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KG Berlin: Äußerungsrechtlicher Unterlassungsanspruch des Regierenden Bürgermeisters

KG Berlin, Beschluss v. 12.01.2010, Az. 9 W 259/09

1. Zum äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch eines Trägers öffentlicher Gewalt (hier: Regierender Bürgermeister von Berlin).

2. Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr beim Unterlassungsanspruch nach Richtigstellung.

KAMMERGERICHT BERLIN

Beschluss

Aktenzeichen: 9 W 259/09

Verkündet am: 2010-01-12

Tenor

Die sofortige Beschwerde vom 16. Dezember 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 15. Dezember 2009 (Az. 27 O 1158/09) wird auf Kosten des Antragstellers bei einem Beschwerdewert von 10.000,- EUR zurückgewiesen.

Gründe
I.

Der Antragsteller wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Er begehrt weiterhin die Untersagung der Veröffentlichung bzw. Verbreitung durch die Antragsgegnerin hinsichtlich der Aussage:

“W. will im Haushalt mehr Geld für seine Dienstreisen”

Das Landgericht hat die Zurückweisung darauf gestützt, dass die “beanstandete Rechtsverletzung nicht geeignet (sei), das Ansehen des Antragstellers, der hier nicht als Privatperson, sondern in seiner Funktion als Bürgermeister betroffen sei, in gravierender Weise zu beeinträchtigen, zumal die Antragsgegnerin eine Richtigstellung verbreitet hat”. Es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller den Sachverhalt über seine Pressestelle hätte richtig stellen können und aufgrund der Richtigstellung durch die Antragsgegnerin die “Öffentlichkeit über den richtigen Sachverhalt informiert worden ist”.

II.

Die nach §§ 567 Abs. 1, 922 Abs. 2, 936 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.

1. Der Vortrag des Antragstellers belegt keine Rechtsverletzung, auf die der Antragsteller einen Unterlassungsanspruch stützen könnte.

a) Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich – unabhängig davon, ob der Staat öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich tätig wird – nicht auf den Grundrechtsschutz berufen(BVerfGE 21, 362 ff. = NJW 1967, 1411 ff. zu Tz. 23 ff.; VerfGH Berlin NJW 2008, 3491 ff. zu Tz. 24; VerfGH Berlin DÖV 2005, 515 ff. zu Tz. 22 ff.). Sie können jedoch den aus § 823 BGB folgenden zivilrechtlichen Ehrenschutz in Anspruch nehmen, soweit sie sich gegen Äußerungen richten, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine „persönliche“ Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben – wie § 194 Abs. 3 S. 2 StGB belegt – strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (BGH NJW 2009, 915 ff. zu Tz. 9). Dabei ist zu beachten, dass eine Behörde gerade in aller Regel nicht annähernd in gleicher Weise wie Privatpersonen mehr oder weniger wehrlos Presseveröffentlichungen ausgesetzt ist und in einem grundsätzlich anderen Spannungsverhältnis zur Institution der Presse im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat steht (VerfGH Berlin NJW 2008, 3491 ff. zu Tz. 25).

b) Der Regierende Bürgermeister von Berlin ist als staatliches Organ, das in der Verfassung von Berlin mit eigenen Rechten ausgestattet ist (Art 55, 58 VvB), selbst Träger hoheitlicher Befugnisse. Die Träger der Staatsgewalt können sich jedoch unabhängig von der konkreten Organisationsform nicht auf Grundrechte als eigene subjektive Rechte berufen (BVerfGE 21, 362 ff. zu Tz. 24; VerfGH Berlin DÖV 2005, 515 ff. zu Tz. 22, 24; Senat vom 13. Februar 2008 zu 9 W 18/08).

Zutreffend geht das Landgericht von der Erwägung aus, dass der Antragsteller nicht als Privatperson von der Berichterstattung betroffen ist, sondern als Bürgermeister – mithin in Ausübung seiner amtlichen Funktion. Soweit die Beschwerde vorbringt, der Antragsteller sei durch die Berichterstattung als Privatperson – wie “jede andere natürliche Person auch” – von der unzutreffenden Darstellung betroffen, geht dies fehl. Auch juristische Personen handeln – rein körperlich – stets durch ihre Organe. Eine Äußerung über solches amtliches Verhalten betrifft diese jedoch nicht als Privatperson, sondern allein als Amtsträger. Die hier in Rede stehende Berichterstattung bezieht sich auf die Zuweisung von Finanzmitteln im öffentlichen Haushalt (vgl. Art 85 Abs. 1 S. 1, 86 Abs. 1 und 2 VvB) und betrifft angesichts des angesprochenen Umfangs der Dienstreisen allein die berufliche Sphäre des Antragstellers. Die vom Antragsteller angenommene Unterscheidung zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie dem Land Berlin und dem Antragsteller als “Einzelperson” überzeugt nicht.

