LG Berlin, Urteil v. 15.12.2015, Az. 27 O 658/15
1. Die Darstellung eines Politikers der „neuen Rechten“ darf in Theaterstücken als Zombie dargestellt werden. Diese Darstellung fällt unter die Kunstfreiheit, auch wenn Zombies nur dadurch getötet werden können, wenn man ihnen direkt in das Gehirn schießt. Insbesondere ist dies für verständige Theaterbesucher nicht ernsthaft als Gewaltaufruf gegen rechtskonservative Akteure der politischen Gegenwart zu werten. Es wird vielmehr künstlerisch zum Ausdruck gebracht, dass diese rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich seien.
2. Die Kunstfreiheit zieht dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden.
3. Ein literarisches Werk, vorliegend ein Theaterstück, ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind. Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung der Menschenwürde oder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Antragstellerin, die in ihrer Gewichtung der in § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG niedergelegten Kunstfreiheit vorgehen kann, nicht gegeben.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Antragstellerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwendung ihres Bildnisses in dem von der Antragsgegnerin seit dem 25. Oktober 2015 aufgeführten Theaterstück ”XXXX” von Xxxx und gegen die dort getätigte Aussage ”(…) in ihrer Wohnung am Xxxx in Berlin-Mitte.”
Die Antragstellerin ist stellvertretende Vorsitzende der Xxxx (Xxxx) und Mitglied des Parlaments der Europäischen Union.
Die Antragsgegnerin ist verantwortliche Betreiberin des Theaters Xxxx am Lehniner Platz in Berlin. Sie verantwortet den von ihr herausgegebenen Spielplan und das Programm der bei ihr aufgeführten Werke. Seit dem 25.10.2015 (Premiere) führt sie das Theaterstück ”XXXX” von Xxxx in der Fassung als ”Uraufführung” auf.
Die Antragsgegnerin hat das Theaterstück auf ihrer Website wie folgt beschrieben:
Wie Untote, Zombies, Wiedergänger aus der Vergangenheit, kehren längst überkommen geglaubte Kategorien, Denkmuster, eine Rhetorik und ein Vokabular aus Zeiten des Nationalsozialismus zurück. Im öffentlichen Diskurs breiten sich ungehemmt Hass, Hetze und Diskriminierung als legitime Arten des Sprechens aus. Auf diesem Nährboden folgen Gedanken und Worten bald Taten, werden Journalisten angepöbelt, wird öffentlich zu Hass und Gewalt aufgerufen, wurden Politiker angegriffen und brannten im vergangenen Sommer mehr als 500 deutsche Flüchtlingsunterkünfte. Die untoten Geister von Rassismus und Homophobie beschwören die Performer herauf und setzen sich mit Sprache und Körperlichkeit von Angst, Hass und Gewalt auseinander, verlachen, bekämpfen sie und schütteln sie ab. Sie fragen sich, was Begriffe wie »Heimat« und »Familie« für sie ganz persönlich heißen könnten.”
Die Antragstellerin wird mehrfach namentlich in dem Theaterstück erwähnt, ihr Bild mehrfach auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert. Zudem sind Papierausdrucke mit dem Gesicht der Antragstellerin in DIN-A3 Format Bestandteil des Bühnenbildes. Einen Ausdruck mit dem Bildnis der Antragstellerin hält sich ein Tänzer als Maske vor das Gesicht, wozu er zuvor kreisrunde Öffnungen im Bereich der Augen in das Bild macht. Der Ausdruck wird im weiteren Geschehen wieder mit den anderen Ausdrucken im Bühnenbild verwendet.
In dem Stück werden neben der Antragstellerin die Bildnisse weiterer Personen auf der Leinwand und auch auf Ausdrucken gezeigt – unter anderem von xxxx.
In zwei längeren Monologen spricht die Figur “ xxxx “ in dem Stück von “ xxxx „.
