Telemedicus

BVerwG: Programmankündigung mit Bewegtbildern (Trailern) im Rundfunk

BVerwG, Urteil v. 11.03.1998, Az. 6 C 12.97

1. Die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages in seiner ab 1.1.1997 geltenden Fassung gehören zum revisiblen Recht.

2. Ein Rundfunkveranstalter darf für Filme in seinem Programm, die erst ab 16 bzw. 18 Jahren freigegeben sind, außerhalb der Sendezeitbeschränkungen, die für die Filme selbst gelten, nicht durch unverschlüsselte Ankündigungen mit Bewegtbildern (Trailern) werben.

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 6 C 12.97

Verkündet am: 1998-03-11

In der Verwaltungsstreitsache

[…]

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11.3.1998 durch […] für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Ur­teil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. April 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revi­sionsverfahrens .

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin für von ihr verschlüsselt ausgestrahlte, nicht jugendfreie Filme bereits vor den freigegebenen Sendezeiten mit unverschlüsselten Bewegtbildern werben darf.

Die Klägerin veranstaltet ein privates Fernsehprogramm in Form des Abonnentenfernsehens („Pay-TV“), das überwiegend verschlüsselt ausgestrahlt wird. Die Verschlüsselung wird durch einen Mikrochip („Schlüssel“) aufgehoben, wenn dieser beim Empfänger in den dafür vorgesehenen Schacht des Deco­ders eingeführt wird. Unverschlüsselt ausgestrahlt wird die mehrmals täglich gesendete Programmvorschau „Premiere – das Programm“, in der auf Spielfilme durch Zusammenschnitte von Bewegtbildern („Trailer“) hingewiesen wird. Zu den beworbe­nen Filmen gehören auch Spielfilme, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) für Jugend­liche unter 16 Jahren bzw. unter 18 Jahren nicht freigegeben sind (sog. FSK-16 bzw. FSK-18-Filme) und die von der Kläge­rin verschlüsselt gesendet werden.

Mit Bescheid vom 31. März 1995 beanstandete die Beklagte die unverschlüsselte Ausstrahlung von insgesamt 30 Bewegtbild-Programmankündigungen zu FSK-16 und FSK-18-Filmen am 6. und 7. Januar 1995 ab 13.45, 17.45 und 20.00 Uhr und gab der Klägerin auf, im Rahmen ihrer künftigen Programmplanung eine unverschlüsselte Verbreitung von Bewegtbild-Programmankündi­gungen zu FSK-16-Filmen vor 22.00 Uhr und zu FSK-18- sowie zu indizierten Filmen vor 23.00 Uhr auszuschließen. Zur Be­gründung führte die Beklagte an: Die Jugendschutzbestimmung des § 3 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) sei auch auf unverschlüsselt ausgestrahlte Bewegtbild-Programmankün­digungen für verschlüsselt ausgestrahlte FSK-16 bzw. FSK-18 eingestufte und indizierte Filme anzuwenden. Die Sendezeit­beschränkungen für FSK gekennzeichnete Filme nach § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV (nicht vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr) sowie für indizierte Filme nach § 3 Abs. 3 RfStV (nicht vor 23.00 Uhr) bezögen sich auch auf die dazugehörenden Trailer, soweit diese nicht verschlüsselt ausgestrahlt würden. Den Wider­spruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbe­scheid vom 13. Dezember 1995 zurück.

