OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 17.11.2016, Az. 6 U 167/16
1. Für die neben der wirksamen Amtszustellung erforderliche Vollziehung einer durch Urteil ergangenen Unterlassungsverfügung reicht grundsätzlich die Parteizustellung einer Abschrift des Urteils aus.
2. Das Angebot eines Produktschlüssels zum Herunterladen eines Computerprogramms von der Webseite des Rechteinhabers ist irreführend, wenn der Erwerber tatsächlich kein Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Computerprogramms erhält.
3. In dem unter Ziffer 2. genannten Fall ist grundsätzlich der die Unlauterkeit des Angebots beanstandende Mitbewerber für die fehlende Nutzungsberechtigung darlegungs- und beweis- bzw. glaubhaftmachungspflichtig; insbesondere kann der Mitbewerber nicht wie der Rechteinhaber vom Gegner die Darlegung der Erschöpfungsvoraussetzungen, insbesondere die Offenlegung der Erwerbskette, verlangen. Den Anbieter trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Mitbewerber konkrete Anhaltspunkte dafür nennt, dass die Erschöpfungsvoraussetzungen im konkreten Fall nicht erfüllt sind.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 6 U 167/16
Verkündet am: 2016-11-17
Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 20.04.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt wird – nach teilweiser Rücknahme des Antrags zu 2. – zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Verurteilung nach Ziff. 2. des Tenors entfällt.
Die die Kosten des Eilverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist rechtskräftig.
I.
Die Parteien streiten über angeblich irreführende Angaben im Rahmen eines Software-Angebots.
Der Antragsgegner bot am 02.02.2016 auf einer Internetplattform Folgendes an: „Microsoft A, 1 User, Vollversion, Deutsch, Win, Download, B“.
In der Produktbeschreibung hieß es: „Hersteller: Microsoft“; „Lizenz Typ: Vollversion“; „Medium: B/Download“. Ein Testkäufer erwarb das angebotene Produkt. Ihm wurde per elektronischer Mail ein so genannter Produktschlüssel übermittelt und eine Download-Möglichkeit mitgeteilt. Die Firma D, die im Auftrag der Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte mit der Überprüfung der Echtheit von Microsoft-Programmkopien und Produktschlüsseln beauftragt ist, teilte auf Anfrage mit, dass es sich bei dem übersandten Produktschlüssel um einen solchen handele, der im Rahmen eines Volumen-Lizenz-Vertrags an ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland ausgegeben wurde und bisher 298 mal zur Aktivierung verwendet worden ist (Anlage Ast6).
Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner suggeriere mit seinem Angebot wahrheitswidrig, er würde dem Kunden eine gültige Lizenz an dem angebotenen Microsoft-Produkt verschaffen, die einen legalen Download ermögliche. Jedenfalls sei der Antragsgegner verpflichtet, dem Testkäufer eine Dokumentation über den Inhalt des Nutzungsrechts und der Nachweis, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts vorliegen, zu überlassen.
Wegender weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt verwiesen.
Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, bloße Lizenzkeys als Lizenzen für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner bei Meidung von Ordnungsmitteln für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen,
1. bloße Produktschlüssel für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, wenn der Verbraucher tatsächlich kein gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung und zum Download des Computerprogramms erhält und wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
(Original enthielt Screenshot)
2. bloße Produktschlüssel für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, ohne den Verbraucher darüber zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind und wenn dies geschieht wie im Tenor Ziff. 1. wiedergegeben.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 20.04.2016 eine diesen Anträgen entsprechende einstweilige Verfügung erlassen. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung des Antragsgegners. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Die Antragstellerin trägt ergänzend vor, der Produktschlüssel gehöre zu einer Volumenlizenz, die nur ein einziges Nutzungsrecht beinhalte. Inzwischen sei der Produktschlüssel über 500 Mal zur Aktivierung des Programms verwendet worden.
Die Antragstellerin hat auf Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Antrag zu 2. werde lediglich als Hilfsantrag zum Antrag zu 1. gestellt.
