Eine das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ganz erheblich beeinträchtigende Berichterstattung im Internet über ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren ist nach Einstellung dieses Verfahrens nur zulässig, wenn die weitere Entwicklung in einem Zusatz zur Ursprungsmeldung mitgeteilt wird und den interessierten Internet-Nutzern nicht lediglich über einen Link vermittelt wird.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: I-15 U 79/10
Verkündet am: 2010-10-27
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. 09. 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., die Richterin am Oberlandesgericht F. und den Richter am Landgericht Dr. B.
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. 06. 2010 wie folgt abgeändert:
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, untersagt,
in Bezug auf die Antragstellerin die nachfolgend wiedergegebenen Behauptungen weiterhin zu verbreiten:
und/oder
und/oder
und/oder
und/oder
und/oder
wenn dies, wie aus dem nachstehend wiedergegebenen Text ersichtlich, geschieht,
Im übrigen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Antragsgegner ist Betreiber der Internet-Seite www.c.de und berichtete dort in der in der Anlage Ast 1 wiedergegebenen Form unter dem 05.11.09 über ein vor Monaten eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München gegen die Antragstellerin, im Rahmen dessen es am 04.11.09 zu einer Durchsuchung der Büroräume der Antragstellerin gekommen war. Nachdem in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien vor dem Landgericht Düsseldorf (12 O 486/09) dem Antragsgegner die Verbreitung bestimmter Behauptungen zur Verwendung der
Spendengelder untersagt worden ist, änderte der Antragsgegner die über das Internet verbreitete Mitteilung in der aus der Anlage Ast 3 ersichtlichen Form ab.
Die Staatsanwaltschaft München stellte das Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin durch Verfügung vom 18.02.10 ein, woraufhin die Antragstellerin den Antragsgegner durch Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.03.10 auffordern ließ, den Bericht vom 05.11.09 entweder vollständig von der Homepage zu nehmen oder so zu ändern, dass die zu Unrecht erhobenen Vorwürfe eliminiert würden. Daraufhin wurde dem Beitrag ein „Nachtrag vom 31.03.10″ (vgl. Anlage Ast 7) hinzugefügt, in dem die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO mitgeteilt wurde.
Im weiteren Zeitverlauf erschien der Beitrag über die Hausdurchsuchung bei der Antragstellerin nicht mehr auf der Startseite von www.c.de, sondern es erscheint nunmehr auf einer der Folgeseiten, historisch in die anderen bisher veröffentlichten Beiträge eingeordnet, der erste mit “ Staatsanwalt ermittelt Hausdurchsuchung bei der P.“ überschriebene Absatz (vgl. Anlage Ast 12), der zum Schluss eine mit „mehr“ bezeichnete Verbindung anbietet, bei deren Öffnen der Leser den vollständigen Beitrag mit dem Nachtrag gemäß Anlage Ast 7 präsentiert bekommt.
Die Antragstellerin sieht darin eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes, weil beim Internet-Nutzer der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dass der dargelegte Sachverhalt aktuell und der in der Vergangenheit geäußerte Verdacht noch nicht beseitigt sei; daran ändere auch das leicht zu überlesende historische Datum vom 05.11.09 nichts; ebenso wenig reiche die Anbringung eines späteren Nachtrages aus, wenn dies derart versteckt wie hier geschehe; dem Antragsgegner sei ohne weiteres zuzumuten, von den von ihm verbreiteten Vorwürfen abzurücken.
