LG München, Urteil v. 24.05.2007, Az. 7 O 5245/07
1. Mit der freien Zugänglichkeit von Software im Internet gestattet der Autor nicht automatisch jedem Dritten die Nutzung seiner Software. Die bloße Veröffentlichung bedeutet auch keinen Verzicht auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen.
2. Der Autor einer Software, die er unter der GPL im Internet veröffentlicht hat, hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Nutzer seiner Software, die sich nicht an die Regeln der GPL halten.
3. Der Anbieter einer Webshop-Plattform haftet auch dann für urheberrechtsverletzende Produkte, wenn er selbst den Shop nicht betreibt, sondern nur die technische Basis dafür zur Verfügung stellt.
In dem Verfahren
[…]
erlässt das Landgericht München I, 7. Zivilkammer […] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.5.2007 folgendes Endurteil:
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 1/4 und die Antragsgegnerin 3/4 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch die Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und folgenden Beschluss:
Der Antragsteller nimmt für sich die ausschließlichen Rechte an den Programmen „mtd“ und „initrid“ in Anspruch, die im Rahmen des modular aufgebauten Linux-Betriebssystems Verwendung finden. Er nimmt die Antragsgegnerin wegen des Vertriebs des VOIP-Telefons „…“ in Anspruch mit der Behauptung, dessen Firmware enthalte den Betriebssystemkern Linux einschließlich der Programme „mtd“ und „initrid“, wobei jedoch weder der entsprechende Sourcecode angeboten noch der Lizenztext der … (GPL) mitgeliefert werde.
Die Entwicklung der Software „initrid“, Bestandteil des Linux-Kemels, sei von Werner Almesberger 1996 begonnen worden. Die Software wird im Internet im Sourcecode zum Download angeboten und jedermann zur Weiterentwicklung zugänglich gemacht. In der Datei „Copying“, die auf der Webseite zugänglich sei, sei der Text der GNU General Public Licence (GPL) enthalten (Anlage AS 3). Mit Vertrag vom 22./23.9.2004 (Anlage AS 4) sind dem Antragsteller die ausschließlichen Nutzungsrechte übertragen worden.
Die Entwicklung der Software „mtd“, die zunächst außerhalb des Linux-Kernels erfolgt sei, sei von David Woodhouse 1999 begonnen und separat veröffentlicht worden (Anlage AS 5). Im Juli 2000 sei sie in den Linux-Kernel aufgenommen worden (AS 6). Mit Vertrag vom 10./14.11.2005 sind dem Antragsteller die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Software übertragen worden (Anlage AS 7).
Die beiden Programme dürfen als Freie Software (Open Source Software) unter den Bedingungen der GPL von jedermann genutzt werden (Text Anlage AS 8).
Nr. 1 der GPL verlange, dass beim Vertrieb durch einen Lizenznehmer der Software der Lizenztext beizufügen sei.
Nr. 3 der GPL erlaube dem Lizenznehmer die Weitergabe der Software auch im Objektcode, wenn der Sourcecode mitgeliefert werde oder ein Angebot dazu erfolge. Mit einem Lizenzverstoß gehe automatisch gemäß Nr. 4 der GPL ein Lizenzverlust einher.
Die Antragsgegnerin betreibt im Internet eine Plattform für Internettelefonie (sog. Vice-Over-IP) mit dem Namen … . (Anlage AS 9). Daneben bietet die Antragsgegnerin nach dem Vortrag des Antragstellers auch Zubehör an, so auch das drahtlose VOIP-Telefon der Fa. … das Telefonie über den Dienst der Antragsgegnerin ermöglicht (Anlage AS 10). Die Webseiten www. … .com, auf die von der deutschen Domain www. … .de weiterverlinkt werde, seien in deutscher Sprache gehalten und richteten sich demnach auch an den deutschen Markt. Die Webseiten würden auch von der Antragsgegnerin betrieben (Anlage AS 11).