Inwieweit der Antragsteller über den beruflichen Alltag hinaus überhaupt von der Erklärung betroffen und durch angeblich negative Folgen belastet sein will, bringt die Beschwerde nicht vor. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung spricht folgerichtig auch von einem “Auftrag der Senatskanzlei für den Regierenden Bürgermeister und Antragsteller”.

c) Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers scheitert somit daran, dass es an einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, durch die das Amt des Regierenden Bürgermeisters in unzulässiger Weise herabgesetzt wird (vgl. BGH NJW 2009, 915 ff. zu Tz. 9 m. w. N.; BGH NJW 2008, 2262 ff. zu Tz. 31), fehlt.

Mit der beantragten Unterlassung soll dem Eindruck entgegen getreten werden, der Antragsteller wolle in seiner Eigenschaft als Regierender Bürgermeister in den Folgejahren mehr Geld als bisher für Reisekosten aufwenden. Auch wenn zwischen dem (subjektiven) Wunsch des Antragstellers (“Wowereit will … mehr Geld …”) und der (objektiven) Zuweisung im Haushalt zu unterscheiden ist, ist die im Antrag bezeichnete (frühere) Äußerung in der von der Antragsgegnerin verlegten Zeitung unstreitig unwahr.

Die Reisekosten des Antragstellers für die Jahre 2010 und 2011 sind im Etat – nach 130.000,- EUR für das Jahr 2009 – nur noch mit jeweils 125.000,- EUR angesetzt, wobei künftig erstmals weitere 5.000,- EUR pro Jahr für Reisen im Bereich kulturelle Angelegenheiten neu hinzutreten. Der Umfang der Reisekosten bleibt hiernach gegenüber dem vergangenen Jahr letztlich gleich. Eine Verringerung des Etats – wie der Antragsteller vorbringen will – liegt hingegen bei der gebotenen Gesamtschau nicht vor, zumal auch der Antragsteller die Reisen im Bereich kulturelle Angelegenheiten letztlich wie sonstige Dienstreisen einordnet und der vorgelegte Auszug des Etatplans auf die bloße Verlagerung eines Teilbetrages in ein anderes Kapitel des Haushalts hinweist.

Aus der Unwahrheit der in der Bildunterschrift enthaltenen Tatsache folgt jedoch nicht die Ehrenrührigkeit (vgl. BGH NJW 2009, 915 ff. zu Tz. 11, 13 f.).

Die Beeinträchtigung wiegt im Streitfall nicht schwer, weil der Vorwurf, der Antragsteller wolle zusätzliche Finanzmittel für Dienstreisen erhalten, nicht ehrenrührig ist. Die Verwendung der Mittel würde auch in diesem Fall ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgen, mag auch die Öffentlichkeit angesichts sinkender Finanzmittel in den öffentlichen Haushalten das Bedürfnis zur Kostenreduzierung möglicherweise für besonders wichtig halten. Die Behauptung, der Regierende Bürgermeister von Berlin wolle durch zusätzliche Dienstreisen – die naturgemäß zusätzliche Kosten verursachen würden – die Interessen der Stadt in den unterschiedlichsten Bereichen vorantreiben, kann keinesfalls die Ehre des Antragstellers oder die des Amtes nachteilig treffen.

Die Anwendung der Ehrenschutzvorschriften der §§ 185 ff. StGB auf Träger hoheitlicher Gewalt dient nicht dem Schutz der persönlichen Ehre, sondern der Gewährleistung des Mindestmaßes an öffentlicher Anerkennung, um der betroffenen Einrichtung die Erfüllung ihrer Funktion zu gewährleisten und die Fortdauer des Vertrauens in die Integrität öffentlicher Stellen zu erhalten (BGH NJW 2009, 915 ff. zu Tz. 17). Dem ist angesichts der Richtigstellung hinreichend Rechnung getragen worden, so dass ein Unterlassungsanspruch nicht darauf gestützt werden kann, die Richtigstellung vom 27. November 2009 habe den verfahrensgegenständlichen Satz nicht enthalten (vgl. VerfGH Berlin NJW 2008, 3491 ff. zu Tz. 26 a. E.).

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich auch in der Zusammenschau mit der nicht isoliert angefochtenen Bildberichterstattung keine Rechtsverletzung. Die Annahme, der Leser werde angesichts des Umstandes, dass sich der dort “gut gelaunt” gezeigte Antragsteller an den Cowboyhut fasst, gleichsam den dienstlichen Zweck derartiger Reisen in Frage stellen, ist ohne tragfähige Grundlage.