Der Antragsgegner beantragt,
Die Antragstellerin beantragt,
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
1. Die Verfügungsanträge sind hinreichend bestimmt i.S. d. § 253 II Nr. 2 ZPO. Die Anträge nehmen Bezug auf die konkrete Verletzungsform in Gestalt des Internetangebots. Der Antrag zu 1. richtet sich dagegen, dass das Angebot nach dem Vortrag der Antragstellerin den Erwerb einer nicht vorhandenen Lizenz vortäuscht. Zwar ist die Umschreibung im abstrakten Teil mit der Wendung „wenn der Verbraucher tatsächlich kein gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Benutzung und zum Download erhält“, unscharf und wenig konkret. Eine genauere Eingrenzung ist jedoch nicht erforderlich, da der Verbotsumfang durch die Einblendung des konkreten Angebots in Verbindung mit der Antragsbegründung hinreichend klargestellt ist. Welche genauen Angebotsvarianten aus dem Verbot herausführen, muss nicht im Antrag dargestellt werden. Entsprechendes gilt für den hilfsweise gestellten Verfügungsantrag zu 2. Auch hier lässt zwar die Wendung „ohne den Verbraucher zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind“, die konkret erforderlichen Angaben offen. Ein hinreichend bestimmtes Verbot kann jedoch in Bezug auf das konkrete Angebot ausgesprochen werden, das insoweit keinerlei Angaben vorsieht.
2. Die Urteilsverfügung wurde ordnungsgemäß vollzogen. Der Antragsgegner beanstandet insoweit, ihm sei keine Ausfertigung, sondern lediglich eine beglaubigte Abschrift einer durch das Gericht beglaubigten Abschrift zugestellt worden.
a) Gemäß § 936 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO muss eine einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats vollzogen werden. Ist sie wie hier durch Urteil erlassen worden, beginnt die Frist mit der Urteilsverkündung. Die Kundgabe des Willens, von dem erstrittenen Titel Gebrauch zu machen, muss vom Gläubiger ausgehen. Die Urteilszustellung von Amts wegen reicht nicht aus. Die Vollziehungsfrist wird in der Regel durch Zustellung im Parteibetrieb gewahrt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.3.2016 – 6 U 38/16, Rn. 15, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 29.7.1980 – 6 U 591/80, juris). Nach teilweise vertretener Ansicht reicht dabei die Zustellung einer vom Antragstellervertreter beglaubigten einfachen Abschrift des Urteils nicht aus (OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.4.2015 – I-20 U 181/14,-, juris). Entsprechend § 317 IV ZPO müsse eine Urteilsausfertigung oder zumindest eine beglaubigte Abschrift der Ausfertigung, also einer Abschrift, die auch den gerichtlichen Ausfertigungsvermerk enthält, zugestellt werden. Nach anderer Auffassung genügt nach der ordnungsgemäßen Amtszustellung eine formlose Abschrift des Urteils im Parteibetrieb (OLG München, WRP 2013, 674).
b) Die Antragstellerin hat eine Kopie der Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers vom 13.5.2016 vorgelegt (Anlage Ast3). Daraus geht hervor, dass eine „beglaubigte Abschrift“ des Urteils des Landgerichts zugestellt wurde. Dies ist ausreichend. Der Antragsgegner behauptet, die ihm zugestellte Urteilsabschrift enthalte nur das Dienstsiegel und die Unterschrift des Urkundsbeamten. Es fehle der Ausfertigungsvermerk. Auf den Ausfertigungsvermerk kommt es indessen nicht an. Nach der Neufassung des § 317 ZPO wird selbst bei der Amtszustellung nur noch eine beglaubigte Abschrift zugestellt. Die Zustellung einer Abschrift mit gerichtlichem Ausfertigungsvermerk kann nach Ansicht des Senats jedenfalls seit dieser Neuregelung auch bei der Parteizustellung nicht verlangt werden. Die von Amts wegen zugestellte Abschrift lag dem Antragsgegner schon am 4.5.2016 vor (Bl. 311 d.A.). Mit der Parteizustellung hat die Antragstellerin zusätzlich ihren Vollziehungswillen kundgetan. Die Übereinstimmung mit der gerichtlichen Ausfertigung konnte der Antragsgegner selbst überprüfen.
3. Das Landgericht hat zu Recht den Rechtsmissbrauchseinwand zurückgewiesen. Der Antragsgegner stützt sich insoweit auf folgende Indizien:
– Im Abmahnschreiben wurde ein Streitwert von € 150.000,00 angegeben.
