Telemedicus

LG Frankfurt a.M.: Plattformverbot kartellrechtswidrig – Coty

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 31.07.2014, Az. 2-03 O 128/13

1. Soweit § 1 GWB die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems regelt, ist diese Norm ebenso verfassungsgemäß.

2. Ein selektives Vertriebssystem ist ausnahmsweise dann nicht als Verstoß gegen § 1 GWB bz. Art. 101 AEUV anzusehen, wenn dieses den Vertrieb von Waren regelt, deren Wettbewerbsfähigkeit in besonderer Weise von besonderen Vertriebsformen abhängt.

3. Das in einem Vertriebsvertrag über ein selektives Vertriebssystem aufgenommene pauschale Verbot des Weiterverkaufs über Drittplattformen stellt eine unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 Lit. c Vertikal-GVO dar und ist ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen.

4. Ein Anbieter sogenannter „Depotkosmetik“ kann seinen Vertriebshändlern im Rahmen eines Depotvertrages den Vertrieb über Drittplattformen nicht allein schon deshalb verbieten, dass Ziffer 54 der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Vertikal-GVO als qualitatives Merkmal vorzusehen scheint, es müsse auf der Drittplattform das Logo des Herstellers abgebildet werden, da diese sogenannte Logo-Klausel keine weitere Bindungswirkung entfaltet und anderenfalls faktisch dazu führen würde, dass Hersteller einen auch nach den tatsächlichen Umsätzen ganz wesentlichen Teil des Internetvertriebs ohne jegliche qualitative Differenzierung untersagen könnten.

5. Tz. 46 des Urteils des EuGH vom 13.10.2011 – C-439/09 – „Pierre Fabre Dermo – Cosmétique SAS“ ist dahingehend auszulegen, dass allein das Ziel der Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages die Einführung eines Selektivvertriebssystems nicht rechtfertigt.

LANDGERICHT FRANKFURT A.M.

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 2-03 O 128/13

Verkündet am: 2014-07-31

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 28.11.2013 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten zu tragen, die durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 28.11.2013 entstanden sind. Diese Kosten hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin, die Marken-Kosmetikprodukte im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems unter anderem an die Beklagte liefert, berechtigt ist, der Beklagten den Weiterverkauf ihrer Produkte über die Internetplattform www.xxx.de zu untersagen.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen der führenden Anbieter sog. „Depotkosmetik“ in Deutschland. Sie bezeichnet sich selbst als „Marktführer im Bereich Duftwässer“. Die Belieferung mit den Produkten der Klägerin im Wege eines Selektivvertriebs erfolgt auf Grundlage eines sogenannten Depotvertrages, den die Klägerin in Europa einheitlich verwendet und der um verschiedene Spezialverträge ergänzt wird, welche dazu bestimmt sind, den Selektivvertrieb der Klägerin auf einer geordneten und alle Aktivitäten erfassenden Grundlage zu organisieren.

Die Parteien sind seit langem geschäftlich verbunden. Der Geschäftsführer der Beklagten X war früher Gebietsverkaufsleiter der Klägerin. Die Beklagte betreibt mittlerweile 15 stationäre Absatzstätten in Südwestdeutschland und ist zumindest seit dem Jahr 2004 auch im Internet aktiv. Die Klägerin nimmt es insoweit hin, dass die Beklagte ihre geschäftlichen Aktivitäten im Internet unter der vom stationären Geschäft abweichenden Bezeichnung „abc“ führt. Die Beklagte hat im Jahre 2007 einen eigenen Internet-Shop auf zzzzzz eingerichtet, der dort gegenwärtig unter „abc by b“ firmiert. Wegen der Einzelheiten eines am 31.03.2014 von der Klägerin insoweit erstellten „Screenshots“ wird auf die Anlage K 11 (Bl. 592 – 596 d.A.) verwiesen.

Die Parteien schlossen am 31.05.2007/05.06.2007 einen Depotvertrag gemäß Anlage K 1 (Bl. 9 – 28. d.A.). Art. 1 Ziffer 1.2. S. 2 dieses Vertrags, der unter Ziffer 9.2. eine Gerichtsstandvereinbarung für Frankfurt getroffen hat, lautet:

„Jeglicher Versandhandel, mit Ausnahme eines gegebenenfalls gesondert vereinbarten Internethandels, ist dem Depositär (= Beklagte) untersagt.“

Eine solche gesonderte Vereinbarung über den Internetvertrieb (im Folgenden: „Internet-Zusatzvereinbarung“) trafen die Parteien am 26./28.09.2004 (Anlage K 1, Bl. 23 – 28 d.A.). Unter Ziffer 1 Abs. 3 der Internet-Zusatzvereinbarung heißt es:

„Die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ist dem Depositär nicht gestattet.“

Der Vortrag in der Klageschrift ging zunächst davon aus, dass diese Verträge dem streitgegenständlichen Begehren zugrunde zu legen wären. Erst nach Einlegung des Einspruchs der Beklagten gegen das zwischenzeitlich gegen sie ergangene Versäumnisurteil hat die Klägerin ihren Vortrag dahin korrigiert, dass nunmehr Grundlage zwischen den Parteien Verträge vom September 2011 seien, auf die im Folgenden noch eingegangen wird.