Die daraufhin erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungs­gericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen. Zur Be­gründung hat es ausgeführt: Die unverschlüsselte Ausstrah­lung von Bewegtbild-Programmankündigungen zu FSK-16 und FSK-18 eingestuften Filmen zu den in der Verfügung vom 31. März 1995 genannten Zeiten verstoße gegen § 3 Abs. 4 RfStV. Mit der Verschlüsselung des Bildteils würden die FSK-16- bzw. FSK-18-Filme ihres Charakters als Filme, die generell Sende­zeitbeschränkungen unterlägen, nicht entkleidet. Die gene­relle Beschränkung auf Sendezeiten sei in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 RfStV niedergelegt. Folgerichtig verweise § 3 Abs. 4 RfStV auf Filme mit Sendezeitbeschränkungen und un­tersage Programmankündigungen mit Bewegtbildern außerhalb der Beschränkungen. Die von der Klägerin vermisste Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 Satz 1 RfStV in § 3 Abs. 4 RfStV sei weder notwendig noch geboten: Dort genannte Sendungen dürften ent­weder überhaupt nicht oder nur unter den dort genannten ein­schränkenden Voraussetzungen ausgestrahlt werden. Der Gleichheitssatz wäre verletzt, wenn außerhalb der vorge­schriebenen Sendezeiten mit Bewegtbildern für Sendungen ju­gendgefährdenden Inhalts unverschlüsselt geworben werden dürfte. Denn ein sachlicher Grund dafür, diesen Vorteil Ver­anstaltern vorzuenthalten, die derartige Sendungen unver­schlüsselt zu den vorgeschriebenen Zeiten brächten, sei nicht zu erkennen. Jedenfalls setze die Klägerin mit der un­verschlüsselten Werbung für die FSK-16 bzw. FSK-18 einge­stuften Filme gerade zu einer Sendezeit, in der besonders viele Kinder und Jugendliche zu den Fernsehzuschauern gehör­ten, Anreize für diese Personengruppe, sich Kenntnisse von kinder- und jugendgefährdenden Produktionen zu verschaffen. Dies solle aus Gründen des Jugendschutzes gerade verhindert werden.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer vom Verwaltungsge­richt zugelassenen Sprungrevision vor: Sie sei wie alle Pay-TV-Anbieter gemäß § 3 Abs. 4 RfStV berechtigt, tagsüber vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr in ihrem unverschlüsselten Pro­grammteil Programmankündigungen mit Bewegtbildern für von ihr verschlüsselt gesendete, FSK-16 und FSK-18 eingestufte Filme auszustrahlen. Eine am Wortlaut jener Vorschrift orientierte Auslegung führe zu dem Ergebnis, dass die Norm nicht auf Programmhinweise für verschlüsselt ausgestrahlte Sendungen anzuwenden sei, da für diese Programme die Zeit­grenzen nach § 3 Abs. 2 RfStV insgesamt nicht zur Anwendung kämen. Die beiden Möglichkeiten zur Gewährleistung des Ju­gendschutzes (Sendezeitbeschränkungen/Vorsorge auf andere Weise) stünden gleichwertig nebeneinander. Dies schließe es aus, zwischen Sendezeitbeschränkung und Verschlüsselung ein Regel-Ausnahme-Verhältnis anzunehmen. Eine Möglichkeit, Kin­der und Jugendliche davor zu schützen, jugendgefährdende Programme zu sehen, sei anerkanntermaßen die von Pay-TV-Veranstaltern praktizierte Verschlüsselung der Programmsi­gnale. Dadurch werde gemäß § 3 Abs. 2 RfStV „auf andere Wei­se Vorsorge“ geleistet. Deshalb kämen für die verschlüsselt gesendeten Programme die Zeitgrenzen des § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV nicht zum Zuge. Durch die Verschlüsselung der Signale sei gewährleistet, dass Minderjährige jugendschutzgefährdende Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen könnten. FSK-16-bzw. FSK-18-Filme könnten somit während des gesamten Tages ausgestrahlt werden. Da § 3 Abs. 4 RfStV lediglich auf eine der beiden Alternativen des § 3 Abs. 2 RfStV Bezug nehme – nämlich auf Sendezeitbeschränkungen – könne dies nur be­deuten, dass der Gesetzgeber sich bei den Einschränkungen für Bewegtbild-Programmankündigungen bewusst auf diese eine der beiden Jugendschutzalternativen habe beschränken wollen. Zwar gehe die Beklagte davon aus, dass Pay-TV-Veranstalter berechtigt sein sollten, Programmhinweise für FSK-16 und FSK-18 eingestufte Filme tagsüber verschlüsselt auszustrah­len. Eine solche Betrachtungsweise komme im Wortlaut von § 3 Abs. 4 RfStV jedoch nicht zum Ausdruck. Die vom Verwaltungs­gericht befürwortete Auslegung des § 3 Abs. 4 RfStV trage nicht dem Umstand Rechnung, dass Verstöße gegen diese Vor­schrift gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 10 RfStV bußgeldbewehrt seien. Das verbiete eine erweiternde Auslegung.

§ 3 Abs. 4 RfStV wolle verhindern, dass Anreize für Kinder und Jugendliche geschaffen würden, die zu ihrem Schutz einge­führten Sendezeitregelungen zu missachten. Diese Anreizwir­kung bestehe nur bei frei empfangbaren Rundfunksendungen und nicht bei codiert ausgestrahlten Programmen. Die Verschlüs­selung der programmtragenden Signale bewirke einen absolut zuverlässigen Schutz, der jeden Umgehungsversuch von vorn­herein aussichtslos erscheinen lasse. Kinder und Jugendliche müssten hierzu über den erforderlichen „Schlüssel“ verfügen. Inhaber des Schlüssels seien aber im Regelfall die Eltern, in deren Verantwortung es liege, über die Vergabe des Schlüssels zu entscheiden. Nur sie könnten gezielt Minder­jährigen den Zugang zu Sendungen verwehren oder eröffnen. Insbesondere in Zeiten der Abwesenheit der Eltern erweise sich der von Pay-TV-Veranstaltern praktizierte Jugendschutz mittels Decoder und Schlüssel gegenüber demjenigen durch Sendezeitbeschränkungen als überlegen. Im Vergleich hierzu seien die zum Schutz von Kindern und Jugendlichen eingeführ­ten Sendezeitbeschränkungen für FSK-16- und FSK-18-Filme im frei empfangbaren Fernsehen für die Erziehungsberechtigten wesentlich schwerer zu kontrollieren. § 3 Abs. 4 RfStV solle nur die Schwäche dieser Art des Jugendschutzes kompensieren.

Das angefochtene Urteil verstoße gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die beanstandeten Programmankündigungen seien Teil des Programms und deshalb durch die Rundfunkfreiheit geschützt. Pay-TV-Veranstalter seien darauf angewiesen, durch Eigenwer­bung Abonnenten zu werben. Dazu gehören, dem Publikum einen möglichst authentischen Eindruck vom Programm zu verschaf­fen. Da der Jugendschutz bei verschlüsselt ausgestrahlten Sendungen schon über die Kontrolle des Decoderschlüssels seitens der Erziehungsberechtigten effektiv gewährleistet werden könne, sei die Einschränkung für Bewegtbild-Programm­ankündigungen ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grund­rechte von Pay-TV-Anbietern.