Der Antragsgegner meint, in zulässiger Weise auch angesichts der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens darüber weiterhin berichtet zu haben. Da der Bericht immer nur unter dem Ursprungsdatum vom 05.11.09 aufgerufen werden könne, sei für jeden Leser erkennbar, dass es sich um eine Berichterstattung aus November 2009 handele. Bezogen auf die Berichtszeit habe er –der Antragsgegner- nur wahre Tatsachen verbreitet.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Verfügung, mit der dem Antragsgegner die Verbreitung bestimmter Behauptungen in der aus der Anlage Ast 1 a sowie Anlage Ast 7 ersichtlichen Form untersagt werden sollte, zurückgewiesen und in dem angegriffenen Urteil, auf das gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, ausgeführt, dass das Bereithalten der beanstandeten Inhalte zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin darstelle, der aber von dieser hinzunehmen sei. Es werde durch die Art und Weise der Verbreitung des Beitrags nicht der unzutreffende Eindruck erweckt, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Antragstellerin dauerten fort. Es sei hinreichend deutlich, dass es sich um zurückliegende Berichterstattung handele. Auch erscheine beim Anklicken der Verbindung „mehr“ der vollständige Artikel mit dem Nachtrag vom 31.03.10. Vor diesem Hintergrund sei dem Recht des Antragsgegners aus Art. 5 Abs. 1 GG bei der vorzunehmenden Abwägung der Vorrang zu geben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf die zweckentfremdete Verwendung von Spendenmitteln überwiege das Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin. Die ursprüngliche Berichterstattung sei durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht unrichtig geworden.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die ihr Begehren in zweiter Instanz –modifiziert formuliert- in Bezug auf die Kurzfassung des beanstandeten Artikels weiterverfolgt und im übrigen ihren Antrag zurückgenommen hat.
Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht ihr Anliegen nicht zutreffend erfasst habe. Sie habe sich auf kein Geheimhaltungsinteresse berufen, sondern wehre sich vielmehr dagegen, dass der Antragsgegner durch die Art der Präsentation des Berichtes weiterhin den Anschein einer nicht mehr gegebenen Aktualität erzeuge und die Adressaten meinten, die Ermittlungen würden andauern. Es werde als aktuelle Wahrheit vermittelt, was tatsächlich vergangen und erledigt sei. Dieser Eindruck werde weder durch die Datumsangabe noch den Nachtrag, der am Schluss des 1 ½ seitigen Textes nicht zur Kenntnis genommen würde und für dessen Erscheinen der Nutzer auch erst auf die Verbindung „mehr“ klicken müsste, beseitigt. Der Beitrag sei auch nicht archiviert, sondern lediglich von der Startseite heruntergenommen. Die vom Landgericht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 15.12.09 zum „Fall S.“ seien auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Die Antragstellerin sei nicht Täterin einer aufsehenerregenden Straftat, sondern Gegenstand einer Verdachtsberichterstattung, deren Unrichtigkeit sich herausgestellt habe. Deshalb sei sie entlastet und dürfe nicht länger am Pranger stehen. Vom Antragsgegner sei zu verlangen, dass er die Veränderung der Sachlage der Leserschaft mitteile.
Die Antragstellerin hat zunächst angekündigt zu beantragen,
In der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2010 hat die Antragstellerin ihren Antrag zu Ziffer I 1. – 5. (insoweit nur a) gestellt und ihn im Übrigen in Bezug auf Ziffer 5. b) zurückgenommen.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antragsgegner verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene landgerichtliche Urteil und weist mit seinem Vortrag in der Berufungserwiderung darauf hin, dass der in zweiter Instanz formulierte Unterlassungsantrag der Antragstellerin einschränkend gegenüber dem erstinstanzlichen Begehren sei und, soweit die Verbreitung davon abhängig gemacht werden soll, „soweit dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Antragstellerin nach wie vor verdächtig sei“, nicht bestimmt genug sei.
In tatsächlicher Hinsicht trägt der Antragsgegner vor, dass gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens Beschwerde eingelegt worden sei, über die noch nicht entschieden sei. Vor dem Landgericht München sei ein Rechtsstreit zwischen der Antragstellerin und dem Verein A., in dem es um Spendengelder gehe und der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren, über das berichtet worden ist, stehe, anhängig.
Auch gehe das Begehren der Antragstellerin sehr wohl dahin, dass die Meldung insgesamt von der Webseite genommen werde. Der Vortrag der Antragstellerin, dass die beanstandete Mitteilung einen falschen Anschein erwecke, sei unzutreffend. Es bestehe keine Lebenserfahrung, dass Leser von Internet-Seiten flüchtig und ungenau läsen und das Datum einer Meldung nicht zur Kenntnis nähmen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei auch das Interesse daran, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren, zu berücksichtigen. Eine ausdrückliche Kennzeichnung als Altmeldung fordere die Rechtsprechung nicht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin werde durch die neutral gefasste Mitteilung, getragen von dem öffentlichen Interesse der zweckentsprechenden Verwendung von Spendengeldern, kaum beeinträchtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist, soweit sie ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung noch aufrechterhalten hat, auch in der Sache begründet.