Zusätzlich zu dem Verkauf der verfahrensgegenständlichen Produkte über ihre eigene Website unter www.abc.de nahm die Beklagte Anfang 2009 auch den Verkauf über die sogenannte Marketplace-Funktion von www.amazon.de (im Folgenden: „Amazon“) auf. Dabei erfolgen Produktsuche und -präsentation sowie der Bestellvorgang in dem von Amazon vorgegebenen technischen und gestalterischen Rahmen gemäß Anlage B 3 (Bl. 96 – 115. d.A.). Als Anbieterin tritt weiterhin die Beklagte auf, die auch Rechnungsstellung und Versand übernimmt. Die von der Beklagten angebotenen Produkte der Klägerin sind dabei lediglich einzeln auffind- bzw. aufrufbar. Die Möglichkeit zur Präsentation des Gesamtsortiments in einem sogenannten Händlershop auf Amazon nutzte die Beklagte nicht.

Die Klägerin beanstandete den Vertrieb über Amazon in einem Telefonat mit der Beklagten am 20.03.2009. Die Beklagte wies das Unterlassungsbegehren der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2009 gemäß Anlage K 5 (Bl. 39 f. d.A.) zurück. In dem darauf folgenden Schriftwechsel zwischen den Parteien bot die Beklagte an, auf eigene Kosten einen Händlershop einzurichten, wenn die Klägerin im Gegenzug den Vertrieb über Amazon zumindest bis Jahresende autorisiere. Die Klägerin ging darauf nicht ein, sondern kündigte mit Schreiben vom 08.04.2009 (Anlage K 5 = Bl. 41 d.A.) und 22.04.2009 (Anlage K 5 = Bl. 44 d.A.) lediglich an, vor einer Autorisierung die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung der EU-Kommission abzuwarten. Diese wurde am 20.04.2010 als VO (EU) 330/2010 im Amtsblatt der Kommission veröffentlicht und trat am 01.06.2010 in Kraft.

In der Folge wurde der Amazon-Vertrieb von der Klägerin zunächst nicht weiter beanstandet. Die von der Beklagten mit dem Verkauf über Amazon erzielten Umsätze waren in den Jahresvereinbarungen der Parteien für 2010, 2011 und 2012 enthalten, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Umsätze den vereinbarten Umsatzzielen ausdrücklich oder rein tatsächlich als Teil der Gesamtumsätze zugrunde gelegt wurden.

Am 19.09./23.09.2011 schlossen die Parteien zum einen einen „Depotvertrag für Luxusmarken“ gemäß Anlage B 22 (Bl. 453 – 463 d.A.) nebst Annex 1 und der Anlage 1 (Bl. 464 – 470 d.A.) und der Anlage 2 zu diesem Depotvertrag für die Marken: „xxxxxx“ (Bl. 471 – 477 d.A.) und zum anderen einen weiteren „Depotvertrag“ (Bl. 478 – 492 d.A.) unter dem genannten Datum nebst Annex, Anlage 1 und der Anlage 2 für die Marken: „yyyyyyyyyy“. Nach diesen Verträgen fallen die Marken „Z1“ und „Z2“ nicht mehr unter die Vertriebsbindung.

Die „Internet-Zusatzvereinbarung“ (Bl. 472 – 477 d.A,) hat unter Ziffer 1 Abs. 3 „Elektronisches Schaufenster“ folgenden Inhalt:

„Die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ist dem Depositär (= Beklagte) nicht gestattet“.

Die Klägerin überarbeitete im März 2012 auf der Grundlage der zuletzt genannten GruppenfreistellungsVO ihre Depot- und Internet-Zusatzverträge für alle Abnehmer gemäß dem Anlagenkonvolut K 6 (Bl. 46 – 72 d.A.).

Im September 2012 rügte die Klägerin erneut die Verkaufsaktivitäten der Beklagten bei Amazon. Am 14.09.2012 kam es diesbezüglich zu einem Gespräch zwischen Vertretern der Klägerin und der Geschäftsführung der Beklagten in der Geschäftszentrale der Beklagten. Dabei konnte zwischen den Parteien jedoch weiterhin keine Einigung erzielt werden. Bei der Jahresvereinbarung 2013 wurde im Hinblick auf dieses Gespräch ein Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Amazon-Umsätze gemäß Anlage B 2 (Bl. 93 – 95 d.A.) mit aufgenommen.

Mit Schreiben vom 22.10.2012 (Anlage K 2 = Bl. 29 – 31 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Amazon-Vertrieb umgehend, spätestens aber bis zum Jahresende 2012, einzustellen. Mit E-Mail vom 21.02.2013 (Anlage K 3 = Bl. 32 d.A.) setzte die Klägerin der Beklagten eine letzte Frist bis zum 28.02.2013 und kündigte für den Fall der Nichteinhaltung Klage an. Die Beklagte erwiderte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.03.2013 gemäß Anlage K 4 (Bl. 34 – 38 d.A.).