Die von der Klägerin vertretene Auslegung werde durch die amtliche Begründung zu der nachträglich in den Rundfunk­staatsvertrag eingefügten Bestimmung des § 3 Abs. 4 bestä­tigt. Danach solle die Vorschrift (nur) verhindern, dass Anrei­ze für Kinder und Jugendliche geschaffen würden, die zu ih­rem Schutz „geltenden Sendezeitbeschränkungen“ zu missachten.

Das angefochtene Urteil erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Beklagte habe ihren Bescheid vom 31. März 1995 auch damit begründet, dass der Inhalt der bean­standeten Trailer aus sex- und gewaltgeprägten Aktionsszenen bestehe und der Schutzzweck des § 3 Abs. 4 RfStV auch inso­weit eingreife. Diese Argumentation treffe indes nicht zu. Wenn Programmankündigungen selbst jugendgefährdend seien, gelte § 3 Abs. 2 RfStV unmittelbar, so dass § 3 Abs. 4 RfStV nicht einschlägig sei. Im Übrigen enthielten die gesendeten Programmhinweise keine sex- und gewaltgeprägten Aktionssze­nen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den Beanstandungs­- und Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 31. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbe­scheides vom. 13. Dezember 1995 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

d

ie Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Aus dem Regelungsprogramm der Absätze 2 bis 4 des § 3 RfStV ergebe sich, dass gesetzgeberisches Leitbild zur Wah­rung der Belange des Jugendschutzes die Beschränkung der Sendezeit sei. § 3 Abs. 4 RfStV sehe zeitliche Beschränkun­gen für die Ausstrahlung von Programmankündigungen u.a. auch für solche Sendungen vor, die von § 3 Abs. 3 RfStV erfasst würden und auch verschlüsselt außerhalb der angegebenen Zeiten nicht ausgestrahlt werden dürften. Die Werbebeschrän­kung nach § 3 Abs. 4 RfStV habe den Sinn, Kinder und Jugend­liche nicht zum Konsum jugendgefährdender Sendungen zu ver­leiten. Insofern existiere der von der Klägerin behauptete absolut zuverlässige Schutz durch die Codierung nicht. Sinn und Zweck der Regelung in § 3 Abs. 4 RfStV sprächen gegen eine Differenzierung zwischen beworbenen Sendungen nach der Sendezeit und anderen Methoden. Der Gesetzgeber habe das Idealbild elterlicher Sorge nicht zum Maßstab seines Han­delns gemacht. Vielmehr habe er gerade für diejenigen Fälle Vorsorge treffen wollen, in denen die Erziehungsberechtigten die Medienrezeption von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend verantwortungsvoll begleiteten. Die Entstehungsge­schichte des novellierten Rundfunkstaatsvertrages belege, dass der Gesetzgeber technische Zugangsbeschränkungen zwar als unterstützende Maßnahme anerkenne, umgekehrt jedoch den Jugendmedienschutz nicht allein in die Hände der Erziehungs­berechtigten legen wolle.

II.

Die zulässige Sprungrevision ist nicht begründet. Das ange­fochtene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

Nach der insoweit für das Revisionsgericht verbindlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beanstandungs- und Verpflichtungsbe­scheid § 60 Abs. 1 des Hamburgischen Mediengesetzes vom 20. April 1994 (Hamb. GVBl S. 113). Eine hierauf gestützte aufsichtsbehördliche Maßnahme setzt einen Rechtsverstoß vor­aus, der in einer Verletzung des Jugendschutzes nach § 3 Abs. 2 bis 5 des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV) vom 31. August 1991 (Hamb. GVBl S. 427), nunmehr geltend i.d.F. des 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 11. September 1996 (Hamb. GVBl S. 329) bestehen kann (s. § 9 Satz 2 Hmbg Mediengesetz). Einen solchen Verstoß hat das Verwaltungsge­richt hier zutreffend und in Übereinstimmung mit der dem an­gefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsauffassung der Beklagten festgestellt.

1. Die Revision durfte auf § 3 RfStV gestützt werden. Denn hierbei handelt es sich um revisibles Recht. Dies folgt aus Art. 99 GG i.V.m. § 48 RfStV. Unter „Bestimmungen dieses Staatsvertrages“ i.S. der vorgenannten Vorschrift sind die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages in seiner ab dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung zu verstehen (vgl. die Be­kanntmachung über das Inkrafttreten des 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 9. Januar 1997, Hamb. GVBl S. 5).

Dies belegt der Wortlaut ebenso eindeutig wie die amtliche Begründung zum 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsver­trag C-0.1 S. 25). Danach gilt die Eröffnung der Revision für sämtliche Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages für den privaten Rundfunk. Damit können insbesondere die Ent­scheidungen der Landesmedienanstalten im Rechtsweg bis zum Bundesverwaltungsgericht angegriffen werden. Die Revisibili­tät ist nicht etwa auf die Bestimmungen des 3. Rundfunkänderungsstaatsvertrages beschränkt, durch welchen § 48 RfStV eingefügt wurde. Eine derartige Auslegung hätte systemwidri­ge Brüche zur Folge. Für § 3 RfStV würde dies z.B. bedeuten, dass die durch den 3. Änderungsvertrag neu gefassten Teile der Vorschrift der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht unterlägen, die unverändert gebliebenen Teile jener Vor­schrift aber nicht. Der der Rechtseinheit dienende Zweck des § 48 RfStV würde damit verfehlt.