Aufgrund einer Internetrecherche im Anschluss an eine Abmahnung der Herstellerfirma …, habe die Antragstellerin am 20.2.2007 einen Testkauf veranlasst (AS 12). Nach Lieferung des Telefons am 22.2.2007 hätten sich bei einer Überprüfung keinerlei Hinweis auf die GPL oder ein Angebot des Sourcecodes ergeben. Die Firmware des Telefons basiere auf einem GNU/Linux-Betriebssystem und enthalte auch die von Almesberger programmierten Bestandteile der Software „initrd“, ebenso die Software „mtd“, insbesondere auch die von Woodhouse programmierten Bestandteile. Dies habe eine technische Untersuchung am 20.12.2006 ergeben. Zudem habe … den Sourcecode der verwendeten GPL-Software einschließlich der Programme „initrd“ und „mtd“ nach der Abmahnung auf ihrer Webseite online zugänglich gemacht (AS 15).
Trotz Abmahnung der spanischen Vertriebsgesellschaft der Antragsgegnerin vom 28.2.2007 und Information der Antragsgegnerin über die GPL-Verletzungen (Anlage AS 16) seien VOIP-Telefone auch nach Ablauf der zum 6.3.2007 gesetzten Frist auf der Webseite der Antragsgegnerin angeboten worden. Offenbar versuche die Antragsgegnerin. zusammen mit der Herstellerin im Rahmen einer großen Marketing-Aktion in möglichst großem Umfang die GPL-widrigen Geräte auf den Markt zu bringen. Auch auf eine förmliche Abmahnung vom 14.3.2007 (AS 18) sei keine Reaktion erfolgt.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin das Verbreitungsrecht des Antragstellers an den beiden urheberrechtsschutzfähigen Programmen verletze.
Mit dem am 22.3.2007 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragte der Antragsteller,
die Software „mtd“ und/oder „initrd“ zu verbreiten oder an deren Verbreitung mitzuwirken, ohne entsprechenden Lizenzbedingungen der GNU General Public License, Version 2 (GPL) dabei zugleich den Lizenztext der GPL beizufügen und den Sourcecode der Software lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen.
Im Termin vom 24.5.2006 stellt der Antragsteller den Antrag nunmehr in folgender Fassung:
Die Antragsgegnerin beantragt,
Entgegen dem Vortrag des Antragstellers vertreibe die Antragsgegnerin das verfahrensgegenständliche VOIP-Telefon nicht. Betreiberin des Online-Shops auf den Webseiten der Antragsgegnerin sei allein die … in Barcelona bzw. deren Muttergesellschaft, die … S.L./Spanien. Die Antragsgegnerin stelle ihre Webseiten diesen Unternehmen für den Betrieb deren Webshops zur Verfügung, wie bereits unmittelbar aus dem Webseiten (Anlage AG 1) hervorgehe und letztlich auch aus dem Begleitschreiben zur Lieferung (AS 12). Soweit der Antragsteller auf die AGB der Antragsgegnerin verweise (AS 11), sei dies falsch, denn diese beträfen ausschließlich die Nutzung der Webseiten. Auf der Shop-Seite seien andere AGB aufrufbar. Aus den Shop-AGB gehe eindeutig hervor, wer Vertragspartner der Käufer sei, nämlich allein die … S.L. Zudem würden im Rahmen eines Links zu Fragen rund um den Bestellvorgang erläutert, in welcher Beziehung die Antragsgegnerin zu der … stehe (Anlagen AG 2, 3, 4). Auf der Rechnung vom 21.2.2007 (AS 12) sei ebenfalls nicht die Antragsgegnerin angegeben. Die Antragsgegnerin verweist auf die eidesstattliche Versicherung von Frau … (Anlage AG 9), einer Mitarbeiterin in der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin. Auch bei einer vom anwaltlichen Vertreter der Antragsgegnerin durchgeführten Bestellung (Anlage AG 5) sei allein auf die … hingewiesen worden. Es sei unzutreffend, dass sich die Antragsgegnerin hinter verschiedenen Unternehmen „verstecke“. Bei den Unternehmen handele es sich um europaweit bekannte Betreiber von Webshops aller Art (Anlage Ad 6).
Wie die Bestellung vom 25.4.2007, in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Antragstellers ergeben habe, mache die … den Sourcecode der verwendeten GPL-Software nach der Abmahnung auf deren Webseite online zugänglich (Anlage AG 11) und weise in einem Beiblatt (Anlage AG 10) hierauf hin.
