LG Hannover, Urteil v. 25.08.2015, Az. 18 O 91/15
1. Ein Bar-Rabatt vom Hersteller für Händler ist unzulässig, wenn dieser zur Voraussetzung hat, dass beim Verkauf der Ware an den Endkunden eine bestimmte Untergrenze des Verkaufspreises eingehalten und die Ware auf eine bestimmte Art beworben werden muss.
2. Die Gewährung des Rabatts stellt eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung dar, die mit Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB nicht vereinbar ist. Es besteht ein Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG.
3. Es sind keine Umstände ersichtlich, die die Preisbeschränkung rechtfertigen, insbesondere handelt es sich nicht um ein besonders beratungsbedürftiges Produkt. Dafür spricht insbesondere, dass das Produkt schon lange am Markt erhältlich ist und sogar in Drogeriemärkten und im Internet erworben werden kann. Deswegen liegt auch keine zulässige Preisbindung der zweiten Hand gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV vor.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
Apothekern, die das Produkt „A. VITALKOST“ vertreiben, Preisvorteile für die Einhaltung einer Preisuntergrenze anzukündigen oder derartige Preisvorteile tatsächlich zu gewähren,
wenn dies wie in der Anlage K 3.2
geschieht, indem die Beklagte in ihrer Werbemappe „Neues von A.“ an Apotheker mit der Ankündigung herantritt:
„Einmaliges Aktions-Angebot:
30 % Bar-Rabatt auf A.
…
Gerne unterstützen wir Ihre Kompetenz und ihr Engagement durch besondere Aktionsangebote. Heute bieten wir Ihnen eine Direktbestellung bei A. mit 30 Prozent Bar-Rabatt an. Ihr Engagement liegt darin, A. gut sichtbar, mindestens 3 Dosen nebeneinander im Regal oder in unserem Gratis-Verkaufsdisplay, zu präsentieren und einen Verkaufspreis von 15,95 Euro nicht zu unterschreiten.
…
Mit Nutzung dieses Aktionsangebots verpflichte ich mich, A. an gut sichtbarer Stelle mit mindestens drei Dosen nebeneinander oder im mitgelieferten Verkaufsdisplay in der Apotheke zu präsentieren und den VK-Preis von 15,95 € nicht zu unterschreiten.“;
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin ist …, zu deren Mitgliedern u. a. 1200 Verbände, die Industrie- und Handelskammern sowie Apotheker-, Ärzte- und Zahnärztekammern gehören.
Die Beklagte stellt als Hauptprodukt A. „VITALKOST“, ein Lebensmittel für kalorienarme Ernährung zur Gewichtsverringerung her, das sie selbst auf ihrer Homepage (www…..de/) als „DAS ABNEHM-PRODUKT“ bezeichnet. Dieses Produkt wird in Apotheken, aber auch über Drogeriemärkte wie ROSSMANN (vgl. ROSSMANN-Werbebeilage Bl. 97 d. A.) und auch im Internet durch diverse Anbieter, u. a. über amazon (vgl. Screenshot Bl. 99-102 d. A.) vertrieben.
Die Beklagte warb und bewirbt ihr Produkt auch mit eigenen Werbekampagnen, u. a. mit einem für längere Zeit täglich vor der Tagesschau verkündeten TV-Werbespot „Bikini-Frau mit Hund am Strand“, der schon im Jahr 2013 Gegenstand journalistischer Berichterstattung war (vgl. Bl. 14, 15 d. A.).
Die Beklagte bot spätestens ab Februar 2014 mit dem als Anlage zum Urteil beigefügten Prospekt Apotheken unter der Überschrift „Neues von A.“ in einer als „einmalige Aktion“ bezeichneten Kampagne an, A. mit einem Bar-Rabatt von 30% direkt bei ihr zu bestellen. Laut Angebot konnten zwischen 12 und maximal 90 Dosen in der bis zum 31.12.2014 befristeten Aktion einmalig pro Apotheke bestellt werden. Das Bestellformular enthält am Ende über der Unterschriften leiste für die Bestellung den Passus „Mit Nutzung dieses Aktionsangebots verpflichte ich mich, A. an gut sichtbarer Stelle mit mindestens 3 Dosen nebeneinander oder mit dem bestellten Verkaufsdisplay in der Apotheke zu präsentieren und den VK-Preis von 15,95 € nicht zu unterschreiten“.
Gegen die Festlegung der Preisuntergrenze wendet sich die Klägerin, die diese für kartellrechtswidrig hält. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 24.02.2014 (Bl. 28-30 d. A.) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte ist dem mit Schreiben vom 13.03.2014 (Bl. 33, 34 d. A.) entgegengetreten.
Die Klägerin verlangt nunmehr die Unterlassung der Festlegung einer Preisuntergrenze entsprechend der Werbeaktion und verlangt die Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 219,35 €.
Sie beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Sie meint, sie sei zur Festlegung der Preisuntergrenze berechtigt gewesen. Es liege kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vor, da im vorliegenden Fall gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV die Voraussetzungen einer zulässigen vertikalen Handelsbeschränkung vorlägen. Bei A. handele es sich um ein Produkt, bei dem eine besondere Beratungsintensität geboten sei. Wenn eine zusätzliche Kundenberatung angeboten werde, sei aber eine Preisbindung zulässig.