Der Überprüfung des angefochtenen Urteils anhand des § 3 RfStV steht nicht entgegen, dass der angegriffene Bescheid vom 31. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 1995 vor Inkrafttreten des § 48 RfStV am Januar 1997 ergangen ist. Jedenfalls bei Nr. 2 des Be­scheides vom 31. März 1995 handelt es sich um einen Verwal­tungsakt mit Dauerwirkung, dessen Rechtmäßigkeit sich be­reits für das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner mündli­chen Verhandlung am 22. April 1997 nach dem ab 1. Januar 1997 geltenden Rechtszustand beurteilte.

2. § 3 Abs. 2 und Abs. 4 RfStV lauten:

(2) Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beein­trächtigen, dürfen nicht verbreitet werden, es sei denn, der Veranstalter trifft aufgrund der Sendezeit oder auf andere Weise Vorsorge, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen; der Veranstalter darf dies bei Sendungen zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr annehmen. Bei Filmen, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen. Filme, die nach dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit für Jugendliche unter 16 Jahren nicht freigegeben sind, dürfen nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr und Filme, die für Jugendli­che unter 18 Jahren nicht freigegeben sind, nur zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr verbreitet werden.

(4) Für Sendungen, die nach den Absätzen 2 oder 3 Sendezeit­beschränkungen unterliegen, dürfen Programmankündigungen mit Bewegtbildern nur zu diesen Zeiten ausgestrahlt werden.

Dem klageabweisenden Urteil liegt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, dass Rundfunkveranstalter, die „auf andere Weise“ Vorsorge für Jugendschutz treffen, Gleiches für Programmankündigungen der vom Jugendschutz be­troffenen Sendungen tun müssen, sofern sie Sendezeitbe­schränkungen nicht beachten wollen. Diese Auslegung der maß­geblichen Bestimmungen des § 3 RfStV hält der revisionsge­richtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Wortlaut steht nicht entgegen.

Das in § 3 Abs. 4 RfStV normierte Gebot, Programmankündigun­gen mit Bewegtbildern nur zu bestimmten Zeiten auszustrah­len, bezieht sich auf „Sendungen, die nach den Absätzen 2 oder 3 Sendezeitbeschränkungen unterliegen“. Die Regelung verweist damit nicht nur auf die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV, sondern auch auf die in § 3 Abs. 2 und 3 RfStV getroffene Gesamtregelung. Diese zeichnet sich durch eine Dominanz sendezeitbezogener Bestimmungen aus, durch welche den Belangen des Jugendschutzes vorrangig Rechnung getragen werden soll. Es sind dies: die generelle Festlegung der zulässigen Sendezeit für jugendgefährdende Filme (23.00 Uhr bis 6.00 Uhr) in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 RfStV, das Gebot der Rücksichtnahme auf jüngere Kinder bei der Wahl der Sendezeit für FSK-12-Filme in § 3 Abs. 2 Satz 2 RfStV, die Bestimmung der zulässigen Sendezeit für die hier streitigen FSK-16- und FSK-18-Filme in § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV und nicht zuletzt die verbindliche – eine alternative Vorsorge von vornherein ausschließende – Festlegung der zu­lässigen Sendezeit (wiederum 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr) für mit indizierten Schriften inhaltsgleiche Sendungen („indizierte Filme“) in § 3 Abs. 3 RfStV, sofern sich deren Ausstrahlung nicht ohnehin verbietet. Während somit der Jugendschutz durch Sendezeitbeschränkungen sich durch alle in § 3 Abs. 2 und 3 RfStV getroffenen Einzelregelungen hindurchzieht, kommt der Gesetzgeber auf den in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV vorgesehenen Jugendschutz „auf andere Weise“ in den weiteren Bestimmungen nicht mehr zurück. Dies legt bereits im Rahmen einer am Wortlaut orientierten Auslegung aller hier in den Blick zu nehmenden Bestimmungen die Wertung nahe, dass die Sendezeitbeschränkung die im allgemeinen übli­che Form des Jugendschutzes bei der Ausstrahlung von Filmen ist, während der Vorsorgetatbestand „auf andere Weise“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV sehr abstrakt gefasst ist und insbesondere den Charakter einer – für künftige techni­sche Entwicklung offenen – Experimentierklausel haben mag. Dies lässt trotz des enger gefassten Wortlauts des § 3 Abs. 4 RfStV die Auslegung zu, dass dort mit „Sendungen, die nach den Absätzen 2 und 3 Sendezeitbeschränkungen unterliegen“ alle Sendungen gemeint sind, welche nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 und 3 RfStV Probleme des Jugendschutzes aufwerfen.

b) Gesetzessystematische Überlegungen weisen in dieselbe Richtung. § 3 Abs. 4 RfStV ist ersichtlich als Annexbestim­mung zu § 3 Absätze 2 und 3 RfStV ausgestaltet: Diejenigen Beschränkungen, die für die Sendungen selbst gelten, sollen auch bezüglich ihrer Ankündigungen verbindlich sein. In § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV stehen Vorsorge aufgrund der Sendezeit und Vorsorge auf andere Weise alternativ nebenein­ander. § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV ist wiederum in Bezug auf FSK-geprüfte Filme eine Konkretisierung der Generalklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 RfStV. Daraus lässt sich schließen, dass dem Jugendschutz bei FSK-geprüften Filmen, ohne dass dies in § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV ausdrücklich nochmals erwähnt werden müsste, durch Vorsorge „auf andere Weise“ Rechnung getragen werden kann. Es ist kein sachlicher Differenzierungsgrund ersichtlich, warum die technische Vorsorge, wenn es derzeit eine geeignete gibt, nur bei nicht FSK-geprüften Filmen als Jugendschutz ausreichen soll (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O. C-0.3 § 3 Rn. 8, 45).

