. den jeweiligen Abrufort der geschalteten Anzeige;
c. die Anzahl der Ad-Impressions;
d. die mit der jeweiligen Schaltung der Anzeige verbundenen Kosten
e. den Inhalt des von der Beklagten erteilten Auftrags an den Online-Vermarkter;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Lizenz zu zahlen, deren Höhe nach Erteilung der mit dem Antrag zu Ziffer 1. verlangten Auskünfte beziffert wird.
Die Beklagte beantragt,
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 26.10.2006, Az. I ZR 182/04 – Rücktritt des Finanzministers -, vom 5.6.2008, Az. I ZR 96/07 – Zerknitterte Zigarettenschachtel – und vom 5.6.2008, Az. I ZR 223/05 – Schau mal, D…….. -) kann in Fällen, in denen mit dem Bild oder dem Namen einer bekannten Persönlichkeit für ein Produkt oder eine Dienstleistung geworben wird, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht hinzunehmen sein, wenn sich der Werbende wegen des Inhalts der Anzeige auf die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerungsfreiheit berufen kann. Der Umstand, dass mit der Verwendung des Namens des Betroffenen in erster Linie bei den Betrachtern Aufmerksamkeit erregt werden sollte, um letztlich die Bekanntheit des beworbenen Produkts oder der beworbenen Dienstleistung zu erhöhen, steht dem nicht entgegen. Zu berücksichtigen ist, dass die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts keinen Verfassungsschutz, sondern nur einfachgesetzlichen Schutz genießen. Die mit der Namensnennung in einer Werbeanzeige verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kann deshalb zulässig sein, wenn sich die Werbeanzeige in satirischspöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzt, an dem der Genannte beteiligt war, wenn der Image- und Werbewert des Genannten durch die Verwendung seines Namens nicht ausgenutzt wird und wenn nicht der Eindruck erweckt wird, der Genannte identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es.
Hiervon ausgehend ist das Landgericht zutreffend nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger kein Lizenzanspruch zusteht. Sein Interesse, nicht in der Werbeanzeige genannt zu werden, hat gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse, das für die Beklagte streitet, zurückzutreten. Die Werbeanzeige der Beklagten erweckt in keiner Weise den Eindruck, dass der Kläger Finanzdienstleistungen der Beklagten empfehle oder diese Bank überhaupt kenne. Der Image- und Werbewert des Klägers wird deshalb auch nicht ausgenutzt. Der Betrachter der Anzeige stellt entgegen der Auffassung des Klägers auch keine gedankliche Beziehung zwischen ihm (Kläger) und der beworbenen Finanzdienstleistung her. Die Nennung des Namens soll zwar die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Anzeige lenken und somit auch die Bekanntheit der Dienstleistung der Beklagten und deren Umsatz erhöhen. Dieser Umstand ist indes nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien nicht ausschlaggebend. Von entscheidendem Gewicht ist vielmehr, dass die Werbeanzeige einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Die Beklagte übt in satirischspöttischer Form Kritik daran, welchen Einfluss Geld und Geldgeber auf den Fußballsport haben und dass das sportliche Schicksal von Vereinen und Spielern von den Auswirkungen der Finanzkrise abhängen kann. Insofern weist die Anzeige entgegen der Auffassung des Klägers durchaus kritische Züge auf, auch wenn der Kläger nicht persönlich, sondern allenfalls in seiner von Geldgebern beeinflussten Rolle als Profisportler kritisiert wird. Das Thema ist für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsam, da die Frage, welchen Einfluss Geld auf den Sport hat, von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse ist. Die Frage, ob zum Zeitpunkt der Werbeaktion tatsächlich Anzeichen dafür bestanden, dass A. den Kläger „verkaufen“ müsse, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben. Gegen die Zulässigkeit der Werbeanzeige spricht auch nicht, dass der Kläger – anders als die Betroffenen in den BGH-Fällen „Zerknitterte Zigarettenschachtel“ und „Schau mal, D.“ – keine bestimmte Verhaltensweise gezeigt hat, an die die Anzeige erinnert und an die die geäußerte Kritik anknüpft. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof zwar über Sachverhalte entschieden hat, in denen die jeweiligen Rechtsträger im Rahmen der aufgegriffenen Ereignisse selbst gehandelt hatten. Hieraus lässt sich aber nicht der Rückschluss ziehen, dass ein Zeitgeschehen, welches für sich genommen von gesellschaftlichem Interesse ist, nicht aufgegriffen werden darf, wenn eine erwähnte Person von diesem Zeitgeschehen und/oder der satirischen Umsetzung dieses Geschehens eher mittelbar betroffen ist wie hier der Kläger. Vielmehr wirkt sich im Rahmen der Abwägung der Umstand, dass sich die vorliegende Werbung – anders als diejenige in den genannten BGH-Fällen – nicht über eine Verhaltensweise des Klägers lustig macht und mithin die Werbung für den Kläger nicht abträglich ist, eher zugunsten der Zulässigkeit der Anzeige aus. Der Anwendung der Kriterien des Bundesgerichtshofs steht auch nicht entgegen, dass der Kläger weder ein politisches Amt noch eine sonstige offizielle Funktion ausübt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof im Fall „Schau mal, D.“ klargestellt, dass nicht nur Politiker, sondern auch sonstige Personen des öffentlichen Lebens zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses eine Vereinnahmung im Rahmen einer Werbung unter den genannten Voraussetzungen hinnehmen müssen. Hieran kann bei dem Kläger als weltbekanntem Fußballspieler kein Zweifel bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.