Der erste Monolog folgt nach ca. 15 Minuten Spielzeit, nachdem der Hauptprotagonist des Stückes in einem langen Monolog ausführt, wie er Nächte lang an seinem Laptop saß und alles in sich rein „fraß“, „abwegige (…) Verschwörungsund Hassblogs“, Information von und über besorgte Bürger, Freital, Heidenau, Nauen, Dresden, Leipzig, Pegida, Legida, xxxx, xxxx, Zivile Koalition und sich dann wieder die Serie “ xxxx “ ansieht, dann wieder etwas von xxxx, der DEMO FÜR ALLE und dem katholische Netzwerk zur Re-Christianisierung des Abendlandes und über NSU, NPD, Xxxx, xxxx, xxxx, xxxx und die besorgten Eltern und dann wieder die Serie “ xxxx „, dann von xxxx und xxxx und Hassblogs und Bürgerkonvents, Zivile Koalition, Allianz für den Rechtsstaat u.s.w.. Am Ende verbinden sich alle Bilder, Gefühle, Ängste und Fragen, die das Gelesene und Gesehene – die fiktive Detektivserie und die Realität miteinander. Er bekommt „den Bogen nicht mehr so richtig rund zusammen“, „alle Bilder, alle Fetzen von Informationen, die“ er „aufgespürt hatte, fielen in“ ihm „durcheinander und begannen dort zu leben. Und setzten sich neu, anders zusammen. Und ich fuhr durch diese Landschaft. Ich traf auf all diese Monster, all diese verwirrten Menschen. Ich hatte diesen Traum: (…)“
Hieran anschließend folgt die erste „Zombie“-Szene, bei der auf einer großen Leinwand im Hintergrund in zügiger Abfolge großformatige Bildnisse der zuvor Erwähnten, u.a. auch der Antragstellerin, gezeigt werden.
Die zweite Erwähnung der „Zombies“ erfolgt wieder durch Lise nach ca. 1 Stunde Spielzeit, nachdem Alina von ihrem Alptraum berichtet hat: „Ich habe Angst, dass ich jede Nacht mit diesem Apltraum aufwache. Ich bin xxxx und halte eine Hasspredigt und hetze gegen Juden, Lesben, Muslime, Linke, Schwule, alleinerziehende Mütter. Und ich sterbe innerlich langsam ab. (…) Und dieser Hass tut so weh und der drückt mich so zu Boden. Und ich bin xxxx und xxxx und xxxx xxxx und all diese schrecklichen Frauen und ich halt’s wirklich gerade nicht mehr aus. Macht mich fertig.“
Wieder werden auf der Leinwand großformatig die Bildnisse der oben Erwähnten in zügiger Abfolge hintereinander gezeigt. Aus den auf der Bühne wie Schlafende liegenden Schauspielern erhebt sich Lise mit dem nachfolgenden Monolog. Weiterhin werden in Endlosschleife die Bildnisse gezeigt:
Am Ende einer Szene nach ca. 1 ¾ Stunden Spielzeit, die im Schloß zu Oldenburg spielt und in der der Geist ihres verstorbenen Großvaters, der unter Adolf Hitler Reichsfinanzminister gewesen war, in die Antragstellerin einfährt, spricht in der Premierenaufführung am 25.10.2015 (Uraufführung) eine OFF-Stimme:
Wegen der Einzelheiten des Theaterstückes wird auf die von der Antragsgegnerin eingereichte DVD sowie das Transkript Anlage AS 4 verwiesen.
Nachdem die Antragstellerin am 11.11.2015 vollständig Kenntnis von dem textlichen und bildlichen Inhalt des Theaterstücks erlangte, forderte sie mit Schreiben vom 4.12.2015 die Antragsgegnerin vergeblich zur Unterlassung der streitgegenständlichen Darstellungen auf.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Inszenierung verletze sie in ihrer Menschenwürde. Das Theaterstück rufe zur Gewalt gegen ihre Person auf. Sie behauptet, sie werde als „Zombie“, „Untote“, „Tote“ dargestellt, der man in den Kopf schießen soll, damit dieser Zombie „ausgelöscht“ werde. Begleitend hierzu würden bei Bildnissen von ihr die Augen herausgerissen bzw. herausgestochen. Insgesamt werde zu Gewalt ihr gegenüber aufgerufen. Damit werde ihr jegliche Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der sozialen Gemeinschaft und die Achtung als Mensch abgesprochen.