Die Klägerin trägt vor, mit dem Vertrieb ihrer Produkte über Amazon seit dem Jahr 2009 verletze die Beklagte ihre Pflichten aus dem Depotvertrag in Verbindung mit der Internet-Zusatzvereinbarung. Für die im Klageantrag genannten selektiven Marken sehe die Klägerin einen Internetvertrieb nur durch Vertragshändler vor, die über mindestens ein stationäres Ladengeschäft verfügten und insoweit einen Depotvertrag mit der Klägerin abgeschlossen hätten, welcher sie in das selektive Vertriebsnetz der Klägerin einbinde. Aus dem oben zitierten Schriftverkehr der Parteien vom Frühjahr 2009 ergebe sich, dass die Beklagte lediglich bis zum Erlass der neuen GruppenfreistellungsVO darauf vertrauen durfte, dass die Klägerin den Vertrieb über Amazon nicht beanstandet. Die Beklagte hätte von Anfang an wissen können, dass der zusätzliche Vertrieb über Amazon mit den Verträgen der Klägerin nicht im Einklang gestanden habe. Amazon, das selbst kein physisches Ladengeschäft betreibe, erfülle die klägerseits gewünschte Geschäftspolitik des Vertriebs über hochwertige Absatzstätten, wie Drogerien, Kaufhäuser etc., nicht. Amazon werde in Deutschland inzwischen als Internet-Anbieter mit einem denkbar breiten Produktangebot wahrgenommen. Irgendwelche Hierarchien oder irgendwelche besonderen Produktumgebungen für besondere Produktgruppen innerhalb des Internet-Auftritts von Amazon interessierten nicht oder prägten jedenfalls nicht die Verkehrsauffassung. Die Vielfalt und Beliebigkeit des dortigen Warenangebots sei mit den Qualitätsvorgaben der Klägerin an eine angemessene Verkaufsumgebung für Luxuskosmetik nicht vereinbar.

Die Klägerin vertreibe ihre Parfümprodukte nicht über die beklagtenseits behaupteten Abnehmer wie die Discounter A, B etc. Die von der Beklagten vorgelegten Anlagen B 14 – B 27 ergäben keinen Nachweis, dass die Belieferung mit diesen Produkten durch die Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin bestreitet nicht, dass (ausgenommen A) sämtliche dieser Anbieter, auch Produkte der Marken der Klägerin im Angebot haben, um von der Sogwirkung der guten Marken zu profitieren. Allein aufgrund dieser Angebote sei jedoch keine Belieferung durch die Klägerin schlüssig vorgetragen. „Naheliegend“ sei eine Belieferung durch Zwischenhändler des sog. Graumarktes.

Die Untersagung eines Plattformvertriebs sei kartellrechtskonform. Bei Bejahung eines Kartellverbotes gemäß § 1 GWB liege eine Teilverfassungswidrigkeit wegen Verletzung der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes gemäß Art. 14 Abs. 1 GG vor. Das streitgegenständliche Plattformverbot des Depotvertrages der Parteien sei gruppenfreigestellt. Beide Parteien erreichten keine Marktanteilsschwelle von 30 %. Selbst als Marktführerin im Bereich Duftwässer bleibe die Klägerin – unter Bezugnahme auf die in der mündlichen Verhandlung klägerseits vorgelegte Übersicht von sog. IRI(„Information Resources Inc“)-Zahlen (Bl. 785 d.A.) – auf dem Produktmarkt der Prestigekosmetik bei 20,3 %. Es liege weder ein Verstoß gegen das Marktaufteilungsverbot nach Art. 4 lit. b noch gegen das Verbot passiver Beschränkungen nach Art. 4 lit c. Vertikal-GVO vor. Zur Beurteilung der Rechtslage wird insbesondere Bezug genommen auf die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 04.04.2014 zu Ziffer IV. (Bl. 578 ff. d.A.). Für den Fall, dass sich die Kammer an der Entscheidung des EuGH zu „Pierre Fabre“ orientieren wolle, regt die Klägerin an, das vorliegende Verfahren auszusetzen und dem EuGH Fragen vorzulegen gemäß den Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.06.2014 unter Ziffer IV. 2. (Bl. 755 – 758 d.A.).

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass sie auch aus dem Gesichtspunkt des § 242 BGB berechtigt sei, der Beklagten den Amazon-Vertrieb nunmehr verbindlich zu untersagen und den Bestrebungen des Ausbaus der unter ihren Abnehmern bestehenden Sonderrolle der Beklagten entgegen zu wirken. Denn sie – die Klägerin – gehe bei der Duldung der Geschäftsbezeichnung „A“ – im Hinblick auf die langjährigen und guten Geschäftsbeziehungen zur Beklagten – an die Grenzen des Vertretbaren, auch im Verhältnis zur Rechtsverteidigung gegenüber reinen Internet-Händlern.

Die Klägerin, die das Vorbringen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 26.11.2013 und 17.01.2014 als verspätet rügt, stützt sich schließlich gemäß ihrem insoweit erstmaligen Vorbringen in der letzten mündlichen Verhandlung hilfsweise für ihr Unterlassungsbegehren auch auf die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Markengesetz. Dazu trägt sie vor, dass sämtliche in den Klageanträgen bezeichneten Marken entweder für die Klägerin oder ihre Lizenzgeber durch eingetragene nationale oder EU-Marken auch in Deutschland für die Klasse 3 markenrechtlich geschützt seien. Sie trägt dazu vor, dass es sich bei diesen Marken sämtlichst um Luxus- oder Prestigemarken handelt, bei denen der Verkehr eine ansprechende Verkaufsumgebung und ein entsprechendes ausgewähltes Produktumfeld auch im Internet erwarte. Für eine entsprechende Verkehrsauffassung, die durch Angebote auf Amazon enttäuscht würden, verweist die Klägerin auf die eigene Sachkenntnis des Gerichts, entweder als Verbraucher oder qua Sachkompetenz.

Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift (Bl. 2 d.A.) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

von der Klägerin an die Beklagte gelieferte kosmetische Produkte der Marken XXXX im Internet auf den Angebotsseiten unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen;

hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ihr von der Klägerin gelieferte kosmetische Produkte unter den Marken XXXX im Internet auf der Verkaufsplattform unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.09.2013 (Bl. 192 d.A.) hat die Klägerin für den Fall, dass ihr Verhalten zwischen April 2009 und Oktober 2012 einen vertraglichen Anspruch der Beklagten auf Duldung ihres Amazon-Vertriebs begründet haben sollte, der Beklagten eine Änderungskündigung dieses vertraglichen Anspruchs zum 31.10.2013 dahin ausgesprochen, dass die Autorisierung für den Internet-Vertrieb sich fortan nur noch auf ihre eigene Website, nicht aber auf die Angebotsseiten unter www.amazon.de erstrecke.

Auf Antrag der Klägerin ist in der Sitzung vom 28.11.2013 (Bl. 407 – 409 d.A.) gegen die nicht erschienene Beklagte ein Versäumnisurteil mit folgendem Inhalt erlassen worden:

„Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, letztere zu vollstrecken ziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,

von der Klägerin an die Beklagte gelieferte kosmetische Produkte der Marken xxxx im Internet auf den Angebotsseiten unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen…“

Dieses Versäumnisurteil, wegen dessen weiteren Einzelheiten auf Bl. 426 f. d.A. verwiesen wird, wurde der Beklagten am 10.12.2013 (Bl. 434 d.A.) zugestellt. Dagegen hat sie mit einem am 20.12.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz von diesem Tag – per Fax (Bl. 430 ff. d.A.) – Einspruch eingelegt und diesen mit Schriftsatz vom 17.01.2014 (Bl. 447 ff. d.A.) begründet. Die Klägerin hat ihre Klageanträge bzw. Ansprüche gegen die Beklagte, soweit sie auf die Verletzung der Marken „Z1“ und „Z2“ beruhen, zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil der Kammer vom 28.11.2013 mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass der Verbotstenor die Marken „Z1“ und „Z2“ nicht mehr erfasst;

hilfsweise

stellt sie den oben aufgeführten Hilfsantrag aus der Klageschrift mit der Maßgabe, dass auch diesbezüglich die Marken „Z1“ und „Z2“ nicht mehr weiter verfolgt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil der Kammer aufzuheben und die Klage, auch hinsichtlich des Hilfsantrags, abzuweisen,

Sie trägt vor, einem vertraglichen Unterlassungsanspruch stehe die Duldung des Verhaltens der Beklagten durch die Klägerin in den Jahren 2009 bis Ende 2012 entgegen. Insoweit behauptet sie, sie erziele mittlerweile 30 % der Internetumsätze und 25 % der Gesamtumsätze mit den Produkten der Klägerin über den Vertrieb bei Amazon. Den Jahresvereinbarungen 2010, 2011 und 2012 seien die Amazon-Umsätze der Beklagten ausdrücklich mit zugrunde gelegt worden. Zudem habe die Klägerin am 20.01.2011 durch ihren Geschäftsführer die Beklagte telefonisch gebeten, ihre Verkäuferbezeichnung bei Amazon von „Abc“ in „Abc by b“ zu ändern. Die Klägerin könne sich der Duldungspflicht aus dem geschaffenen Vertrauenstatbestand auch nicht durch eine „Änderungskündigung“ entziehen.

Die Klägerin biete ihre Produkte auch über Discounter, wie „A“, „B“ und die frühere Drogeriekette „C“ (vor der Insolvenz), das Versandhaus „D“, das online-Kaufhaus wwww.E.de, die Supermarktketten „F“ und „G“ und mittels – angeblich – gewerblicher Anbieter über die Handelsplattform eBay massenhaft an. Insoweit wird insbesondere auf den Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 26.11.2013 nebst den Anlagen B 13 – B 17 (B. 246 ff., 318 – 353 d.A.) und ihren Schriftsatz vom 17.01.2014 (Bl. 447, 450 ff. d.A.) nebst den Anlagen B 23 – B 29 (Bl. 493 – 555 d.A.) Bezug genommen. Derartige Angebote fänden sich auch bei Suchmaschinen wie „Google“, „Bing“ oder „Yahoo“ gemäß den vorgelegten „Screenshots“ gemäß Anlage B 19 (Bl. 389 – 395 d.A.). Dass diese nicht gerade „illustre“ Runde klägerischer Abnehmer dem im Depotvertrag propagierten Luxus-Image alles andere als zuträglich sei, liege wohl auf der Hand. Diese Angebote würden in Bezug auf das von der Klägerin propagierte – angebliche – Bedürfnis der Imagepflege deutlich mehr Fragen aufwerfen als der Vertrieb über einen professionellen Amazon-Shop. Die klägerischen Produkte würden auch von Amazon selbst angeboten, was den Schluss aufdränge, dass der Vertrieb – anders als die Shops auf dem Amazon-„Marketplace“ – von der Klägerin autorisiert worden sei. Die Klägerin sei darlegungs- und beweisbelastet, dass sie ihr angebliches selektives Vertriebssystem einheitlich und diskriminierungsfrei verwende. Im Übrigen sei ein besonderer Beratungsbedarf in einem Ladengeschäft vorliegend nicht ersichtlich.