Die Antragsgegnerin trägt vor, sie habe die Abmahnung vom 28.2.2007 nicht erhalten. Erstmalig am 1.3.2007 habe sie über die … Kenntnis erlangt, dass bei dem Vertrieb des VOIP-Telefons „…“ der Lizenztext der GPL nicht beigefügt und der Sourcecode der Software nicht gebührenfrei zugänglich gemacht worden sei. Die Antragsgegnerin habe sich daraufhin sofort mit der Muttergesellschaft der … Verbindung gesetzt (Anlage G 8). Zudem sei der Verkauf des verfahrensgegenständlichen VOIP-Telefons über die … Webseiten am 1.3.2007 sofort unterbunden worden. Nach Übersendung des Schreibens vom 7.3.2007, in dem die erklärt habe, dass sie die Anforderungen des Antragstellers in Zukunft erfüllen werde, sei der Vertrieb am 10.3.2007 wieder gestattet worden (Anlagen AG 9, 12).
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass dem Antragsteller kein Unterlassungsanspruch zustehe. Die GPL seien insgesamt unwirksam, da § 4 Satz 2 eine unzulässige Beschränkung des Nutzungsrechts darstelle. Die Unwirksamkeit des § 3 der GPL ergebe sich aus der Verletzung des Erschöpfungsgrundsatzes sowie aus dem Verbot, die konditionell für den Zweitvertrag in einem Erstvertrag festzulegen. Die Unwirksamkeit führe indes nicht dazu, dass die Nutzung der verfahrensgegenständlichen GPL Software rechtswidrig sei. Die Beurteilung in den Urteilen des LG München I und des Landgerichts Frankfurt zu § 4 Satz 2 der GPL, auf die sich der Antragsteller stütze, sei falsch (BI. 36/37). Da die Software im Internet zur Verfügung gestellt werde, verstoße § 3 gegen den Erschöpfungsgrundsatz. Derartige Weitergabeverbote verstießen gegen § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB (BI. 37 f). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 32 Abs. 3 Satz 3 UrhG („Linux-Klausel“).
§ 3 GPL bestimme zudem, dass die Konditionen für den Zweiterwerber bereits in dein Erstvertrag festgelegt würden. Dies verstoße gegen Art. 81 EGV und § 1 GWB.
Zudem sei die Antragsgegnerin lediglich Störerin und könne insoweit wegen der erfolgten Beseitigung der behaupteten Rechtsverletzungen nach erstmaliger Kenntnisnahme nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Sie habe auch dafür Sorge getragen, dass es in Zukunft nicht zu weiteren (unterstellten) Rechtsverletzungen kommen könne (BI. 39 ff).
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sei, die GPL seien wirksam, erklärt die Antragsgegnerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, dass sie die Lizenzbedingungen der GNU General Public License (GPL) anerkenne und befolge. Für die vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche bestehe auch deshalb kein Raum.
Letztlich sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Die nach § 4 Satz 3 der GPL erforderliche Erklärung habe die Antragsgegnerin spätestens im Schriftsatz vom 22.5.2007 abgegeben, wobei die Bedingungen bereits, ab dem 10.3.2007 durch tatsächliches Handeln anerkannt worden seien.
Der Antragsteller tritt dem entgegen. Durch Beigabe des Blatts gemäß der Anlage AG 10 seien die Bedingungen der GPL nicht erfüllt. Die durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr könne nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Es sei daher nicht relevant, wenn die Antragsgegnerin die GPL nunmehr bedingt anerkenne. Die Antragsgegnerin habe die Sachherrschaft über den Vertrieb des Produkts, da sie in der Bewerbung des Produkts selbst als Anbieterin auftrete. Der Internetshop werde unter der Second-Level-Domain der Antragsgegnerin betrieben.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Antragsschrift vom 21.3.2007, die Erwiderung vom 22.5.2007 sowie die Sitzungsniederschrift vom 24.5.2007 (BI. 44/47) Bezug genommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung reichte der Antragsteller die Schriftsätze vom 25.5.2007 und vom 22.6.2007, die Antragsgegnerin den Schriftsatz vom 20.6.2007 ein.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und teilweise auch begründet.
I. Entscheidungsgrundlage im vorliegenden Verfahren ist, wie vorstehend im Tatbestand wiedergegeben, der Sachstand bei Schluss der mündlichen Verhandlung im Termin. Das weitere tatsächliche Vorbringen in den danach eingereichten Schriftsätzen der Parteien ist nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296 a ZPO).
