Telemedicus

LG Berlin: Reichweite des Informantenschutzes bei Presseveröffentlichungen

LG Berlin, Urteil v. 11.08.2009, Az. 27 O 408/09

Das Redaktionsgeheimnis eines Presseorgans kann nicht zwangsläufig dazu führen, dass ein Betroffener, der von umstrittenen Äußerungen in seinem Ruf geschädigt wird, dahingehend schutzlos gestellt wird, dass sich das Presseorgan darauf berufen kann, lediglich ein Zitat wiederzugeben, dessen Quelle aber aufgrund des Informantenschutzes nicht genannt werden kann. Eine eidesstattliche Versicherung des Autors, dass es sich um ein Zitat handelt, ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr ist eine weitere Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Pressefreiheit vorzunehmen, infolge derer ein Verbot der umstrittenen Äußerungen stehen kann.

LANDGERICHT BERLIN

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 27 O 408/09

Verkündet am: 11.08.2009

In dem Rechtsstreit

[…]

hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg […] für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung des Kammergerichts vom 4. Juni 2009 – 9 W 116/09 – wird bestätigt.

2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist der Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, Seine Mitglieder sind u.a. die regionalen Sparkassenverbände, in denen die 438 rechtlich selbständigen deutschen Sparkassen (Stand: 31.12.2008) Mitglieder sind. Der Antragsteller vertritt als Bundesverband die Interessen der Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe. Er verwaltet zudem den überregionalen Ausgleich zwischen den regionalen Sparkassenunterstützungsfonds, die Sicherungsfonds der Girozentralen und der Landesbausparkassen und den Haftungsverbund dieser Sicherungseinrichtungen im Sinne von § 12 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes. Zudem beauftragt und betreut der Antragsteller das Verbund-Rating der Sparkassen-Finanzgruppe organisatorisch, welches sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Institute der Sparkassen-Finanzgruppe bezieht. Der Antragsteller ist als Markenverband auch Inhaber der von den Sparkassen zur Kennzeichnung ihres Geschäftsbetriebes und ihrer Waren und Dienstleistungen verwendeten Marken, insbesondere der Bezeichnung „Sparkasse“, des Sparkassenlogos sowie der Farbe „Rot“.

Die Antragsgegnerin verlegt die wöchentlich erscheinende Zeitschrift Z, in deren Ausgabe Nr. 14 vom 26. März 2009 sie auf den Seiten 23 und 24 den folgenden, in Kopie wiedergegeben Artikel mit der Überschrift „Kassensturz auf dem Dorf“ veröffentlichte, der sich mit der finanziellen Situation der deutschen Sparkassen befasst:

[…]

Hiergegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt und mit Beschluss des Kammergerichts vom 4. Juni 2009 (9 W 116/09) eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt worden ist,

„wörtlich oder sinngemäß zu behaupten,

nach Aussage eines namentlich nicht genannten Sparkassenmanagers stehe ein Drittel der Sparkassen mit dem Rücken zur Wand, insbesondere wenn dies geschieht, wie in dem Artikel „Kassensturz auf dem Dorf“ der Wochenzeitung Z, Ausgabe 14/2009 vom 26. März 2009.“

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch.

Sie macht geltend,

die Person des mit der Aussage „Ein Drittel aller Sparkassen steht mit dem Rücken zur Wand“ zitierten Sparkassenmanagers sei durch die eingereichte eidesstattliche Versicherung des Autors N, hinsichtlich deren näherer Einzelheiten auf die Anlage AG 4 verwiesen wird, hinreichend konkretisiert. Dieser habe mit dem Vorstand einer deutschen Sparkasse persönlich gesprochen. Dieser „Sparkassen-Manager“ sei nunmehr als Mitglied eines Vorstands einer deutschen Sparkasse näher definiert. Eine weitergehende Glaubhaftmachung könne von ihr nicht verlangt werden, denn anderenfalls wäre die im Artikel zitierte Person identifizierbar. Denn auch im Rahmen der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast sei die Pressefreiheit zu berücksichtigen. Diese umfasse auch den Informantenschutz, welcher unzumutbar eingeschränkt würde, wenn sie verpflichtet wäre, entweder den Informanten öffentlich zu machen oder ein Verbot der Berichterstattung zu riskieren. Im Übrigen habe der Antragsteller die Möglichkeit, die Vorstände der 438 deutschen Sparkassen zu befragen und damit seinen Sachvortrag seinerseits glaubhaft zu machen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 6. Juni 2009 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er verteidigt den geltend gemachten Anspruch und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, der Informantenschutz gewähre der Presse keinen Freibrief, pauschale und kreditgefährdende Tatsachenbehauptungen verbreiten zu dürfen. Die eidesstattliche Versicherung des Autors N ändere hieran nichts, da sie lediglich die streitgegenständliche Aussage wiederhole, ohne die Person des angeblich zitierten Sparkassenmanagers näher zu konkretisieren. Er sei nach wie vor nicht zur Prüfung in der Lage, ob oder in welchem Kontext die Aussage tatsächlich getroffen worden sei und ob der Informant glaubwürdig sei. Die Antragsgegnerin nenne weder den Namen des Informanten noch lege sie nähere Umstände dar, aus denen Rückschlüsse auf die Richtigkeit des Zitats und die Verlässlichkeit des Zitierten gezogen werden könnten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.
Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da sie zu Recht ergangen ist (§§ 926, 936 ZPO), Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der streitgegenständlichen Aussage im Rahmen der Berichterstattung in der Zeitschrift Z vom 26. März 2009 auf den Seiten 23 und 24 aus §§ 823 Abs. 1, 824, analog 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG zu, weil von einer unwahren Tatsachenbehauptung auszugehen ist. a. Das Kammergericht hat zur Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung durch den als „Sparkassen-Manager“ Zitierten in seinem Beschluss vom 4. Juni 2009 (9 W 116/09) festgestellt:

„Dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass sich kein Sparkassenmanager so geäußert hat, wie dies in dem angegriffenen Artikel wiedergeben wird, steht dem Erlass der einstweiligen Verfügung entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass den Antragsteller eine erweitere Darlegungs- und Beweislast trifft, wenn er den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners begehrt (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Bild- und Wortberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12 Rn. 145). Allerdings bestehen hier Besonderheiten, die dessen ungeachtet eine abweichende Beurteilung rechtfertigen, Zum einen ist anerkannt, dass im Falle pauschaler Behauptungen, die der Betroffene ohne weitere Konkretisierung nicht widerlegen kann, wie dies vorliegend der Fall ist, den Äußernden eine erweiterte Darlegungslast trifft (BGH, NJW 1974, 1710, 1711; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien; 3. Aufl., Rn, 826). Zum anderen hat die Antragsgegnerin – abgesehen von ihrer bereits bei der Beschlussfassung des Landgerichts vorliegenden Schutzschrift vom 20. April 2009 – mit einem werteren Schriftsatz vom 28. Mai 2009 zu der Beschwerde des Antragstellers Stellung genommen, nachdem sie mit der Verfügung des Landgerichts vom 21. April 2009 an dem Verfahren beteiligt worden war, ohne die Person des angeblich zitierten Sparkassenmanagers jedoch näher zu konkretisieren.

Da der Antragsteller bereits mit seinem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 29. April 2009 ausdrücklich klargestellt hat, dass sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche hinsichtlich der vermeintlichen Zitate nicht nur auf den Inhalt der jeweiligen Äußerungen beziehen, sondern auch darauf, dass sich überhaupt die jeweilige Person so wie wiedergegeben geäußert hat, war die einstweilige Verfügung hinsichtlich des Verbotsantrags zu b) mit dem (eingeschränkten) Inhalt zu erlassen, wobei der Senat hinsichtlich der Formulierung des Tenors von dem ihm gemäß § 938 Abs. 1 ZPO zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht hat.“

Dieser erweiterten Darlegungslast ist die Antragsgegnerin auch durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Autors des streitgegenständlichen Artikels nicht hinreichend nachgekommen. Eine erforderliche nähere Konkretisierung der Umstände, in deren Rahmen das angebliche Zitat gefallen sein soll, ist dieser nicht zu entnehmen. Vielmehr ist dem Antragsteller zuzugeben, dass der Redakteur N, indem er versichert „Im Rahmen dieser Recherchen habe ich im März 2009 mit dem Vorstand einer Sparkasse gesprochen. Dabei sagte mir ein Vorstandsmitglied wörtlich „Ein Drittel aller Sparkassen steht mit dem Rücken zur Wand“.“, lediglich die streitgegenständliche Aussage wiederholt. Zwar spricht der Redakteur N nun von dem „Vorstand einer Sparkasse“, was im Vergleich zu der im Artikel verwendeten Bezeichnung „Sparkassen-Manager“ zumindest eine stärkere Eingrenzung des Personenkreises zulässt, da zur Ebene des Managements nicht nur Vorstandsmitglieder, sondern z.B. auch Leitende Angestellte, zu zählen sind. Trotz dieser Konkretisierungen enthält der Vortrag der Antragsgegnerin aber auch weiterhin keine hinreichenden Anhaltspunkte dazu, die es ermöglichen würden, nachzuvollziehen, ob die Aussage tatsächlich so getroffen wurde und ob die Quelle zuverlässig ist. Dies allein zu behaupten genügt regelmäßig nicht (vgl. Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 6 Rn. 137), insbesondere folgt dies vorliegend nicht schon aus der bloßen beruflichen Stellung des angeblich Zitierten. Dass es sich hierbei möglicherweise um einen Vorstand einer Sparkasse handelt, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, ob die Aussage so aufgestellt und zutreffend wiedergegeben wurde. Weitere Fakten hat die Antragsgegnerin mit Ausnahme des Hinweises auf den zeitlichen Rahmen des Gesprächs („im März 2009“) nicht vorgetragen. Auch dies erlaubt aber keine näheren Rückschlüsse auf den näheren Gesprächsablauf und die konkrete Art des Interviews, etwa welche Frage des Redakteurs N zu dem angeblichen Zitat führte und ob der Redakteur nachgefragt hat, wie der Äußernde zu seiner Auffassung gelangt ist bzw. ob er überhaupt in der Lage war, die Verhältnisse bei einem Drittel der Sparkassen zu beurteilen. Die hier maßgebliche Behauptung, ein „Sparkassen-Manager“ habe sich entsprechend geäußert, hätte der Antragsteller aber nur substantiiert bestreiten können, wenn die Antragsgegnerin nähere Angaben entweder zur Person des Zitierten oder zu den Umständen des Gesprächs gemacht hätte.