Die Beklagte ist der Auffassung, die generelle Untersagung des Verkaufs über Amazon stelle, auch unter Berücksichtigung jüngerer Rechtsprechung des EuGH, eine kartellrechtswidrige, nicht diskriminierungsfreie Wettbewerbsbeschränkung gemäß § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV dar. Diese könne auch nicht mit qualitativen Anforderungen im Rahmen des selektiven Vertriebssystems der Klägerin gerechtfertigt werden. Es treffe nicht zu, dass der BGH das selektive Vertriebssystem der Klägerin in früheren Entscheidungen als kartellrechtlich unbedenklich eingestuft habe. Die Voraussetzung für die Annahme eines kartellrechtlich unbedenklichen Vertriebssystems, wonach die Auswahl der Wiederverkäufer zwingend aufgrund von objektiven Gesichtspunkten qualitativer Art erfolgen müsse, sei hier nicht erfüllt. Hier begreife die Klägerin dieses selektive Vertriebssystem als Mittel zur Bewahrung und Förderung des Prestige- bzw. Luxuscharakters ihrer Markenprodukte. Eine von der Klägerin in Anspruch genommene Freistellung nach Art. 2 Abs. 1 der Vertikal-GVO komme hier – unabhängig von der Überschreitung der Marktanteilsschwelle von 30 % durch die Klägerin – nicht in Betracht. Es lägen auch Verstöße gegen die Regelungen in Art. 4 Iit. b und lit. c Vertikal-GVO 2010 vor.

Der Vertriebskanal allein könne das Produkt- oder Anbieterimage nicht herabsetzen. Der durchschnittliche Internetnutzer sei sich darüber im Klaren, dass die sogenannten Marketplace-Angebote nicht von Amazon, sondern von dem jeweiligen Marktplatz-Anbieter stammten. Amazon werde aus Sicht der Verbraucher aber auch als wertvolle Marke eingeschätzt. Außerdem unterziehe Amazon Verkäufer in der Kategorie Parfüm einer besonderen Qualitätskontrolle und verlange insoweit z.B. die Vorlage von Zertifikaten, Verkäuferqualifikationen und/oder Einkaufsbelegen.

Das selektive Vertriebssystem verstoße auch gegen § 21 Abs. 3 Nr. 3 GWB, wonach Unternehmen andere nicht zwingen dürfen, in der Absicht, den Wettbewerb zu beschränken, sich im Markt gleichförmig zu verhalten.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstands wird auf die zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 28.11.2013 ist gemäß §§ 338 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt.

Das Versäumnisurteil war gemäß § 343 ZPO aufzuheben, weil die Klage vollumfänglich unbegründet ist.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs über die Plattform www.amazon.de.

Zwar könnte ein entsprechender vertraglicher Unterlassungsanspruch sich aus dem zwischen den Parteien im Jahr 2011 geschlossenen Depotvertrag in Verbindung mit der Internet-Zusatzvereinbarung ergeben. Nach Ziffer 1 Abs. 3 der Internet-Zusatzvereinbarung ist der Internetvertrieb („Elektronisches Schaufenster“) unter anderem Namen oder unter Einschaltung eines Drittunternehmens und dessen Logos ausdrücklich ausgeschlossen.

Diese Regelung verstößt jedoch nach Auffassung der Kammer gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV.

§ 1 GWB und Art. 101 AEUV verbieten Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Dabei sind selektive Vertriebssysteme grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend, weil sie den wettbewerblichen Handlungsspielraum der Wiederverkäufer beim Absatz der Vertragsprodukte und damit den markeninternen Wettbewerb (sogenannter intrabrand-Wettbewerb) einschränken. Ausschlaggebend für die ausnahmsweise Zulässigkeit selektiver Vertriebssysteme ist nach der Rechtsprechung (vgl. KG, Urteil vom 19.9.2003 – 2 U 8/09 Kart = MMR 2013, 774, 775 = Anlage B 12 = Bl. 304 – 317 d.A.) der Umstand, dass solche Systeme den Vertrieb von Waren regeln, deren Wettbewerbsfähigkeit in besonderer Weise von besonderen Vertriebsformen abhängt. Das wird bei hochwertigen Markenartikeln anzunehmen sein, insbesondere wenn es sich dabei um langlebige und technisch anspruchsvolle Güter handelt. Bei solchen Artikeln ist anzuerkennen, dass der Kunde seine Kaufentscheidung regelmäßig jedenfalls auch davon abhängig machen wird, dass der Hersteller eine fundierte Beratung und einen sachgerechten Service durch Wiederverkäufer sicherstellen kann. Insofern dienen selektive Vertriebssysteme, mit denen der Anbieter bestimmte qualitative Mindestanforderungen an den Weiterverkauf und den Weiterverkäufer stellt, der externen Wettbewerbsfähigkeit der gehandelten Waren und fördern so verstanden den Wettbewerb gegenüber Konkurrenten sogar (KG, a.a.O.).

