LG Hamburg, Urteil v. 02.01.2008, Az. 324 O 736/08
1. Die bloße Übertreibung oder Überspitzung allein macht eine wertende Äußerung nicht schon zur Satire. Vielmehr muss die Äußerung erkennbar nicht ernst gemeint sein.
2. Die Darstellung des Dudenwortlauts „Exekution = Vollstreckung, Hinrichtung“ und „Exekutor = Vollstrecker (Henker)“ im Zusammenhang mit Äußerungen über den „Executive Director“ eines Unternehmens kann eine unzulässige Schmähkritik darstellen, wenn sich für eine derart weitgehende Ehrverletzung keine adäquate sachliche Grundlage findet.
[…] ./. […]
Schluss der mündlichen Verhandlung: 21. November 2008
Besetzung: Buske – Dr. Goetze – Ritz
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten
und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:
„Exekution = Vollstreckung, Hinrichtung“
„Exekutor = Vollstrecker (Henker)“
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 15.000,- und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 15.000,- festgesetzt.
Der Kläger, der für das Unternehmen H. GmbH tätig ist, nimmt den Beklagten, Domain-Inhaber der Internetseite www.H.-opfer.eu, auf Unterlassung einer Wortberichterstattung in Anspruch.
Der Kläger ist als so genannter „executive director“ bei H. GmbH mit der Abwicklung von Darlehensverträgen befasst, die er vorher als Mitarbeiter der darlehensgebenden Bank abgeschlossen und betreut hatte. Auf seiner Internetseite www. H.-opfer-eu stellte der Beklagte den Kläger unter „involvierte Personen“ mit Namen und Bildnis vor. Unter „Stellenbeschreibung“ hieß es sodann:
DUDEN: Executive
– exekutieren = vollstrecken
– Exekution = Vollstreckung, Hinrichtung
– Exekutor = Vollstrecker (Henker)“
Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Berichterstattung wird auf Anlage K 4 Bezug genommen. Der Kläger erwirkte die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21. November 2007 (Az. 324 O 997/07). Vorliegend handelt es sich um das Hauptsacheverfahren nach Fristsetzung gemäß §§ 926, 936 ZPO.
Der Kläger trägt vor, „executive director“ bezeichne einen Geschäftsführer bzw. verantwortlichen Direktor eines Unternehmens und genau diesen Tätigkeiten gehe der Kläger nach, ohne sich diese Berufsbezeichnung selbst ausgesucht zu haben. Der Beklagte setze ihn durch die angegriffene Passage allein wegen der sprachlichen Parallelität zwischen seiner Stellenbezeichnung und dem Wort „exekutieren“ offenkundig mit einem Henker gleich. Es gehe ihm dabei nicht um Satire, sondern um die gezielte Herabwürdigung.
Der Kläger beantragt,
„Exekution = Vollstreckung, Hinrichtung“
„Exekutor = Vollstrecker (Henker)“
Der Beklagte beantragt,
Der Beklagte trägt vor, die Parteien führten eine Auseinandersetzung über die Bewertung der Veräußerung eines Kreditportfolios durch H. GmbH an den Hedgefond L.. Der Beklagte habe sich in diesem Zusammenhang auf seiner Homepage in zulässiger Weise über den Kläger geäußert (Urteil des LG Berlin, Anlage B 1). Das Landgericht Berlin habe gewürdigt, dass die gesamten Geschäftspraktiken der H.
Den Titel „executive director – workout“ führe der Kläger auf eigene Veranlassung. Die aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum entspringende Berufsbezeichnung eröffne die Übersetzung des englischen Begriffs „executive“, der auf den lateinischen Begriff der „Exekution“ zurückzuführen sei. Dies heiße im deutschen Sprachraum einerseits „an jemanden ein (Todes-)Urteil vollstrecken“, „jemanden hinrichten“, andererseits „ausführend, erfüllend usw.“ Das deutsche Exekution wie auch das englische execution werde inhaltsgleich für Vollstreckung (eines Todesurteils), Hinrichtung verwandt (Duden, Anlage B 4). Der Beklagte habe die Berufsbezeichnung des Klägers richtig und ordnungsgemäß übersetzt, womit – neben der Unmenschlichkeit der Geschäftspraktiken des Klägers – ein sachlicher Ansatz für die satirische Äußerung des Beklagten vorliege. Allenfalls die Bezeichnung „exekutor = Vollstrecker (Henker)“ könne angreifbar sein, wobei nur die Bezeichnung „Henker“ dem Duden nicht zu entnehmen sei. Da aber der Vollstrecker von Todesurteilen in der deutschen Sprache als Henker bezeichnet werde, sei auch diese Übersetzung zulässig.
