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LG Berlin: Schadensersatz bei Screenshots ohne Quellenangabe

LG Berlin, Urteil v. 16.03.2000, Az. 16 S 12/99

1. Die Verwendung von Screenshots aus einem Film ohne ordnungsgemäße Quellenangabe ist urheberrechtswidrig.

2. Ein Zitat muss erkennbar vom fremden Werk abgehoben werden und darf nicht ununterscheidbar integriert sein. Es ist nicht ausreichend, wenn sich die Quelle allein aus dem Kontext ergibt.

LANDGERICHT BERLIN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 16 S 12/99

Verkündet am: 2000-03-16

In dem Rechtsstreit

hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin … auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2000 … für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 7. Oktober 1999 – l0b C 5624/98 – wie folgt geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.545,– DM nebst 4 % s ‘W‘. daraus seit dem 10. Oktober 1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur teilweise begründet, die Anschlußberufung unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.545,– DM gemäß § 97, 87 UrhG.

1. Die Klägerin hat durch die Verwendung der 5 Einzelbilder („Screenshots“) aus dem Filmbeitrag der Sendung „Report“ die Leistungsschutzrechte der Klägerin gemäß § 87 UrhG verletzt. Der streitgegenständliche Filmbeitrag stellt eine Funksendung dar, an der der Klägerin als Sendeunternehmen Leistungsschutzrechte zustehen. Der Schutz besteht für jede Sendung gleich welchen Inhalts und unabhängig davon, ob ein vor bestehendes, urheberschutzfähiges Werk Gegenstand der Sendung war oder ob der Programmbeitrag selbst in urheberrechtlich relevanter Weise gestaltet ist (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 87, Rdn. 3). Geschützt ist gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG insbesondere die Herstellung einzelner Lichtbilder und die Vervielfältigung und Verbreitung derartiger Festlegungen, also auch – wie hier – die Herstellung von Lichtbildern aus einem Fernsehmitschnitt (Fromm/Nordemann, a.a.O. Rdn. 10).

2. Die Nutzung der Lichtbilder durch die Beklagte ist nicht durch das Zitatrecht gemäß § 51 Nr. 2 UrhG gerechtfertigt. Das Leistungsschutzrecht aus § 87 UrhG ist nach Maßgabe von § 87 Abs. 3 UrhG den Beschränkungen der § 45 – 63 UrhG – so auch denen des § 51 UrhG – unterworfen. Die Verwendung der „Screenshots“ im konkreten Fall stellt je doch kein zulässiges Zitat dar. Das Bildzitat ist in § 51 UrhG nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch ist seine grundsätzliche Zulässigkeit nicht zweifelhaft (Fromm/Nordemann, § 51, Rdn. 9). Vorliegend ist – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – nicht zwischen den 3 kleineren und den zwei größeren Lichtbilder zu differenzieren. Denn die Beurteilung, ob ein Zitat vorliegt, richtet sich nicht nach der Größe der verwandten Bilder, sondern nach dem mit der Verwendung erkennbar verfolgten Zweck. Dieser ist anhand des Wesens des „Zitats“ zu bestimmen; dabei ist auch die Quellenangabe von Bedeutung. Das fremde Werk darf nicht ununterscheidbar in das zitierende Werk integriert sein, sondern muß als fremde Zutat ersichtlich gemacht sein (LG Berlin, Schulze LGZ 125,‘ 4,5). Das Zitat muß erkennbar vom eigenen Werk abgehoben wer den. Andererseits bildet nicht jede erkennbare Verwendung fremder Werkteile schon ein Zitat. So hält sich, wer ein fremdes Werk in das eigene nur deshalb einbezieht, um es zu vervollständigen oder um dem Leser zusätzlich zum eigenen auch noch das fremde Werk zu bieten, nicht im Rahmen des zulässigen Zitatzwecks (BGH GRUR 87, 34 – Liedtextwiedergabe 1). Es muß vielmehr eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden (BGHZ 28, 234, 240 – Verkehrskinderlied). Das fremde Werk muß als „Beleg“ dienen, die Erörterungsgrundlage bilden. Kein zulässiger Zweck wäre dagegen, daß der Zitierende sich nur eigene Ausführungen ersparen und solche durch das Zitat ersetzen möchte (KG GRUR 1970, 616ff. – Eintänzer).