Die bereits rechtssystematisch gebotene Erstreckung der in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RfStV vorgesehenen Vorsorge „auf andere Weise“ auch auf FSK-geprüfte Filme im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV legt es nahe, hinsichtlich der Pro­grammankündigungen (vgl. § 3 Abs. 4 RfStV) entsprechend zu verfahren. Der Anbieter, der „auf andere Weise“ dem für FSK-16- bzw. FSK-18-Filme gebotenen Jugendschutz Rechnung trägt, muss dies auch bei den jeweiligen Programmankündigungen tun. Wahlweise kann er die Trailer auch nach 22.00 Uhr bzw. nach 23.00 Uhr ausstrahlen, wie sich dies aus § 3 Abs. 4 RfStV unmittelbar ergibt. Dass Veranstalter, wenn sie für den Ju­gendschutz „auf andere Weise“ nach Maßgabe der Anforderungen in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV Vorsorge treffen, bei der Ausstrahlung von FSK-16- und FSK-18-Filmen von der Ein­haltung der in § 3 Abs. 2 Satz 3 RfStV vorgesehenen Sende­zeiten befreit sind, obschon die letztgenannte Vorschrift dies nicht ausdrücklich zulässt, belegt im übrigen, dass das gesamte hier in den Blick zu nehmende Regelwerk für eine dem Jugendschutz verpflichtete Auslegung offen ist.

c) Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 RfStV verbieten es, Ankündigungen zu FSK-16- bzw. FSK-18-Filmen vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr unverschlüsselt auszustrahlen.

Nach der amtlichen Begründung soll § 3 Abs. 4 RfStV verhin­dern, dass Anreize für Kinder und Jugendliche geschaffen wer­den, die zu ihrem Schutz eingeführten Sendezeitregelungen zu missachten (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O., § 3 S. 7). Die Begründung bezieht sich zwar ausdrücklich nur auf Sendezeitregelungen, während die Vorsorge „auf andere Weise“ unerwähnt bleibt. Der wesentliche Schwerpunkt der ge­setzgeberischen Intention geht jedoch dahin, zu verhindern, dass der – auf welche Weise auch immer – gestaltete Jugend­schutz im Fernsehen durch Trailerwerbung unterlaufen und ausgehöhlt wird. Das Bestreben des Gesetzgebers ist erkenn­bar darauf ausgerichtet, dass Kinder und Jugendliche nach Möglichkeit gar nicht erst auf Sendungen aufmerksam gemacht werden, die unter Jugendschutzgesichtspunkten problematisch sind. Dieser Absicht des Gesetzgebers läuft die unverschlüs­selte Ausstrahlung von Programmankündigungen zu FSK-16- bzw. FSK-18-Filmen vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr offensichtlich zuwider.

Eine derartige Praxis steht auch nicht in Einklang mit den allgemeinen und speziellen Zielen, die die Bundesländer mit dem ersten Rundfunkstaatsvertrag verfolgt haben, der zum 1. August 1994 in Kraft getreten ist und durch den § 3 Abs. 4 RfStV eingefügt wurde. Den vertragschließenden Län­dern kam es darauf an, durch eine Erweiterung und Verschär­fung der einschlägigen Bestimmungen den Jugendschutz effek­tiv zu verbessern (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O. § 3 Rn. 1 a S. 15). Dem entsprach es, dass Länder sich für die schärfere Variante von zwei alternativen Vor­schlägen zur Ausstrahlung von Trailern entschieden haben (a.a.O. S. 23). Nach ihrem Willen erfüllt Jugendschutz im Fernsehen zwei Funktionen. Einerseits soll er durch entsprechende Vorgaben für die Veranstalter die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung unterstützen. Andererseits soll er dem Umstand Rechnung tragen, dass es soziale Bindun­gen gibt, in denen erzieherisches Handeln nicht oder nur un­zureichend stattfindet (a.a.O. S. 15, 17 f.). Diese doppelte gesetzgeberische Intention wird verfehlt, wenn die Ankündi­gungen zu unter Jugendschutzgesichtspunkten problematischen Filmen zu normalen Tageszeiten unverschlüsselt ausgestrahlt werden. Auf diese Weise wird die Verantwortung dafür, dass Kinder und Jugendliche FSK-16 bzw. FSK-18 gekennzeichnete Filme tatsächlich nicht sehen, entgegen den Intentionen der vertragsschließenden Länder allein den Erziehungsberechtig­ten aufgebürdet. Im Verfahren, das zu dem Rundfunkstaatsver­trag geführt hat, wurde auch durchaus als problematisch an­gesehen, dass die Wirksamkeit technischer- Vorrichtungen zur Einschränkung der Zugänglichkeit bestimmter Sendungen mit der Bereitschaft der Erziehungsberechtigten steht und fällt, dem Fernsehkonsum von Kindern und Jugendlichen überhaupt Schranken zu setzen (a.a.O. S. 25).