Der Senat hat die zur Erreichung des Zweckes erforderlichen Anordnungen im Rahmen des ihm nach § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens teilweise abweichend von dem von der Antragstellerin formulierten Antrag bestimmt und damit auch den Bedenken, die der Antragsgegner gegen die Antragsfassung geäußert hat, Rechnung getragen.
Die Antragstellerin hat gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB Anspruch auf Unterlassung der (jetzt noch) beanstandeten Berichterstattung des Antragsgegners, weil dadurch ein ihr Persönlichkeitsrecht beeinträchtigender Störungszustand geschaffen worden ist, dessen Hinnahme ihr auch unter Berücksichtigung des Rechts des Antragsgegners auf Meinungs- und Pressefreiheit nicht zuzumuten ist.
Dass die Berichterstattung über ein strafrechtlich relevantes Verhalten ein negatives Licht auf den Betroffenen wirft und dadurch in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das auch juristische Personen –wie die Antragstellerin- für sich in Anspruch nehmen können, eingegriffen wird, versteht sich von selbst (BGH Urteil vom 15.11.05 –VI ZR 286/04, VersR 06, 274; BVerfG NJW 06, 2835). Dies gilt besonders, wenn über strafrechtliche Verurteilungen einer genannten oder zu identifizierenden Person berichtet wird, aber auch bei der Berichterstattung über den bloßen Verdacht einer Straftat wie im vorliegenden Fall; auch dabei haftet dem (zwar nach der Rechtsordnung noch als unschuldig geltenden) Betroffenen das Makel an, dass an der Sache etwas „dran“ sein könnte und es droht eine Vorverurteilung des Betroffenen in der Öffentlichkeit. Bezieht sich der Verdacht –wie hier- auf das Betätigungsfeld einer gemeinnützigen Hilfsorganisation, die um Spendengelder wirbt, und ist die Berichterstattung geeignet, bei den Lesern generelle Zweifel am Tun des Betroffenen zu wecken, so besteht darüber hinaus für ihn die Gefahr, in Zukunft von potentiellen Spendern schon allein aus Vorsicht gemieden zu werden, zumal es eine Vielzahl gleichartiger Organisationen gibt, die in einem gewissen Konkurrenzverhältnis um die Gunst von Spendern stehen.
Der Eingriff in das geschützte Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin hat damit für sie immenses Gewicht, auch wenn er nicht durch aktive Informationsübermittlung , wie sie im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, vorgenommen wird, sondern dadurch, dass die beanstandeten Inhalte auf einer passiven Darstellungsform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Auch darin liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, weil die Inhalte grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich sind (BGH Urteil vom 09.02.10 VI ZR 243/08, GRUR-Prax 2010, 179).
Bei dem Vorhalten einer nachträglich überholten Verdachtsberichterstattung im Internet handelt es sich allerdings entgegen der vom OLG Hamburg (ZUM-RD 08, 69) vertretenen Meinung nicht um ein ständig neues „Verbreiten“. Ein solches läge vielmehr nur dann vor, wenn nicht zweifelsfrei erkennbar wäre, dass es sich um keine aktuelle Berichterstattung handelte (Molle, Die Verdachtsberichterstattung ZUM 10, 331, 335; OLG Köln, Beschluss vom 14.11.05, 15 W 60/05, AfP 07, 126; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.09.06, 16 W 55/06, AfP 06, 569). Im vorliegenden Fall ist der beanstandete Bericht jedoch als Altmeldung, die nicht aktuell veröffentlicht wird, erkennbar, so dass der Eingriff nicht in einem wiederholten Verbreiten, sondern allein in dem Bereithalten der nicht mehr aktuellen Meldung liegt. Wie sich aus der Gestaltung der Internet-Seite www.c.de ergibt, werden alle Beiträge dort in ihrer ursprünglich veröffentlichten Form belassen und historisch in zurückliegender Reihenfolge dargeboten, wie es der Internet-Nutzer inzwischen auch bei den Webseiten der Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine oder Nachrichtensendungen gewohnt ist. Dass es sich bei den mehr als 100 Beiträgen, die dem Nutzer, der die Internet-Seite www.c.de anklickt, auf der Startseiten und den Folgeseiten präsentiert werden, nicht durchweg um aktuelle Beiträge handelt, ergibt sich schon aus deren Vielzahl, desweiteren aus dem jeweils mitgeteilten Datum sowie aus der Aneinanderreihung der Beiträge in zeitlich umgekehrter Reihenfolge.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin ist auch rechtswidrig, denn eine Abwägung ihres grundgesetzlich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Recht des Antragsgegners auf Meinungs- und Medienfreiheit ergibt, dass das Schutzinteresse der Antragstellerin überwiegt.
Entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht (AfP 09, 365; 09, 480) für den Abwägungsvorgang vorgegebenen Leitlinien, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt Urteil vom 09.02.10, VI ZR 243/08, GRUR 10, 266) wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel auch dann hinzunehmen, wenn sie nachteilig sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich ziehen, so dass sie Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen.
Ist Gegenstand der Berichterstattung eine Straftat, so hat das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang, wenn es sich um eine aktuelle Berichterstattung handelt.
In Anwendung dieser Grundsätze ist für den vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass es sich bei der Berichterstattung über das gegen die Antragstellerin eingeleitete Ermittlungsverfahren und die dabei erfolgte Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der zweckentfremdeten Verwendung von Spendengeldern um wahre Tatsachen, über die der Antragsgegner seinerzeit unbeanstandet berichtet hat, handelt. Auch wird die wegen des vorrangigen Informationsinteresses ursprünglich rechtmäßige Verdachtsberichterstattung durch eine nachträgliche Änderung der Umstände, wie sie hier durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eingetreten ist, nicht rückwirkend unrechtmäßig (BVerfG NJW 99, 1322, 1324; Molle, a.a.O. S. 334).
An dieser Stelle ist bereits darauf hinzuweisen, dass durch die Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens keine weitere Veränderung der Sachlage eingetreten ist. Denn die Beschwerde hat jedenfalls bislang nicht dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft München die Ermittlungen wieder aufgenommen hätte, so dass es bei der Einstellung des Verfahrens geblieben ist und hiervon für die vorliegend zu treffende Entscheidung auszugehen ist.
Durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist die Berichterstattung des Antragsgegners damit nicht nachträglich unwahr, sondern lediglich überholt worden.
Wie bei einer derartigen Konstellation im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung (in Presse, Funk oder Fernsehen) zu verfahren ist, ist Gegenstand von Rechtsprechung und auch in der Literatur erörtert. Ein Anspruch auf Ergänzungsberichterstattung ist für den Fall, dass ein Ermittlungsverfahren, über das berichtet wurde, eingestellt worden ist, in der Rechtsprechung bisher verneint worden. Die maßgebenden Grundsätze sind in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.11.71 (VI ZR 115/70, NJW 72, 431) festgehalten, der der Fall zugrunde lag, dass in einem Nachrichtenmagazin, das im Verlag der dortigen Beklagten erschienen war, eingehend über einen Strafprozess und das gegen den dortigen Kläger ergangene Strafurteil berichtet worden war. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren freigesprochen worden war, verlangte er vom beklagten Verlag eine Ergänzung der früheren Berichterstattung durch einen Bericht über seine Freisprechung, hilfsweise den Abdruck einer entsprechenden Erklärung des Klägers. Der Bundesgerichtshof hat letzteres für begründet erachtet und ausgeführt, es sei dadurch, dass über die erstinstanzliche Verurteilung des Klägers berichtet, die spätere Aufhebung des Urteils jedoch nicht mitgeteilt worden sei, der Eindruck entstanden, es sei bei der Verurteilung geblieben. Dadurch sei ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigender Zustand entstanden, der (zumindest auch) auf das Verhalten der Beklagten zurückgehe. Auch wenn die Veröffentlichung des Berichts über ein nicht rechtskräftiges Urteil im Zeitpunkt der Äußerung rechtmäßig war, habe die Beklagte eine Lage geschaffen, die in sich die Gefahr einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers enthielt. Trotz Hinweises darauf, dass die verurteilende Entscheidung nicht endgültig sei, werde durch den Bericht darüber der Eindruck erweckt, der Betroffene sei bestraft. Im Rahmen der Abwägung mit der durch Art. 5 Abs. GG 1 Satz 2 garantierten Pressefreiheit hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt, dass es, wenn die Rechtsordnung die Berichterstattung über eine nicht rechtskräftige Bestrafung unter Namensnennung zulasse, geboten sei, korrespondierend eine Pflicht zu bejahen, auf Verlangen des Betroffenen über den endgültigen Freispruch zu berichten. Dies sei für ein Presseorgan auch zumutbar, weil nicht verlangt werde, die Strafverfahren, über die es berichtet habe, weiterzuverfolgen; es sei lediglich auf Verlangen des Betroffenen einmal seine Freisprechung mitzuteilen. Eine solche Pflicht sei aber auf Fälle wie den vorliegenden, in dem sich nicht der Lebenssachverhalt, sondern lediglich dessen Beurteilung durch die Strafgerichte geändert habe, zu beschränken. Auch sei zur Beseitigung des Störungszustandes eine eigene Erklärung des Betroffenen ausreichend; die Beklagte müsse ihm nur ein Forum zur Verfügung stellen, um mit seiner Erklärung an denselben Leserkreis zu gelangen; die Abgabe einer Erklärung des beklagten Verlages sei unnötig belastend und zu weitgehend.