Darüber hinaus sei die Preisbindung auch zulässig, weil mir ihr keine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung verbunden sei. Mit Rücksicht auf die beschränkte Abgabemenge sei nämlich davon auszugehen, dass die pro Apotheke abgegebene Menge in einem Zeitraum von 2 Wochen verkauft sei. Ein derart kurzer Zeitraum reiche nicht aus, um das Preisniveau zu beeinflussen und den Wettbewerb zu beeinträchtigen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Klage ist begründet.
Die gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG klagebefugte Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass sie es künftig unterlässt, Preisuntergrenzen wie im an die Apotheken gerichteten Angebot von 2014 vorzugeben. Die Vereinbarung von Preisuntergrenzen zwischen der Beklagten und Apotheken verstößt gegen § 1 Abs. 1, § 21 Abs. 2 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV. Mit dem Bestellformular wird unmittelbar und direkt zwischen dem beziehenden Apotheker und der Beklagten eine Preisuntergrenze vereinbart. Auch wenn der Verkaufspreis nicht konkret festgelegt wird, bedeutet auch die Festlegung einer Preisuntergrenze eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung, die mit Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB nicht vereinbar ist. Das Verbot vertikaler Konditionen und Bindungen erfasst alle Vorgaben bei der Gestaltung der Endpreise (vgl. Bechthold, GWB, 7. Aufl. § 1 Ziffer 66) und damit auch Preisuntergrenzen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen hier auch nicht die Voraussetzungen einer Zulässigkeit der Preisbindung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV vor. Zwar können Preisbindungen der zweiten Hand zugelassen werden bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -Verteilung oder zur Förderung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung der Ziele nicht unerlässlich sind (RN 225 der Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010 C 130/01). Es müssen daher konkrete Umstände vorliegen, die in Bezug auf das angebotene Produkt die Preisbeschränkung rechtfertigen, wie etwa bei der Markteinführung eines Produkts, bei der Beschränkung im Vertriebswege für besonders beratungsbedürftige Produkte und ähnliche Fälle. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben.
A. ist bereits seit mehreren Jahren auf dem Markt eingeführt und bekannt. Es wird auch in Drogerie-Märkten und über das Internet bei einer Vielzahl von Anbietern angeboten und beworben, ohne dass dabei eine besondere Beratung durch den jeweiligen Anbieter im Vertriebswege sichergestellt wird. Daher kann der von der Beklagten herausgestellte Beratungsbedarf für die Kunden beim Erwerb und bei der Verwendung des Produkts nicht als Grundlage für Preisvereinbarungen herangezogen werden. Die Vertriebswege verdeutlichen, dass das Produkt in weitem Umfang vertrieben wird, ohne dass ein bestimmtes Beratungsniveau kundenbezogen sichergestellt ist. Dieses kann daher auch nicht auf einzelne Vertriebswege beschränkte Preisbindungen rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Festlegung der Preisuntergrenze gerade für diejenigen, die diese Beratung vornehmen, letztlich ein Wettbewerbserschwernis gegenüber den nicht beratenden Vertriebswegen darstellt. Gerade diejenigen, die nicht beraten, werden dadurch geschützt, dass die im Rahmen der Aktion zur Beratung verpflichteten Apotheken nicht in der Lage sind, die ihnen gewährten Preisvorteile zu weiteren Preissenkungen und damit verstärkten Wettbewerb zu nutzen. Preisbindungen zweiter Hand sollen aber nach dem Zweck der Leitlinien Einzelhändler mit hoher Serviceleistung davor schützen, dass Kunden bei Anbietern Beratungsleistungen in Anspruch nehmen, anschließend aber bei anderen Wettbewerbern (Trittbrettfahren), die diese nicht bieten, einkaufen. Damit lassen sich allenfalls Preisbindungen rechtfertigen, die die nicht beratenden Anbieter dazu zwingen, die Preise der beratenden Anbieter nicht oder nicht wesentlich zu unterschreiten.
Ferner liegt entgegen der Auffassung der Beklagten auch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung vor. Die Voraussetzungen, unter denen der Bundesgerichtshof eine – im entschiedenen Fall faktische – Preisbindung mangels Spürbarkeit zugelassen hat, liegen hier ersichtlich nicht vor (vgl. BGH GRUR 2003, S. 637-639). Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, der Tatbestand (seinerzeit § 14 GWB) sei nicht ausgefüllt, weil die Interessen der Verkaufsförderaktion sich auf die Preisgestaltungsfreiheit der Einzelhändler nur für eine kurze Zeitspanne (6 Wochen) und praktisch nicht spürbar auswirkte.