Ob in Fällen, in denen ohne sachlich gerechtfertigten Grund – die Ausführungen des anwaltlichen Vertreters der Antragsgegnerin im Termin (schwere Erkrankung einer nahen Familienangehörigen) geben keinen Aufschluss darüber, warum es nicht möglich gewesen sein sollte, die Erwiderungsschrift vom 22.5.2007, die mehrfach am 22. und 23.5.2005 an das Gericht gefaxt wurde, auch vor dem Termin, wie allgemein üblich, auch den anwaltlichen Vertretern per Telefax oder per Boten (beide Anwaltsbüros sind in Berlin ansässig) zu übermitteln – die Erwiderung auf den Antrag erst im Termin erfolgt bzw. dem Antragsteller erst im Termin übergeben wird, die Einräumung einer Schriftsatzfrist für den Antragsteller in Betracht kommt, wird in der Literatur, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Lediglich im Falle des entsprechenden „prozesstaktischen“ Verhaltens von Seiten des Antragstellers wird die die Einräumung einer Schriftsatzfrist für den Antragsgegner für möglich gehalten (vgl. Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 Rdn. 441 f). Dies kann vorliegend aber dahinstehen, da ein Antrag auf Schriftsatznachlass von Seiten des Antragstellers gemäß § 283 ZPO nicht gestellt wurde.
II. Verfügungsanspruch
Der Antragsteller hat das Bestehen eines Verfügungsanspruchs gemäß § 97 Abs. 1, § 31 Abs 1, § 69 a, § 69 c Nr. 3 UrhG glaubhaft gemacht.
1.Dass die beiden Programme gemäß § 69 a UrhG urheberrechtlichen Schutz genießen, stellt die Antragsgegnerin zu Recht nicht in Abrede (vgl. auch BGH GRUR 2005, 860 — Fash 2000). Ebenso ist unstreitig, dass der Antragsteller Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte hieran ist.
2. Allerdings haftet die Antragsgegnerin nicht als Täterin einer Urheberrechtsverletzung aufgrund des Vertriebs des VOIP-Telefons, denn nach dem unstreitigen bzw. als glaubhaft gemachten anzusehenden Sachverhalt kann die Antragsgegnerin nicht als Vertreiberin des Telefons einschließlich der streitgegenständlichen Software angesehen werden. Vielmehr ist ihr adäquat-kausaler Beitrag für die angegriffene Ver-haltensweise darin zu sehen, dass sie ihre Webseite zum Vertrieb des Telefons zur Verfügung stellt. Hierin ist eine Mitwirkung im Sinne des Unterlassungsbegehrens des Antragstellers zu sehen.
a. Wie durch die vorgelegten Unterlagen (Rechnungen gemäß Ast 12 und AG 5) belegt ist, wird das VOIP-Telefon nicht von der Antragsgegnerin bzw. in deren Namen ausgeliefert (vgl. auch die Ausführungen in den Anlagen Ast 14 und Ast 15, in denen der Antragsteller jeweils selbst ausführt, dass der Vertrieb dürch die … erfolgt). Die Anlage AS 9 bezieht sich auf Software-Programme zum Telefonieren, nicht auf die streitgegenständliche Software. Auch aufgrund der Anlage AS 10 („… Komplettpaket“) und der Anlage AS 11 — diese AGB der Antragsgegnerin beziehen sich nicht auf den Vertrieb des Telefons (siehe insofern die AGBs des … Zubehörshop in Anlage AG 2) — kann, auch in Verbindung mit der Nutzung des …-Logos, u.a. auf den Rechnungen, nicht gefolgert werden, dass Vertreiberin des Telefons die Antragsgegnerin ist und die Verbreitung der streitgegenständlichen Software sich als eigene Handlung der Antragsgegnerin darstellt (vgl. BGH GRUR 2004, 860 und Urt. v. 19.4.2007 – I ZR 35/04 Rn. 27 ff— Internet-Versteigerung I und II, jeweils zur Frage der Haftung von ebay als Täterin einer Markenverletzung).