Es sei eindeutig, dass der Beklagte dem Kläger nicht real unterstellen wolle, dass dieser an realen Tötungshandlungen beteiligt (gewesen) sei. Vielmehr habe der Beklagte die Berufsbezeichnung des Klägers im Sinne einer satirischen/ karikierenden Meinungsäußerung überzeichnet, und zwar weil der Kläger und seine Firma im Rahmen ihrer Tätigkeit Abläufe wählten, die nicht nur von dem Beklagten, sondern auch von deutschen Gerichten als fragwürdig und treuwidrig angesehen würden. Der Beklagte und seine Familie seien durch diese Abläufe in den wirtschaftlichen Ruin geführt worden.
Der generelle Tenor des Klagantrags gehe in unzulässiger Weise deutlich über die konkrete Verletzungshandlung hinaus und diene offensichtlich primär der Einschüchterung des Beklagten.
I. Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger kann vom Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG verlangen, dass dieser die erneute Verbreitung der angegriffenen Äußerungen unterlässt, denn diese verletzen den Kläger bei bestehender Wiederholungsgefahr in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
1. Bei den streitgegenständlichen Äußerungen handelt es sich um eine Meinungsäußerung. Zwar trägt der Beklagte vor, er habe lediglich die Berufsbezeichnung des Klägers richtig und ordnungsgemäß übersetzt. Ersichtlich liegt im Kern der Äußerungen aber nicht der bloße Versuch einer Übersetzung von Begriffen aus dem Englischen ins Deutsche. Der Leser kommt auch nicht auf den Gedanken, in der Stellenbeschreibung des Klägers wären die angegriffenen Äußerungen aufgeführt und/oder zu dessen Tätigkeiten zählten „Vollstreckung“ oder „Hinrichtung“. Vielmehr geht es unter Berücksichtigung des Kontexts des Internetauftritts des Beklagten ersichtlich um eine Kritik am Geschäftsgebaren des Klägers bzw. der H. GmbH.
Als Werturteil genießt die Äußerung damit grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Meinungsfreiheit tritt aber im Rahmen der erforderlichen Abwägung regelmäßig hinter den grundrechtlich geschützten Achtungsanspruch des einzelnen zurück, wenn es sich bei der fraglichen Äußerung um eine Schmähkritik handelt. Zwar wird eine Meinungsäußerung nicht schon dadurch zur Schmähung, dass sie herabsetzende Wirkung gegenüber Dritten entfaltet oder sich als überzogene oder ausfällige Kritik darstellt. Anders verhält es sich aber, wenn in einer herabsetzenden Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG NJW 1991, 1475, 1477), mit anderen Worten wenn die Äußerung nicht mehr auf eine verwertbare sachverhaltsmäßige Grundlage gestützt werden kann (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 5.84f.).
Das ist hier der Fall: Indem der Beklagte über einen Teil der Positionsbezeichnung des Klägers („executive“) zu inhaltlich abweichenden Bedeutungen von „Exekution“ und „Exekutor“ überleitet, stellt er eine gedankliche Verbindung her, die mit einer Übersetzung nichts mehr zu tun hat. Er macht deutlich, dass er die Tätigkeit des Klägers mit „Vollstreckung, Hinrichtung“ bzw. dessen Person mit einem „Vollstrecker (Henker)“ gleichsetzt. Diese Gleichsetzung geht über eine Auseinandersetzung in der Sache weit hinaus. Sachliche Anknüpfungspunkte hierfür liegen insbesondere nicht in der vermeintlich zutreffenden Übersetzung der Bezeichnung „executive director“. Zutreffend weist der Beklagte zwar darauf hin, dass den Begriffen „executive“ und „Exekution“ derselbe Wortstamm zugrunde liegt. Auch wenn sie auf denselben, beispielsweise lateinischen Wortstamm zurückgehen, können sich Begriffe jedoch – zumal in verschiedenen Sprachen – in völlig unterschiedliche Richtungen und Bedeutungsvarianten entwickeln. So liegt der Fall auch hier. Hinzu kommt, dass der Beklagte nicht an die gesamte Bezeichnung „executive director“ anknüpft, sondern nur an das für sich genommen wenig aussagekräftige Adjektiv „executive“. Der Beklagte hat nicht die Positionsbezeichnung des Klägers zu übersetzen versucht, sondern er nimmt Bezug auf spezifische Bedeutungen von Wörtern, die lediglich einen gemeinsamen Wortstamm mit einem Adjektiv haben, das nur einen Teil der englischsprachigen Positionsbezeichnung des Klägers ausmacht. In sachlicher Hinsicht trägt der Beklagte nichts dazu vor, dass es zwischen der Positionsbezeichnung des Klägers und den streitgegenständlichen Übersetzungen einen Zusammenhang gäbe; insbesondere ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, dass „Vollstreckung, Hinrichtung“ oder die Tätigkeit eines Henkers auch nur entfernt etwas mit dem Aufgabengebiet eines „executive directors“ zu tun hätten.