Die Aktion der Beklagten lief aber zumindest von Februar 2014 bis zum 31.12.2014. Auch wenn die einzelnen Apotheker jeweils nur einmal an der Sonderaktion teilnehmen konnten, war dies fast während des gesamten Verlaufs des Jahres 2014 möglich, sodass der Mindestverkaufspreis auf diesem Vertriebsweg sich für den gesamten Zeitraum auswirken konnte. Die Aktion richtete sich auch als DirektVerkaufsaktion an alle Apotheker, mithin einen bundesweit mit einer Vielzahl von Anbietern agierenden Vertriebsweg. Auch wenn die im Rahmen der Aktion abgegebene Menge auf 90 Dosen beschränkt war, ergibt sich daraus (bei einem Gesamtumsatz zum Mindestpreis von 1.440,00 € pro Apotheke) ein ganz erheblicher Umsatz.
Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass hier abweichend von dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall gerade der Wettbewerb der Anbieter untereinander durch die selektive Preisuntergrenzen beeinflusst worden ist und die Apotheker im Rahmen der Aktion gerade daran gehindert worden sind, Preisvorteile im Rahmen des ihnen wirtschaftlich Möglichen und Sinnvollen an die Kunden weiterzugeben. Der Bundesgerichtshof hatte demgegenüber die Spürbarkeit der Preisbindung in dem von ihm entschiedenen Fall gerade mit dem Argument verneint, der Verzicht auf einen Preisaufschlag für die „Aktions-Box“ im Verhältnis zur Normalpackung falle wirtschaftlich deswegen nicht ins Gewicht, weil eine solche Preisdifferenz den besonderen Kaufanreiz für die Verbraucher geschmälert oder gar beseitigt hätte und damit der angestrebte Effekt einer Absatzsteigerung auch zum Nachteil des Händlers verfehlt worden wäre (BGH a. a. O. Rdz. 19). Im vorliegenden Fall werden umgekehrt, gerade durch das Festlegen des Mindestpreises die Apotheker daran gehindert, im Wettbewerb mit (noch) geringeren Preisen für sich zu werben, Absatzsteigerungen herbeizuführen und insbesondere im Wettbewerb mit anderen Vertriebswegen preislich noch konkurrenzfähiger zu sein. Durch die Festlegung der Preisuntergrenzen wird damit für das gesamte Jahre 2014 ein Preisdruck durch niedrigere Abgabepreise in den Apotheken verhindert, der sich naturgemäß auch auf die Preise anderer Anbieter ausgewirkt hätte.
Die Aktion war wegen der Darstellung der Beklagten auch nicht „freiwillig“, da im Angebot ausdrücklich im Fettdruck die Verpflichtung enthalten ist, den Mindestverkaufspreis nicht zu unterschreiten.
Die Klägerin kann ferner gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verlangen, deren Höhe die Kammer gem. § 287 ZPO auf den hier geltend gemachten Betrag schätzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Anlage K3.2
Einmaliges Aktions-Angebot:
30 % Bar-Rabatt
auf A.
Wir wissen: Nur das geschulte Fachpersonal der Apotheke Kann dem Kunden, der häufig auch Patient ist, die besondere Wirkweise und die besonderen Vorteile von A. vermitteln.
Gerne unterstützen wir Ihre Kompetenz und Ihr Engagement durch besondere Aktionsangebote. Heute bieten wir ihnen eine Direktbestellung bei A. mit 30 Prozent Bar-Rabatt an. ihr Engagement liegt darin, A. gut sichtbar, mindestens 3 Dosen nebeneinander im Regal oder in unserem Gratis-Verkaufsdisplay, zu präsentieren und einen Verkaufspreis von 15,95 Euro nicht zu unterschreiten.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unser Aktionsangebot annehmen. Um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, ist eine Direktbestellung nur per SEPA-Lastschriftmandat möglich (Formular: Seite 3).
Bestellen Sie jetzt per Fax: …
Hiermit bestelle ich ……………………. Dosen A. à 500 g, PZN Nr.: …
Bestellungen nur in 6er-Schritten möglich, mindestens 12 Dosen, maximal 90 Dosen. Pro Apotheke ist nur eine Bestellung möglich. Preis pro Dose 11,20 Euro zzgl. 7 % Umsatzsteuer, Lieferung frei Haus.
Ja. ich möchte ein Verkaufs-Display für sechs Dosen und Info-Broschüren gratis dazu.
Die Aktion läuft bis zum 31.12.2014. Jede Apotheke kann nur einmal zu den Vorzugsbedingungen bestellen (auch wenn weniger als 90 Dösen bestellt werden). Die Bestellung zählt nicht für die benötigten Bestellmengen für den WKZ im neuen A.-Partnerprogramm.
Name der Apotheke: …………………………..
Inhaber: …………………..
Straße, Nr.: …………………..
PLZ, Ort:………………………………..
Telefon-Nr.: ………………………….. Fax-Nr.: …………………..
Die Zahlung ist nur per SEPA-Basislastschrift-Mandat möglich.
Die Kontobelastung erfolgt 3 Tage nach Versand der Ware.
Mit Nutzung dieses Aktionsangebots verpflichte ich mich, A. an gut sichtbarer Stelle mit mindestens drei Dosen nebeneinander oder im mitgelieferten Verkaufsdisplay in der Apotheke zu präsentieren und den VK-Preis von 15,95 € nicht zu unterschreiten.
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Datum/Unterschrift