OLG Hamburg, Urteil v. 31.01.2006, Az. 7 U 108/05
1. Eine Bildberichterstattung kann insbesondere dann einen gewichtigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen, wenn die Veröffentlichung der Aufnahmen einer Vielzahl von Personen das Auffinden der Wohnung des Betroffenen ermöglicht. Ansonsten kann regelmäßig eher von der Betroffenheit des Persönlichkeitsrechts in einem peripheren Randbereich ausgegangen werden.
2. Wird lediglich die Außenansicht eines privaten Wohnhauses gezeigt, wobei weder der Eingangsbereich, noch Klingelschild oder Briefkasten erkennbar sind, ist ein Grundrechtseingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich nur in außerordentlich geringem Maße anzunehmen. In einem solchen Fall obsiegt die Pressefreiheit bei der Abwägung der im Falle einer Berichterstattung kollidierenden Rechtsgüter.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 7 U 108/05
Verkündet am: 2006-01-31
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. April 2005, Geschäftsnummer 324 O 90/05, abgeändert.
Die einstweilige Verfügung vom 21. Februar 2005 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Aufhebung der Verbotsverfügung vom 21. Februar 2005 und zur Zurückweisung des diesem Beschluss zu Grunde liegenden Antrags vom 15. Februar 2005.
Unter Berücksichtigung des Inhalts der Verhandlungen ist nicht davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegeben sind. Es kann nämlich nicht angenommen werden, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Filmaufnahmen, die nicht von der Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerin vom 10. März 2005 erfasst werden und die die Wohnanlage zeigen, in der sich die Wohnung des Antragstellers befindet, rechtswidrig erfolgt ist.
Die Veröffentlichung der Filmaufnahmen, soweit dabei nicht auch der Hauseingang und das Klingelschild und/oder der Briefkasten des Antragstellers zu sehen ist (vgl. die insoweit erfolgte Unterlassungsverpflichtungserklärung, Anl. AG 1), verletzt nicht in rechtswidriger Weise die geschützte Privatsphäre des Antragstellers. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Grundrechte überwiegt das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG das Schutzinteresse des Antragstellers.
Die Antragsgegnerin hat mit den Veröffentlichungen der Aufnahmen und der Mitteilung, dass diese die Wohnanlage, in der der Antragsteller wohne, zeigten, in die Privatsphäre des Antragstellers eingegriffen. Durch die Beiordnung des Namens hat die Antragsgegnerin einem breiten Publikum Einblicke in einen Lebensbereich des Antragstellers gewährt, der sonst allenfalls den Personen bekannt war, die im Vorübergehen oder Vorüberfahren die Wohnanlage betrachten und zudem in Erfahrung gebracht haben, dass sich die Wohnung des Antragsteller in dieser Anlage befindet (vgl. BGH, AfP 2004, 116, 118; AfP 2004, 119, 121). Dieser Eingriff in die Privatsphäre des Antragstellers ist isoliert gesehen indes als gering anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 9. Dezember 2003 (BGH, a.a.O.) sogar die Veröffentlichung von Abbildungen von Einzelhäusern, die unter Durchbrechung des Sichtschutzes des Grundstücks von einem Hubschrauber aus aufgenommen wurden, lediglich als Eingriff in die Randzone der Privatsphäre des Grundstücksinhabers eingestuft. Vorliegend hätte der Eingriff in die Privatsphäre allerdings dann deutlich höheres Gewicht, wenn dem Landgericht darin gefolgt werden könnte, dass die Veröffentlichung der Aufnahmen einer Vielzahl von Personen das Auffinden der Wohnung des Antragstellers ermöglichen würde. Insoweit vermag der Senat indes die Auffassung des Landgerichts nicht zu teilen. Die streitigen Aufnahmen geben dem Betrachter keine Information darüber, wo in der Stadt Köln die Wohnanlage zu finden ist. Auch im Begleittext der Sendung findet sich kein derartiger Hinweis. Insoweit liegt der vorliegende Fall anders als derjenige, der der Entscheidung des Senats vom 28. September 2004 (AfP 2005, 75) zugrunde lag und in dem in einem Pressebeitrag unter Abdruck eines Fotos darauf hingewiesen worden war, dass sich die abgebildete Villa des Schauspielers in Berlin-Zehlendorf befinde. Mit dieser Ortsangabe sowie dem Bild verfügte der Leser über hinreichende Informationen, um mit einem gewissen Aufwand – z.B. unter Zuhilfenahme ortskundiger Personen – unter Vorzeigen des Printartikels das Haus aufzuspüren. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass die Wohnanlage im Filmbeitrag nur sehr kurze Zeit gezeigt wird und nur ein aufmerksamer Zuschauer diese, sofern er die Anlage kennt, wiedererkennen kann. Derjenige Fernsehzuschauer, der die Wohnanlage nicht kennt, hat nicht ohne weiteres – wie bei einem Foto – die Möglichkeit, den Filmausschnitt einem Ortskundigen vorzuführen, um ihn nach der Lage der Wohnanlage zu befragen. Soweit der Antragsteller darauf verweist, Zuschauer könnten, weil allgemein in Köln bekannt sei, in welchem Stadtteil er wohne, von vornherein dort ihre Suche beginnen und mit Hilfe der Bilder seinen Aufenthaltsort finden, erscheint ohnehin zweifelhaft, ob derartige Zuschauerkenntnisse, wenn sie denn bestünden, der Antragsgegnerin zugerechnet werden können. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass es nach Ausstrahlen des Fernsehbeitrages zu eindeutig mehr Störungen durch Klingeln als vorher gekommen sei, belegt dies nicht, dass die Störer den Standort der Wohnanlage aufgrund der Filmaufnahmen erfahren haben. Ebenso wahrscheinlich ist, dass Personen, die unabhängig vom Filmbeitrag wussten, wo der Antragsteller wohnt, geklingelt haben. Die Zunahme der Störungen könnte auf den umstrittenen Auftritt des Antragstellers in der Sendung „Wetten dass…?“ und die nachfolgende öffentliche Diskussion über das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sein. Insgesamt ist deshalb die Gefahr, dass eine künftige Ausstrahlung der Aufnahmen der Wohnanlage dazu führen würde, dass die Wohnung des Antragstellers von Störern aufgesucht wird, als sehr gering einzuschätzen. Dem Eingriff in die Privatsphäre des Antragstellers steht das Grundrecht der Pressefreiheit gegenüber. Auch wenn die Berichterstattung über die Wohnanlage, in der der Antragsteller wohnt, in erster Linie das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt, ist sie vom Grundrecht der Pressefreiheit grundsätzlich umfasst. Die Pressefreiheit gilt grundsätzlich für alle Presseveröffentlichungen ohne Rücksicht auf deren Wert (BVerGE 101, 361, 389ff; BGH, AfP 2004, 116, 119; AfP 2004, 119, 122). Zwar ist bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechte zu berücksichtigen, dass die in Frage stehende Bildberichterstattung in erster Linie unterhaltender Art ist (vgl. KG, NJW 2005, 2320, 2321). Dennoch führt insgesamt die Abwägung zu dem Ergebnis, dass dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit der Vorrang einzuräumen ist. Ausschlaggebend ist insoweit, dass – wie ausgeführt worden ist – der Eingriff in die Privatsphäre angesichts dessen, dass nur Außenansichten des Gebäudes zu sehen sind und dass die Gefahr einer Belästigung des Antragstellers durch Schaulustige aufgrund einer Filmveröffentlichung außerordentlich gering ist, von geringem Gewicht ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.