Fortwährend würde sie zudem in die Nähe von NSU, NPD und xxxx gerückt und immer wieder mit diesen in Zusammenhang gebracht. Dies verletze sie in ihrem Persönlichkeitsrecht schwer, sodass der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG vorliegend für die Veröffentlichung ihres Bildnisses ohne ihre Einwilligung nicht eingreifen würde.
Sie behauptet, sie sehe sich seit der Uraufführung des Stücks zunehmender Bedrohungen von Seiten der linksextremen Szene ausgesetzt. So habe es Drohungen in Form von Drohanrufen und Drohbriefen gegen sie sowie Sachbeschädigungen in ihrem Wohnhaus gegeben.
Die Antragstellerin beantragt,
1. bei der Aufführung des Theaterstücks „XXXX“ von Xxxx ein Bildnis von ihr zur Schau zu stellen und/oder zu verbreiten und/oder zur Schau stellen und/oder verbreiten zu lassen;
2. wörtlich oder sinngemäß in Bezug auf sie zu behaupten, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
„(…) in ihrer Wohnung am Xxxx in Berlin-Mitte“.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, es fehle aufgrund des Zuwartens bereits an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Auch ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben, da die Privatadresse nicht veröffentlicht oder verbreitet werde und die Inszenierung weder die Menschenwürde der Antragstellerin verletze noch sich als schwere Persönlichkeitsverletzung darstelle.
Sie behauptet, in der schriftlichen Spielfassung der Uraufführung heiße es in Bezug auf die Antragstellerin ””(…) gemeinsam sitzen sie am Xxxx in Berlin Mitte und beschwören die Ahnen”. Dies könne nicht so verstanden werden, dass die Antragstellerin hier wohne. Soweit ein Schauspieler bei der Uraufführung improvisiert gesagt haben soll, die vier Genannten säßen gemeinsam in ihrer Wohnung am Xxxx in Berlin-Mitte, so werde dies bezweifelt. Aber auch hieraus könne nicht auf die Wohnung der Antragstellerin geschlossen werden. Zudem habe die Antragstellerin selbst den Ort ihrer Wohnung bereits mehrfach öffentlich preisgegeben.
In dem Theaterstück werde an keiner Stelle zu Gewalt gegenüber der Antragstellerin aufgerufen. Die „Zombies“ seien das Untote, das Nichtlebendige, es seien die neuen rechten Argumente, die bezeichnet würden, das Denken der sog. „neuen Rechten“, das politische Ansinnen solcher Personen wie der Antragstellerin, nicht die benannten Frauen selbst.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin wegen der Veröffentlichung ihres Bildnisses in dem Theaterstück ”XXXX” sowie wegen der beanstandeten Äußerung der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 22 f. KUG, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht zu. Es wird hierdurch weder ihre Menschenwürde verletzt noch liegt eine schwer wiegende Verletzung ihres allgemeines Persönlichkeitsrecht vor.
1.
Gemäß § 22 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abge-bildeten verbreitet werden, an der es vorliegend fehlt. Hiervon macht § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen. Vorliegend greift der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ein. Danach dürfen Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Davon kann bei dem vorliegenden Theaterstück ohne weiteres ausgegangen werden. Das Recht der Antragstellerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hat vorliegend hinter der Kunstfreiheit zurückzutreten.
a.
Die Zurschaustellung der Bildnisse der Antragstellerin ist Teil der streitgegenständlichen Inszenie-rung. Der Regisseur des Stücks hat in einer Schutzschrift zu der Abmahnung der Antragstellerin ihm gegenüber (27 AR 151/15) Folgendes ausgeführt:
In einem Kunstgriff hat der Antragsgegner als Autor diesem drohenden Szenario eine Fabel der Literatur- und Filmgeschichte, eben jener von den Zombies gegenübergestellt. Nach der Fabel, die auf einer zweiten Erzählebene assoziiert wird, sind Zombies Untote, die immer weiter durch die Welt irren und die man nur töten kann, indem man ihnen in das Hirn schießt. Wohl bemerkt, hier wird aus einer allgemein bekannte Fabel zitiert. Es hätte genauso gut die Fabel von Rotkäppchen und dem bösen Wolf sein können, dem mit Steinen der Bauch gefüllt wird. Das Stück mündet im Übrigen in einer Kritik an der liberalen großstädtischen Bevölkerung, die trotz der befürchteten Bedrohung ihrer gesellschaftlichen Werte nicht beginnt, für diese einzutreten, sondern sich vielmehr aus dem öffentlichen Diskurs in eine Scheinidylle von „Urban Gardening“ zurückzieht.”
b.