b. Auch eine Haftung der Antragsgegnerin als Teilnehmerin an einer Urheberrechtsverletzung lässt sich aufgrund des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalts nicht begründen. Denn die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung – Zurverfügungstellung der Webseite – zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH aaO Rn. 31 f – Internet-Versteigerung II). Diese Voraussetzung ist auch für den Zeitraum ab Kenntniserlangung von der geltend gemachten Rechtsverletzung von Seiten des Antragstellers und der Wiederzulassung der Nutzung der Webseite der Antragsgegnerin am 10.3.2007 nicht gegeben, da die Antragsgegnerin — wenn auch zu Unrecht (siehe hierzu nachfolgend) — davon ausgegangen ist, dass bei dem weiteren Vertrieb den Anforderungen des Antragstellers genügt wird.
c. Die Zurverfügungstellung der Webseite beinhaltet allerdings einen adäquat-kausalen Beitrag zum Vertrieb der streitgegenständlichen Software im Rahmen des Vertriebs des VOIP-Telefons. Hierfür haftet die Antragsgegnerin nach den Grundsätzen der Störerhaftung (BGH aaO — Internet-Versteigerung I; aaO Rn. 40 ff – Internetversteigerung II). Denn sie hat nach ihrem eigenen Vorbringen am 1.3.2007 von dem GPL-widrigen Vertrieb der Software erfahren und den weiteren Vertrieb des Telefons über ihre Webseite unterbunden. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, sie habe damit ihr Verpflichtung zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes genügt und könne darüber hinaus nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies bereits deshalb, weil auch der weitere Vertrieb der streitgegenständlichen Software nach dem 10.3.2007 nicht den Anforderungen der GPL genügt. Jedenfalls nachdem die Antragsgegnerin am 1.3.2007 von der Beanstandung des Antragstellers erfahren hatte, hatte sie Veranlassung, die Rechtmäßigkeit des Vertriebs zu überprüfen und hat sich auch — wie bereits ausgeführt — auch dementsprechend verhalten. Sie durfte sich aber nicht, wie offensichtlich geschehen, mit der Zusage der … gemäß Schreiben begnügen, sondern sie musste im Rahmen des ihr Zumutbaren überprüfen, ob bei dem weiteren Vertrieb die Rechte des Antragstellers beachtet werden. Die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin als Störerin steht auch nicht entgegen, dass es dem Antragsteller auch möglich ist und er dies auch bereits getan hat, die … als Vertreiberin in Anspruch zu nehmen. Denn eine derartige Subsidiarität der Haftung der Antragsgegnerin besteht nicht (vgl, BGH WRP 2007, 795 — Meinungsforum in Internet).
3. Der Vertrieb des Telefons einschließlich der Software durch die … verletzt die ausschließlichen Nutzungsrechte des Antragstellers an den beiden Programmen „mtd“ und „initrd“.
a. Die … verfügen über keine individual-verträgliche Gestattung zur Vervielfältigung und Verbreitung der streitgegenständlichen Software. Sie können folglich nur aufgrund der Einräumung einer einfachen Lizenz in Form der GPL zum Vertrieb der Software berechtigt sein (so auch LG Frankfurt CR 2006, 729, 731 re. Sp.). Die Voraussetzungen für eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts an den zusammen mit dem Telefon jeweils ausgelieferten Vervielfältigungsstücken der streitgegenständlichen Software — eine Erschöpfung des Vervielfältigungsrechts findet nicht statt (BGH GRUR 2005, 940 mwN – Marktstudien; eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt nach der Rechtsprechung der Kammer auch hinsichtlich des Verbreitungsrechts bei einem Online-Vertrieb nicht ein, vgl. CR 2007, 356; CR 2006, 159) sind von der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegnerin nicht dargetan. Dementsprechend hat sich die auf Abmahnung vom 4.1.2007 gegenüber dem Antragsteller gemäß Erklärung vom 17.1.2007 strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen: ,,… die Software „initrid“ und/oder die Software „mtd“ allein oder als Firmware des Wireless VOIP Telefons … zu verbreiten oder zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen, ohne entsprechend den Lizenzbedingungen der GNU General Public License (GPL) bei der Weitergabe zugleich auf die Lizenzierung unter der GNU General Public License hinzuweisen und den Lizenztext der GPL beizufügen und den vollständigen korrespondierenden Sourcecode der Software lizenzgebührenfrei zugänglich zu machen.“ (Abmahnung und die vom Antragsteller als nicht ausreichend angesehene Unterlassungserklärung vorgelegt als Bestandteil des diesbezüglichen Schriftwechsels gemäß dem Anlagenkonvolut AS. 13).