Letzteres ist nach Auffassung der Kammer hier der Fall. Die Beklagte greift lediglich das Thema des „Report“ Beitrags auf. Sie nimmt zwar ausdrücklich Bezug auf die am Vorabend ausgestrahlte Sendung. Im übrigen handelt es sich aber um einen eigenen, selbständigen Bericht, der sich nicht mit dem konkreten Inhalt der „Report“ Sendung auseinandersetzt. Der Sachverhalt wird in dem für eine Boulevard – Zeitung typischen, vereinfachten Sprachstil dargestellt. Wichtiger noch als die objektive Berichterstattung erscheint dabei die reißerische Aufmachung. Für ein Zitat sind die verwandten Bilder zudem nicht eindeutig als Entnahmen aus der „Report“ Sendung kenntlich gemacht. Lediglich unter dem auf der linken Berichtsseite befindlichen Bild befindet sich ein Hinweis auf die Report – Sendung als Quelle von 5 der insgesamt 7 Lichtbildern. Allein das spricht gegen die für ein Zitat erforderliche „Belegfunktion“ (vgl.: Fromm/Nordemann, a.a.O. § 63, Rdn. 1).

3. Die Beklagte ist auch passivlegitimiert. Die grundsätzliche Störerhaftung der Beklagten ist nicht zweifelhaft, allenfalls ihr Verschulden. In Anspruch genommen werden kann jeder, der die Rechtsverletzung begeht oder daran teilnimmt, sofern zwischen dem Verhalten und der Rechtsverletzung eine adäquater Kausalzusammenhang besteht, wobei eine von mehreren Ursachen genügt, falls nicht nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich ist, daß gerade diese Ursache zu einem solchen Erfolg fluhrt (Schricker, 2. Aufl., § 97, Rdn. 35). Bei Presseveröffentlichungen haftet der Autor, der Verleger, u.U. auch der Herausgeber und der Chefredakteur (Schricker a.a.O., Rdn. 37). Sorgfalts- und Prüfungspflichten – deren Verletzung ein Verschulden begründen würden – können jedenfalls diese genannten Personen haben.

Dies von der Klägerin in Anspruch genommene Gesellschaft steht als „Redaktionsgesellschaft‘ im Impressum des Berliner Kuriers unter der Rubrik „Geschäftsführender Redakteur“. Entsprechend tritt die Beklagte nach Außen als verantwortliche Redaktion in Erscheinung. Das gilt umso mehr, als sie im vorprozessualen Schreiben vom 8. Oktober 1998 die redaktionelle Verantwortung für die Verwendung der Bilder übernommen hatte.

4. Der Höhe nach bemißt sich der Schadensersatzanspruch nach der üblichen Lizenzgebühr, da sich die Klägerin nach Maßgabe des § 97 UrhG für diese Berechnungsart entschieden hat. Die angemessene Lizenz für die Verwendung der Lichtbilder ist gemäß § 287 ZPO zu schätzen, wobei die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing – hier mit Stand 1997 – als Schätzungsgrundlage heranzuziehen sind. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, daß die marktübliche Lizenzgebühr für die Entnahme ganzer Bildfolgen aus Reportagesendungen höher liege, als in den Honorarempfehlungen vorgesehen, ist dies nicht .ausreichend dargelegt. Konkrete Vergleichsfülle nennt die Klägerin nicht. Der angebotene Beweis durch Zeugenvernehmung ist unzulässig, da er der Ausforschung des nicht vorgetragenen Sachverhalts dienen würde.

Nach den damit maßgeblichen Honorarempfehlungen gilt Folgendes:

Die Klägerin kann für die 5 Bilder eine „Grundlizenz“ von insgesamt 1.030,– DM verlangen, nämlich je 170,– DM für die 3 kleinen Bilder und je 260,– DM für die beiden großen Bilder. Bei letzteren ist im Rahmen der Honorarempfehlungen bereits ein Zuschlag dafür vorgesehen, daß es sich um „Seitenaufmacher“ handelte. Letzteres ergibt sich aus der Größe der Bilder und der Gesamtgestaltung des Beitrags. Grundlage der Berechnung ist ferner, daß der Berliner Kurier der Beklagten in einer Auflage von ca. 170.000 Stück er scheint. Ein weitergehender Zuschlag wegen des Seitenaufmachers kommt da neben nicht in Betracht.