– Im Abmahnschreiben bot die Antragstellerin die Abgeltung ihres angeblichen Schadensersatzanspruchs gegen Zahlung von € 5.000,00 an (Anlage Ast4).
– Der Ebay-Account, über den die Antragstellerin Software anbietet, wies im April 2016 nur 29 Bewertungen, drei Monate später im August 2016 nur 30 Bewertungen auf.
– Der Unternehmenssitz befindet sich in der Wohnung eines Mehrfamilienhauses.
– Aus Internetberichten verschiedener Anwälte erschließt sich, dass die Antragstellerin weitere Abmahnungen versendet hat.
Dies reicht nicht aus, um eine missbräuchliche Rechtsverfolgung anzunehmen. Der Abmahnstreitwert ist zwar etwas überhöht, erscheint aber nicht vollkommen übertrieben. Er entspricht dem zunächst auch vom Landgericht (abzgl. Eilabschlag) festgesetzten Wert. Unstreitig vertreibt der Antragsgegner in großem Umfang Produktkeys, so dass von einem erheblichen Angriffsfaktor auszugehen war. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihre Geschäftstätigkeit nur vortäuscht, bestehen nicht. Die Anzahl der Ebay-Bewertungen lässt nur begrenzt Rückschlüsse auf die Anzahl ihrer Verkäufe zu. Der vom Antragsgegner durchgeführte Testkauf beweist, dass sie tatsächlich Softwarelizenzen verkauft (Anlage LHR1). Hierfür bedarf es keiner großen Geschäftsräume. Gesicherte Erkenntnisse über die Anzahl der Abmahnungen gibt es nicht. Die vorgetragenen Indizien lassen nur Rückschlüsse auf eine einstellige Anzahl zu. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass sich die Abmahntätigkeit verselbständigt hat und die Kostenrisiken außer Verhältnis zur Geschäftstätigkeit der Antragstellerin stehen. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin eine pauschalierte Schadensabgeltung anbot, spricht im Streitfall nicht für einen Rechtsmissbrauch.
4. Es besteht ein Verfügungsgrund (§ 12 II UWG). Die Dringlichkeitsvermutung wird nicht dadurch widerlegt, dass der Eilantrag zu 2. erst mit Schriftsatz vom 21.3.2016 nachgeschoben wurde (Bl. 144 d.A.). Der Schriftsatz liegt noch innerhalb der 6-Wochenfrist seit Zugang des mit dem Testkauf erworbenen Produkts (16.2.2016). Im Kern beinhaltet der Antrag auch keinen völlig neuen Vorwurf gegenüber dem ursprünglichen Begehren. Es geht bei beiden Anträgen um den Vorwurf der Irreführung über die Ausgestaltung des angeblichen Nutzungsrechts, das der Kunden bei dem Angebot des Antragsgegners erwartet. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner auch darauf, die Antragstellerin setze sich mit ihrem Unterlassungsbegehren zu ihrem eigenen Verhalten (eigener Verkauf von Produktschlüsseln in der beanstandeten Art) in Widerspruch. Der Antragsgegner meint, dieser Umstand stehe dem Verfügungsgrund als besonderem Rechtsschutzbedürfnis für das Eilverfahren entgegen. Der Sache nach handelt es sich bei dem Vorbringen um den sog. „unclean hands“-Einwand. Bei Verbotsanträgen, die Irreführungen von Verbrauchern zum Gegenstand haben, kommt es nicht darauf an, ob der Antragstellerin ähnliche Verstöße zur Last fallen. Außerdem hat die Antragstellerin mit der Abmahnung von Mitbewerbern erst begonnen, nachdem sie sich wegen vergleichbarer Verstöße gegenüber Microsoft unterwerfen musste und sich gezwungen sah, auf den Vertrieb teurerer, angeblich geprüfter Ware mit Herkunftshinweis umzustellen (vgl. Anlage LHR1).
5. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner ein Anspruch aus §§ 3, 5 I S. 2 Nr. 1, 8 UWG auf Unterlassung zu, Produktschlüssel für Microsoft-Programme zu vertreiben, wenn der Erwerber kein Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung erhält (Verfügungstenor zu Ziff. 1.). Insoweit hat die Berufung keinen Erfolg.
a) Eine Irreführung über ein wesentliches Merkmal der Ware ist gegeben, wenn der in Erfüllung des Kaufvertrages übermittelte Lizenzschlüssel den Erwerber nicht berechtigt, im Verhältnis zur Rechteinhaberin (Fa. Microsoft) das Programm herunterzuladen und zu nutzen. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, vermittelt das angegriffene Angebot den Eindruck, der Erwerber erhalte eine Lizenz, die die uneingeschränkte Nutzung ermöglicht. Hierfür sprechen neben der bildlichen Abbildung einer Microsoft-A insbesondere die Angaben „Vollversion“ und „Lizenztyp: Voll-Version“. Der Verkehr geht bei dieser Angebotsgestaltung nicht davon aus, er erhalte nur eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.
b) Nach dem im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 10.11.2016 ergänzten Vortrag bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der bei dem Testkauf übermittelte Lizenzschlüssel den Käufer im Verhältnis zur Rechtsinhaberin nicht berechtigt, die Software herunterzuladen. Er verkörpert weder eine Lizenz zum erstmaligen Herunterladen, noch bezieht er sich auf eine „gebrauchte“ Programmkopie, bei der das Verbreitungsrecht erschöpft ist (§ 69c S. 1 Nr. 3 S. 2 UrhG).
aa) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an einem mit Zustimmung des Rechteinhabers in Verkehr gebrachten Vervielfältigungsstück setzt voraus, dass der Urheberrechtsinhaber dem Ersterwerber gegen Zahlung eines Entgelts ein Recht eingeräumt hat, die Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Sie tritt unabhängig davon ein, ob der Verkauf eine körperliche oder eine nichtkörperliche Kopie des Programms betraf. Es kommt also nicht darauf an, ob ein Computerprogramm durch Aushändigen eines Datenträgers oder durch Herunterladen aus dem Internet veräußert wurde. Die Erschöpfung kann auch eintreten, wenn der Ersterwerber die Kopie des Programms selbst durch Herunterladen aus dem Internet oder auf andere Weise angefertigt hat (BGH GRUR 2015, 772, [BGH 11.12.2014 – I ZR 8/13] Rn. 32f. – UsedSoft III). Hat der Inhaber des Urheberrechts dem Herunterladen aus dem Internet zugestimmt, ist jeder weitere Erwerber einer Lizenz zur Nutzung des Computerprogramms als rechtmäßiger Erwerber der Programmkopie anzusehen. Er darf vom Vervielfältigungsrecht Gebrauch machen, also selbst einen Download durchführen. Die Erschöpfung erstreckt sich auf das Recht zum Veräußern des Computerprogramms durch Bekanntgabe des dem Vervielfältigungsstück zugeordneten Produktschlüssels (BGH, Urt. v. 19.3.2015 – I ZR 4/14 – Green-IT, Rn. 39). Eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn der Weiterverkäufer keine Kopie des Computerprogramms zurückbehält, d.h. er dem Erwerber des Vervielfältigungsstücks die vorhandenen Kopien aushändigt oder diese unbrauchbar macht (BGH, aaO, UsedSoft III Rn. 27; aaO Green-IT Rn. 49).
bb) Besondere Grundsätze gelten, wenn der Ersterwerber keine Einzellizenz, sondern ein Nutzungsrecht für mehrere Nutzer erwirbt. Ein Beispiel hierfür ist die Volumenlizenz. Sie erlaubt dem Ersterwerber die Nutzung mehrerer eigenständiger Kopien des Computerprogramms (zB für verschiedene Rechner eines Unternehmens). In diesem Fall ist er berechtigt, das Nutzungsrecht für eine von ihm bestimmte Zahl von Kopien weiterzuverkaufen und für die verbleibende Zahl selbst weiter zu nutzen. Die einzelnen Nutzungsrechte können getrennt übertragen werden. Der Nacherwerber einzelner Kopien kann sich mit Erfolg auf die Erschöpfung berufen, wenn der Ersterwerber eine entsprechende Anzahl von Kopien unbrauchbar gemacht hat (BGH, aaO UsedSoftIII Rn. 45). Auf die Unbrauchbarmachung kommt es allerdings nur dann an, wenn der Ersterwerber überhaupt Kopien erhalten oder sich durch Herunterladen verschafft hat. Leitet er die Software direkt ohne vorherige eigene Installation (zB durch Übersendung der Seriennummer) an den Nacherwerber weiter, bedarf es keiner Weitergabe oder Unbrauchbarmachung (vgl. BGH, aaO, UsedSoftIII Rn. 49 aE).