Eine Ausnahme zugunsten der Pay-TV-Veranstalter im Rahmen der Trailerwerbung lässt sich nicht mit der Überlegung recht­fertigen, dadurch werde der angeblich im Vergleich zur Sen­dezeitbeschränkung überlegene Schutz der Jugend durch Ver­schlüsselung kompensiert. Der Staatsvertrag geht von einer derartigen Wertung offensichtlich nicht aus. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob die von der Klägerin praktizierte und von der Beklagten – in Übereinstimmung offenbar mit den Landesmedienanstalten aller anderen Bundesländer – anschei­nend bei zurückhaltendem Gebrauch derzeit als hinreichende Vorsorge akzeptierte Verschlüsselung auch künftig den Anforde­rungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV genügt, wonach jede Art der Vorsorge bewirken muss, dass Kinder und Ju­gendliche der betroffenen Altersstufen die Sendungen üb­licherweise nicht wahrnehmen. Jeden­falls kann keine Rede davon sein, dass der Staatsvertrag die Vorsorge „auf andere Weise“ im Vergleich zu derjenigen durch Sendezeitbeschränkungen als überlegen wertet. Das ist nicht der Fall. Während er in § 3 Abs. 2 RfStV bezüglich der dort erfassten Filme beide Varianten des Jugendschutzes möglicher­weise als hinreichend effektiv in Betracht zieht, lässt er in § 3 Abs. 3 RfStV für den Bereich der mit indizierten Schrif­ten inhaltsgleichen Sendungen den gebotenen Jugendschutz ausschließlich durch Sendezeitbeschränkung zu. Für die unter Jugendschutzgesichtspunkten besonders „harten“ Filme hält er somit jegliche Vorsorge „auf andere Weise“ für unzureichend und folglich den Schutz durch die Sendezeitbeschränkung für verlässlicher. Erfahrungssätze, die eine für die Klägerin günstigere Wertung geböten, sind nicht ersichtlich.

Zum gleichen Ergebnis führen Überlegungen, die das durch Sendezeitbeschränkungen beschriebene Niveau des Jugendschut­zes in § 3 Abs. 2 und 3 RfStV zum Ausgangspunkt nehmen. Der Vertrag legt in § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, Satz 3, Abs. 3 Satz 1 RfStV jeweils zugrunde, dass eine Sendezeit zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr Gewähr dafür bietet, dass Kinder und Jugendliche die fraglichen Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen. Der Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erstreckt sich auch auf Programmankündigungen, die als sol­che im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kin­dern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen. Obwohl der Staatsvertrag bei Einhaltung der genannten Sendezeit von ei­nem geeigneten Wahrnehmungshindernis ausgeht, hat er das da­durch erreichte Schutzniveau nicht für ausreichend erachtet. Er hat vielmehr § 3 Abs. 4 RfStV um eine Vorschrift ergänzt, welche die Sendezeitbeschränkung auf „neutrale“, d.h. nicht selbständig jugendgefährdende Programmankündigungen mit Be­wegtbildern erstreckt. Damit hat der Gesetzgeber – bezogen auf die erste Variante des Jugendschutzes im Rundfunk – ein Regelwerk geschaffen, welchem zu entnehmen ist, dass er ein geeignetes Wahrnehmungshindernis nur dann als gegeben an­sieht, wenn die Sendezeitbeschränkungen für Hauptsendungen und Trailer gleichermaßen gelten. Die Jugendschutzvorsorge für die Sendung und deren Ankündigung stellt somit eine Ein­heit dar, die erst in der Addition beider Elemente das geforderte „üblicherweise“ greifende Wahrnehmungshindernis ergibt. Für die Annahme, dass der Ver­trag dasselbe nicht auch für die zweite Variante des Jugend­schutzes anordnen wollte, sind tragende Gründe nicht er­sichtlich; sie stünden zudem nicht im Einklang mit § 3 Abs. 3 RfStV, woraus sich – wie dargelegt – ergibt, dass er die Vorsorge „auf andere Weise“ derjenigen durch Sendezeit­beschränkung nicht als überlegen und bei Sendungen auf der Grundlage indizierter Schriften nicht einmal als gleichwer­tig ansieht.

d) Erfüllt eine heute vorhandene Vorsorgetechnik als eine solche „auf andere Weise“ die Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RfStV, so verbietet sich der Einwand, die Erstreckung jener Technik auf die Trailer sei zum Jugend­schutz ungeeignet. Folgerichtig beanstandet der angefochtene Bescheid, welchem die Auffassung der Beklagten von der Vereinbarkeit der Verschlüsselungspraxis der Klägerin mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Abs. 1 RfStV zugrunde liegt, lediglich, dass diese die Programmankündigungen zu FSK-16- bzw. FSK-18-Filmen unverschlüsselt ausstrahlt. Wenn die Klägerin die Eignung verschlüsselter Programmankündigungen für den Ju­gendschutz mit der Überlegung bezweifelt, die Erziehungsberechtigten müssten das gesamte Tagesprogramm auf mögliche Programmhinweise innerhalb altersgemäßer Sendungen kontrol­lieren, um der Anreizwirkung durch unverschlüsselt ausge­strahlte Trailer entgegenwirken zu können, so ist dies nicht überzeugend. Die Verschlüsselung der Programmankündigungen in der Zeit vor 22.00 Uhr dient zunächst in all den zahlrei­chen Fällen den Belangen des Jugendschutzes, in welchen ein Decoder im Haushalt nicht zur Verfügung steht; in diesen Fällen erhalten die Kinder und Jugendlichen jedenfalls über das Fernsehgerät im elterlichen Haushalt keinen Anreiz, die fragliche Sendung bei Bekannten oder Freunden anzuschauen. Die Verschlüsselung der Trailer unterstützt ferner diejeni­gen Eltern, welche – in welcher Zahl auch immer – sich aus der Sicht der Klägerin „normgerecht“ verhalten, indem sie bei Nichtgebrauch den Mikrochip unter Verschluss halten und ihren Kindern nur erlauben, ausgesuchte, unter Jugendschutz­gesichtspunkten unbedenkliche Filme anzusehen. Schließlich nutzt die Verschlüsselung der Trailer auch unter den hier zu berücksichtigenden Umständen dem Jugendschutz. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfolgen die Programmankündigungen bei der Klägerin in Form von Sendeblöcken, nämlich im Rahmen der täglich zu festen Sendezeiten ge­sendeten Programmvorschau „Premiere – Das Programm“. Diese Verfahrensweise ermöglicht es verantwortungsbewussten Eltern, zu den genannten Zeiten jeweils den Mikrochip abzuziehen mit der Folge, dass die Kinder nur noch den unverschlüsselten und unter Jugendschutzgesichtspunkten unproblematischen Teil der Programmvorschau ansehen können.