Bei den streitgegenständlichen Regelungen der Klägerin handelt es sich um ein derartiges sog. selektives Vertriebssystem.

Der EuGH hat in einer jüngeren Entscheidung (EuGH, Urteil vom 13.10.2011 – C-439/09 = MMR 2012, 50, – Pierre Fabre Dermo-Cosmetique, Tz. 41; vgl. in diesem Sinne KG, MMR 2013, 774) erneut festgestellt, dass die Organisation eines solchen Vertriebsnetzes nicht unter das Verbot in Art. 101 AEUV fällt, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, sofern die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien schließlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH, Slg. 1977, 1875 Rn. 20 = GRUR Int. 1978, 254 − Metro SB-Großmärkte/Kommission; Slg. 1980, EUGH-SLG 1980, 3775 Rn. 15 f. − L’Oréal). Das Ziel der Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages allein rechtfertigt die Einführung eines Selektivvertriebssystems jedoch nicht (EuGH, Urteil vom 13.10.2011 – C-439/09 = MMR 2012, 50, – Pierre Fabre Dermo-Cosmetique, Tz. 46 = Anlage B 8 = Bl. 265 – 272 d.A.).

Ob das in einer selektiven Vertriebsvereinbarung enthaltene Verbot, die Vertragsware über Internetplattformen Dritter zu vertreiben (nachfolgend: Plattformverbot), ein kartellrechtlich zulässiges qualitatives Kriterium darstellt, ist in der Literatur umstritten (vgl. aus der Literatur u.a. Spieker, GRUR-RR 2009, 81; Fesenmair, GRUR-Prax 2013, 283; Schweda/Rudowicz, WRP 2013, 590; Ellger in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., VO (EU) 330/2010, Artikel 4 Rn. 55). Auch die Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich.

Das LG Mannheim (Urteil vom 14.03.2008, 7 O 263/07 Kart = MMR 2009, 72, Ls.) und das ihm insoweit folgende OLG Karlsruhe (Urteil vom 25.11.2009, 6 U 47/08 Kart = GRUR-RR 2010, 109 = EuZW 2010, 237= Anlage K 9 = Bl. 155 – 159 d.A.) haben das in einer Vereinbarung über den Selektivvertrieb enthaltene Verbot, die Vertragsware (dort: Schulrucksäcke) über die Auktionsplattform www.ebay.de (nachfolgend: Ebay) weiterzuverkaufen, als kartellrechtlich zulässig betrachtet. Dagegen haben das LG Berlin (Urteil vom 21.4.2009, 16 O 729/07 Kart = MMR 2010, 39, Ls. = Anlage B 10 = Bl. 287 – 292 d.A.) und ihm insoweit folgend das bereits zitierte KG (Urteil vom 19.9.2013, MMR 2013, 774 = EuZW 2013, 873 m. Anm. Neubauer) die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Verbot des Absatzes über Ebay um eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. b der Vertikal-GVO Nr. 330/2010 handle, die jedenfalls dann kartellrechtlich unzulässig sei, wenn sie innerhalb eines selektiven Vertriebssystems nicht diskriminierungsfrei angewendet werde. Zwar erkannte das Kammergericht an, dass das Markenimage bei einem Vertrieb über die Auktionsplattform Ebay, die in der Öffentlichkeit immer wieder in die Nähe eines Flohmarktes gerückt werde, beeinträchtigt werde. Daraus folge aber zugleich, dass diese Gefahr nicht bei jedwedem Absatz über Internetplattformen Dritter bestehe.

Vorliegend kann dahinstehen, ob die Beklagte auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt einen Marktanteil von unter 30 Prozent gemäß Art. 3 Vertikal-GVO besitzt und damit die Vertikal-GVO grundsätzlich anwendbar ist. Denn jedenfalls stellt das in Ziffer 1 der Internet-Zusatzvereinbarung („Elektronisches Schaufenster“) enthaltene pauschale Verbot des Weiterverkaufs über Drittplattformen eine unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar.

Die Kammer verkennt nicht, dass nach Ziffer 54 der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Vertikal-GVO vom 20.04.2010 der Hersteller verlangen kann, dass, wenn sich die Website des Händlers auf der Plattform eines Dritten befindet, Kunden die Website des Händlers nicht über eine Website aufrufen, die den Namen oder das Logo dieser Plattform tragen (sogenannte Logo-Klausel). Nach dem Wortlaut der Logo-Klausel scheint es Herstellern damit gestattet, den Vertrieb über Drittplattformen generell zu untersagen, denn diese tragen regelmäßig ihr eigenes Logo. Ein solches Verständnis ist jedoch weder mit Art. 101 AEUV noch mit Sinn und Zweck von Art. 4 lit. c Vertikal-GVO vereinbar. Es würde faktisch dazu führen, dass Hersteller einen auch nach den tatsächlichen Umsätzen ganz wesentlichen Teil des Internetvertriebs ohne jegliche qualitative Differenzierung untersagen könnten. Die Leitlinien stammen aus dem Jahr 2010. Mit dem Urteil des EuGH in Pierre-Fabre (GRUR 2012, 844 = EuZW 2012, 28) muss Ziffer 54 der Leitlinien daher als überholt gelten. Schließlich binden die Leitlinien lediglich die Kommission, nicht jedoch die Kammer.