cc) Auf die Rechtslage bei sog. Client-Server-Lizenzen, bei denen die Verbreitung nicht zu einer unzulässigen Aufspaltung der vom Ersterwerber erworbenen Lizenz führen darf (BGH, aaO, UsedSoftIII Rn. 44), kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts im Streitfall nicht an. Die Volumenlizenz ist davon zu unterscheiden.
dd) Im Streitfall muss primär die Antragstellerin darlegen und glaubhaft machen, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung nicht gegeben sind. Zwar ist gegenüber dem Inhaber des Urheberrechts grundsätzlich derjenige für die Voraussetzungen der Erschöpfung darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf sie beruft. Er muss die komplette Erwerbskette darlegen (vgl. BGH GRUR 2014, 264 – UsedSoft II). Dies kann aber nicht gleichermaßen gegenüber einem Mitbewerber gelten, der nicht Rechtsinhaber ist, sondern einen Anspruch aus § 5 UWG verfolgt. Die Irreführung muss primär die Antragstellerin darlegen. Sie muss greifbare Anhaltspunkte für die geltend gemachte Irreführung nicht nur behaupten, sondern bei Bestreiten auch beweisen bzw. im Eilverfahren glaubhaft machen. Das gilt sowohl für Tatsachen, denen eine Indizwirkung zukommen soll, als auch für die Indizwirkung selbst (BGH GRUR 2014, 578, [BGH 19.02.2014 – I ZR 230/12] Rn. 16 – Umweltengel für Tragetasche). Der Umstand, dass ein Fall sog. „Gebrauchtsoftware“ vorliegt, reicht nicht aus. Sonst könnten Mitbewerber von Händlern urheberrechtlich geschützter Ware stets den Nachweis der vollständigen Lieferantenkette verlangen. Dies würde schon deshalb zu weit gehen, weil die Lieferbeziehungen in der Regel Geschäftsgeheimnisse sind. Es ist Aufgabe der Antragstellerin, zunächst einen Sachverhalt darzulegen, der die Nichterfüllung der Erschöpfungsvoraussetzungen zumindest wahrscheinlich macht. Erst dann können der Antragsgegnerin weitere Darlegungen zugemutet werden.
c) Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass der vom Antragsgegner angebotene Lizenzschlüssel eine Volumenlizenz betrifft, die mit Zustimmung der Rechteinhaberin erstmals einem Dritten erteilt wurde und dass der Lizenzschlüssel bereits aktiviert wurde, wobei die Erschöpfungsvoraussetzungen hinsichtlich etwaiger Vervielfältigungsstücke, die in Ausübung der Lizenz hergestellt wurden, nicht erfüllt sind.
aa) Der erstinstanzliche Vortrag reichte hierfür allerdings nicht aus. Nach der ursprünglichen Auskunft der Fa. D gehört der Produktschlüssel zu einer Volumenlizenz, den die Rechteinhaberin mit einem in Deutschland ansässigen Unternehmen geschlossen hat. Der Produktschlüssel sei bereits 298 Mal zur Aktivierung verwendet worden (Anlage Ast 6). Die Rechteinhaberin hat dem Ersterwerber nach den Feststellungen des Landgerichts keinen Datenträger zur Verfügung gestellt, sondern lediglich den Produktschlüssel nebst Downloadmöglichkeit. Aus diesen Umständen lässt sich das Nichtvorliegen der Erschöpfungsvoraussetzungen nicht ableiten. Die Antragstellerin hat erstinstanzlich nicht dargelegt, wie viele Einzelplatzlizenzen die Volumenlizenz umfasste. Es konnte daher auf Basis dieser Informationen nicht gesagt werden, ob das dem Ersterwerber übertragene Volumen überschritten wurde. Bei dieser Sachlage bestand außerdem die Möglichkeit, dass die Ersterwerberin gar keine Kopie gefertigt hat, sondern die zum erstmaligen Download berechtigenden Lizenzen einfach an Nacherwerber weitergereicht hat, die sie dann zur erstmaligen Vervielfältigung genutzt haben.