Soweit die Klägerin einen Zuschlag deshalb verlangt, weil es sich um ungewöhnliche und kostenintensive Aufnahmen handelt, so ist das entsprechende Vorbringen unsubstantiiert. Die Mittelstandsempfehlungen sehen zwar einen solchen Zuschlag vor. Die Aufnahmen selbst sind jedoch nicht als „ungewöhnlich“ anzusehen. Für die Frage, ob es sich um kostenintensive Aufnahmen handelt, kommt es auf die verwendeten Lichtbilder selbst, nicht auf den Report – Beitrag insgesamt an. Die entsprechenden Produktionskosten können nicht als Bezugsgröße herangezogen werden. Denn der für den Bericht erforderliche Aufwand spiegelt sich nicht in den Aufnahmen wieder, die von der Be klagten verwendet wurden. Daß etwa aufwendige Recherchen durchgeführt wurden, ist unerheblich.

Wegen fehlender – zumindest aber unzureichender – Quellenbenennung gemäß § 63 UrhG hält die Kammer einen weiteren Schadensersatz in Höhe von 50 % der üblichen Lizenzgebühr für angemessen. Die Verpflichtung zur Quellenangabe gilt gemäß § 87 Abs. 3, 63 Abs. 1 und 3 UrhG auch zugunsten der Sendeanstalt, die eine Funksendung ausgestrahlt hat. Zwar nimmt § 63 UrhG ausdrücklich nur Bezug auf zulässige Vervielfältigungen, insbesondere solche, die unter den Zitatzweck des § 51 UrhG fallen. Die Verpflichtung zur Quellenangabe hat aber eine eigenständige Bedeutung und besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob die Nutzung als solche rechtmäßig war. So kann eine Verletzung der Verpflichtung zur Quellenangabe selbst Schadensersatzansprüche gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auslösen (Fromm/Nordemann, a.a.O., § 63, Rdn. 6). Die Quelle ist deutlich anzugeben. Die Angabe muß so beschaffen sein, daß der Autor – oder hier die Sendeanstalt – ohne besondere Mühe zu ersehen ist und die Richtigkeit der Entlehnung ohne weiteres überprüft werden kann (Fromm/Nordemann, a.a.O. § 63, Rdn. 4). Bei Bildern ist die Quelle in der Regel in unmittelbarem Zusammenhang mit der Reproduktion, also darunter oder daneben, anzugeben. (Fromm/Nordemann, a.a.O.).

Der Hinweis auf „Report“ unter dem linken größeren Bild genügt als Quellennachweis nicht. Denn er besagt lediglich, daß 5 der insgesamt 7 verwandten Lichtbilder aus dem „Report“ Bericht stammen; eine genaue Zuordnung erfolgt dagegen nicht.

Der Zuschlag für die fehlende Quellenangabe trägt dem Umstand Rechnung, daß diese Angabe eine wirtschaftliche Bedeutung zukommt, die durch eine Entschädigung für die unzulässige Nutzung nicht abgedeckt ist. Ein entsprechender Schaden ist deshalb nicht bereits mit der oben berechneten „Grundlizenz“ abgegolten. Denn die Quellenangabe hat darüber hinaus zumindest einen erheblichen Werbeeffekt für das Sendeunternehmen. Dieser Effekt würde selbst bei berechtigter Nutzung aufgrund eines Zitatrechts bestehen. Die Kammer schätzt den dadurch entstandenen Schaden gemäß § 287 ZPO auf 50 % der für die Nutzung selbst geschuldeten Lizenzgebühr.

Daneben kommt ein allgemeiner Verletzerzuschlag nicht in Betracht. Ein solcher ist nur für Verwertungsgesellschaften anerkannt (vgl. Schricker, 2. Aufl., § 97, Rdn. 62). Eine entsprechende Pauschalierung des Aufwands zur Ermittlung und Verfolgung von Rechtsverletzungen ist nur bei solchen Institutionen gerechtfertigt.

5. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91, 709 S. 1, 108 ZPO.

Via http://www.uni-lernstadt.de/fileadmin/ella/files/urteile/LG_Berlin-16_S_12-99.pdf

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Weitere Fundstellen: GRUR 2000, 797; NJW-RR 2001, 1054; ZUM 2000, 513.

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