An diese Rechtsprechung anknüpfend hat das OLG München (Urteil vom 17.11.95 – 21 U 3032/95, NJW-RR 96, 1487) in einem Fall, in dem in einer Fernsehsendung (Report) über ein gegen den dortigen Kläger wegen Vergewaltigung eingeleitetes Ermittlungsverfahren berichtet worden war, einen Anspruch auf Unterlassung, Widerruf und auf nachträgliche Ergänzungsberichterstattung verneint. Es handele sich um wahre Tatsachen, über die die Beklagte berichtet habe, und die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung seien eingehalten worden. Ein trotz rechtmäßiger Berichterstattung möglicher Anspruch aus § 1004 BGB sei nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zu verneinen. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sei lediglich über ein Ermittlungsverfahren und nicht über eine strafgerichtliche Verurteilung, die auch bei Fehlen der Rechtskraft den Eindruck vermittele, dass vieles für eine Verurteilung spreche, berichtet worden. Der BGH habe die Pflicht zur Ergänzung, die ohnehin nur auf die Veröffentlichung einer Erklärung des Betroffenen gerichtet sei, eng begrenzt.
Das LG Hamburg (Urteil vom 13.03.98 -324 O 726/97, AfP 1999, 93) hat einen Anspruch, im Rahmen einer ergänzenden Mitteilung über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu berichten, wenn zuvor über die Einleitung eines solchen Verfahrens zutreffend berichtet worden sei, abgelehnt, weil dies auf eine stetige Fortschreibung der Berichterstattung hinausliefe.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 28.04.97 -1 BvR 765/97, NJW 1997, 2589) die Zuerkennung eines sogenannten äußerungsrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs auf Abdruck einer ergänzenden Meldung für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, wenn eine ursprünglich rechtmäßige Meldung über eine Straftat sich aufgrund späterer gerichtlicher Erkenntnisse in einem anderen Licht darstelle und die durch die Meldung hervorgerufene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts andauere. Dadurch würde der erforderliche Ausgleich zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht herbeigeführt. Das Bundesverfassungsgericht hat es gebilligt, dass das vorentscheidende Oberlandesgericht keine generelle Pflicht der Presse, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen, angenommen habe und auch nicht verlangt habe, dass der Veröffentlichende von der ursprünglichen Meldung abrücke.
In der Literatur (Münch-Komm. BGB, 5. A. Anh zu § 12 Allg. PersönlR, Rn 216) wird vertreten, dass die nachträgliche Ergänzung nur verlangt werden könne, wenn die Erstmitteilung keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit des Berichteten enthalten habe. Dann müssten aber nicht nur die Fälle auf Rechtsmittel hin aufgehobener Strafurteile oder auch später, weil der Verdacht ausgeräumt wurde, eingestellter Ermittlungsverfahren erfasst werden, sondern auch die Fälle später aufgehobener zivilrechtlicher Entscheidungen oder Insolvenzverfahren.