Allerdings beruft sich der Beklagte auf kritikwürdige Abläufe bei der H. GmbH und Verhaltensweisen des Klägers. Eine sachliche Grundlage findet das angegriffene Werturteil aber auch nicht in deren Geschäftsgebaren. Selbst wenn im geschäftlichen Verhalten des Klägers oder des Unternehmens Anknüpfungspunkte für eine – auch pointierte – Kritik zu finden sein mögen, so kann dies eine derart weitgehende Ehrverletzung des Klägers nicht rechtfertigen; für die angegriffene Äußerung fehlt es auch insoweit an dem erforderlichen Bezug zum sachlichen Anliegen. Denn genauso wenig wie die abstrakte Positionsbezeichnung hat die Art und Weise, in der der Kläger seine Tätigkeit konkret ausführt, etwas mit der Tätigkeit eines Vollstreckers oder Henkers zu tun. Dabei kann dahin stehen, ob die Geschäftspraktiken des Klägers oder der H. GmbH als „möglicherweise missbilligte Tätigkeit“ einzuordnen sind, deren Rechtmäßigkeit umstritten ist. Es kann auch dahinstehen, ob der Umstand, dass der Kläger die an die H. GmbH veräußerten Kredite früher selbst abgeschlossen, vermittelt und/oder betreut hatte, rechtlich oder moralisch angreifbar ist. Denn der Beklagte hat in diesem Zusammenhang keine Vorgänge oder Verhaltensweisen geschildert, die die Wertung rechtfertigen könnten, dass der Kläger einem Henker oder seine Tätigkeit einer Hinrichtung gleichzusetzen sei. Der Beklagte mag Vorgänge als unbarmherzig und menschenunwürdig empfinden; dieses Empfinden kann aber nicht als Tatsachengrundlage für eine schmähende Kritik dienen.
Die angegriffenen Äußerungen sind auch nicht als Satire, sei es unter dem Gesichtspunkt der von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit oder unter dem Gesichtspunkt der von Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit, gerechtfertigt. Zwar ist Satire grundsätzlich von den genannten Grundrechten erfasst. Allerdings handelt es sich vorliegend aus der Sicht des durchschnittlichen und unvoreingenommenen Empfängers nicht um einen satirischen Beitrag. Der Satire ist es wesenseigen, dass sie mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen arbeitet; ein typisches Ziel der Satire ist es, zum Lachen zu reizen (BVerfGE 86, 1, 11). Die bloße Übertreibung oder Überspitzung allein macht eine wertende Äußerung nicht schon zur Satire; vielmehr muss für die Abgrenzung zur schmähenden Kritik erkennbar werden, dass der Beitrag nicht ernst gemeint ist. Hieran fehlt es vorliegend. Es geht hier nicht um eine Satire im Sinne einer Überspitzung, die das Absurde oder Groteske eines Vorgangs aufzeigen und zum Schmunzeln oder Lachen anregen soll; es geht auch nicht um Satire im Sinne einer künstlerischen Aussage. Vielmehr geht es dem Beklagten auf der Grundlage eines aus seiner Sicht äußerst ernst zu nehmenden Vorwurfs gezielt um die Herabwürdigung der Person des Klägers.
2. Die Wiederholungsgefahr wird durch eine rechtswidrige Erstbegehung indiziert (BGH, NJW 1994, 1281, 1283). Gründe, die der Indizwirkung im vorliegenden Fall entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Hierfür reicht regelmäßig nur die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung oder die Anerkennung einer bereits ergangenen einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung.
3. Der Tenor des Klagantrags und damit auch der Tenor des Urteils sind weder generell noch unklar. Der Unterlassungsantrag ist auf das Unterlassen derjenigen Äußerungen in Bezug auf den Kläger gerichtet, deren Wiederholung angesichts der rechtswidrigen Erstbegehung zu besorgen ist; der Beklagte hat die vom Beklagten aufgestellten Äußerungen exakt in ihrem Wortlaut angegriffen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Der Festsetzung des Streitwertes liegt § 3 ZPO zugrunde.