Auch das LG Kiel – Kammer für Handelssachen – hat in seinem Urteil vom 08.11.2013, 14 O 44/13 Kart (= Anlage B 11 = Bl. 293 – 303 d.A. = auszugsweise MMR 2014, 183 ff.) in einem Fall, in dem in sog. Partnervereinbarungen durch Klauseln der Verkauf u.a. über Internet-Auktionsplattformen (z.B. „Ebay“) und „Internetmarktplätze“ (z.B. „Amazon Marketplace“) untersagt worden war, in Rn. 31, zitiert nach juris (Bl. 302 d.A.), ausgeführt, dass der Annahme einer Kartellrechtswidrigkeit gegen Art. 101 AEUV bzw. § 1 GWB

„die Ausführungen der EU-Kommission in Ziffer 54 der Leitlinien für vertikale Beschränkungen nicht entgegen (stehen), wonach dann, wenn sich die Website des Händlers z.B. auf der Plattform eines Dritten befindet, der Anbieter verlangen könne, dass Kunden die Website des Händlers nicht über eine Website aufrufen, die den Namen oder das Logo dieser Plattform tragen. Unter Berücksichtigung des Eingangssatzes dieser Ziffer geht die Kammer vielmehr davon aus, dass die Kommission lediglich klarstellen wollte, dass der Anbieter nach der Vertikal-GVO Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internet zum Weiterverkauf seiner Waren stellen kann, genauso, wie er Qualitätsanforderungen an Geschäfte, den Versandhandel oder Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen im Allgemeinen stellen kann. Derartige Qualitätsanforderungen müssen aber stets gerechtfertigt sein. So könnte die Beklagte etwa Anforderungen an die Präsentation der Waren in den Händlershops stellen, ebenso, wie sie dies für den Handel im Ladengeschäft tut. Ein generelles Verbot der Darstellung unter einem fremden Logo erscheint jedoch auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kommission in Ziffer 54 der Leitlinien unzulässig. Denn das einzige grundsätzlich erkennbare Interesse eines Anbieters, die Darstellung fremder Logos zu untersagen, liegt darin, eine fehlerhafte Zuordnung der betroffenen Ware zu dem Anbieter der Plattform zu verhindern. Gerade im Falle von in einem Händlershop auf einer bekannten Onlineplattform wie eBay oder Amazon Marketplace dargebotenen Waren ist eine solche Fehlzuordnung durch den Kunden jedoch fernliegend und stellt keine reelle Gefahr für berechtigte Interessen des Anbieters dar.“.

Das in der Berufungsinstanz angerufene OLG Schleswig hat in seinem jüngst ergangenen Urteil vom 05.06.2014, Az.: 16 U (Kart) 154/13 (BeckRS 2014, 12538), die Entscheidung des LG Kiel bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.

Sind die Vorteile der Gruppenfreistellung damit entzogen, kommt lediglich eine Einzelfreistellung gemäß § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat jedoch nicht ausreichend dafür vorgetragen, dass der pauschale Ausschluss des Internetvertriebs über Drittplattformen mit Effizienzvorteilen verbunden wäre, welche die mit der Vertriebsbeschränkung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb überwögen. Sie hat insbesondere auch nicht vorgetragen, dass für die Erzielung etwaiger Effizienzvorteile ein generelles Plattformverbot erforderlich wäre. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass die mit dem Plattformverbot verbundene Dämpfung des markeninternen Preiswettbewerbs nicht mit überwiegenden Effizienzvorteilen durch ein etwaig verbessertes Markenimage sich rechtfertigen lässt. Jedenfalls aber ist ein pauschales Verbot nicht unerlässlich, weil es ebenso geeignete, aber weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel gibt, z.B. spezifische Qualitätskriterien für Drittplattformen. In diesem Sinne hat sich auch der Arbeitskreis Kartellrecht des Bundeskartellamts in einem Hintergrundpapier zum Thema: „Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie“ vom 10.10.2013, S. 24 f. (Anlage B 18 = Bl. 354 ff., 377 f. d.A.) geäußert. Ähnlich kritisch hat sich kürzlich das Bundeskartellamt nach ausdrücklich nur „vorläufiger“ Prüfung – bei damals noch laufender Stellungnahmefrist für das betroffene Unternehmen – in einer Presseerklärung vom 28.04.2014 (Anlage B 30 = Bl. 734 d.A.) in Bezug auf Beschränkungen des Online-Vertriebs bei dem selektiven Vertriebssystem des Sportartikelherstellers „Asics“ – ähnlich wie bereits zuvor in dem Fallbericht des Bundeskartellamtes vom 24.10.2013 (Az.: B7-1/13-35) hinsichtlich des Kopfhörerherstellers „Sennheiser“ gemäß Anlage B 31 (Bl. 735 d.A.) – für den Fall fehlender Ausnahmen, sowohl hinsichtlich der Untersagung der Nutzung von Online-Marktplätzen wie Ebay oder Amazon und auch hinsichtlich der Unterstützung von Händlern mit Preisvergleichsmaschinen geäußert.

Selbst wenn man annähme, dass sich das kartellrechtswidrige pauschale Plattformverbot geltungserhaltend auf den Ausschluss lediglich bestimmter Plattformen (hier: Amazon) reduzieren ließe, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes.