Nach Gamer (in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A., § 13 Rn 76) ist der Anspruch zu verneinen, wenn in der Erstmitteilung hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist, dass eventuell mit Veränderungen zu rechnen ist. Andererseits sollte der Anspruch auch in anderen Fällen als dem der nachträglichen Aufhebung einer strafgerichtlichen Verurteilung anerkannt werden, wenn eine Abwägung der beiderseitigen Interessen dies als geboten erscheinen lasse. Zu denken sei an die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens, speziell wenn über seine Einleitung groß berichtet worden sei, ebenso an die Aufhebung einer zivilgerichtlichen Verurteilung und die Aufhebung eines Insolvenzverfahrens. Eine an sich zutreffende Meldung könne zwar nicht die Verpflichtung begründen, nach Art eines Fortsetzungsromans über jede weitere Etappe des betreffenden Vorgangs zu berichten. Unter der Voraussetzung einer falschen Prognose könne aber auch unabhängig vom Falle des nachträglichen Freispruchs die Notwendigkeit zu späterer Korrektur anzuerkennen sein.
Soehring (Presserecht, 4. A., § 19 Rn 37) hält es nicht für zweifelhaft, dass jedenfalls im Regelfall die Berichterstattung über ein bestimmtes Ermittlungsverfahren einen rechtswidrigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstelle, wenn es mangels Tatverdacht oder erwiesenere Unschuld endgültig eingestellt worden sei.
Wenzel (Der Anspruch auf Ergänzung überholter Pressemeldungen, GRUR 72, 634 ff) hält eine Anspruch auf Ergänzung eines überholten Presseberichts für erwägenswert unter der Voraussetzung, dass eine falsche Prognose aufgestellt worden sei. Dann sollte der Anspruch allerdings nicht nur auf die Fälle der Aufhebung von Gerichtsurteilen beschränkt sein, sondern auch auf andere Fälle ehr- oder kreditrührender Meldungen ausgedehnt werden.
Bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ist vor dem Hintergrund des zuvor dargestellten Meinungsstandes in Literatur und Rechtsprechung weiter die Besonderheit zu berücksichtigen, die durch die Veröffentlichung im Internet gegeben ist.
Der ursprünglich rechtmäßige Bericht des Antragsgegners ist nicht lediglich im Gedächtnis der ihn einmalig zur Kenntnis Nehmenden gespeichert, sondern wird fortdauernd bereitgehalten und auf ihn kann auch gegenwärtig noch zugegriffen werden.
Diesbezüglich ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 15.12.09, VI ZR 227/08, AfP 2010, 77-81; GRUR 2010, 266-270; NJW 2010, 757-760; MDR 2010, 321-323 und Urteil vom 09.02.10, VI ZR 243/08, –Walter S. Mord mit dem Hammer, AfP 2010, 162-167; GRUR 2010, 549-554; NJW 2010, 2432-2437; MDR 2010, 570-571) zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Bereithaltens von im Zeitpunkt der Erstveröffentlichung rechtmäßigen Altmeldungen im Internet auch nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände zu beachten. Der Bundesgerichtshof hat es mit der Meinungs- und Medienfreiheit als nicht zu vereinbaren erachtet, die Betreiber des betreffenden Internetauftritts zu verpflichten, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Das könnte zur Folge haben, dass der Berichterstattende entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Veröffentlichung die Umstände ausklammern würde, die das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten.
Es ist also ein Ausgleich zu suchen zwischen dem vom Schutz der Meinungsfreiheit umfassten Recht des Antragsgegners auf Bereithaltung zulässiger Altmeldungen auch nach Veränderung der ihnen zugrunde liegenden Umstände und dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin, das auch bei wahren Tatsachenbehauptungen, die eine erhebliche Breitenwirkung haben und zu einer besonderen Stigmatisierung führen können, verletzt sein kann.
Wie bereits oben ausgeführt, berührt der Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht der Antragstellerin ihren Existenzbereich. Für sie kann die Meldung, dass sie verdächtigt wird, Spendengelder nicht zweckentsprechend verwendet zu haben, vernichtend sein, weil die Erreichung ihres gemeinnützigen Zwecks und auch ihre Selbsterhaltung vom Spendenaufkommen abhängen.
Auch hat die vom Antragsgegner verbreitete Meldung auf einer der Folgeseiten der von ihm betriebenen Internetseite eine deutlich höhere Breitenwirkung als die zum kostenpflichtigen Abruf in einer Rubrik „Dossiers“ bereitgehaltene Meldung in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vom 15.12.09 (a.a.O.).