b. Auch die Antragsgegnerin verfügte bis zu ihrer (hilfsweisen) Erklärung im Schriftsatz vom 22.5.2007 nicht über eine vertragliche Nutzungsberechtigung. Der Auffassung der Antragsgegnerin gemäß ihrer vorrangig vertretenen Argumentation, die Unwirksamkeit der GPL (entgegen der bisher hierzu ergangenen Instanzrechtsprechung, vgl. LG München 1 (21. Zivilkammer) MMR 2004, 691 = GRUR-RR 2004, 350 = InstGE 4, 232; LG Berlin CR 2006, 735; LG Frankfurt CR 2006, 729, 732) — führe dazu, dass ihr sozusagen im Wege des Einwands des Rechtsmissbrauchs eine Nutzungsbefugnis an der Software zuzubilligen wäre, weil der Antragsteller die Software unter Verwendung von unwirksamen allgemeinen Geschäftsbedingungen in Gestalt der GPL frei zugänglich macht, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere wird das Risiko der geltend gemachten Unwirksamkeit der GPL nicht der Antragsgegnerin aufgebürdet, da diese, ebenso wie die …, wie die vorrangige Argumentation der Antragsgegnerin belegt, mit dem Antragsteller gerade nicht in eine lizenzvertragliche Beziehung treten will. Mit der freien Zugänglichkeit der streitgegenständlichen Software im Internet ist auch keine unbeschränkte Gestattung gegenüber jedwedem Dritten bzw. ein Verzicht auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen verbunden, der sich gerade keinerlei vertraglichen Beschränkungen unterwerfen will. Es besteht folglich in vorliegendem Verfahren keine Veranlassung, zu den geltend gemachten Unwirksamkeitsgründen Stellung zu nehmen. Denn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wäre dem Antragsteller auch bei unterstellter Unwirksamkeit der GPL nach § 242 BGB nicht verwehrt.
c. Auch die hilfsweise Anerkennung der GPL von Seiten der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 22.5.2007 greift nicht durch. Die hilfsweise abgegebene Erklärung, die Bestimmungen der GPL zukünftig einzuhalten, ist allerdings nicht bereits deshalb ohne Bedeutung, weil, wie der Antragsteller meint, eine aufgrund einer Zuwiderhandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden kann. Denn entsprechend dem von der Kammer im Terinin herangezogenen Beispielsfall — Abschluss eines Lizenzvertrages, der dem Beklagten die Nutzung des verletzten Schutzrechtes für die Zukunft gestattet — wäre auch die nach der Auslegung der GPL durch die vorgenannte Instanzrechtsprechung auch einseitig mögliche Erklärung des Antragsgegners, die Bestimmungen der GPL nunmehr zu beachten, für den allein in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch von Bedeutung. Dem Unterlassungsanspruch könnte die vertragliche Gestattung als Rechtfertigungsgrund entgegen gehalten werden. Die Anerkennung der GPL greift aber deshalb nicht durch, weil auch der Vertrieb der Software nach dem 10.3.2007 durch die … für den die Antragsgegnerin nach den obigen Ausführungen als Störerin mit verantwortlich ist, nicht den Bestimmungen der GPL entspricht.
Die hier relevanten Bestimmungen der GPL lauten in deutscher Sprache (Anlage AS 8):
§ 1
Sie dürfen auf beliebigen Medien unveränderte Kopien des Quelltextes des Programms, wie sie ihn erhalten haben, anfertigen und verbreiten. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie mit jeder Kopie einen entsprechenden Copyright-Vermerk sowie einen Haftungsausschluss veröffentlichen, alle Vermerke, die sich auf diese Lizenz und das Fehlen einer Garantie beziehen, unverändert lassen und desweiteren allen anderen Empfängern des Programms zusammen mit dem Programm eine Kopie dieser Lizenz zukommen lassen.§ 3
Sie dürfen das Programm (oder ein darauf basierendes Datenwerk gemäß Paragraph 2) als Objectcode oder in ausführbarer Form unter den Bedingungen der Paragraphen 1 und 2 kopieren und Weitergeben — vorausgesetzt, dass Sie außerdem eine der folgenden Leistungen erbringen:1. Liefern Sie das Proramm zusammen mit dem vollständigen zugehörigen maschinenlesbaren Quelltext auf einem für den Datenaustausch üblichen Medium aus, wobei die Verteilung unter den Bedingungen der Paragraphen 1 und 2 erfolgen muss. Oder:
2. Liefern Sie das Programm zusammen mit einem mindestens drei Jahre lang gültigen schriftlichen Angebot aus, jedem Dritten eine vollständige maschinenlesbare Kopie des Quelltextes zur Verfügung zu stellen — zu nicht höheren Kosten als denen, die durch den physikalischen Kopiervorgang anfallen, wobei der Quelltext unter den Bedingungen der Paragraphen 1 und 2 auf einem für den Datenaustausch üblichen Medium weitergegeben wird. Oder:
Liefern Sie das Programm zusammen mit dem schriftlichen Angebot der Zuverfügungstellung des Quelltextes aus, das sie selbst erhalten haben. (Diese Alternative ist nur für nicht-koinmerzielle Verbreitung zulässig und nur, wenn Sie das Programm als Objectcode oder in ausführbarer Form mit einem entsprechenden Angebot gemäß Absatz b erhalten haben.)
