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OLG Hamburg: Anforderungen an einen Richtigstellungsanspruch

OLG Hamburg, Urteil v. 25.10.2005, Az. 7 U 52/05

1. Voraussetzung für den Anspruch auf Veröffentlichung einer Richtigstellung ist, dass diese erforderlich ist, um eine fortwirkende Rufbeeinträchtigung des Betroffenen auszuräumen.

2.Es darf mit einer Richtigstellung nicht eine Irreführung der Nutzer des entsprechenden Presserzeugnisses herbeigeführt werden.

OBERLANDESGERICHT HAMBURG

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 7 U 52/05

Verkündet am: 2005-10-25

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 559/04, vom 29. April 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 u. 2 ZPO:

1.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, mit der der Kläger wegen einer Presseveröffentlichung den Abdruck einer Richtigstellung begehrt hat.

Der Kläger ist Vorstandsvorsitzender der IG Metall. Im Sommer 2003 bezeichnete er das seit einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 14. März 2003 bekannte Reformvorhaben „Agenda 2010“ als „Scheißdreck“, worüber in den Medien berichtet wurde. Die Beklagte verlegt die Zeitung „H.-blatt“. In deren Ausgabe vom 1. September 2004 heißt es, dass der Kläger „Hartz IV“ schon einmal als „Scheißdreck“ bezeichnet habe. Unstreitig ist, dass der Kläger das Maßnahmenpaket „Hartz IV“, das Teil der „Agenda 2010“ ist, niemals ausdrücklich als „Scheißdreck“ bezeichnete.

Das Landgericht wies die geltend gemachten Richtigstellungsansprüche zurück, weil der Kläger angesichts seiner unstreitigen Äußerung, die „Agenda 2010“ sei „Scheißdreck“, nicht dargetan habe, dass die Behauptung, dass er „Hartz IV“ als „Scheißdreck“ bezeichnet habe, für ihn mit einer nennenswerten Ansehensminderung verbunden sei. Wer nämlich ein politisches Maßnahmenpaket („Agenda 2010“) pauschal als „Scheißdreck“ bezeichne, löse damit die Vermutung aus, diese Qualifizierung solle zumindest in der Tendenz auch für die einzelnen Teile des Gesamtpakets gelten. Die mit dem Hauptantrag begehrte Richtigstellung sei zudem geeignet, den Leser in die Irre zu führen.

Der Kläger verfolgt sein Richtigstellungsbegehren mit der form- und fristgemäß eingereichten Berufung weiter und macht dabei geltend, dass der Umstand, dass er die „Agenda 2010“ zu einem Zeitpunkt, an dem noch unklar gewesen sei, was „Hartz IV“ im Einzelnen bedeuten würde, einmal als „Scheißdreck“ bezeichnet habe, dem Richtigstellungsanspruch nicht entgegenstehe. Unstreitig falsche Behauptungen, insbesondere in Gestalt eines falschen Zitats, seien stets berichtigungsfähig. Angesichts dessen, dass die Projekte „Agenda 2010“ und „Hartz IV“ nicht annähernd deckungsgleich seien, sei es jedenfalls Aufgabe der Beklagten darzulegen, warum ihm (Kläger) trotz des unstreitig falschen Zitats eine Richtigstellung nicht zustehen solle.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 29. April 2005 zu verurteilen,
1. die folgende Richtigstellung in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe des „H.-blatts“ im gleichen Teil und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken und das Wort „Richtigstellung“ durch drucktechnische Anordnung (Schrifttype, Schriftgrad und hälftige Schriftgröße der Worte „Peters` verlorener Sohn“) besonders hervorzuheben:

Richtigstellung

In unserer Ausgabe vom 1. September 2004 haben wir unter der Überschrift „Peters` verlorener Sohn“ unter anderem geschrieben:

„… Und IG-Metall-Chef Peters (hat) Hartz IV schon mal als

`Scheißdreck´ bezeichnet, der unbedingt verhindert werden

muss.“
Die Behauptung ist, was wir hiermit richtig stellen, falsch. Jürgen Peters hat etwas derartiges nie gesagt.

H.-blatt GmbH

2. hilfsweise: die folgende Richtigstellung in der nächsten zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe des „H.-blatts“ im gleichen Teil und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken und das Wort „Richtigstellung“ durch drucktechnische Anordnung (Schrifttype, Schriftgrad und hälftige Schriftgröße der Worte „Peters` verlorener Sohn“) besonders hervorzuheben:

Richtigstellung

In unserer Ausgabe vom 1. September 2004 haben wir unter der Überschrift „Peters` verlorener Sohn“ unter anderem geschrieben:

„… Und IG-Metall-Chef Peters (hat) Hartz IV schon mal als

`Scheißdreck´ bezeichnet, der unbedingt verhindert werden

muss.“
Die Behauptung ist, was wir hiermit richtig stellen, falsch. Jürgen Peters hat zwar Mitte 2003 die Agenda 2010 so „qualifiziert“, nicht aber die erst wesentlich später beschlossene Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld („Hartz IV“).

H.-blatt GmbH

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:
2.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Voraussetzung für den Anspruch auf Veröffentlichung einer Richtigstellung ist, dass diese erforderlich ist, um eine fortwirkende Rufbeeinträchtigung des Betroffenen auszuräumen. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der Kläger nicht dargetan hat, dass diese Anspruchsvoraussetzung vorliegend erfüllt ist. Angesichts dessen, dass „Hartz IV“ ein wesentlicher Bestandteil des Maßnahmenpakets „Agenda 2010“ ist, hätte der Kläger – worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat – darlegen müssen, warum seine Bezeichnung der „Agenda 2010“ als „Scheißdreck“ gerade für ihren besonders in der öffentlichen Diskussion stehenden Teil „Hartz IV“ keine Geltung beanspruchen sollte. Muss aber mangels entsprechender Darlegung des Klägers davon ausgegangen werden, dass seine damalige Kritik auch das Arbeitnehmerinteressen in besonderer Weise betreffende Vorhaben „Hartz IV“ einschloß, so ist die für den Richtigstellungsanspruch erforderliche nennenswerte Ansehensminderung zu verneinen. Hieran ändert auch nichts, dass es sich bei der beanstandeten Berichterstattung um ein falsches Zitat handelt.

Zu teilen ist ferner die Auffassung des Landgerichts, dass die mit dem Hauptantrag begehrte Richtigstellung auch deshalb nicht verlangt werden kann, weil diese den Leser in die Irre führen würde. Die Erklärung, dass der Kläger „etwas derartiges nie gesagt“ habe, würde den Leser zu der Annahme veranlassen, dass der Kläger den Ausdruck „Scheißdreck“ im Zusammenhang mit dem Reformvorhaben „Agenda 2010“ nie in den Mund genommen habe. Diese Schlußfolgerung wäre unzutreffend, da „Hartz IV“ Bestandteil der „Agenda 2010“ ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Via http://lrha.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/ha_frameset.py?GerichtName=Hanseatisches+Oberlandesgericht+Hamburg&GerichtAuswahl=OLG+Hambur

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