bb) Mit Schriftsatz vom 10.11.2016 hat die Antragstellerin jedoch hinreichende Umstände dargelegt, die dafür sprechen, dass der bei dem Testkauf veräußerte Lizenzschlüssel dem Erwerber keinen rechtmäßigen Download ermöglicht. Danach gehört der Produktschlüssel zu einer Volumenlizenz, die der Fa. C GmbH & Co. KG in Stadt1 erteilt wurde und nur ein einziges Nutzungsrecht beinhaltete. Nachforschungen bei der Fa. C haben ergeben, dass diese nicht Bestellerin war, sondern ein Dritter im Namen der Firma die Bestellung getätigt und die Lizenz abgegriffen haben muss. Inzwischen ist der Produktschlüssel über 500 Mal zur Aktivierung des Programms verwendet worden. Der Antragsgegner bestreitet diese Umstände mit Nichtwissen. Die Antragstellerin hat ihren Vortrag mittels eidesstattlicher Versicherung des Zeugen Z1 und mittels Vorlage der Email der Fa. C vom 4.11.2016 hinreichend glaubhaft gemacht. Der Glaubhaftigkeit der eidesstattlichen Versicherung steht nicht entgegen, dass sich Herr Z1 bei seinen Angaben auf die Einsichtnahme in Datenbanken der Fa. Microsoft bezieht, die Datenbankauszüge von der Antragstellerin jedoch nicht vorgelegt werden.
cc) Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist davon auszugehen, dass der Produktschlüssel missbräuchlich verwendet wurde. Hierfür spricht neben der Bestellung unter falschem Namen schon der Umstand, dass eine Volumenlizenz, die eigentlich für einen großen Bedarf an Nutzungsrechten vorgesehen ist, mit nur einer Nutzungsberechtigung erworben und dann vielfach aktiviert wurde. Eine mehrfache Aktivierung muss zwar nicht zwingend für einen Missbrauch sprechen, da auch Berechtigte das Programm gelegentlich neu installieren müssen. Dass ein einziger Produktschlüssel innerhalb eines Zeitraums von ca. einem Jahr über 500 Mal aktiviert wird, lässt sich jedoch mit rechtmäßigen Vervielfältigungshandlungen kaum erklären, zumal die Aktivierungen in neun verschiedenen Ländern erfolgten.
dd) Die Antragstellerin hat damit ausreichende Indizien vorgetragen, die für eine Irreführung sprechen. Gegen ihre Darstellung spricht nicht, dass die Fa. Microsoft den in Rede stehenden Produktschlüssel auch nach der ersten Information über die auffällige Vielzahl von Aktivierungen nicht sofort gesperrt hat. Da es sich um ein Massengeschäft handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass die Fa. Microsoft die Bedeutung der Information im Hinblick auf die Verteidigung ihrer Rechte nicht erkannt hat. Bei dieser Sachlage obliegt es dem Antragsgegner, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die vorgetragenen Indizien zu widerlegen. Dies ist dem Antragsgegner nicht gelungen. Er hat lediglich Zweifel an der Beweiskraft der Indizien geäußert, ohne Angaben zum rechtmäßigen Erwerb des Lizenzschlüssels bzw. zu den Erschöpfungsvoraussetzungen zu machen. Es ist damit davon auszugehen, dass der Antragsgegner dem Testkäufer kein Recht zum Download und zur Nutzung der Software verschaffen konnte.
6. Da der Verfügungsantrag zu 1. Erfolg hat, kommt es auf den Hilfsantrag (Antrag zu 2.), mit dem die Antragstellerin Unterlassung begehrt, Produktschlüssel für Microsoft-Programme zu vertreiben, ohne den Verbraucher zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind, nicht mehr an. Insoweit war das Urteil des Landgerichts abzuändern.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 III ZPO. Der Verfügungsantrag zu 2. wurde zunächst unbedingt neben dem Antrag zu 1. gestellt und erst in der mündlichen Verhandlung über die Berufung ins Eventualverhältnis gestellt. Darin ist eine Teilrücknahme zu sehen. Insgesamt waren die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.