BVerfG, Urteil v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 851/07
Die finanzielle Belastung des Beschwerdeführers durch eine – vorläufige – Zahlung der Rundfunkgebühr bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache ist nicht derart hoch, dass sie den erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch eine einstweilige Aussetzung des Gesetzesvollzugs aufwiegen könnte.
Im Namen des Volkes
Urteil
Aktenzeichen: 1 BvR 851/07
Verkündet am: 2007-06-13
gegen § 11 Abs. 2 des Achten Rundfunkgebührenänderungsstaatsvertrags vom 8./15. Oktober 2004, in Kraft getreten zum 1. April 2005 mit Rechtswirkung zum 1. Juli 2007
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 13. Juni 2007 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller die sofortige Aussetzung der die Gebührenpflicht für Internet-Rechner betreffenden Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) in der Fassung des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 8. bis 15. Oktober 2004 (GVBl Nordrhein-Westfalen 2005, S. 192).
Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei – wie hier – offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die angegriffene Norm nicht in Kraft träte oder außer Vollzug gesetzt würde, sie sich aber im Hauptsacheverfahren als verfassungsgemäß erweisen würde.
Wegen der meist weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab. Soll der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden, so erhöht sich diese Hürde noch, weil hiermit stets ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verbunden ist. Die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, müssen daher bei Gesetzen besonderes Gewicht haben (stRspr; vgl. BVerfGE 108, 45 <48 f.>).
Die danach maßgebliche Folgenabwägung ergibt vorliegend, dass die Nachteile, die bei einer Aussetzung des Vollzugs der angegriffenen Vorschrift eintreten würden, schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen, welche diese Regelung für den Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache hat, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird. Die finanzielle Belastung des Beschwerdeführers durch eine – vorläufige – Zahlung der Rundfunkgebühr bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache ist nicht derart hoch, dass sie den erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch eine einstweilige Aussetzung des Gesetzesvollzugs aufwiegen könnte.