Unter dem Quelltext eines Datenwerks wird …
Wenn die Verbreitung eines ausführbaren Programms oder von Objectcode dadurch erfolgt, dass der Kopierzugriff auf eine dafür vorgesehene Stelle gewährt wird, so gilt die Gewährung eines gleichwertigen Zugriffs auf den Quelltext als Verbreitung des Quelltextes, auch wenn Dritte nicht dazu gezwungen sind, den Quelltext zusammen mit dem Objectcode zu kopieren.
Den Anforderungen gemäß § 1 genügt die Beifügung eines Hinweises gemäß der nachfolgend wiedergegebenen Anlage AG 10
This product includes software code developed by third parties, including software code subject to the GNU General Public License („GPL“) or GNU Lesser General Public License („LGPL“). As applicable, the terms of the GPL and LGPL, and information on obtaining access to the GPL Code and LGPL Code used in this product, are available to you at http://www. … .com under the support/downloads section. The GPL Code and LGPL Code used in this product is distributed WITHOUT ANY WARRANTY and is subject to the copyrights of one or more authors. For details, see the GPL Code and LGPL Code for Ulis product and the ferms of the GPL and LGPL.
nicht, denn dadurch wird der Erwerber nur in die Lage versetzt, sich den Text der GPL von der dort genannten Homepage herunterzuladen. § 1 der GPL sieht dagegen vor, dass der Empfänger zusammen mit dem Programm eine Kopie der Lizenz erhält, wie dies auch ansonsten beim Vertrieb von Software in Form von Datenträgern in Gestalt der Beifügung der Lizenzvertragsbedingungen in Textform weit verbreitet ist. Aus der Information auf dem Beiblatt geht auch nicht hervor, ob auf die streitgegenständliche Software die Bedingungen der GPL oder LGPL anwendbar sind.
Hinsichtlich des Sourcecodes wird auf die Download-Möglichkeit von der genannten URL-Adresse verwiesen, was ebenfalls nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 1. Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 entspricht. Denn die streitgegenständlichen Programme werden nicht zum Download im Internet angeboten. Nur in diesem Fall wäre auch das Angebot zum Download des Sourcecodes ausreichen (vgl. § 3 Abs. 3).
III. Der Antragsteller hat auch das Bestehen eines Verfügungsgrundes dargelegt (§ 940 ZPO), da der Erlass der einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs des Antragstellers erforderlich ist, um den andauernden rechtswidrigen Vertrieb der Software zu unterbinden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller den ursprünglich Antrag im Termin geändert hat, denn hierdurch wurde kein zusätzlicher oder ein neuer Streitgegenstand (vgl. Harte/Henning/Retzer § 12 Rdn. 332 mwN) außerhalb der auch in Urheberrechtsstreitigkeiten zu beachtenden Dringlichkeitsfrist von einem Monat ab Kenntnis des Verletzers und der Verletzungshandlung in das Verfahren eingeführt. Vielmehr stellt sich die Antragsneufassung als Reaktion auf das hilfsweise Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 22.5.2007 dar.
IV. Nebenentscheidungen
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6, § 711 ZPO.
2. Der Streitwert wurde gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 3 ZPO entsprechend der Wertangabe des Antragstellers in der Antragsschrift, der auch die Antragsgegnerin nicht entgegen getreten ist, festgesetzt.