Die Kunstfreiheit zieht dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunst-freiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden. Um die Grenzen im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es daher im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Jedoch ist auch die Kunstfreiheit, die in § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG verankert ist, nicht grenzenlos gewährt. Steht im Streitfall fest, dass in Ausübung der Kunstfreiheit das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt wird, ist bei der Entscheidung über den auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten zivilrechtlichen Abwehranspruch der Kunstfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Es bedarf daher der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunst-freiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeits-rechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG, 1 BvR 1783/05 v. 13.06.2007, juris Rdz. 79 f.). Die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hängt dabei sowohl davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser oder Betrachter nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, wie von der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser oder Betrachter diesen Bezug herstellt (BVerfG a. a. O.).
Ist zu untersuchen, ob ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehendes Kunstwerk das Persönlichkeitsrecht, insbesondere auch die Menschenwürde eines Betroffenen beeinträchtigt, kommt es auf eine Interpretation des Aussagegehalts dieses Kunstwerks an. Bei dieser Interpretation sind die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. Zu den Spezifika der Kunstform des Theaterstücks gehört, dass solche Stücke zwar häufig an die Realität anknüpfen, der Künstler dabei aber eine neue ästhetische Wirklichkeit schafft. Das erfordert eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch das Theaterstück im jeweiligen Handlungszusammenhang dem Leser nahe gelegten Wirklichkeitsbezugs, um auf dieser Grundlage die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewerten zu können. Die künstlerische Darstellung ist an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab zu messen. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das „Abbild“ gegenüber dem „Urbild“ durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so ver-selbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der „Figur“ objektiviert ist. Ein literarisches Werk, vorliegend ein Theaterstück, ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1783/05 -, Rn. 82 ff.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1533/07 –, Rn. 12, juris).
Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung der Menschenwürde oder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Antragstellerin, die in ihrer Gewichtung der in § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG niedergelegten Kunstfreiheit vorgehen kann, nicht gegeben.
Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Kunstfreiheit dort endet, wo die Darstellung den Betroffenen seiner Würde als Mensch entkleidet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1987 – 1 BvR 313/85 –, BVerfGE 75, 369-382, juris Rn. 25 – Strauss-Karikatur).
Die angegriffene Theaterinszenierung beraubt die Antragstellerin jedoch nicht ihrer Menschenwürde.
Betrachtet man den Aussagegehalt des gesamten Theaterstückes und seiner Inszenierung an der Xxxx, so wird die Antragstellerin dort als eine Vertreterin von Politikern dargestellt, die rechts-konservative Ansichten vertreten und die mit ihren Thesen und Reden, die von den Protagonisten als Hassreden empfunden werden, den Protagonisten des Stücks Angst bereiten. Parallel dazu erzählt das Theaterstück eine Traumgeschichte des Hauptprotagonisten Xxxx, in der sich dieser zusammen mit seinen Freunden den Detektiven Rust und Marti aus der Serie Xxxx gleich sich auf die Suche nach Monstern begibt, die in einer kaputten Landschaft, in der nur noch Angst, Hass und finstere Mächte regieren, ihr Unwesen treiben. Das Theaterstück endet mit der Kritik an der Gleichgültigkeit der Protagonisten, die sich auf ihren engsten Raum des Privaten zurückziehen und es damit bewenden lassen, festzustellen, dass sie ja ”die anderen”, sprich ”die Guten” sind.