e) Die hier befürwortete Anwendung des § 3 Abs. 4 RfStV be­gegnet mit Rücksicht auf § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 RfStV keinen Bedenken.

Allerdings gilt für Bußgeldtatbestände, wie sich aus § 3 OWiG herleiten lässt, das Analogieverbot (vgl. KK OWiG-Rogall § 3 Rn. 51 ff.; Meier, OWiG, § 3 Rn. 3; Göhler, OWiG, 11. Aufl. 1995 § 3 Rn. 9). Das vorstehende Ergebnis, wonach § 3 Abs. 4 RfStV auch auf die Trailerwerbung im Pay-TV anzu­wenden ist, wurde jedoch durch Auslegung, nicht im Wege der Analogie gewonnen. Selbst wenn aber die hier befürwortete Deutung des § 3 Abs. 4 RfStV die Grenze zur Analogie bereits erreichte, so wäre dies im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn das Analogieverbot hätte lediglich zur Fol­ge, dass der bei analoger Anwendung des § 3 Abs. 4 RfStV festzustellende Rechtsverstoß nicht bußgeldbewehrt wäre, der Bußgeldtatbestand des § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 RfStV somit nicht zum Zuge käme. Davon unberührt bleibt jedoch die Er­mächtigung der Rundfunkaufsicht, den Rechtsverstoß festzu­stellen, einen auf künftige Unterlassung gerichteten Verwal­tungsakt zu erlassen und diesen notfalls mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Dies behält auch ohne eine Bußgeldsanktion seinen Sinn. Vorrangiges Ziel des Jugend­schutzes ist es nämlich, den Eintritt von Gefahren zu ver­hindern, nicht aber, nach Eintritt eines Schadens den Ver­antwortlichen zu verfolgen. Der Jugendschutz bedarf in er­ster Linie wirkungsvoller Präventivmaßnahmen, um erkannte Gefahrenquellen rechtzeitig auszuschalten; ob jene ihrer­seits durch repressive Maßnahme ergänzt und verstärkt wer­den, ist von sekundärer Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 – 1 BvL 25.61 u.a. – BVerfGE 30, 336, 350).

f) Die vorbezeichnete Auslegung des § 3 Abs. 4 RfStV ver­letzt nicht das Grundrecht der Klägerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Zwar kann sich die Klägerin auf die Rundfunkfreiheit beru­fen, auch wenn der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG le­diglich die Freiheit „der Berichterstattung“ durch Rundfunk und Film gewährleistet. Es ist anerkannt, dass die Rundfunk­freiheit in gleicher Weise für rein berichtende Sendungen wie für Sendungen anderer Art gilt. Jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung. Eine Fernsehanstalt kann sich grundsätzlich für jede Sendung zu­nächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, gleichgültig, ob es sich um politische Sendungen, kritische Auseinandersetzungen mit anderen die Allgemeinheit interes­sierenden Fragen oder um kabarettistische Programme oder an­dere Unterhaltungssendungen handelt (BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 – 1 BvR 536.72 – BVerfGE 35, 202, 222 f.).

Durch das an die Klägerin gerichtete Verbot, auf FSK-16- bzw. FSK-18-Filme vor 22.00 Uhr unverschlüsselt hinzuweisen, wird in die Freiheit ihrer Programmgestaltung eingegriffen. Dieser Eingriff findet jedoch seine Rechtfertigung in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen die hier in Rede stehenden Regelungen in § 3 RfStV zählen. Dieses verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse berechtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, durch welche der Jugend drohende Gefahren abgewehrt werden. Derar­tige Gefahren drohen auf sittlichem Gebiet von allen Druck-, Ton- und Bilderzeugnissen, die Gewalttätigkeiten oder Ver­brechen glorifizieren, Rassenhass provozieren, den Krieg ver­herrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deswegen zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können. Der Gesetzgeber kann deshalb Maßnahmen treffen, durch die der freie Zugang Jugendlicher zu solchen Erzeugnissen unter­bunden wird (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 – 1 BvL 25.61 u.a. – BVerfGE 30, 336, 347). Die Modalitäten, unter denen Erwachsene von ihrer Informationsfreiheit Gebrauch ma­chen können, dürfen insoweit Einschränkungen erfahren. Für Gewaltdarstellungen ist überwiegend anerkannt, dass sie ag­gressionsanregend zu wirken und die Hemmschwelle für aggres­sive oder kriminelle Verhaltensweisen herabzusetzen vermö­gen, zumal wenn sie beim Betrachter auf bestimmte Prädispo­sitionen treffen. Dargestellte Formen aggressiven Verhaltens können selbst bei Erwachsenen und erst recht bei Kindern Angstgefühle und Angstreaktionen auslösen; von Kindern kön­nen sie gelernt und über einen längeren Zeitraum im Gedächt­nis behalten werden (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1986 – 2 BvR 1499/84 u.a. – NJW 1986, 1241, 1242). Ein wirkungs­voller Jugendschutz verlangt auch den Ausschluss der so genannten neutralen Werbung, die an sich nicht jugendgefähr­dend ist und auf den jugendgefährdenden Charakter des ange­botenen Erzeugnisses nicht hinweist (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1986 a.a.O.). Eine derartige Werbung muss nämlich notwendigerweise auch den geschützten Kreis der Jugendlichen erreichen und übt in diesem Falle einen werbeimmanenten, dem Jugendschutz zuwiderlaufenden Anreiz aus. Eine neutrale Wer­bung macht außerdem Jugendliche auf das Vorhandensein von Erzeugnissen mit jugendgefährdendem Inhalt aufmerksam und vergrößert die Zahl der Jugendlichen, die sich mit Erfolg um eine Begegnung mit diesen Erzeugnissen bemühen (BVerwG, Ur­teil vom 8. März 1977 – BVerwG 1 C 39.77 – Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 11 S. 8).