Die Kammer vermag insoweit nicht zu erkennen, welche produktbezogenen Erfordernisse den Ausschluss des Vertriebs von (Luxus-)Parfums über die Marktplatz-Funktion von Amazon rechtfertigen. Der Kammer ist aus eigener Anschauung bekannt, dass Amazon als besonders schneller, zuverlässiger und günstiger Anbieter gilt.

Die Kammer geht von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 GWB aus, da keine ausreichenden Anhaltspunkte erkennbar sind, dass das streitgegenständliche selektive Vertriebssystem, bezogen auf die streitgegenständliche Vertriebsplattform Amazon, aus dem Schutzbereich dieser Gesetzesnorm heraus zu nehmen wäre.

Der Wettbewerbsbeinträchtigung der Klägerin fehlt es auch nicht an der erforderlichen Spürbarkeit. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Pierre Fabre“ ist unabhängig vom Marktanteil die Spürbarkeit zu vermuten, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung – wie vorliegend – etwa zur Reduzierung des Preisdrucks bezweckt wird.

Das Unterlassungsbegehren der Klägerin gemäß dem Klagehauptantrag kann die Klägerin auch nicht auf die Regelung des § 24 Abs. 2 MarkenG, wie erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung als neuen Klagegrund eingebracht, stützen.

Abgesehen davon, dass es an der substantiierten und schlüssigen Darlegung fehlt, inwieweit die Klägerin selbst Markeninhaberin der streitgegenständlichen Marken oder Lizenznehmerin und damit aktivlegitimiert ist, fehlt es auch an der Darlegung und einem Nachweis, dass erwiesen wäre, dass der Vertrieb der streitgegenständlichen Parfums über Amazon den Ruf der Markeninhaberin im konkreten Fall erheblich schädigt und im konkreten Fall tatsächlich eine erhebliche Schädigung des Markenimages eingetreten ist und nicht etwa nur droht (EuGH GRUR Int. 1998, 140, 144 – Parfums Christian Dior, Tz. 54; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 24 Rn. 87). Die Bezugnahme auf eine angebliche Verkehrsauffassung dahin, dass bei den streitgegenständlichen Parfum-Produkten ein Angebot bei Amazon Enttäuschungen von Interessenten hervorrufen würden, reicht – auch bei Berufung auf eine Sachkunde des Gerichts – nicht aus.

Ein etwaiger verspäteter Vortrag der Beklagten, insbesondere etwaig verspätet in ihren Schriftsätzen vom 26.11.2013 und 17.01.2014 vorgebrachte Verteidigungsmittel, war jedenfalls nach dem fristgerecht von der Beklagten eingelegten Einspruch gegen das Versäumnisurteil und dem dadurch notwendig gewordenen Verhandlungstermin über den Einspruch und zur Hauptsache gemäß § 341a ZPO von der Kammer zu berücksichtigen (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 296 Rn. 40).

Angesichts der Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Wettbewerbsverbots aus den oben genannten Gründen kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte dem klägerischen Begehren eine etwaige Duldung ihres Verhaltens über die Internetplattform Amazon durch die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2012 entgegenhalten könnte. Auch bedarf es keiner Entscheidung der Kammer, ob eine kartellrechtliche Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vertriebsverbotes im Sinne der Rechtsprechung des Kammergerichts (MMR 2013, 774) möglicherweise daraus hergeleitet werden könnte, dass die Gründe, die von der Klägerin für die Rechtfertigung der Zulässigkeit ihres selektiven Vertriebssystems angeführt werden, in anderem Zusammenhang, durch eine angebliche Belieferung u.a. von Discountern, wie beklagtenseits vorgetragen, ignoriert werden könnten.

Hinsichtlich des hilfsweise von der Klägerin geltend gemachten Feststellungsbegehrens ist schon zweifelhaft, ob angesichts des unbegründeten Klagehauptantrages auf Unterlassung von Bewerbungs- und Vertriebshandlungen derselben streitgegenständlichen Markenparfums ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen wäre. Diesbezüglich fehlt es an jeglichem Vortrag der Klägerin. Jedenfalls ist die entsprechende Feststellungsklage aufgrund der oben erörterten Kartellrechtswidrigkeit der entsprechenden Vertragsklausel unbegründet.

Es besteht für die Kammer keine Veranlassung zur Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV, wie dies die Klägerin im Hinblick auf die streitgegenständlichen Rechtsfragen angeregt hat. Zum einen hat sich der EuGH in der Entscheidung „Pierre Fabre“ bereits zu einschlägigen Rechtsfragen geäußert, denen die Kammer gefolgt ist und zum anderen böte es sich vorliegend an, gegebenenfalls erst einmal die Einschätzung der nationalen Rechtsmittelgerichte einzuholen, bevor man den Gedanken an eine Vorlage an den EuGH weiter verfolgte.

Die nach der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien gebieten nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO), zumal in den Schriftsätzen im Wesentlichen Rechtsansichten bzw. bereits vorgetragene Tatsachen referiert werden. Es bedurfte auch angesichts des Umstands, dass die Klage abgewiesen worden ist und unabhängig davon, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 08.07.2014 bereits schriftsätzlich zu dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen hat, keiner förmlichen Schriftsatzgewährung für die Beklagte gemäß § 283 ZPO, wie von dieser „vorsorglich“ in der mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3, 344 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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