Die von der Antragstellerin auf sich bezogenen beiden Zombie-Monologe, die die Protagonistin Lise spricht, folgen beide unmittelbar auf die Erwähnung von Träumen. Der erste Zombie-Monolog folgt nach ca. 15 Minuten Spielzeit auf den im Einleitungsmonolog vom Hauptprotagonisten geschilderten Traum, der die Parallelgeschichte einleitet. Der zweite folgt nach einer Stunde Spielzeit nachdem Aline von ihrem Alptraum berichtet hat. Auch wenn bei den Monologen im Hintergrund auf einer großflächigen Leinwand großformatig die Bilder von xxxx erscheinen, vermag die Kammer dem von der Antragstellerin gezogenen Schluss, die Abgebildeten würden hierdurch als Zombies dargestellt, nicht zu teilen. Die Zombie-Monologe sind vielmehr Teile der fiktiven, der Traumwelt entsprungenen Parallelgeschichte, in der Monster die Herrschaft übernommen haben. Hierauf spielt auch das Zitat des bekannten Zombiefilms ”Dawn of the Dead” (1978) an, der die Figuren zu fleischfressenden Monstern machte. Als Zombie wird ein Mensch bezeichnet, der scheinbar von den Toten wieder auferstanden und zum Leben erweckt worden ist und als so genannter Untoter oder Wiedergänger, als ein seiner Seele beraubtes, willenloses Wesen herumgeistert (Markus Metz u. Georg Seesslen: Wir Untote! Über Posthumane, Zombies, Botox-Monster und andere Über- und Unterlebensformen in Life Science & Pulp Fiction. Berlin 2012. S. 7-38.).
Von der durch die Bildnisse verkörperten Realität losgelöst ist die fiktive Parallelgeschichte, die die Alpträume der Protagonisten verkörpert, allerdings nicht. Vielmehr wird sie durch diese Realität beeinflusst, im Grunde durch die von ihr verursachten Ängste erst hervorgebracht, wie dies der Inhalt der den jeweiligen Zombie-Monologen vorangehenden Monologen von Xxxx und Alina verdeutlicht. Diese Wechselwirkung wird durch die Darstellung der Bildnisse auf der Leinwand, die auch bereits bei der Schilderung des Alptraums von Alina erfolgt, unterstrichen. Diese Beeinflus-sung kommt in der Inszenierung auch dadurch zum Ausdruck, dass zwischen den Bildnissen der oben Genannten auch das Bildnis eines Monsters auf der Leinwand erscheint. Zudem bezieht sich der Zombie-Monolog der Protagonistin Lise nicht allein auf die fiktive Parallelgeschichte, sondern verlässt die Metapher und fragt, wie ein Denken zu bekämpfen ist, das tot ist, wie Argumente getötet werden können, die längt schon gestorben sind.
Damit wird die Antragstellerin aber nicht selbst in einer Weise als Zombie dargestellt, die ihr ihr eigenes Menschsein und damit ihre Menschenwürde absprechen würde.
Auch wird kein verständiger Theaterbesucher ernsthaft annehmen, dass in dem Stück zu Gewalt gegen die gezeigten rechtskonservativen Akteure der politischen Gegenwart, mithin auch gegen die Antragstellerin aufgerufen wird. In dem Stück wird vielmehr künstlerisch zum Ausdruck gebracht, dass diese rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich seien.
Soweit Tänzer sich einen DIN-A3 Ausdruck mit dem Bildnis der Antragstellerin als Maske vor das Gesicht halten und sich hierfür Öffnungen im Bereich der Augen machen, fehlt es bereits an jeglichem Anschein einer Gewaltanwendung. Auch in dem weiteren Verwenden des Bildnisses kann eine solche nicht gesehen werden, da es sich für den Zuschauer erkennbar um eine Maske handelt. Von einem Ausstoßen der Augen, wie dies die Antragstellerin meint, kann keine Rede sein.
Auch in dem Umstoßen einiger Pappfiguren verbunden mit dem Ausschrei ”wir wollen Euch nicht” und dem anschließenden Werfen der Pappfiguren nach hinten, um diese von der Bühne zu entfernen, kann keine Gewaltaufforderung gesehen werden. Der Zuschauer empfindet es bereits nicht als Gewaltausbruch gegenüber der Pappfigur, sondern allein als Befreiung gegenüber der zuvor gehaltenen Rede, mithin als Befreiung von den Worten. Sowie die anschließende Reinigung des Bodens von den herumliegenden DINA-3 Ausdrucken mit einem Laubstaubsauger eine Befreiung von den zuvor reichlich in O-Ton und in gespielter Form gehörten Reden der vom Stück kritisierten politischen Agitatoren und zugleich eine Zäsur in dem Stück ist.
