LG Berlin, Urteil v. 03.02.2009, Az. 27 S 8/08
Ob Behauptungen eines Verbrauchers über einen abgewickelten Vertrag wahre Tatsachen sind, bestimmt sich nach der Auslegung der AGB. Sobald sich dort Anhaltspunkte für die getätigten Äußerungen finden lassen, lässt sich die Behauptung auf diese stützen.
In dem Rechtsstreit
[…]
hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 03.02.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht von und die Richterin am Amtsgericht Dr.
für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beklagte und Berufungsklägerin erstrebt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils Klageabweisung.
Die Berufungsbeklagte hat die Rücknahme und Löschung einer Bewertung bei … sowie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt. Das Amtsgericht Mitte hat die Berufungsklägerin antragsgemäß verurteilt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Amtsgerichts Mitte Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Berufungsklägerin. Sie macht geltend:
Bei der streitgegenständlichen Äußerung handele es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, die in ihrer Gesamtheit als zulässige Meinungsäußerung gewertet werden könne, da sie die Abwicklung des Kaufs aus ihrer Sicht und allein sachbezogen dargestellt habe. Zu Unrecht habe das erstinstanzliche Gericht festgestellt, dass die Klägerin ihrer Hauptleistungspflicht zum Druck der Karten nachgekommen sei. Sie, die Beklagte, habe mit dem Ausdruck “falscher Druck” nur die rechtliche Einordnung des Drucks als nicht vertragsgemäß zum Ausdruck gebracht. Es obliege der Klägerin, den korrekten Druck der Karten unter Beweis zu stellen. Die Aussage hinsichtlich des Gerichtsvollziehers sei zudem wahr. Da die Klägerin nicht im Besitz eines Titels gewesen sei, stelle die Drohung einen Einschüchterungsversuch dar, was sie – die Beklagte – auch so wiedergeben könne. Ziffer 7.1 der klägerischen AGB seien unklar, da dem Verbraucher nicht vor Augen geführt werde, dass er mit dem Hochladen der Daten diese ohne weitere Prüfung zum Druck freigebe. Zudem habe das Amtsgericht verkannt, dass die Frage der Bezahlung nach Vorauskasse streitig gewesen sei.
Die Berufungsklägerin beantragt,
Die Berufungsbeklagte beantragt,
Der Druck sei entsprechend der hochgeladenen Daten erfolgt. Bei dem Hinweis auf die Beitreibung ihrer Forderung durch einen Gerichtsvollzieher handele es sich nur um einen Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen einer ausbleibenden Zahlung. Eine weitere Druckfreigabe sei durch die AGB nicht vorgesehen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch gem. §§ 823, 824, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG auf Rücknahme und Löschung der streitgegenständlichen Bewertung zu. Die Beklagte hat weder unwahre Tatsachen über die Klägerin geäußert noch eine Schmähkritik verfasst.
Grundsätzlich gilt Folgendes:
Ob eine Äußerung in unzulässiger Weise Rechte Dritter beeinträchtigt oder in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG fällt, hängt wesentlich davon ab, ob die Äußerung zunächst in ihrem Sinn zutreffend erfasst worden ist. Dabei ist nicht nur vom Wortlaut auszugehen oder von der Bedeutung, die das Lexikon der Aussage zumisst, sondern es ist die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände mit zu berücksichtigen, in deren Kontext die Äußerung gefallen ist (BVerfG NJW 1995, 3003, 3005; NJW 1994, 2943; Löffler, Presserecht, 4. Aufl., Rdn. 90 zu § 6 LPG). Bei der Ermittlung des Aussagegehalts ist auf den Gesamtbericht abzustellen (BGH a. a. O.; NJW 1992, 1312, 1313) und zu prüfen, welcher Sinn sich dem dafür maßgebenden Durchschnittsleser aufdrängt (BGH a. a. O.; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rdn. 4.4 und 4.5). Entscheidend ist weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern das Verständnis, das ihr – unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs – ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumisst (BGH NJW 1998, 3047, 3048). Bei mehreren Möglichkeiten der Auslegung darf das Gericht – soweit es um die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung geht – sich nicht für die zur Verurteilung führende Auslegung entscheiden, ohne die anderen, zulässigen überzeugend ausgeschlossen zu haben (BVerfG AfP 2005, 544 ff.; BGH NJW 1992, 1312, 1313; Wenzel, a. a. O., Rdn. 4.2). Bei mehreren Deutungen des Inhalts einer Äußerung ist dann der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (BGH NJW 1998, 3047, 3048).