Der Antragsteller ist auch nicht seinerseits verpflichtet, nunmehr bei sämtlichen 438 Vorständen der deutschen Sparkassen nachzufragen, ob und in welcher Art und Weise einer von ihnen die streitgegenständliche Äußerung gegenüber dem Autor N getätigt hat. Eine Verpflichtung des Antragstellers zu einer solchen Befragung liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Zwar kann im Einzelfall etwas anderes daraus folgen, dass den Beweisführer (hier: die sekundär darlegungsverpflichtete Antragsgegnerin) eine fehlende Sachkunde daran hindert, zur näheren Substantiierung dienliche Umstände selbst zu ermitteln. Dies ist hier aber vorliegend gerade nicht der Fall, da die Antragsgegnerin schon nach ihrer eigenen Darstellung weitere Anhalts-Tatsachen über die Person des angeblich Zitierten und den näheren Gesprächsablauf bewusst zurückhält, um die Identität als Informant nicht offenbar werden zu lassen. Das mag für die Antragsgegnerin einen nachvollziehbaren Beweggrund bilden, auf weitere konkrete Darlegungen zu verzichten. Im Zivilprozess muss sie dann aber auch die verfahrensrechtlichen Folgen ihrer Rücksichtnahme zu Lasten einer unvollkommenen Darlegung in Kauf nehmen (vgl. BGH NJW 1974, 1710).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schutz des Redaktionsgeheimnis sowie dem Informantenschutz als Ausprägungen der von Art. 5 Abs, 1 S, 2 GG geschützten Presse- und Rundfunkfreiheit. Zwar schließen deren Gewährleistungsbereiche diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informanten. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (vgl. BVerfGE 117, 244, 259 m.w.N.). Andererseits bliebe der Antragsteller weitgehend schutzlos, wenn die Antragsgegnerin zum Beleg ihrer umstrittenen Behauptung allein auf einen nicht namentlich benannten Informanten verweisen dürfte. Es hat daher gemäß Art. 5 Abs. 2 GG eine Abwägung zwischen dem aus dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG folgenden Informantenschutz als Ausprägung der Pressefreiheit, auf die sich die Antragsgegnerin beruft und den aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG folgenden Persönlichkeitsrechten des Antragstellers zu erfolgen, infolge derer einem Grundrecht nicht schlechterdings der Vorrang vor dem anderen zu geben ist. Dabei müssen die betroffenen Grundrechte im Konfliktfall nach Möglichkeit in Ausgleich gebracht werden; lässt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat (BVerfGE 35, 202, 225; 67, 213, 228), Notwendig ist ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen mit dem Ziel der Optimierung (BVerfGE 81, 278, 292), ein schonender Ausgleich nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz (BVerfGE 93, 1, 21).

Zivilprozessual folgt hieraus zunächst der Grundsatz, dass das sich auf den Informantenschutz berufende Presseorgan daher zumindest gehalten ist, nähere Umstände vorzutragen, aus denen -sowohl für das Gericht als auch die andere Partei nachprüfbar – auf die Richtigkeit der Information geschlossen werden kann (vgl. BGHZ 176, 175; Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 827; Gamer, in: Wenzel, a.a.O., Kap. 12 Rn. 135), Dies führt zu der bereits erörterten erweiterten Darlegungslast der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall, der diese nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Antragsgegnerin unterliegt daher einem Zirkelschluss, wenn sie meint, die Pressefreiheit stünde bereits ihrer Pflicht zur Darlegung nachprüfbarer Anhaltspunkte für die Richtigkeit des streitgegehständlichen Zitats entgegen. Sie verkennt dabei, dass die ihr infolge einer verhältnismäßigen Abwägung zwischen dem Grundrecht der Pressefreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommende erweiterte Darlegungslast ins Leere laufen würde, wenn der Antragsteller gezwungen wäre, unter 438 möglichen Personen den etwaig Zitierten ausfindig zu machen, obwohl die Antragsgegnerin bereits durch Darlegung weiterer Umstände des Gesprächs des Redakteurs Storn mit dem Zitierten – auch ohne dessen Namensnennung – ihren Vortrag hätte glaubhaft machen können.

b. Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung zu vermuten und
hätte nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können
(BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.

2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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