Die Inszenierung des Theaterstücks verletzt das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin auch nicht dadurch schwerwiegend, dass neben dem Bildniss der Antragstellerin auch das Bildnis von Personen wie dem Massenmörder xxxx xxxx, die der Beteiligung an mehreren Morden mit rechtsextremen Hintergrund angeklagt ist, xxxx der in letzter Zeit mit Hasstiraden und massiven Beleidigungen gegen für ihn missliebige Personen in der Öffentlichkeit hervorgetreten ist, gezeigt werden. Denn allein hierdurch wird die Antragstellerin nicht auf eine Stufe mit diesen Rechtsradikalen, die z. T. auch vor Gewalttaten wie Mord nicht zurückschrecken, gestellt. Vielmehr spannt das Theaterstück in der angegriffenen Inszenierung einen breiten Bogen von der politischen rechten Mitte über besorgte Eltern und christlich-fundamentalistisch geprägte Gruppen bis hin zu den genannten Rechtsradikalen. Indem die einzelnen gezeigten Vertreter der jeweiligen politischen Ansichten, soweit sie dem Publikum nicht hinreichend bekannt sind, durch das Einspielen von Ausschnitten aus ihren Reden im O-Ton, durch kurze Angaben zu ihrer Person und ihren Ansichten durch eine Stimme aus dem Off oder durch Nachspielen durch die Schauspieler vorgestellt werden, wird dem Zuschauer stets deutlich, wer für welche Ansicht steht. Auch wenn der Hauptprotagonist zum Ausdruck bringt, dass alle Bilder in ihm durcheinander gehen, so führt dies nicht dazu, dass alle kritisierten Agitatoren hier gleich gestellt werden. Hieran ändert auch nichts, dass die Xxxx im Text des Stücks mehrmals als NPD-nah bezeichnet wird, zumal es sich hierbei um eine zulässige Meinungsäußerung handelt. Zu einer Gleichstellung mit xxxx führt dies in der Inszenierung nicht.
2.
Die Antragstellerin wird durch die Inszenierung des Theaterstücks ”XXXX” auch nicht dadurch schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, dass der Schauspieler bei der Uraufführung improvisierend sagte: ”Gemeinsam sitzen sie in ihrer Wohnung am Xxxx in Berlin-Mitte, (…)”.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin wird hiermit ihre Wohnanschrift in der xxxx 3 nicht veröffentlicht. Für den Zuschauer ist bereits nicht erkennbar, um wessen Wohnung der zuvor genannten vier Frauen es sich handelt. Zudem ist ein Rückschluss vom Xxxx auf die am anderen, dem Xxxx entfernteren Ende der xxxx gelegene Wohnanschrift der Antragstellerin ” xxxx Nr. 3” nicht ohne weiteres möglich.
Doch selbst wenn man in der Angabe ”Wohnung am Xxxx” in der Theaterinszenierung einen Hinweis auf die Anschrift Xxxx 3 sieht, so stellt dies keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtverletzung dar, mit der Folge, dass das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin der für die Antragsgegnerin streitenden Kunstfreiheit vorgehen könnte. Denn die Antragstellerin selbst veröffentlicht die Anschrift Xxxx 3 in Berlin Mitte auf ihrer Homepage als Anschrift ihres Abgeordnetenbüros.
Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandeten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfG NJW 2000, 1021, 1022).
Dass die Inszenierung das Büro als Wohnung bezeichnet, ändert an der Selbstöffnung nichts. Denn die Theaterinszenierung erhebt keinen Faktizitätsanspruch, sondern ist geprägt durch die Vermutung der Fiktionalität. Die Zuschauer einer Theateraufführung erwarten daher nicht, dass die Aussagen der Schauspieler eins zu eins den Tatsachen entsprechen. Sie erhalten daher über die bereits von der Antragstellerin selbst veröffentlichte Anschrift hinaus keine weitere Information.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.