2. Ferner steht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch die fehlende Wiederholungsgefahr entgegen. Diese ist für den Unterlassungsanspruch Anspruchsvoraussetzung (BVerfG NJW-RR 2000, 1209, 1211 zu Tz. 36).

a) Bei Vorliegen eines rechtswidrigen Eingriffs in die Schutzsphäre des Persönlichkeitsrechts wird die Gefahr einer erneuten Rechtsverletzung grundsätzlich vermutet (BGH NJW-RR 2009, 1413 ff. zu Tz 29; BGH NJW 1998, 1391 ff. zu Tz 27). Die Widerlegung der an eine geschehene Störung anknüpfenden Vermutung einer Wiederholungsgefahr obliegt dem Störer; die Rechtsprechung knüpft hieran strenge Voraussetzungen. Die bloße Erklärung der Bereitschaft, künftig die streitige Behauptung nicht mehr äußern zu wollen, reicht nicht. In der Regel wird die Wiederholungsgefahr allein durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt, in der der Störer den Unterlassungsanspruch anerkennt (BGH NJW-RR 2002, 608 f.). Ohne eine solche Erklärung ist die Verneinung der Wiederholungsgefahr in der Regel nur in Ausnahmefällen denkbar (BGH NJW 1994, 1281 ff. – Bilanzanalyse -).

Maßgeblich für die Annahme der Wiederholungsgefahr ist, dass eine erneute Beeinträchtigung ernsthaft zu befürchten ist (BGH NJW 2005, 594 ff. zu Tz 17 – Rivalin -). Die Anforderungen, die im konkreten Einzelfall an die Darlegung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr zu richten sind, hängen jedoch von der konkreten Unterlassungskonstellation ab (Senat vom 27. November 2009 zu 9 U 27/09). So wurde die Rechtsprechung zur Wiederholungsgefahr zunächst im Bereich des Wettbewerbsrechts entwickelt, der von den starken Interessen des Mitbewerbers geprägt ist. Im allgemeinen Deliktsrecht müssen insoweit auch die Schwere des Eingriffs, die Umstände der Verletzungshandlung, der fallbezogene Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit und die Motivation des Störers bei der Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr Berücksichtigung finden (BGH NJW 1994, 1281 ff.).

Daher kann eine Richtigstellung die Wiederholungsgefahr – je nach den Umständen des Einzelfalls – entfallen lassen (Senat vom 9. Oktober 2009 zu 9 W 182/09 m. w. N.), und zwar auch dann, wenn der Richtigstellung eine Aufforderung des Betroffenen vorausging (Kammergericht vom 22. Dezember 2008 zu 10 U 69/08).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend die Wiederholungsgefahr ausnahmsweise zu verneinen, obwohl die Antragsgegnerin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben hat. Selbst sofern die unrichtigen Angaben – entgegen den obigen Ausführungen – grundsätzlich geeignet wären, den Antragsteller in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, handelte es sich jedenfalls nicht um einen schwerwiegenden Eingriff. Die unzutreffende Darstellung beruhte darauf, dass der Artikel nicht zwischen dem Budget des Antragstellers und dem aller Senatsverwaltungen unterschieden hatte. Der Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit ist äußerst gering. Die Wiederholungsgefahr kann entfallen, wenn nach der Art der Störung oder aufgrund der Umstände eine Wiederholung vernünftigerweise nicht befürchtet werden muss (BGH NJW 1994, 1281; OLG Frankfurt NJW 2002, 1277, 1278; vgl. Beispiele bei Löffler, Presserecht, 2006, § 6 LPG, RN 266). So liegt der Fall hier. Da die Antragsgegnerin mit ihrer zeitnahen Richtigstellung die Fehlmeldung korrigiert und die tatsächlichen Umstände zutreffend dargestellt hat, kann ausgeschlossen werden, dass eine erneute Veröffentlichung der beanstandeten Äußerung erfolgen wird (vgl. Senat vom 13. Februar 2008 zu 9 W 18/08).

Aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung des Senats zum Verfahren 9 W 182/09 folgt nichts Gegenteiliges. Dort war der fehlerhafte Artikel (im Internet) lediglich (“heimlich”) berichtigt und mit einem Link zu einer Korrekturmeldung versehen worden. Für diesen Fall hat der Senat angenommen, dass die Richtigstellung die Leser nicht in einem Maße erreicht hat, dass von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden kann. Vorliegend hat die Antragsgegnerin jedoch den zugrunde liegenden Sachverhalt in einem mit “Richtigstellung” überschriebenen Artikel unter Hinweis auf die Falschmeldung korrigiert und die tatsächlichen Verhältnisse zutreffend dargelegt. Dies ist mit der vorstehenden Konstellation nicht vergleichbar. Die Richtigstellung erfolgte hier zwar zeitlich nach einer entsprechenden anwaltlichen Aufforderung. Anhaltspunkte dafür, die Antragsgegnerin hätte die Erforderlichkeit einer Korrektur nicht eingeräumt und sich gleichsam erst unter dem Druck drohender gerichtlicher Schritte zu dem richtig stellenden Artikel veranlasst gesehen, trägt auch der Antragsteller nicht vor. Die Antragsgegnerin hat ersichtlich den Fehler in ihrem Beitrag sofort eingesehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert stützt sich auf § 3 ZPO.

Via http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KORE532102010&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10

Tags:

Weitere Fundstellen: AfP 2010, 85.

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