Das in § 3 Abs. 4 RfStV normierte Verbot, mit FSK-16 bzw. FSK-18 gekennzeichnete Filme vor 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr mit Bewegtbildern anzukündigen, dient den beschriebenen Be­langen des Jugendschutzes. Dessen Effektivität wird grundle­gend in Frage gestellt, wenn Pay-TV-Anbieter berechtigt sind, für Filme jenes Typs vor 22.00 Uhr unverschlüsselt zu werben. Der dadurch erzeugte Anreiz verliert – wie darge­legt – seine jugendgefährdende Wirkung nicht nennenswert da­durch, dass die Filme selbst verschlüsselt ausgestrahlt wer­den. Hinter die Belange des Jugendschutzes, welche die hier befürwortete Auslegung des § 3 Abs. 4 RfStV gebieten, müssen die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und anderer Pay-TV-Anbieter daran, durch unverschlüsselt ausgestrahlte Programmankündigungen Abonnenten zu gewinnen, zurücktreten.

g) Die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) ist nicht berührt. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid nicht gehindert, weiterhin Pay-TV zu veranstalten. Es geht um eine bloße Berufsausübungsregelung, die mit Rück­sicht auf die genannten Belange des Jugendschutzes als ver­hältnismäßig anzusehen ist (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Al­lerdings können auch Berufsausübungsregelungen auf das Recht zur freien Berufswahl zurückwirken, wenn sie wegen ihrer Folgen eine sinnvolle Ausübung eines Berufs faktisch unmög­lich machen (BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 1973 – 1 BvR 459/72 u.a. – BVerfGE 36, 47, 58; Urteil vom 3. November 1982 – 1 BvL 4/78BVerfGE 61, 291, 309). Hierfür ist indessen nichts ersichtlich. Der Klägerin stehen eine Fülle alternativer Werbemethoden zur Verfügung. Sie kann nach 22.00 Uhr bzw. 23.00 Uhr Programmankündigungen für die hier in Rede stehenden Filme ausstrahlen. Diese Möglichkeit bleibt auch dann effektiv, wenn die Filme nach der – im vor­liegenden Verfahren nicht zur Beurteilung anstehenden – Pro­grammkonzeption der Klägerin bereits vor 22.00 Uhr laufen sollen. Der Klägerin ist es unbenommen, auf solche Filme am vorhergehenden Abend hinzuweisen. Dies ist im Übrigen auch Praxis der Anbieter im Free-TV. Ferner kann die Klägerin für ihr Programm in anderen Medien werben, z.B. durch Plakate, Zeitungsanzeigen usw., und sie tut dies offenkundig auch.

h) Für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits unerheb­lich ist, ob die im angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 31. März 1995 beanstandeten Trailer ihrem Inhalt nach selbst den Belangen des Jugendschutzes zuwiderliefen. Denn in in­haltlicher Hinsicht unterliegen die Programmankündigungen selbst den Jugendschutzbestimmungen in § 3 Absätze 2 und 3 RfStV. § 3 Abs. 4 RfStV ist insoweit nicht einschlägig, wie in der amtlichen Begründung ausdrücklich klargestellt wird (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O. § 3 S. 7). Ein unmittelbarer Verstoß gegen § 3 Abs. 2 RfStV wird jedoch im Tenor des angefochtenen Bescheides vom 31. März 1995 nicht festgestellt. Soweit einzelne Trailer in den Gründen jenes Bescheides auch inhaltlich kritisiert werden, hat dies im Entscheidungsausspruch nicht gesondert Eingang gefunden. Von der Irrelevanz jenes Aspektes gehen im Übrigen die Be­teiligten ausweislich ihrer Ausführungen im Revisionsverfah­ren übereinstimmend aus.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsver­fahren auf 50 000 DM festgesetzt.

Gründe

:

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG und entspricht der Hälfte des Gewinnbetra­ges, den die Klägerin im Schriftsatz vom 19. Mai 1995 (13 VG 2094.95) angeführt hat.

Via http://www.technolex-anwaelte.de/index.php?id=43&news_id=89

Weitere Fundstellen: BVerwGE 106, 216; NJW 1998, 2690; K&R 1998, 309; MMR 1998, 548; ZUM 1998, 584.

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