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (BGH NJW 1996, 1131, 1133 m. w. Nachw.). Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein schützenswertes Gut. Die erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptung wird nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst (BVerfG a. a. O.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bringt die eingestellte Bewertung für den Leser zum Ausdruck, dass die Klägerin den Druck der Visitenkarten nicht vertragsgemäß vorgenommen habe und gleichwohl zur Durchsetzung vermeintlich nicht gerechtfertigter Zahlungsansprüche die Verfolgung mit einem Gerichtsvollzieher androhe. Dies bringt die Beklagte durch die abschließenden Worte der streitgegenständlichen Bewertung “So nicht” nochmals kurz zusammengefasst auf den Punkt; dieser Passage kommt somit kein eigenständiger, maßgeblicher Bedeutungsgehalt zu. Dabei kann die Bezeichnung des Drucks als “falsch” sowohl einen drucktechnischer Fehler in der Ausführung beschreiben als auch den Druck von Daten, der gar nicht gewünscht war. Da der “falsche Druck” nicht näher in der Bewertung beschrieben wird, sind beide Verständnisvarianten für den Leser möglich. Die vorgenannten Umstände stellen jeweils Tatsachenbehauptungen dar, da sowohl die Frage nach drucktechnischen Mängeln als auch die Frage, was nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien Gegenstand des Druckauftrages war, dem Beweis zugänglich ist.
Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich hingegen nicht um eine Schmähkritik. Denn solche sind nur Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für “falsch“ oder für “ungerecht“ halten. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, hat die Äußerung – auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft – ¬regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BGH NJW 2007, 686, 688 m. w. Nachw.). Derartige Umstände sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich; der Boden der allein sachbezogenen Kritik wird nicht verlassen.
Nach dem Vorbringen der Beklagten ist davon auszugehen, dass es ihr mit ihrer Äußerung nicht um die Frage der drucktechnischen Mangelhaftigkeit ging. Auf derartige Umstände bezieht sie sich weder in diesem Verfahren noch hat sie dies im Rahmen der email-Korrrespondenz im November 2007 getan. Vielmehr kommt und kam es ihr darauf an, ob die Daten bereits dann zum Druck freigegeben werden, wenn sie von dem Kunden hochgeladen werden oder ob es einer gesonderten Freigabeerklärung bedarf. Von letzterem ist die Beklagte ausgegangen, und für ihre rechtliche Einschätzung bestehen nach den zugrunde liegenden AGB zumindest gewisse Anhaltspunkte. Denn die allgemeinen Geschäftsbedingungen sind bei der Frage, ob es eine gesonderte Freigabeerklärung gibt, nicht eindeutig. Zwar heißt es unter Ziffer 3.1, dass die Aufträge auf der Grundlage der vom Auftraggeber übertragenen Druckdaten “ausgeführt” werden, wobei der Begriff des Ausführens impliziert, dass es sich hierbei um den Druck und damit die eigentlich geschuldete Leistung handelt, die sofort nach Vorliegen der Daten ausgeführt wird. Andererseits nimmt Ziffer 7.1 der klägerischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf “zur Korrektur übersandte Vor- und Zwischenerzeugnisse” Bezug und weist ausdrücklich auf einen sich an die Freigabe anschließenden Fertigungsvorgang hin. Für den Verbraucher kann sich hieraus nur der Rückschluss ergeben, es gebe eine Übersendung des vorgesehenen Druckerzeugnisses zur Korrektur sowie eine Freigabeerklärung. Anders macht für den Verbraucher die dezidierte Wortwahl und Hervorhebung der Abwicklungsschritte keinen Sinn. Dies gilt umso mehr, als unter Ziff. 7 auch noch auf sonstige Freigabeerklärungen Bezug genommen wird und hierdurch der Eindruck, es gebe solche und dazu noch in unterschiedlichen Fällen, bestärkt wird.
Dass die Hinweise zu einer Freigabe und einem Korrekturversand sich unter Ziff. 7 der klägerischen Geschäftsbedingungen befindet, der mit der Überschrift “Gewährleistung, Haftung und Rückgaberecht” betitelt ist, ist unerheblich. Das Verständnis Allgemeiner Geschäftsbedingungen richtet sich nicht nach der von dem Verwender vorgenommenen Gliederung, sondern deren inhaltlichen Komponenten und ihrem allgemeinen Verständnis. Wenn die Klägerin – sei es auch im Rahmen der Gewährleistungsregeln und dem hiermit verbundenen Gefahrübergang – auf eine Druck- und Fertigungsfreigabe sowie zur Korrektur übersandte Erzeugnisse Bezug nimmt, kann der Kunde dies so verstehen, dass es diese Institute tatsächlich gibt. Anderenfalls würde die Regelung jeden Sinns entbehren. Vor diesem Hintergrund bestanden zumindest gewisse Anhaltspunkte, welche die Einschätzung der Beklagten stützten und diese durfte sich daher äußern, wie geschehen.
Die anders lautende Rechtsansicht der Klägerin überzeugt im Ergebnis nicht. Auf die Frage, ob der Druck tatsächlich mangelhaft war, kommt es mithin nicht an.
Da der geltend gemachte Löschungsanspruch nicht besteht, ist auch die Forderung nach dem Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Erklärungsfrist zu den in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweisen des Gerichts war der Klägerin nicht einzuräumen, da die anstehenden Rechtsfragen in beiden Instanzen von den Parteien erörtert wurden. Auch eine Erklärungsfrist zum Schriftsatz vom 3. Februar 2009 war nicht zu bewilligen, weil dessen Inhalt keinen neues tatsächliches Vorbringen enthält.