Dass die Antragstellerin diesen Eingriff solange hinzunehmen hatte, wie das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen sie schwebte, wird von ihr nicht in Zweifel gezogen. Solange hatte das Interesse der Öffentlichkeit daran, zu erfahren, wie die der Antragstellerin anvertrauten Spendengelder verwendet werden, jedenfalls Vorrang.
Es muss aber nunmehr, da die Staatsanwaltschaft München keinen genügenden Anlass für eine Anklageerhebung gesehen und das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat, zurücktreten.
Zwar sind die ursprünglich wahrheitsgemäßen Aussagen durch die weitere Entwicklung der Sache nicht unwahr geworden. Sie haben sich aber durch den Fortgang des auch für den Leser der Altmeldung erkennbar nicht abgeschlossenen Vorgangs, über den berichtet wurde, überholt und geben insofern den Sachverhalt nicht mehr vollständig wieder.
Dahingegen erweckt die Berichterstattung beim Internet-Nutzer nicht den Eindruck, es handele sich um eine aktuelle Meldung, wie die Antragstellerin meint.
Allerdings sähe und wertete der Leser die damalige Meldung von einem Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin in einem anderen –der Antragstellerin günstigeren- Licht, wenn er Kenntnis von der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des Verfahrens hätte. Dadurch bekäme die Meldung eine andere Qualität, die gleichzeitig den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin verringerte. Insofern erscheint es dem Senat interessengerecht, vom Antragsgegner eine Mitteilung über den Fortgang der der Altmeldung zugrundeliegenden Tatsachen zu verlangen und ihm die Verbreitung der Meldung ohne einen solchen Zusatz zu verbieten. Damit wird einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eingriff durch das fortdauernde Bereithalten der Altmeldung im Internet ein anderer ist als bei der herkömmlichen Berichterstattung, auf die im Nachhinein nicht mehr zugegriffen werden kann. Andererseits wird vom Antragsgegner weder verlangt, dass er die Altmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung abändert noch, dass er die von ihm veröffentlichten Altmeldungen immer wieder auf ihre Entwicklung und ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Dass der damit verbundene zeitliche und personelle Aufwand unverhältnismäßig wäre, wie auch der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 15.12.09 und 09.02.10 (a.a.O.) festgestellt hat, braucht im vorliegenden Fall nicht weiter erörtert zu werden, weil der Antragsgegner von der Antragstellerin über die Veränderung des der Meldung zugrunde liegenden Sachverhalts unterrichtet worden ist und es lediglich um seine Störereigenschaft ab positiver Kenntnis und ab dem von der Antragstellerin geäußerten Verlangen geht.
Unter diesen Umständen erscheint die ursprüngliche (Lang-) Fassung der Meldung im Zusammenhang mit dem inzwischen eingearbeiteten Nachtrag zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens äußerungsrechtlich unbedenklich. Dem entsprechenden Hinweis des Senats im Termin vom 29.09.10 hat die Antragstellerin Rechnung getragen, indem sie ihren Antrag teilweise zurückgenommen und die Langfassung nicht mehr beanstandet hat. Etwas anderes gilt aber für die nunmehr auf der Internetseite des Antragsgegners bei Aufruf auf einer der Folgeseiten zunächst einmal erscheinende Kurzfassung. Allein der zur Langfassung hinführende Link „mehr“ ist nicht geeignet, dem Anspruch der Antragstellerin zu genügen. Denn es ist davon auszugehen, dass ein zumindest nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Internet-Nutzer den link „mehr“ nicht anklickt, weil er an weitergehenden Informationen nicht interessiert ist und auch nicht unbedingt vermuten kann, dass sich hinter dem link die Mitteilung über den weiteren Verlauf des Vorgangs verbirgt (ähnlich KG Berlin Urteil vom 27.04.07, 9 U 100/06, AfP 07, 370, 371 für den Fall, dass ein aufklärender Hinweis in einem link erfolgt).
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Antragstellerin vom 22.10.2010 gibt zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 ZPO analog.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da die Sache kraft Gesetzes (§ 542 Abs. 2 ZPO) nicht revisibel ist.
Streitwert II. Instanz: 75.000,- Euro (entsprechend der von den Parteien nicht beanstandeten Wertfestetzung durch das Landgericht)
37.500,- Euro ab dem 29.09.10