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OLG Hamburg: Eltern haften für Filesharing durch Kinder

OLG Hamburg, Beschluss v. 11.10.2006, Az. 5 W 152/06

Ein sorgeberechtigter Elternteil haftet als Störer für Urheberrechtsverletzungen, die durch seine Kinder begangen wurden. Ihm ist es zumutbar, nicht nur erzieherisch auf seine Kinder einzuwirken, sondern notfalls auch technische Maßnahmen zu ergreifen, um die Nutzung von Tauschbörsen zu verhindern.

OBERLANDESGERICHT HAMBURG

Beschluss

Aktenzeichen: 5 W 152/06

Verkündet am: 2006-10-11

In dem Rechtsstreit

[…]

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 5. Zivilsenat, am: 11. Oktober 2006 durch den Senat […]

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg — Zivilkammer 8 — vorn 18.9.2006 wird zurückgewiesen.
Begründung:

Die gemäß § 127 Abs.2 ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Antragsgegnerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert. Denn die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Antragsgegnerin haftet ohne Rücksicht auf ein Verschulden unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung der im Verfügungstenor genannten Handlungen. Auch der Senat ist der Auffassung, dass es Eltern, die ihren in ihrem Haus lebenden Kindern einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung stellen, zuzumuten ist, nicht nur erzieherisch auf die Kinder einzuwirken und ihnen die Rechtswidrigkeit der bei Jugendlichen beliebten Musiktauschbörsen deutlich vor Augen zu führen, sondern zusätzlich die technisch ohne nennenswerten Aufwand durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen oder durch computererfahrene Dritte vornehmen zu lassen, wie dies bereits das Landgericht in der einstweiligen Verfügung vom 22.8.2006 erläutert hat ( S.6 der Gründe ). Der Senat hat hierzu in einem vergleichbaren Fall ausgeführt :

Bei der Störerhaftung, die nur den Unterlassungsanspruch, keinen Schadensersatzanspruch auslösen kann, geht es nicht um das individuelle Verschulden des potentiellen Störers, sondern darum, ob aufgrund von nach objektiven Kriterien vorzunehmenden Zumutbarkeitsabwägungen dem als Störer in Anspruch Genommenen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen hinsichtlich des unmittelbar rechtswidrig handelnden Täters zuzumuten sind. Dies ist für den sorgeberechtigten Vater eines noch minderjährigen Kindes, welches in seinem Haushalt lebt und dem er einen Internetanschluss zur Verfügung stellt, der Fall. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass für den Antragsgegner technische Möglichkeiten bestanden, die Teilnahme seiner Tochter an sog „Tauschbörsen“ für Musik zu verhindern. Da es bei der Störerhaftung wie ausgeführt — nicht um das individuelle Verschulden geht, kommt es auf das technische Wissen des Antragsgegners über diese Möglichkeiten nicht an. Jedenfalls ist es heutzutage zumutbar, einem Elternteil das Wissen darüber zu untersteilen, dass über das Internet Rechtsverletzungen stattfinden und gerade das Herunterladen und Austauschen von Musik bei Jugendlichen sehr beliebt ist. Hier ist einem sorgeberechtigten Elternteil auch zumutbar, wenn ausreichende eigene Kenntnisse für die Verhinderung derartiger Aktivitäten nicht vorhanden sind, sich diesen technischen Sachverstand durch Hinzuziehung Dritter zu verschaffen. (Beschluss vorn 10.5.2006, 5 W 61/06)

So liegt es auch im vorliegenden Fall. Für die bereits volljährige, aber noch im Hause der Antragsgegnerin lebende 19-jährige Tochter gilt nichts anderes. Das Nutzerverhalten dieser Altersgruppe im Internet entscheidet sich nicht maßgeblich von demjenigen der Altersgruppe um 16 Jahre.

Auch zu den übrigen Argumenten der Widerspruchsschrift gegen die Berechtigung der einstweiligen Verfügung hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffende Ausführungen gemacht, denen sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt. Zu den Angriffen der Beschwerde ist noch Folgendes zu ergänzen:

Es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsverletzung mit Willen der Antragsgegnerin geschah. Für die Störerhaftung reicht es aus, wenn der hierzu geleistete Beitrag willentlich erbracht wurde. Dieser bestand darin, dass die Antragsgegnerin ihren Kindern einen Computer mit Internetzugang zur Verfügung gestellt hat.

Aus der Rechtsauffassung des Landgerichts, die der Senat billigt, ergibt sich auch nicht, dass die Antragsgegnerin ihre Kinder unablässig überwachen müsste. Die geforderten technischen Maßnahmen müssen einmal eingerichtet und nur in angemessenen Zeitabständen überprüft werden. Darin, wie die Antragsgegnerin ihrem Erziehungsauftrag nachkommt, ist ihr ein weiter Ermessungsspielraum zuzubilligen. Sie wird als Mutter selbst am besten einschätzen können, bei welcher Gelegenheit, mit welcher Intensität und Häufigkeit sie ihre Kinder über die Gefahren von Rechtsverletzungen bei der Benutzung des Internet aufklären muss. Es hat allerdings mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit zu geschehen. Eine unablässige Überwachung wird aber keinesfalls verlangt.

Die Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung von Internetauktionshäusern betrifft völlig andere Sachverhalte_ Dort geht es um die Frage, ob Betreiber derartiger Plattformen Überwachungspflichten hinsichtlich von Warenangebo- ten treffen, die in einem automatisiert ablaufenden Verfahren massenhaft auf diesen Plattformen präsentiert werden. Die Beherrschbarkeit und Überprüfungsmöglichkeit derartiger Angebote auf Rechtsverletzungen stellt gänzlich andere Anforderungen und kann daher nach Auffassung des BGH nicht uneingeschränkt verlangt werden, Vorliegend geht es hingegen nur um die Nutzung eines im eigenen Hause befindlichen Computers durch die eigenen Kinder. Hier sind die dargelegten Sicherungs- und Überprüfungsmaßnahmen ohne weiteres zumutbar.

Die Wiederholungsgefahr kann nach ständiger Rechtsprechung nur durch eine ausreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin ihren Computer inzwischen abgeschafft hat, beseitigt die Wiederholungsgefahr daher nicht.

Eine Kostenentscheidung ist in Hinblick auf § 127 Abs.4 ZPO nicht erforderlich.

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